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Morgenausgabe

Nr. 381

A 192

47.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Sonnabend

16. August 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die ein paltige Nonparellezeile 80 Pfennig. Reflamezeile 5,- Reichs mart. Kleine Anzeigen das ettge brudte Wort 25 Pfennig( zulässig zwei fettgedruckte Worte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Bfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Zeile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imhaupt geschäft Lindenstraße 3, mochentäglich von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Gewerkschaften für Partei!

Aufruf des ADGB . zur Reichstagswahl.

Arbeiter, Arbeiterinnen Deutschlands ! Stabilisierung des Friedens.

Eine neue Reichstagswahl steht bevor. Der 14. September wird entscheidend sein für das Schicksal der deutschen Arbeiterklosse. Die Notverordnungen, die von der Reichsregierung unter Mißbrauch des Artikels 48 der Reichsverfassung erlassen worden sind, reden eine deutliche Sprache. Schonung des Besiges und schonungslose Belastung der geringen Einkommen, rück­sichtslose Abwälzung aller Caften auf die Schichten des Volkes, die ohnedies durch die furchtbare Arbeitslosigkeit das schwerste Notopfer auf sich zu nehmen haben! Löhne und Kaufkraft der breiten Massen werden gesenkt. Die soziale Dersicherung wird verschlechtert, Arbeitslose und Kranke werden noch größerem Elend preisgegeben. Die sozialen Grundrechte des neuen Staates werden zerschlagen. Der Einfluß der Arbeiterschaft in der Führung des Staates wird planmäßig ausgeschaltet.

In dieser Situation, in der sich auf allen Gebieten der Sozial- und Wirtschaftspolitik der Einfluß des reaktionären Unternehmertums im Parlament immer stärker durchzusehen droht, gibt es für die Gesamtheit der deutschen Arbeitnehmer nur eine Partei, die sie mit dem Einsatz ihrer ganzen Kraft zu unterstüßen hat:

Die Sozialdemokratie.

Nur die Sozialdemokratie hat das im neuen Staat geschaffene soziale Recht im Bunde mit den Gewerkschaften verteidigt. Sie hat den Kampf führen müssen gegen die geschworenen Feinde des neuen Deutschlands auf der äußersten Rechten und Linken, aber auch gegen jene Parteien, die auf dem Boden der Weimarer Verfassung zu stehen vorgeben. Sie mußte ihn auch führen gegen marche Arbeitervertreter in den bürgerlichen Parteien, die die Lebensinteressen der Arbeiterschaft in den sozialpolitischen Kämpfen der legten Dergangenheit widerstandslos preisgegeben haben. Sie steht im Kampf gegen alle die radikalen Parteien, die eine hemmungslose Agitation gegen die freien Gewerkschaften führen und ebenso verantwortungslos wie verworren bald den bolschewistischen Sowjet staat, bald das faschistische ,, Dritte Reich" versprechen.

In dem großen Ringen um den demokratischen Ausbau der deutschen Republik, um das wirtschaftliche und politische Mitbestimmungsrecht der Arbeiterklasse, um die Ausgestaltung der Sozialversicherung und die Erweiterung des sozialen Schutzes stehen die Sozialdemokratie und die freien Gewerkschaften allein.

Die Reformvorschläge der Sozialdemokratie zur Finanzreform und Wirtschaftsbelebung, deren Grundgedanken die Schaffung neuer Arbeitsgelegenheit und die unbedingte Aufrechterhaltung der sozialen Derpflichtungen des Reiches waren, sind von der Reichsregierung in den Wind geschlagen worden, weil die gegenwärtige Regierung und die hinter ihr stehenden Parteien kein anderes Ziel vor Augen sehen, als eine rein bürgerliche Mehrheit gegen die Sozialdemokratie, gegen die Gewerk­schaften, gegen die Arbeiterschaft.

Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands ! Die Entscheidung liegt in euren Händen! Der Kampf geht um eure Zukunft! Eure Parole muß sein:

Gegen die liberal- konservative Einheitsfront der sozialen Reaktion! Gegen die leeren Phrasen der Kommunisten und Nationalsozialisten!

