Morgenausgabe
Nr. 363
A 183
47.Jahrgang
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Mittwoch
6. August 1930
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Neun Nationalsozialisten verurteilt, Kartelle und Krife.
Gefängnisstrafen wegen schwerer Körperverletzung.
richt hielt die beiden Angeklagten des Verbrechens gegen das Sprenge ftoffgesetz in Tateinheit mit Vorbereitung zum Hochverrat für über führt und nahm ferner bei Ripphausen schweren Diebstahl an, zu dem ihn Kohnen angeſtiftet habe.
Das erweiterte Schöffengericht verurteilte neun Nationalfozialiften, die an dem Ueberfall auf eine Reichsbanner. gruppe am 14. Juli beteiligt waren, zu Gefängnisstrafen von sechs Wochen bis zu fieben Monaten. Die Zeugenausfagen daß bei dem hier angenommenen Borliegen eines Sprengstofftom Die auffallende höhe der Strafe erfläre sich daraus, ergaben, daß die Angeklagten bei den Zusammenstößen die An- ploits nach§ 6 des Sprengstoffgesetzes auf eine Mindest strafe greifer waren. Die Anklage lautete auf schwere Körperverletzung. von fünf Jahren Zuchthaus erkannt werden müsse, über die der Gerichtshof hinausgehen zu müssen glaubte, mit Rücksicht auf die Zuchthaus für Sprengstoffdiebstahl. besondere Gemeingefährlichkeit der geplanten Verbrechen, durch die mitten im Frieden andere Personen an Leib und Leben gefährdet werden sollten.
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Zugleich Vorbereitung zum Hochverrat.
Der 4. Straffenat des Reichsgerichts verurteilte heute wegen Hochverrats und Sprengstoffvergehens den 31jährigen, verheirateten Fabritarbeiter und kommunistischen Stadverordneten Hubert Kohnen zu sechs und den ledigen, dreimal wegen Diebstahls und Unterschlagung vorbestraften Schlosser Peter Ripp= hausen zu fünf Jahren Zuchthaus, von den Strafen gelten vier bzw. zwei Monate als durch die Untersuchungshaft verbüßt. Ferner wurden beiden, aus Eschweiler stammenden Angeklagten die bürger lichen Ehrenrechte auf die Dauer von fünf Jahren aberkannt.
Sie waren im März dieses Jahres unter dem Verdacht der Borbereitung zum Hochperrat und der Abrede eines Sprengstoff
fomplotts verhaftet worden, nachdem Ripphausen auf seiner damaligen Arbeitsstelle, einer Eschweiler Grube, Sprengpatronen, Sprengtapfeln und 3ündschnüre entwendet hatte, die von beiden Angeklagten gemeinschaftlich in einem Walde nahe Eschweiler pergraben und dort von der Polizei aufgefunden wurden. Das Ge
Röchling als Matter.
Die Schwerindustrie foll Staatspartei und Volkspartei zusammenbringen.
Der schwerindustrielle Kommerzienrat Röchling- SaarKommerzienrat Röchling- Saarbrücken, der seit Jahren immer wieder das Bedürfnis hat, irgend eine politische Rolle zu spielen, hat sich in dem Krach zwischen Deutscher Staatspartei und Deutscher Volkspartei höchst persön lich und dazu telegraphisch als Vermittler angeboten. Sein Telegramm an die Herren Scholz und Höpfer- Aschoff als Vertreter des Herrn Koch lautet:
,, Unter Hinweis auf die Vorschläge der Kölnischen Zeitung " habe ich mich bereit erflärt zur Bermittlung zwischen Volkspartei und Staatspartei, wenn beide Teile mich darum an= gehen sollten."
Inwieweit die Deutsche Volkspartei und die Deutsche Staatspartei Herrn Röchling ,, angehen" werden, wissen wir nicht. Röchling ist ein schwerindustrieller Unternehmer, der den Arbeitern mit dem ausgesprochenen Herrn- im- Hause- Standpunkt gegenübertritt. Infofern fann über die Tendenz seiner Bermittlerabsicht kein Zweifel bestehen.
