(Beilage Sonnabend, 2. August 1930
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J)a,s IPetßtecften im Iticneich Tlaturfch�cnhcfia�ttictic Studie/ V™ Han* Hyan
Der Forscher Büchner schreibt in seinem„Geistesleben der Tiere' von diebischen Bienen, welche massenweise mit Honig gefüllte Bienenstöcke überfallen, Schildwachen und Insassen überwältigen, d. h. zum großen Teil töten, dann die Honigvorräte rauben und in ihre eigenen Stöcke schaffen. Das gelingt ihnen durchaus nicht immer. Sie finden manchmal so tatkräftigen Wider- stand, daß sie wie«in geschlagenes Heer in voller Flucht abziehen. und trotzdem gewöhnen sie sich gerade wie Menschen, wenn sie erst einmal Uebeltaten begangen haben, so an ihre Raubzüge, daß nicht ollein die Insassen dieses«inen räuberischen Stocks ihre Beute- züge wiederholen, nein, daß diese kkeinen geflügelten Ver- brecher eine wahre Propaganda machen und immer mehr Raub gesellen mit sich führen. Es kommen so richtige Ko- lvnien von Raubbienen zusammen. Allerdings gibt ez auch Einzel- Individuen aus sonst ganz friedlichen Stöcken, die auf Diebstahl ausgehen und die durch ihr vorsichtiges und schüchternes Wesen deutlich zeigen, daß sie sich des Unrechts ihrer Tätigkeit voll bewußt sind.... Affen sind außerordentlich diebisch veranlagt. Es ist vor einigen Jahren gegen«inen Straßenmusikanten verhandelt worden, der, wie man das häufig sieht, auf seinem Leierkasten einen oder zwei Affen mit sich führte; ein Italiener, der es verstand, seine Affen zum Stehlen abzurichten. Di« Tier« waren in der Tat an den Hausmauern und Ballonen hinaufgeklettert, in die Wohnungen geschlichen und hatten dort Wertsachen, Gold und Edel- steine gestohlen. Jeder Dresseur, der Intelligenz und Talent zu seinem Beruf besitzt, lauscht seinen Tieren ihr« Grundneigungen und Fähigkeiten ab(wie z. B. der Abrichter von Seelöwen die außer- ordentliche Lebendigkeit des Tierholses benutzt, um Jongleur« aus ihnen zu machen) und verbindet diese Eigenschaften mit seinen Zwecken. Macht man nun«ine solche asoziale Neigung im Tiere konstant, so bildet sich eine vollkommen verbrecherische Anlage heraus, die man das ist hochinteressant!— durch den Genuß von Narko- t i k a enorm steigern kann. Der erwähnt« Forscher Büchner hat
es fertig gebracht, die Neigung seiner Bienen zum Diebstahl auch bei den Individuen künsstich hervorzurufen, bei denen sie bisher nicht bestand. Er setzte ihnen Honig, gemischt mit Branntwein, als Futter vor. Gerade wie beim Menschen wächst die Vorliebe für dieses Gcnußmittel bei den Tieren sehr schnell. Die Bienen wurden aufgeregt, trunksüchtig und hörten auf zu arbeiten. Wenn sie hungrig wurden, kamen sie ganz von selbst(wie auch der italienische Forscher Ferri berichtet) auf das Stehlen. Versetzt man Ameisen in Chloroform- Narkose, so werden sie am ganzen Körper unbeweglich mit Ausnahme des Kopfes und beißen wütend nach ollem, was sich ihnen nähert. Um noch einmal auf die Affen zurückzukommen, so erzählte mir«in alter Afrikaner, der viele Jahre lang Pflanzer in unseren Kolonien war. daß besonders bei den Pavianen ein unfern Einbrechern konformes Vorgehen bei ihren Diebereien zu beobachten gewesen wäre. Di« Paviane leben an sich in Familien, denen die ältesten und stärksten Männchen vorstehen. Hatten sie nun einen Plünderungszug in eine besonders lockende Fruchtpflanzung vor, so taten sich ein« Anzahl solcher Familien bis zu mehreren hundert Individuen zusammen. Dann wurden einige wenige, oft auch nur ein einziger von den ältesten und erfahrensten Männchen ausgewählt, der ganz allein voranging, um das Terrain auszukundschaften— was wir nennen würden: ein richtiger B a l- dower. Danach werden an den gefährlichsten Punkten, wo die Ueberraschung durch Menschen besonders drohend erscheint, Schild- wachen aufgestellt. Und nun rücken die Paviane nicht etwa ge- schlössen vor. sondern sie bilden lange Ketten, von denen die vordersten Tiere den hinter ihnen stehenden die Früchte zuwerfen. während die letzten der Kette alles, was nicht sofort ins Maul gesteckt wird, in ein gemeinsames Versteck bringen. Gibt die Schild- wache ein Signal, so lösen sich die Ketten, die Paviane stieben in wüdcr Flucht davon, aber jeder hat noch eine Frucht im Maul, «ine unter der Hand und unter die Achselhöhle geklemmt; erst jverm die Sache ganz brenzlich wird, Wersen sie die unter der Achsel