Die Probleme der oft und füdosteuropäischen Grenzen. herüber- und hinübergeredet. Den Auftakt gab der Reichs= Ueber die Weichsel und über den Rhein wird dröhnend minister Treviranus . Er hat im Westen teine besetzten Gebiete mehr zu betreuen und wendet sich nun nach dem Often. Statt sich aber auf seine Aufgaben als Kommissar für in die europäische Politik und erklärt: die Bereinigung der die Osthilfe im Innern des Landes zu beschränken, tappst er Ostfrage ist jetzt nach der Liquidation des Rheinproblems akut. Sie steht auf dem nächsten außenpolitischen Programm der Reichsregierung." Diese und ähnliche Ausführungen eines seiner Verantwortung nicht Gewachsenen riefen den Protest der polnischen Regierung hervor. Die Integritär des polnischen Staates sei gefährdet; es werden Stimmungen geschaffen, die zu den Grundsäzen friedlicher Zusammen­arbeit in Widerspruch stehen." Der deutsche Geschäftsträger erwidert, daß in der Rede nichts enthalten sei, was mit den bestehenden Berträgen in Widerspruch stünde. Kurz vorher schon ist die französische Rechtspresse losgestürmt, Poincaré greift Deutschland als den ewigen Störenfried an, und Briand verweist den deutschen Botschafter in Paris auf diese Stimmen, die die Politik der Befriedung und Annähe­rung an Deutschland erschüttern müssen. Die polnische Rechts­presse hinwiederum verlangt, daß das Liquidationsabkommen mit Deutschland rückgängig gemacht wird; sie fordert die Be­seitigung deutscher Schulen in Bolen!

Innerhalb eines gefestigten demokratischen Staats­mesens ziehen die Parteien gegeneinander in die Wahlschlacht, indem sie nicht nur die Forderungen der Stunde gegenein­ander erheben, sondern auch ihre grundsätzlichen Auffassungen 3 mischen den Staaten hat diese Methode noch immer zu und Gegenfäße in voller Schärfe gegenseitig aussprechen. Stimmungen und Berstimmungen geführt, die schließlich in gewaltsamen Auseinandersehungen explodierten. Europa bildet fein übergeordnetes Staatswesen, in dem ohne Scheu vor Konsequenzen die öffentlichen Meinungen gegeneinander aufmarschieren könnten, ohne den Frieden zu gefährden. Wäre das Vertrauen auf den Völkerbund größer, wären die Rüstungen begrenzt würden, Sicherheitsabkommen und Kriegsverzichtsverträge einen wirklichen Bestandteil des euro­ päischen Bewußtseins bilden, so wäre die offene Diskussion wie in der inneren Politik auch in der äußeren möglich. Aber so weit ist man in einem Europa noch nicht, dessen Schaffung ja kaum in den ersten Anfängen sichtbar wird. Immerhin fönnte die zur Unzeit entfesselte Diskussion in Frankreich ein gewisses Gefühl der Genugtuung auslösen. Rechtspresse überhaupt haben ein Wort über die deutsche Westgrenze verloren. Die deutsch- französische Grenze ist seit Locarno vertraglich stabilisiert. Der Verzicht auf die Wege, ist seitdem tief in das Bewußtsein der deutschen Nation übergegangen. Ja, bei den deutschen Nationalisten geht die Abkehr von dem Westen so weit, daß sie hinter dem Osten fogar berechtigte Klagen z. B. über die Behandlung der Saar­frage zurückstellen. Hier hat der Vertrag von Versailles noch eine offene Wunde gelassen. Erst 1935 soll die Volks­abstimmung stattfinden, von der jedermann weiß, daß sie überwältigend zugunsten Deutschlands ausfallen wird. Das Saargebiet ist zwischen Deutschland und Frankreich die eine Stelle, wo der Friede noch nicht stabilisiert ist. Frankreich würde den Interessen des eigenen Landes am besten dienen, wenn es mit der Lösung des Saarproblems alsbald eine volle Bereinigung seiner Grenzen im Osten herbeiführte.

