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Beilage

Montag, 18. August 1930

Der Abend

Shalausgabe des Vorwärte

116 auf dem Todesstuhl

Aber nur noch 27 gehängt in USA .

Wie in der Schweiz ist jeder amerikanische Staat bezüglich der Todesstrafe autonom und durch teine Bundesgesetze beschränkt, er fann sie einführen, abschaffen, wieder einführen, modifizieren, neue Verbrechen mit Todesstrafe bedrohen, furz, es herrscht absolut feine strafrechtliche Einheit, sondern geradezu groteste Biel gestal tigfeit.

Wenn man sich die Entwicklung der Vereinigten Staaten ver= gegenwärtigt, so wird es einem ohne weiteres verständlich, daß in den Anfängen der Staaten ein massives Recht geherrscht hat als Wild west recht oder Lynchjust i 3, jene rasche Selbstjustiz, die ungefähr unserer frühmittelalterlichen Sippenrache glich. Nicht nur Mörder, Brandstifter und Notzüchter verfielen dem sofortigen Strid, es war auch insbesondere Bieh-, speziell der Pferdediebstahl, der zur hänfernen Krawatte führte. Ein Teil dieses rohen Rechts fand feinen Niederschlag dann auch in den Gesetzen.

Die meisten Strafgeseze kennen die Todesstrafe schon aus

der Mitte des letzten Jahrhunderts, nur wenige haben sie schon sehr früh abgeschafft, so Michigan 1947, Wisconsin 1853 und Maine 1876. Später folgten dann Rhode Island , Ranjas 1907, Minnesota 1911, Süd- Dakota 1915. Dagegen waren verschiedene Staaten, die vorübergehend die Todesstrafe abschafften, aber dann wieder einführten, Jowa 1872/1876, Colorado 1887/1901, Benn­fylvania 1852/1882, Washington 1913/1918, Oregon 1914/1920, Tennessee 1915/1917, Arizona 1916/1918. Maine hatte sie vorüber­gehend von 1876 bis 1882 abgeschafft, um sie dann 1887 definitiv aufzugeben.

Beit interessanter ist dagegen der Ueberblick über die Staaten, die sie beibehalten haben und sogar in besonders weitgehendem Maße befizen. Wenn wir uns auf der amerikanischen Karte orien tieren, so fällt uns sofort auf, daß die Südstaaten sie am um fassendsten aufrechterhalten und daß dort insbesondere die Anwen­dung auf Sittlichkeitsverbrecher besteht. Da die Südstaaten nun sehr start mit schwarzen Elementen durchsetzt sind, so sind diese auch zugleich das Hauptattionsgebiet des Richters Lynch. Aber, und dies muß uns insbesondere ins Auge fallen, die Delikte, welche dem Lynchgericht der wilden Gerichtsbarkeit verfallen, find auch nach dem ordentlichen Strafgesetz mit dem Tode bedroht. Auf diese Weise wird uns die Lynchjustiz als Surrogat einigermaßen verständlicher, denn sie trifft den Täter auf der Tat und will mit der Schnelligkeit der Prozeßführung wirklich abschreckend wirken,

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sie will insbesondere den Neger terrorisieren.

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Tode: Alabama , Arkansas , Florida , Georgia , Delaware , Ken­

Louisiana, Maryland , Mississippi , Missouri , Montana , Hampshire , New Merito, Oregon Washington und West- Vir­ ginia , in der Hauptsache also in den Südstaaten. Der ehemalige Mormonenstaat Utah dagegen läßt dem Berurteilten die Wahl, fich zu erklären, ob er sich hängen oder erschießen lassen will. Will er sich erschießen lassen, so stellt man ihn hinter einen Vor­hang und streckt ihn mit Gewehrschüssen nieder. Zweifellos hat man den Galgen in einigen Südstaaten deshalb beibehalten, weil er ins­besondere auf die Neger abschreckender wirkt als der elektrische Stuhl. In Illinois ( Chicago ) ist erst am 15. Dezember 1928 die erfte elet trische Hinrichtung erfolgt. Bis dahin wurde gehängt. Trozdem gerade Chicago die Metropole des Verbrechens ist und die Morde duzendweise begangen werden, gab es im genannten Jahr nur 8 Hinrichtungen in Illinois , indes Georgia 15, New Yort 14 und das quäferische Pennsylvania 10 vollziehen ließ. Es wird also nur ein ganz verschwindender Bruchteil der Mörder hingerichtet.