3ft Mahraun Antisemit? Der Jungdeutsche Orden als arische Parteizelle. Der Mitbegründer der Staatspartei, Herr Arthur Ma hraun, arbeitet eifrig an der Ummertung aller Werte und aller politischen Begriffe. Er ist ungemein fruchtbar, hat er doch spielend die Aufgabe gelöst, zugleich Antisemit und Philosemit zu sein. Das ist sehr einfach: für die Jungdeutschen ist er rassenstreng, für die Staatspartei aber von marimaler Toleranz in Raffenfragen. Er hat in seinem Blatte einen Auffaz veröffentlicht: Meine Stellung zum Judentum." Wie alles Jungdeutsche, zeichnet sich der Aufsatz dadurch aus, daß der Nachsatz immer den Vordersatz aufhebt. Herr Mahraun erklärt:
" Verschiedene Zeitungen veröffentlichen einen Brief, in dein ich einem besorgten Freunde die Versicherung abgab, daß sich die Boltsnationale Reichsvereinigung selbstverständlich energisch gegen alle diejenigen Juden zur Wehr sehen werde, welche an den Grundsäzen unserer christlichen und deutschen Kultur rütteln wollen. Andere Zeitungen bezeichnen das Vorhandensein des jogenannten Arierparagraphen, der eine der Grundlagen des Jungdeutschen Ordens ist, als Antisemitismus. Der Jungdeutsche Orden läßt an dieser Grund lage feiner Mitgliedschaft nicht rütteln." Das ist doch klar und entschieden! Sofort erklärt Herr Mah. raun hinterher:
„ Unbeschadet unserer völkischen Gesinnung bekämpfen wir schon aus Gründen der nationalen Einheit und Befriedung Des deutschen Bolkes den bemagogischen Antisemitis
mus unserer Zeit."
Welch ein feiner Unterschied zwischen Antisemitismus und demagogischem Antisemitismus"! Die jüdischen Mitglieder der Deutschen Staatspartei find zur Bartei zugelassen. In ihrer Partei
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Nationalsozialisten, ehemals Kommunisten, unter Anflage.
Zeit, 5. Auguft.( Eigenbericht.)
Am Montag standen vor dem Amtsgericht Zeit fünf National. sozialisten unter der Anflage schwerer Körperverlegung. Von den fünf Angeklagten waren nicht weniger als vier wegen Landfriedensbruch , Körperverletzung usw. bereits vorbestraft. Unter ihnen waren drei ehemalige Kommunisten. Der Angeklagte Hahn erhielt drei Monate Gefängnis, der Angeklagte Meister sechs Wochen Gefängnis, die übrigen Angeklagten wurden freigesprochen. Obwohl bei dem vereinten gewaltsamen Borgehen der Nazis der Tatbestand des Landfriedensbruchs ganz deutlich gegeben war, lautete die Untlage nur auf Rörperverlegung. Und damit war von vornherein eine mildere Bestrafung der Angeflagten gesichert.
aber gibt es eine besondere arische Organisation, einen Slub der Auserlesenen, auf dessen Machtstellung Herr Mahraun schon mehrfach gepodjt hat. Das sind die Mitglieder erster Klasse, und an den Grundlagen dieses arischen Klubs will Herr Mahraun nicht rütteln lassen. Die Mitglieder zweiter Klasse dürfen vielleicht für die neue Partei zahlen vielleicht für die neue Partei zahlen, aber in den Klub der Erstklassigen dürfen sie nicht hinein; denn über ihm steht wie über dem Bersammlungsanzeiger der Hakenkreuzler: Juden haben feinen Zutritt.
Staatspartei und Pazifismus. Erträgt die neue Partei Walter Schücking nicht? Professor Ludwig Quidde hat den Aufruf Mahrauns, der die Ausschaltung der internationalen pazifisti schen Schwärmerei forderte, mit einer Zuschrift beantwortet, der wir folgende Stellen entnehmen:
Ausgeschlossen in der Deutschen Staatspartei können doch nur jene Bazifisten werden, die bisher der Demokratischen Partei angehört haben. Das maren aljo, um nur einige von jenen zu nennen, die sowohl als Pazifisten, wie als Demokraten stärker hervorgetreten sind, Männer wie Walter Schüding, Graf Harry Keßler , Geheimrat Adolf Heilberg ( Bres lau), Dr. Joh. Leonhard( Kiel ) und ich selbst.