und die in der Hand weg. Was sie im Maule haben, behalten sie auf jeden Fall. In Abessinien werden wenig Rinder— wohl des bergig zerklüfteten Landes wegen—, aber desto mehr Ziegen gehalten. Die Hirten bemerkten, daß die Ziegen die bohnenartige Frucht eines Strauches, die sehr angenehm duftete, frohen. Danach wur- den sie munterer, hüpften und jagten sich, singen aber nach ver- mehrtem Genuß an, streitsüchtig zu werden und lieferten sich so oft erbitterte Kämpfe. Jetzt untersuchte man diese Frucht und entdeckt« den dort wildwachsenden Kasseestrauch. Es ist nicht un- bekannt, daß die in Südamerika , besonders in Chile sehr häufigen Navajakämpfe nur dadurch möglich werden, daß man den Kämpfern ein Gemisch von Haschisch und Opium mit Wein ge- mengt zu trinken gibt. Es soll diese Methode ein« mörderische Wut im Individuum entflammen. Bei der Sekte der Assassinen , die im Orient alz Mörder bekannt sind, ist dieser Rauschokt ebenso beliebt. wie bei den Amokläufern auf Sumatra . In Chile lassen sich zu einem solchen Navajakampfe die beiden Duellanten mit den Beinen sitzend ,an einen Balken binden, so daß nur ihre Oberkörper frei bleiben und die Kämpfenden sich sonst nicht voneinander entfernen können. Die Navaja ist ein bis zu einem Visrtelmeter langes Messer, haarscharf geschliffen und vorn in eine sechs Zentimeter
lange Nadelspitze auslaufend. Mit dieser furchtbaren Waffe bear» beitcn sich die Duellanten, die keineswegs ein« Beleidigung aus- fechten, sondern einfach für Geld losgehen, so lange bis einer von ihnen oder alle beide aus den schrecklichsten Wunden sein Blut ver- strömend am Platze bleibt. Ich habe in New Park vor einer Reihe von Jahren Hunde gesehen, die man durch eine ähnliche Mischung eines alkoholisch riechenden Getränkes in eine so irrsinnige Wut versetzt«, daß die Tiere sich einfach gegenseitig zerrissen. Und das gleiche geschieht auch heut« noch aus Sumatra und den anderen Inseln des Indischen Archipels. Dort züchtet man die sogenannten Kampshähn«. Der Hahn wird, wenn er das erforderliche Alter erreicht hat, in ein ganz enges bambusgeflochtenes Behältnis ein- gefetzt und bekommt nun ein Futtergemisch, das aus gemahlenen Körnern, Cayennepfeffer und Reisbranntwein besteht. Die Tier«, denen man die Sporen wie Dolche anschleift oder ihnen Stahl- dolche auf die Sporen steckt und die man nach dem Prinzip einer Zuchtwahl auf absoliKen Mord und äußerste Kampflust züchtet, gehen bedingungslos gegeneinander an, so wie sie an einen Gegner gebracht werden. Di« Malaien sehen in diesen Hahnenkämpfen ihren liebsten Sport. Bei den großen Matshes. die zu gewissen Jahreszeiten überall im Lande abgehalten werden, bringen die Liebhaber ihre Tiere in Menge zusammen. Die Hähne kämpfen im Anfang zu vielen Paaren auf einem großen freien Platze nebeneinander. Die Sieger, die beinah« immer die allein Ueberlebenden sind, werden nun wieder paarweise aneinan- dergebracht und so bleibt am Ende in einem wahren Leichen- felde von Kampfhähnen einer oder wenige als Sieger übrig. Die Malaien verwetten dabei oft ihr ganzes Hab und Gut und geraten nicht fetten bei i-hrem Wettstreit selber in tödlich verlausende Kämpfe. Hier liegt ein Beispiel vor, daß man durch Zuchtwahl, ge- eignete Fütterung und anfeuernden Wettkampf Tiere zu ge- borenen Mördern machen kann. Ein« Parallele dazu bilden ja die S t i« r k ä m p f«, bei denen die Toros auch oft derartig mordlustig sind, daß sie jedem Wesen das Horn in die Flanke rennen. Als in den und nach den Abolitionskriegen in Amerika den südamerikanischen Pflanzern die Sklaven massenweise ent- flohen, dressierten die Herren ihr« Bluthunde derart, daß die Tiere jeden Schwarzen, der ihnen in den Weg kam, niederrissen und töteten. Ganz ähnlich haben es die Franzosen auf St. Do» mingo gemocht, wo sie die Indiander ausrotten wollten und sich zu diesem Zweck der Bordeauxdoggen bedienten, die die armen Indios tatsächlich auffraßen...- Ich kannte einen Maler, der nahe bei Berlin ein Häuschen be- saß, wo er mit seinen fünf Kindern auch so eine Art Indianerleben lebt. Der Mann besaß einen weißen, nicht sehr großen und auch nicht sehr starken T e r r i« r. Da dieser Hund nicht gefüttert wurde l