Nevada laboriert seit 1925 an der Gashinrichtung herum und hat das Blausäuregas als Hinrichtungsmittel erklärt, nachdem es vorher analog Utah die Wahl zwischen Erschießen, Stric und Gift gelassen, wobei man dem Verurteilten Strick und Giftflasche in die Belle gereicht hatte. Jetzt wird der Akt in einer Gastammer vollzogen. Man läßt das Gas einströmen, ein Verfahren, das neuerdings auch von Estland einzuführen erwogen wird.

Diese Bielgestaltigkeit zeigt deutlich auf, wohin die kleinstaatliche Souveränität auf dem Gebiete des Strafrechts führt: zu einer recht­lichen Verwirrung, zu einer Inegalität des Rechts in seinen weitest gehenden Auswirkungen, zu einem Chaos des Rechtsgedankens. So hängt ein Pleinerer Staat seine wenigen Mörder, und in Chicago und New York laufen die unbestraften Mörder herdenweise herum.

Wir sehen aber auch, daß die Beibehaltung der Todesstrafe nicht in der Lage ist abzuschrecken, denn gerade da, wo

Vor allem auch die Aufständischen in Gefängnissen; ja, einige sie am häufigsten vollzogen wird, wachsen die Delikte am meisten an. Staaten kennen die Todesstrafe überhaupt nur auf den Wärtermord, so Rhode Island und North- Dakota .

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So haben wir also in Amerika 22 Elettroffaafen 16 Hängeftaaten

1 Wahlstaat( Utah )

1 Gasstaat( Nevada )

Amerika ist das Land, in welchem heute die Morde mit der geringsten Gewissensbissen und mit der größten Unverfrorenheit be­gangen werden, und wo trog allem die Todesstrafe nicht mehr ist als eine relativ selten aufgeführte Farce, und wo, schlimmer als das, sie gerade an unerwiesenen Fällen vollstreckt wird( Saeco und Vanzetti), indes man in sicher erwiesenen Fällen begnadigt, bloß weil man Angst vor den Kugeln der Gangs hat. Dr. J. R. Spinner.

Wir gehen in die Hölle..."

Ein Gang durch Sing Sing

Offining, N. Y. , Anfang August 1930.

Den amerikanischen Rhein " nennen sie den Hudson wegen seiner herrlichen bergig- bewaldeten Ufer. Aber an Burgen fehlt's im Revier. Vom Wein ganz zu schweigen. Doch da, bei Ossining , So strafen die folgenden Staaten die Notzucht mit dem Fort vom Fluß den Fügel hinauf Alle hundert Meter ein Bacht: eine D- Zug- Stunde von New York entfernt, zieht sich ein mächtiges turm auf der Mauer, ausgerüstet mit Maschinengewehren, Schein­tucky, Louisiana , Maryland ( sogar den Versuch), Miſſiſſippi , Missouri , werfern, Alarmanlagen und Posten, die um die Galerien wandern. Revada( allerdings nur bei damit verbundener schwerer Körperverkürzlich, nachts, heulten die Sirenen; weiße Lichttegel glitten über legung), North- Carolina , Oflahoma, South- Carolina, Tennessee , Teras, Virginia, West- Virginia , Um die Ungleichmäßigkeit von Bestrafungen aufzuzeigen, mögen ein paar trasse Gegenfäße er­wähnt werden: In Delaware wird Bigamie mit Gefängnis und Buße bestraft, in Tennessee dagegen mit 21 Jahren Zuchthaus , in Virginia Inzest mit 6 Monaten Gefängnis, dafür aber in Kentucky mit 21 Jahren Rerter. Datota straft Notzucht mit Gefängnis, die obengenannten Staaten mit dem Tode, in Louisiana wird schon der Giftmordversuch mit dem Tode bestraft.