Reichswirtschaftsrat berät/ Nur Wahltheater der Regierung?
Die Frage, ob es die Reichsregierung mit ihrer Notverordnung zur Senkung der Kartellpreise ernst gemeint hat, ist jetzt akut geworden. Der Wirtschaftspolitische Aus schuß des Reichswirtschaftsrates ist gestern zusammengetreten, und im Namen der Reichsregierung hat Staatssekretär Dr. Trendelenburg, der das Reichswirtschaftsminis nahmen auf dem Kartellgebiet mit dem wirtschaftspolitischen sterium verwaltet, die Notwendigkeit beschleunigter Maß nahmen auf dem Kartellgebiet mit dem wirtschaftspolitischen 3wang begründet, das Selbstkosten- und Preisniveau zu fenten. Das Arbeitsbeschaffungsprogramm der Regierung müsse ebenso zu einem Einbruch in das bestehende Preissystem führen, wie die Ermächtigung der Regierung, Kartell bindungen aufzuheben und die Beseitigung von Hemmungen sicherstellen müsse, die der freien Auswirkung natürlicher wirtschaftlicher Tendenzen im Wege stehen. Weil aber die Reichsregierung einen Erfolg ihrer Bemühungen erst dann gewährleistet sehe, wenn die beteiligten Wirtschaftskreise mit ihr vertrauensvoll zusammenarbeiten, deshalb sei der Reichsa wirtschaftsrat, in dem alle Faktoren des Wirtschaftslebens vertreten sind, um ein Gutachten ersucht worden.
Man kann wirklich sagen, daß selten eine Regierungsaftion theoretisch einen so günstigen Start haben fönnte, wie diese Aktion für die Senkung der Kartell preise. Denn mag auch der Streit darüber, wie Lohnabbau und Preissenkung miteinander zu kombinieren sind, für viele noch nicht entschieden erscheinen, so ist darüber in der Deffenta lichkeit faum mehr ein Zweifel, daß die gebundenen Preise jin Deutschland überhöht geblieben sind, daß ihre Senkung in. entscheidender Weise den innerwirtschaftlichen Ursachen der deutschen Wirtschaftskrise entgegenwirten würde und daß vor allem die deutsche Exportfähigkeit und die Belebung des Baus marktes in entscheidender Weise von der Sentung der Grundstoffpreise bei den Monopolindustrien abhängig ist. Man be= dente nur, daß von den 50 bis 60 Milliarden, auf die der deutsche Industrieumsaß zu schäßen ist, gut 15 milliarden auf Industriemaren mit manipulierten Preisen entfallen, und daß eine 10prozentige Senfung der Kartellpreise eine Kosten jentung in Milliardenbeträgen herbeiführen könnte. Die Reichsregierung hat sich auch selbst durch ihre Motverordnung die Ermächtigung gegeben, nötigenfalls den Widerstand der betreffenden Unternehmerkreise zu brechen; darüber hinaus hat ja die öffentliche Hand, die jährlich rund 9 milliarden Aufträge zu vergeben hat über die Möglichkeiten des Preisdruds beim Arbeitsbeschaffungsprogramm hinaus- eine riesenhafte Nachfragemacht, die sie zur Erzwingung von Preissenfungen nur richtig einzusetzen braucht. Dazu kommt, daß die öffentliche Hand in zahlreichen Kartellen selbst ver treten ist und deren Wirksamkeit durch Instruktion der bes treffenden öffentlichen Unternehmungen weitgehend beein fluffen fann. Der Start der Reichsregierung für ihre Kartellaftion ist also in der Tat in höchstem Maße günstig. affo in der Tat in
