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Nr. 363» 47. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Mittwoch, 6. August 4SZ0

Zehn Minuten Stadtparlament Die kommunistischen Akteure blieben in Ferien

Die gestrige durch die vemogogic der Kommunisten und Haren - kreuzler crznmogene Slodtvcrordncten Versammlung war nur kurz, vir Mehrheit der Vertreter im Ktadtparlament hat es endgültig sott, die Zeit mit der Behandlung völlig unnützer, sinnlos-dcmagogischer Antrage der Kommunisten zu vcr- trödeln. Wenn die Kommunisten glauben, daß die Arbeiterbevöltcriing Berlins auf ihr« verlogenen Agitationsonträge und Vorstoße herein- fällt, so haben sie sich getäuscht. In der Bevölkerung hat sich längst die E r k e n n t ni s durchgesetzt, daß nicht blödes Schreien und Taben vorwärts Hilst, sondern allein veraatwortuvgsbewußlc positive Arbeil lm Interesse der Arbeiter und Angestellten. Wie m c n i g e r n st es den Kommunisten mit ihren Antrögen zur gestrigen außer- ordentlichen Sitzung der Stodwerordneten war, zeigt diese Tatsache: Bo« 55 Kovrmunifte« fehlten nicht weniger als 14. Unter den Abwesenden befand sich die gesamt«Promi- nenz* der kammunistischen Rothau siroktion, außer Herrn Pieck. Vir Sozialdemokraten maren, trotzdem nicht sie. sondern die Kom­munisten die nutzlos« Sitzung herbeigeführt hatten, in gewohnter Stärke zur Stelle. Bei den Kommunisten fehlten u. a. die beiden Hauplschreier Aritz tauge und Kasper, dann der Beichstagsabge- ordnete Söhnen. Herr Dröll und Fron Dabergoh. Di« National- sozio listen, die in gewohnter Bundesgenossenschast, Faschisten und Moskowiter Arm in Arm, das Stattfinden der Sitzung erst herbeigeführt hotten, brachten von ihren 1Z Vertretern nur ganze 8 auf die Beine. Es fchlten u. o. der Berliner Obertrompeter Dr. Goebbels , Dr. Dorsch und.Herr Vehoghel. Namentlich die Wähler der Kommunisten mögen sich merken, wie stark die Portei- dtlziplin bei den von ihnen Erkorenen ist, wenn bei einem mit so großem Tamtam eingeleiteten llnternehrnen nicht weniger als ein Viertel ihrer Vertreter, um. mit Herrn Pieck zu sprechen,zur Er- holung auf den Bergen oder an der Se« weilt". Mißglücktes Kasperletheater. Fu Beginn der kurzen Sitzung wurde«in Antrag genehmigt, der für die durck das Hochwasser im Reinickendorfer Bezirk Ge- schädigten die Hilfe der zuständigen Stellen boonsprucht. Dann sprach bei Beratung der kammunistischen Dringlichkeitsanträg« der volksportslkiche Vertreter Kunz er. Er wie? darauf hin, daß die kormmmistifchen Anträge zum Teil absolut nicht in die Zuständigkeit d«r Berliner Stadwerardnetermersammlung gehören, sondern An» oelegenheiten des Reiches und des Staates sind. Die Komnninisten Kaden also wieder einmal nach alter Gewohnheit ihre Anträge nur gestellt, um Reden an die Tribüne und aus dem Fenster zu halten Wenn sie nicht der Städteordnnng vollkommen schimmerlos gegenüberstehen, haben sie die vollkommene Sinnlosigkeit ihres Vorgehens gekannt und nur die unwürdige Parole verfolgt, durch Irreführung von Unwissenden aufzureizen und zu hetzen. Au einigen anderen Anträgen sagte Stadtv. Kunzer, daß sie van so weitgehender Bedeutung waren, daß man sie umnöglich übers Knie brechen und in einer Feriensitzung erledigen könne. Er beantragte also die Dringlichkeit der Antröge zu verneinen, wozu auf Grund der Geschöftsordming die Stimmen von 25 Stadtverordneten

notwendig sind. Es braucht kaum gesagt zu werden, daß die Kom­munisten diesen Antrag mit einem wüsten Geheul beantworteten. Ihr Redner Herr Pieck ging auf die sachlichen Einwendungen nicht ein. sondern begnügte sich mir der üblichen Agitationsrede, die von bestellten Helfern aus der Auschouertribüne durch lärmend« Beifalls- und Pfuirufe begleitet wurde. Ein Privotredner hielt auf der Auschouertribüne sein« anbefohlene und auswendig gelernte kommunistische Agitationsrede. Mit den Stimmen der Sozioldemo-