Ganz allgemein ist der Mord( genannt Mord ersten Grades) mit der Todesstrafe belegt, und zwar in allen Stcaten, die die Todesstrafe noch kennen, Ra u b, insbesondere, wenn er mit Waffen erfolgt, in Alabama , in Georgia ( wenn Eisenbahnraub) und ebenso in Delaware neben Menschenraub, in Missouri , Tegas und Biginia, in Montana der Meineid, in den meisten Staaten der Hoch verrat und in verschiedenen auch die Brandstiftung, so in Alabama, Georgia und Delaware ( wenn mit Einbruch verbunden), in Louisiana , Mississippi , North- und South- Carolina , in Vermont ( wenn dabei Menschenleben verloren gehen), in Virginia , wenn damit Einbruch verbunden ist.

Nach einem Bundesgesetze wird die Notzucht, wenn sie auf hoher See, d. h. also auf einem amerikanischen Dampfer, begangen wird, ebenfalls mit dem Tode bestraft. Ebenso auf Hawai und in Alaska , den amerikanischen Kolonialterritorien.

Dieser außerordentlich hohe Integritätsschutz der Frau läßt sich unschwer aus der Tatsache begründen, daß es zur Beit des Erlasses dieser Gesetze eine unverhältnismäßig geringe Zahl von Frauen gab und mit den vorhandenen überhaupt ein direkter Kultus getrieben wurde. Weshalb sich die Amerikanerin auf diese Art eine Vorzugsstellung zu erringen vermochte, wie sie die Frau nir­gends auf der Welt besitzt. Deshalb sind auch nur außerordent­lich wenige Frauen hingerichtet worden, dieser Tage ist als besondere Sensation die Hinrichtung der 26. Frau in den Ver­ einigten Staaten , zu Florence in Arizona , berichtet worden. Die elektrische Hinrichtung der Ruth Snyder ist noch in aller Gedächtnis, da um die Hinrichtung einer Frau viel mehr Aufhebens gemacht zu werden pflegt.

Amerika hat den elettrischen Stuhl erfunden. Das war vor 40 Jahren, am 6. August 1890 wurde zu Auburn im Staate New York die erste Elektroerefution unter entfeglichen Umständen nollzogen, und seither sind jedes Jahr lebendige Röstungen auf diese nollzogen, und seither sind jedes Jahr lebendige Röstungen auf diese Art vorgekommen. Im ganzen übrigen Amerika wurde damals noch überall nach englischem Borbilde gehängt. Trog der entfeßlichen Mißgeschicke beim elektrischen Hinrichten hat sich dasselbe jedoch meiter verbreitet, und tatsächlich richten heute die Mehrzahl der Staaten mit dem elektrischen Stuhl. Die Gründe zu dieser eigen artigen Maßnahme, den elektrischen Scheiterhaufen oder amerita nischen Grill beizubehalten, dürften wohl einesteils in der Eitelkeit der Amerikaner liegen, ein eigenes, ureigenes Verfahren zu besitzen. Auf der anderen Seite aber in der Tatsache, daß es immer schwerer geworden ist, Männer zu finden, welche sich zum Strickhenker her= gegeben haben. Hatte man doch in einigen Staaten bereits dazu greifen müssen, daß drei verschiedene Männer die auslösenden Schnüre durchschneiden mußten, damit feiner wußte, wer non ihnen der eigentliche Henter war.

Menschen

und

nur

Im Jahre 1928 find in den Vereinigten Staaten elettroegefutiert 27 gehängt morden, legteres in den Staaten Arizona , California, Colorada, Connecticut , Idaho , Jowa,