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Freilich und hier beginnt das Problematische der Um so fompromittierender ist dann aber sein gegen uns ge= schleuderter Bannfluch, nicht für uns, sondern für ihn, fompro- Aftion scheint es alles weniger als sicher, mittierend auch für die neue Deutsche Staatspartei daß die Regierung diese theoretisch so aus. und eine Herausforderung der Demokratischen Partei, die unsere gezeichnete Lage auch ernsthaft auszunuzen Tätigteit bisher weitgehend gedeckt hat. Ich will auf die Leistungen entschlossen ist, und leider hat die Einleitungsrede des der genannten demokratischen Pazifisten nicht im einzelnen eingehen. stellvertretenden Wirtschaftsministers unsere bisher geäußerte Nehmen wir uns einen von ihnen, den international bekanntesten, Skepsis, es tönne sich ebensogut um ein Mahltheater Schüding, so wird jeder anerkennen müssen, daß seine Berwie um den Willen zu ernsten Taten handeln, nicht beseitigt. es fönne dienste, auch vom Standpunkt der nationalen Interessen aus betradhtet, tur mhoch über denen des Herrn Mahraun und aller seiner Freunde stehen. Will man den Strich zwischen ihm, dem verdienten Völkerrechtslehrer, und mir, dem ,, pazifistischen Schwärmer" ziehen, so wird niemand energischer als Schüding dieje Trennung fich verbitten. Wie die Demotraten meine Tätigkeit eingeschäzt haben, hat sich, als ich 1927 den Nobelpreis er hielt und 1928 meinen 70. Geburtstag feierte, vor aller Welt gezeigt. Ich fühle mich verpflichtet, noch ein Wort über die anderen pasifistischen Schwärmer" zu sagen, die außerhalb der Demokratischen Bartei stehen. Jeder, der sich ein wenig um pazifistische Dinge fümmert, weiß, in einem wie starken Gegenfaß ich zu Förster stehe, dessen Wirken ich bei aller Anerkennung feines reinen Wollens, für überwiegend schädlich halte, wie mich von Der Kampfesweise Herrn von Schoenaichs und seiner heute in der Deutschen Friedensgesellschaft maßgebenden Freunde vieles trennt. Aber ich behaupte, daß keiner von ihnen das Deutsche Reich so gefchädigt hat, wie der Jung deutsche Herr Abel, der jetzt, wenn ich nicht irre, für die Deutsche Staatspartei zum Reichstag fandidieren soll, durch seine in Paris am 27. Mai gehaltene Rede, in deren Schlußwort er sagte:„ Berstehen mir( d. h. Deutsche und Franzosen ) uns nicht nun gut, dann werden wir eben unsere Revanche vorbereiten, wie ihr Franzosen die eurige nach 1870 vorbereitet habt, und damit bafta!"
Es ist dabei geblieben, suß dem Reichswirtschaftsrat ein Gutachten über Dottorfragen zugemutet wird, es ist bei dem Eindruck geblieben, daß die Reichsregierung ganz gern etwas tun möchte, wenn nur die grundjägliche Zuſtimmung des Reichswirtschaftsrates zur Kartellaftion ihr gegenüber den Kartellinteressenten die Verantwortung abnimmt. Wenn die Reichsregierung wegen eines bestehenden Notstandes sich zu ihren Ausnahmevollmachten in der Kartellfrage hat ermächtigen lassen, so muß die Reichsregierung wiffen, wie im einzelnen der Notstand im Kartellmesen beschaffen ist, der durch Regierungsmaßnahmen zur Senfung der Kartellpreise behoben werden soll. Davon aber, was die Regierung im einzelnen als notwendige Maßnahmen erachtet, bei welchen einzelnen fartellierten Produkten und durch welche Maßnahmen die Kartellpreise zu senken sind, davon ist auch im Reichswirtschaftsrat nichts gesagt worden. Der Vertreter des Kabinetts hat zwar gesagt, daß es im Augenblick auf die Leistung praktischer Arbeit antomme, die dem Reichswirtschaftsrat aber vorgelegten Fragen lassen alle Möglichkeiten zur Verschleppung der Diskussion und damit zur Verschleppung der Aktion