traten wurde der Antrag des Stadtv. Künzcr durch weit mehr als 25 Stimmen unterstützt. Diese einzig mögliche Haltung verantwortungsbewußter Volksvertreter löste ein besonderes Wutgeheul der Kom­munisten aus. Auch das natürlich Kt o m ö d i e. denn niemand bei de« Kommunisten hat sich eingebildet, daß die Sozialdemokratie diese verbrecherischen Mc thoden mitmachen und daß sie sich dazu hergeben würde. einer wüsten arbeiterschädlich cn Demagogie Vorspanndicnste zu leisten. . Die Sozialdemokratie hat für die arbeitende Vcvölkerung Positives zu schaffen und besitzt deshalb keine Zeit, den Gefolgsmann kommunistischer Spiegelfechtereien zu machen

Haltet den Autodieb!" Aufregende Jagd durch die(Straßen. -(Schupo vom Trittbrett gestürzt.

Eine wilde Jagd ans einen Autodieb brachte in den gestrigen Abendstunden ein ganzes Stadtviertel in Ausregung. Roch einer mehr al» halbstündigen Versolgvog im Auto konnte der Dieb eingeholt und festgenommen werden. Ein Polizeibeamtcr erlitt bei der Verfolgung durch Sturz von dem in rasender Fahrt befindlichen gestohlenen Auto einen schweren Schädelbruch. Die Verwegenheit des Diebes, es handelt sich um einen Zöjährigen wohnungslasen Chauffeur Kurt Frey, übertrifft alle Verbrechen dieser Art. Gegen 21 Uhr patrouillierte an der Ecke Haupt- und Gnunewoldstraße eine Schupodoppelstreife des Reviers 172. Die Beamten wurden plötzlich wzf laute Rufe: haltet den Autodieb, holtet de« Autodieb!" aufmerksam. In der Tal kam in schneller Fahrt ein Privätauto heran, das von einer Autodrofchke dicht verfolgt wurde. Ohne sich lange zu besinnen, sprang der Polizelwochtmeister Bienick aus das Trittbrett des Auto, und versuchte den Fahrer zum Holten zu zwingen. Statt zu halten gab dieser jedoch Boll gas, und in rasender Fahrt ging es die Grunewaldstraße hinauf bis zur Ersenocher Straße. Dem Polizeibeamten, d?r sich nur mit Mühe am Türschloß festhalten konnte, war es unmöglich, seine Waffe zu ziehen. Plötzli-ch verringerte der Berbrecher dos Tempo etwas, und während er mit der einen Hand dos Steuer hielt, schlug er offenbar mit einem Schraubenschlüssel auf den Beamten ein. Es entspann sich ein schwerer Kampf, ol» der Polizei beomle pöhlich den Halt verlor und auf das Straßen Pflaster stürzte. Mit einem schweren Schädelbruch blieb er besinnungslos liegen. In rasender Fahrt Schüsse auf die Pneus. Der Kollege des verunglückten Beamten hotte inzwischen mit einer Äutodrvlchke die Verfolgung des Toters aufgenommen. Außer» dem beteiligt« sich ein Beamter des Reviers in einem Privotäuto an der wilden Jagd. In rasender Fahrt ging die Verfolgung über den Bayerischen Platz, durch die Martin-Luther-Stroß«, über den Nollendorfplatz bis zum Magdeburger Platz. Es ist geradezu als«in Wunder zu bezeichnen, daß bei der Raserei sich nicht ein weiteres Unglück ereignete. An der A p o st e l- P a u l u s- K i r ch e waren die'Verfolger dem Autodieb so dicht auf den Fersen, daß sie ihre Waffen bereit machen und aus die Reifen de» vor ihnen jagenden Auto» zahlreiche Schlisse abgeben konnten. Mehrere Kugeln trafen, so daß der Dieb holten mußt«. Auch

jetzt versuchte er noch weiter zu flüchten, auf die energischen Halt- rufe der Beamten blieb er dann aber stehen und ließ sich fest- nehmen. Der Tüter wurde der Kriminalpolizei übergeben. Der aus- regende Vorfall hatte an mehreren Stellen größere Menschen- a n s a m m l u n g e n zur Folge.