116 noch

Ufer und Fluß; Schüsse trachten: draußen, im Hudson fand jemand sein Grab, der versucht hatte, aus Sing Sing zu entfliehen. Nun sind die Nacht gespenster zerstoben. Sonnenschein, frische Winde dazu vom drei Meilen breiten Strom; ein umwaldeter Serpentinenweg. Als ob man im Kurpart spazieren ginge. Aber am Ende sind die eisernen Tore von Sing Sing. Schredensburg haarsträubender Kriminalgeschichten. Gewiß, unten haben sie noch ein Käfighaus aus dem Jahre 1824. 500 muffige, fensterlose Löcher, ½ Meter breit, 1½ Meter hoch, knapp 2 Meter lang; Verließe, in denen der Wahnsinn lauert. Aber sie dienen nur noch als Ein­gangsstufe" und Straflokale für schlechte Führung; werden über dies, wie alle Zellen in Sing Sing, nur nachts bewohnt". Arbeits­und Feierstunden verbringen die„ insidemen" in modernen, hygienisch einwandfreien Räumen. Einen großen Baseball play haben fie, einen Theatersaal, in dem Tonfilme gezeigt werden, einen entzückenden Pavillon mit einigen hundert gefiederten Gefangenen aus allen Zonen und schönen Pflanzen. Einen alten Mann treffe ich da, in grauer Sommerhose und grauem Hemd, die Pfeife im Munde, mit einem Papagei plaudernd. Dieser Alte war einmal Lokalredakteur bei der„ Evening World", bis er vor zehn Jahren plötzlich sein ganzes Vermögen verlor, die Nerven dazu und seine Frau niederschoß. Seitdem fizt er hier. ,, 15 up to life...", lautete das Urteil. Vor Ablauf weiterer fünf Jahre fann er nicht begnadigt werden. Vor allem aber haben sie in Sing Sing mehr als 1500 Einzelzimmer, die man wirklich nicht mehr Zellen nennen fann: 2,6 Meter lang, über 2 Meter hoch, 1,7 Meter breit. Gemein­schaftliche Schlafräume gibt es längst nicht mehr. Jeder Gefangene hat in seinem hellen Raum fließendes Wasser über dem weißen Steingutbecken, ein W. C., ein freistehendes, weißbezogenes Metallbett, Tisch und Stuhl. Wer sich gut führt, kann diese Ein­richtung vervollständigen. Kalender und Bilder sind schon selbst­verständlich. Aber auch bis zum Teppich haben es einige gebracht. Der Assistent des„ Warden", der mich führt, sagt:„ Wir haben „ Stufenstrafvollzug" seit bald 20 Jahren. Wir haben fein Interesse an Verbrechern. Wir wollen die Leute zurückerziehen zur Gesell. fchaft." Daher auch dem Gutwilligen möglichst viele Erleichterungen. Das Sprechverbot ist als mittelalterlich längst abgetan, ebenso der auffällige Zuchthausanzug und die nur Haß und Ber­Seltungswillen erzeugende brutale Unterdrückung der Menschenwürde. Beim Gang durch die großen, sauberen und hellen Hospitalanlagen innerhalb der Anstaltsmauern unterhält sich mein Führer freundlich mit einem Lebenslänglichen". Der war dreimal verurteilt worden und ist damit ohne weiteres lebenslänglich; ähnlich, schematisch härter noch, als das kommende deutsche Strafrecht Berufsverbrecher dauernd cinschließen will. Vor seiner Verurteilung war dieser Mann auch schon in Sing Sing, allerdings ,, outsideman" auf wichtigem Bosten: Sekretär des Anstaltschefs; bis er auf die Idee kam, Fälschungen zu begehen.

Ueber riesiges Freigelände gehen wir einem einschössigen, lang­gestreckten Gebäude zu. ,, Wohin?" ruft ein Aufseher: ,, we're going up to hell"( ,, Wir gehen zur Hölle"), antwortet mein Führer. Und das Straßenschilo am Holzpfahl trägt die Aufschrift Totenhaus­weg". Eine schwere Holztür und eine noch schwerere eiserne werden aufgeschlossen. Atemberaubende, unmäßig heiße Luft dringt uns entgegen. Im Totenhaus ist auch bei dieser sommerlichen Tropenglut die 3entralheizung in vollem Gange. Die achtzehn Menschen, die augenblicklich da drin auf ihre Hinrichtung