und sich selbst oersorgen mußte, war er zu einem ausgesproche- nen Räuber und Mörder geworden. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie das klein« weiße Tier sich Wintertags an der vereisten Ackerscholle entlang schob wie eine Schlange und sich so mit einer satanischen Schlauheit einem Flug Krähen näherte: und diese so überaus vorsichtigen schlauen Vögel merkten und sahen nichts von der Annäherung des doch obenein weißleuchtenden Hundes- bis er plötzlich, ein glänzender Ball, durch die Luft flog und eine von den Teufelstauben sich flügclfchlagend mft ihrem Mörder auf dem Acker wälzte, um bald genug bis auf ein paar Federn im Magen des Terriers zu verschwinden. Aber dieser Hund übertrug seine Mordlust auf jedes Tier. Nicht allein, daß er den Hasen be- schlich, einer Ziege an die Gurgel sprang, die nur mit Mühe ge- rettet wurde, er griff auch jeden Hund an, selbst viel größere als er selber ottaquierte er und hing so überraschend am Kehlgrisf am Halse des anderen, daß dieser fast ohne sich zu wehren endete. Der Hund wurde schließlich von einem Förster, der ihn an Rehen jagend abfaßte, erschossen. Aber nicht nur das Verbrechen des Mordes oder Diebstahls wird von den Tieren begangen, auch die Sexualverbrechen sind außerordentlich häufig bei ihnen. Der R e h b o ck wird ebenso wie der H i r s ch in der Brunst von einer leidenschaftlichen Wut gefaßt und mißhandelt dann nicht nur die Ricke, sondern auch seine Rivalen oft derartig, daß sie auf dem Platze bleiben. Der Trut- h a h n wird in der Balzzeit manchmal förmlich rasend. Man muß die Hennen entfernen, um sie nicht zu verlieren. Aber ein mir bekannter Brauer besaß einen Hahn, dem man sich in dieser Zeit nur mit einem tüchtigen Knüppel nähern konnte. Er griff auch die ihm bekannten Menschen an mit Schnabel , Krall « und Flügel- schlägen. Besonders Kinder wurden von ihm arg gefährdet. Es gibt männliche Tauben, die obwohl Tauben im oll- gemeinen monogam sind, sich mit einem Weibchen nicht begnügen. Ich selbst besaß einen schwarzen Pfouentäuber, der in ein benoch- bartes Gehöft flog, dort in den Taubenschlag drang und voller Wut einen auf seinem Nest sitzenden und brütenden weißen Täuber
diese rote Taube herumgurrcn gesehen. Es war gar kein« Frag«, daß es sich hier um«in Attentat der Eifersucht handelte. Der angegriffene weiß« Täuber verlieh unter den Schnabelhieben des meinen fein Nest. Der Sohn des Nachbars hat den Kampf zufällig beobachtet— und beide erhoben sich kämpfend in die Luft. Die Federn flogen nur so. Aber es dauerte gar nicht lange, da beteiligten sich noch zwei andere Täuber aus dem Nachbar- schlag an dem Kampf der Rivalen, und mein Täuber wurde in die Flucht geschlagen.... Auch Notzuchtverbrcchen hat man vielfach bei den Tieren beobachtet. Die männlichen Ameisen, wenn sie keine Weibchen haben, mißbrauchen(wie Hubcr berichtet) häufig die Ar- beitcramcisen, die bei dem rudimentären Zustand ihrer Geschlechts- organe beschädigt werden und zugrunde gehen. Im Turiner zoolo- gischen Museums wurden zwei gepaarte männliche Maikäfer im mumifizierten Zustande aufbewahrt... Brehm erzählt, daß männliche Störche die Jungen oft vor den Augen der Mutter töten.. Bon einem Landwirt erfuhr ich, daß ein Storchenweibchen, das den Ehegatten hintergangen hatte, als es wieder auf der Wies« zu den übrigen flog, von diesen durch Schnabelhiebe fast geötet wurde. Ilnd ich habe selbst einen starten Bauernhahn beob- achtet, der ein noch nicht sechs Wochen altes Hühnchen mehrmals hintereinander vergewaltigte, so daß dos ohnehin sehr geringe Tierchen einging. Das Verbrechen des Betruges, wenn man es so nennen darf, ist bei den Tieren sehr häufig. Pferd« und Hund«, die sich lahm stellen, weil sie bestimmte Wege nicht machen wollen, kommen vielfach vor. Ich selber habe einen Jagdhund gekannt, der, wenn die Jäger abends noch der Hühnerjagd ins Dorf wollten, immer wieder ins Feld lief, um durch falsches Vorstehen vor Hühnern einen Weidmann, der seinen Trick noch nicht kannte, zum Weiterjagen zu veranlassen.... Solche Beispiele von menschenähnlichen kriminellen Anlagen und Ausübungen von Verbrechen ließen sich unendlich erweitern