Willkommen in Berlin ! Französische Schüler bei uns zu Gast.- Herzlicher Empfang. Als gestern abend der D.Zug Paris Warschau fällig war. füllte sich der Bahnsteig aus dem Schlesischen Bahnhof mit er staunlich vielen Blenschen. Das Interesse galt dem zweiten Teil des Zuges, der als Sondcrzug aus Paris kam. Cr brachte etwa 400 deutsche und französische Schüler und Schülerinnen aus Paris . D'e Deutscheu hatten dort ihre Ferien abgeschlossen, sie brachten ihre französischen Ferienkameradcn nunmehr für fünf Wochen nach Berlin . Unter stürmischem Jubel lief der Sonderzug mit eigenem Speisewagen, in dem die jungen Gäste zu besonders ermäßigten Preisen bewirtet wurden, in die Bahnhoss- Halle ein. Die Organisation funktionierte ausgezeichnet, wir freuen uns. daß der Deutsch - Französische Schülcraustaufch. Dienst Heidelberg , den die Genossin L e r o i lcilcl, von Jahr zn Jahr zunehmende Erfolge erreicht. Mit dem Transport kamen auch die Auslauschfchülcr derL i g a" wieder nach Berlin zurück. wie im Vorjahr, so wird auch diesmal den französischen Schülern und Schülerinnen viel von Berlin gezeigt iverden. damit sie ein lebendiges Bild unseres Lebens mit nach Hause nehmen. » Berliner Lunge aus dem Ferienzug gestürzt! Breslau , 5. August. Am Dienstag mittag stürzte der 7iährige Georg I o r g a l aus Berlin-Weißensee auf dem Bahnhof Deutlch-Lissa aus einem nach Berlin fahrenden Kinderfonderzug. Der Knabe erlitt schwere Ver- letzuirgen und wurde in ein Breslauer Krankenhaus überführt. An feinem Aufkommen wird gezweifelt. Er hatte trotz mehrfacher Ver- Warnungen beim Spielen die Tür geöffnet.

S/NOAIR LEWIS Ol

ROM/W Ach so", sagte Dessie etwas unsicher....Hören S'e ein- mal, Fräulein Golden. Hören Sie, ich will mich ja nicht dreinmischen, und vielleicht paßt es Ahnen auch dort nicht, aber ich wil&te ein ganz fanroses Quartier Fräulein Kitson. die Sekretärin meines früheren Chefs, hat dort gewohnt: das Abstinenzlerinnenheim in der Madifon Avenue. Es soll ein wenig streng gehalten sein, ober wissen Sie. die Gesell- schaft ist prima: Künstlerinnen und alles mögliche, und es heißt, das Essen ist wunderbar und es kostet nur acht Dollar wöchentlich." Nun, vielleicht sehe ich es mir einmal an", sagte Una zweifelnd. Weder die Abstinenz, noch Bessies Empfehlung ließen Nna das Heim besonders verlockend erscheinen: aber sie war ausgehungert nach Gesellschaft: das ewig gleiche, Phantasie- los« Verlangen der Männer ließ sie jetzt kalt. Unter den Frauen.Künstlerinnen und olles mögliche" würde sie vielleicht V» Freundin finden, die si? brauchte. Das Abstinenzlerinnenheim befand sich in einem statt- l'chen, fünf Stockwerke hohen, weißen Sandsteingebaude. die Eingangstüre war mit einem Eifengitter versehen, und dos Ganze sah so solid und vertrauenerweckend aus wie dos Gebäude einer Notionalbonk. Una läutete schüchtern. Dann wurde si« i« dos Büro der Frau Barriet F'k«, der Oberm des Heims, geführt. Frau Fike hatte einen braunen, sehnigen Hals und gelb- braune Haare. Sie trug ein Kleid von männlichem Schnitt, Schuhe mit niedrigen, breiten Absätzen und von einer Form, die alle Leute, ausgenommen junge hübsche Frauen,ver- nünftig" nannten, und um den Hals ein großes silbernes Kruzifix. Sie wünschen?" knurrte sie. jemand hat mir ich möchte mich gerne erkundigen über das Wohnen hier mir etwas ansehen, und so welter. Stöanta. Sie mir bitte eines der Zinnner zeigen lassen?"