marten, die teils schon seit sechs Wochen Tag und Stunde der Eretution wissen, teils bis zu einem Jahre auf den Ablauf der Be­gradigungsgesuche und Formalitäten wartend unter dem Druck des Todesurteils hier sitzen müssen,- sie werden für diese narkotisierende Dutzend Schulbänken und dem zwei Meter davor festgeschraubten Höllentemperatur dankbar sein... einfachen hölzernen Armstuhl- welche Fülle von Schrecken und Entsetzen ist in ihm Ereignis geworden. Fast jeden Donnerstag, nachts 11 Uhr, waltet der elektrische Henter seines Amtes, manchmal gleich an mehreren Todestandidaten. Dann wird das ein 3enti. meter dicke Kabel, das jetzt tot von der Decke herab über dem elettrischen Stuhl schwebt, angeschlossen an die Schädelmaske mit ihrem feuchten Schwamm, der die mordende Energie noch steigern foll; dann wird das am Boden liegende Erdungstabel mit der rechten Wade des Opfers verbunden. Lederriemen fesseln dem Berurteilten Beine, Arme und Brust an den Stuhl. An der Seitenwand rechts vom Stuhl ist der Schaltraum. Der Nachrichter muß von dorther den Delinquenten beobachten. Er schaltet zunächst 2100 Bolt ein; es tommt häufig vor, daß die Leute bei dieser Stromstärke anfangen zu brennen, bevor sie tot sind. Dann günstigen Fällen" ist die Erefution in einigen Gefunden beendet. wird der Schalter auf 1400 bzm. 1100 Volt herabgedrückt. In Durchschnittlich aber wird drei Minuten Strom gegeben.

Der tahle Raum inmitten des Totenhauses mit seinem halben

Informationen von zuverlässigen Leuten, die ihre Berufspflicht zur Teilnahme an diesen Hinrichtungen und den sofort sich an­schließenden Obduktionen zwingt, behaupten so Furchtbares, daß ich mich fast scheue, es niederzuschreiben. Vielleicht aber trägt es dazu bei, den elektrischen Stuhl als ein höchst unvollkommenes Instrument zur Vollstreckung von Todesurteilen immer weiteren Kreisen bekannt werden zu lassen. Die sehr verschiedene Reaktion menschlicher Körper, noch dazu auf bewußt erwartete elektrische Stromschläge ist bekannt. In den Varietés produzieren sich Männer, die tausend und mehr Bolt durch ihren Körper gehen lassen.

Ich glaube daher die Behauptung meiner Gewährsmänner, daß infolge der in äußerster Todesangst aufs höchste gesteigerten Abwehr­fraft einzelne Delinquenten selbst durch dreiminutige hochgradige Stromgebung nur todesähnlich betäubt werden, daß nach der Aus­schaltung des Stroms der Körper dort auf dem Stuhle plötzlich er­neut ausbäumt und zum zweiten Male egekutiert werden muß, und daß selbst dies noch nicht so schlimm iſt, als

wenn der Rest von Leben sich erst die wenigen Augenblicke später

wieder zeigt, die zum Transport des Hingerichteten vom Stuhl zum gleich dahinter liegenden Obduktionsraum gebraucht werden.

Die Wissenschaft beschäftigt sich ja längst mit der Wirksamkeit des elektrischen Stuhls. Nicht ohne Ursache hat ein amerikanischer Arzt seinerzeit verlangt, daß ihm der Körper der Gattenmörderin Ruth Enyder sofort nach der Erefution in Sing Sing zu Wiederbelebungs versuchen überlassen werde. Man hat es ihm abgelehnt. Daß mancher auf dem Stuhl in doppelter Weise hingerichtet, daß ihm das Herz gelähmt und er außerdem verbrannt wird, fann man im Präparateraum in Sing Sing deutlich sehen. Im Gegensatz zur mattgrauen Farbe aller Nichtverbrannten, zeigen z. B. die aufbe­wahrten Organteile eines hingerichteten Gangsters eine rußig ichwarze Färbung. Dieser Mann hatte von einer Operation her eine Silberplatte im Schädel und soll auf dem Stuhl fast völlig verbrannt sein. Selbst der eifrigste Befürworter der Todesstrafe aber fann doch nicht statt einer ,, funstgerechten" Hinrichtung eine Folter mit Todeserfolg gutheißen. Deshalb fort mit dem elektrischen Stuhl, fort mit dieser Hölle!

Wie vorbildlich ist Sing Sing sonst in seinen Anlagen! Noch wenn man durch das Hauptportal wieder hinausgeht in die Freiheit, freut man sich über das schwarze Brett, an dem ,, möblierte Zimmer" angeboten werden und nimmt gern das halb neugierige, halb ver­ständnisinnige Lächeln der Bürger von Offining in Kauf, die an dem Fremdling die Spuren der Strafhaft suchen. Herbert Hartmann,