Alle Stimmen der deutschen Arbeiter und Arbeiterinnen für die Sozialdemokratische Beder der nicht zuständige Reichsminister noch die deutsche Partei Deutschlands !

Berlin , den 16. August 1930.

Vorstand und Ausschuß des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes Wiedergewinnung Elsaß - Lothringens , auch auf friedlichem

Die Polemik der Ewig- gestrigen. Der Temps" fürchtet die Vergiftung des Friedens. Paris , 15. August.( Eigenbericht.)

Das Interview des Herrn Treviranus in der ,, Königsberger Allgemeinen Zeitung" hat den Sturm der Entrüstung in der französischen Presse, der auch durch den. wenig geglückten Ab­schwächungsversuch seiner Rete im Rundfunk kaum besänftigt worden mar, aufs neue mit aller Heftigkeit entfesselt. Der Temps" erklärt, daß die neuen Erflärungen Treviranus im Ton und Inhalt nicht weniger beunruhigend seien als die ersten. Herr Treviranus habe offenbar feinerlei Angst, vom Kabinett Brüning desavouiert zu werden. Im Gegenteil, er spiele den Wort­führer der deutschen Regierung. Durch die Art, in der er dies tue, bestehe die Gefahr, daß die internationalen Fortschritte, die im Laufe des letzten Jahres erzielt worden seien, für die nächste Zukunft einfach vergiftet werden würden. Der, Temps " unter­streicht, daß der Vorwärts" das einzige Blatt war, das den Borstoß Treviranus verurteilt habe und zitiert wörtlich die Ansicht, welcher der Vorwärts" Ausdruck gab, daß das Geschrei des Ministers für die vormals befeßten Gebiete die Lösung der Ostgrenz fragen nicht nur nicht erleichtern, sondern in der ganzen Welt Mi B-

trauen gegen Deutschland erweckt hat. Im Gegensatz zum Bor­märts" habe es aber Herr Brüning und sein Ministerium bisher nicht für notwendig gehalten, öffentlich zu erklären, in welchem Maße sich die deutsche Regierung mit den unverantwortlichen Er­flärungen des Ministers solidarisiert.

Noch schärfere Töne schlägt der Intransigeant" am Freitag an. Er erklärt, durch die letzten Ausführungen eines ver­antwortlichen deutschen Ministers sei das Ausland hinlänglich ge­warnt worden. Die dritte Erklärung Treviranus im Laufe einer Woche werde das einzige Resultat nach sich ziehen, eine Ver­schärfung der deutsch- französischen Polemik heraufzubeschwören und die deutsch- französischen Beziehungen zu lähmen, die im Grunde genommen nach der Befreiung des Rheins doch einen Aufschwung hätten nehmen sollen.

Türkei beruft Persien: Botschafter ab.

Zuspikung im Kurden- Konflikt.

Paris, 15. August. Havas meldet aus Teheran, die türkische Regierung habe ihren Botschafter in Teheran, Memduh Chewket Bei, abberufen.

Aber die Franzosen können es nicht lassen, sich für den ganzen Kontinent zu intereffieren. Darin mögen manche den Ausdruck eines guten Europäertums sehen, andere werden finden, daß Frankreich auf diese Art seine Borherrschaft über den Kontinent zur Geltung zu bringen versucht. Europäische Territorialfragen sind allerdings schon von jeher Angelegenheiten nicht nur der Anrainer, sondern aller euro­ päischen Hauptstaaten gewesen. Vor hundert Jahren trat Belgien erst in internationale Eristenz, als die Groß­mächte, auf einer Konferenz in London versammelt, ihre Zu­ftimmung zur Gründung des neuen Staates gaben. Ein An chluß Desterreichs an Deutschland ist als euro­päisches Problem ausdrücklich in den Friedensverträgen von