. Mein liebes Fräulein, das erste ist nicht, Ihnen oder sonst irgend jemand ein Zimmer zeigen zu lassen, sondern zuerst müssen wir uns vergewissern, ob Sie die geeignete Person sind, um h'er zu wohnen." Frau Fike riß eine Lade ihres Schreibtisches auf. nahm ein ledergebundenes Buch heraus, schlug mit der flachen Hand darauf, öffnete es. warf einen abschätzenden Blick auf Una und fing an, sie mit Fragen zu überschütten. Wie heißen Sie?" Una Golden." Frau Fräulein?" Wie bitte.. Frau oder Fräulein, habe ich gesagt. Verstehen Sie nicht Englisch ?" Entschuldigen Sie bitte, aber ich stehe hier doch nicht vor Gericht, soviel ich weiß!" Una erhob sich zitternd. Frau Fike wartete nur einen Augenblick, dann knurrte sie wieder:Setzen Sie sich. Sie sehen aus, als ob Sie ver- nünftig genug wären, um zu verstehen, daß wir in ein solches Haus nicht Leute aufnehmen können, von denen wir nichts wissen... Frau oder Fräulein, hob' ich gefragt?" Fräulein", murmelte Una, und eingeschüchtert setzte sie sich wieder. Konfession?... Katholiken und Konfessionslose werden nicht aufgenommen!" Una hörte sich mit schwacher Stimme sagen:Metho- distin." Rauchen? Fluchen? Tr.nkcn? Irgendwelche schlechte Gewohnheiten?" Rein." Haben Sie einen Bräutigam. Liebhaber oder Freund? Wenn ja, bitte um den Namen oder die Namen." Rein." Da? sagen alle. Ich mache Sie darauf aufmerksam. daß wir uns vorbehalten späterhin Fragen zu stellen und Erkundigungen einzuziehen, wenn alle diese Brüder und Bettern Sie besuchen kommen sollten... Schon vor- bestraft?" Nein, hören Sie! Sehe ich so ans?" Mein liebes Fräulein, käme es Ihnen nicht komisch vor, wenn ich jetztja" sagen würde?. Sind Sie vorbestraft? Ich mach- Sie darauf aufmerksam, daß wir diese Ding- recherchieren lasien." Rein, nicht vorbestraft." Nun gut... Alter?" Sechsunchpvanzig."

Leben die Eltern? Namen der nächsten Verwandten? der nächsten Bekannten? Augenblickliche Beschäftigung?" Sogar während sie auf diese letzte einfache Frage und Frau Fikes mißtrauische Erkundigung nach ihrem Gehalt antwortete, hatte Una das Gefühl, als sage sie falsch aus, als gäbe es gar kein Büro eines Herrn Wilkins und als wüßte Frau Fike das genau: als stünde ein großer Volizist irgendwo versteckt und würde im nächsten Augenblick hervor- treten und sie ins Gefängnis schleppen. Sie antwortete mit ziemlicher Genauigkeit. Aber sie hatte nur einen Wunsch, diesem korrekten Ort und Frau Fite zu entfliehen und zu den Grays zurückzulaufen. Ihr Lebenslauf bisher?" fuhr Frau Fike unerbittlich fort und ließ dieser Frage Erkundigungen nach Unas Plänen, Gesundheit, Geisteszustand und Referenzen folgen. Frau Fike schloß das Register und bemerkte: Nun, Sie sind ein wenig unverschämt, aber es scheint nichts gegen Sie vorzuliegen und jetzt können Sie sich bei uns umsehen und schauest, wie wir Ihnen zusagen. Bitte glauben Sie ja nicht, daß diese Anstalt Sie benötigt, oder bemüht ist, Sie einem sündigen Leben zu entreißen, oder daß wir glauben, dixs sei der einzige Ort in New Dork. wo man wohnen kann. Bitte, kommen Sie mit mir. Nein, lesen Sie zuerst die Hausordnung!" Una las folgsam, daß es den jungen Damen des Ab- stinenzlerinnenheims verboten fei, zu rauchen, sich lärmend zu betragen, in ihren Zimmern zu kochen oder zu waschen. nach Mitternacht aufzubleiben, irgendwelche Besuche, ausge- nommen Mütter oder Schwestern, anderswo zu empfangen. als in den von dem Heim hierfür vorgesehenen Empfangs- zimmern. Es war verboten, nach zehn Uhr auszublcibei:, ausgenommen, wenn der Name der Betreffenden vor dem Weggehen in ein Buch eingetragen wurde. Und man ver- langte, daß sie alle angemessenen Fragen nach ihrem moralischen, geistigen physischen und materiellen Befinden oder Fortkommen der Oberin, der Kontrollkommission oder der hierzu berechtigten Inspektorin wahrheitsgemäß beant warteten. Una konnte nicht umhin, zu fragen:Ich hoffe, es ist nicht etwa verboten, im Zimmer zu schlafen?" Frau Fike blickte sie an, blickt« durch und durch, blickie rings um sie herum und bemerkte:Ich möchte Ihnen raten. diese Unverschämthesten zu vnterlass?n. Wissen Sie, Sie machen es nicht gut. Versuchen Sie lieber, eine Dame zu sein und kein Witzbold! Kommen Sie. wir wollen uns das Haus ansehen."(Fortsetzung folgt.)

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