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Verkleinerte Wahlkreise. Ein Wahlreform-Entvmrf. Gegen die Reichsliste. Das Reichskabiaelk wird sich heule mit einem im Reichvinnen- Ministerium ausgearbeiteten Gesehentwurs über die Reform des Reichslagswahlrechts beschästigen. Der Entwurf beruht auf der Initiative des Reichsinneuminifter» Dr. lllirth und bezweckt. die insbesondere in den lehten Monaten vom Zentrum immer wieder geforderte Wahlreform in dem neuen, am t4. September zu wählenden Reichstag in Zluß zu bringen. Der Gesetzentwurf sieht vor allem die 3 c s e i l i g u n g der Reichswahlliste und die verkleinerung der Wahl kreise vor. Gegenwärtig gibt es 35 Wahlkreise. Die kleinsten Wahlkreise lMecklenburg, Pfalz ) haben eine Wohnbevölkerung von rund einer Million, die größten lOstpreuhea. Westsaleu-Rord, West falen-Süd. Oberboyern- Schwaben. Aranken, Württemberg ) eine Wohnbevölkerung von mehr als 2Vs Millionen.(Nach der Zählung vom Juni 1325. deren Ergebnisse inzwischen natürlich überHoll sind.) Nach dem neuen Entwurf sollen künftig 16 2 Wahlkreise gebildet werden mit einer durchschnittlichen Bevölkerungszahl von 300 000. Da das Wahlalter beibehalten wird, bedeutet das Wahl- kreise mit rund 250 000 wahlberechtigten und(eine SOprozentige Wahlbeteiligung vorausgesetzt) von rund 200 000 Wählern. Die Refistimmen sollen nach dem Entwurf in Zukunft in den Wahl kreisen verrechnet und aufgeteilt werden, wodurch die R e i ch» l i st e entfällt. Diese Wahlrejorm ändert weder an dem verfassungsmäßigen ÜZerhältniswohlrecht. noch an dem ebenfalls in der Der- fassung festgelegten Wahlalter von 20 Jahren etwas. Sie rst entsprungen aus dem in den kleineren und schlechtorganisierten nicht- sozialistischen Mittelparteien entstandenen Bedürfnis, die..Ver- b i n du n g zwischen'Wählern und Abgeordneten enger zu gestalten" sie stellt mit anderen Worten den Ver- such dar, den in der bürgerlichen Oesfentlichteit wirkendenPolitiker" unabhängiger von.Lntercssentenverbänden" zu machen. Angesichts der Wiederkehr einer Anzahl alter Namen auf' den Listen der diversenStaats- und Volksparteien" kann man diesem Versuch der Erneuerung nur mit Skepsis gegenüberstehen. Was die. Abschaffung der Reichslift« anlangt, so wird diese Idee ausgerechnet von Parteien propagiert, deren halbe Fraktionsstärke in Kandidaten der Reichsliste bestand. Die Sozial- demokratie hat immer den verhältnismäßig kleinsten Prozentsatz von Abgeordneten auf der Reichslist« entsandt so kann sie mit Ge- lassenheit zuschauen, wie die Parteien sich um die Abschaffung be- mühen, für die die Reichslifte eine Existenzsrage bedeutet. Ob das vonInteresientenhmrfen" unabhängigepolitische Element" dadurch gestärkt werden würde, ist eine offene Frage: viel eher ist da» Gegenteil anzunehmen. Der Entwurf scheint kein« Borkehrung gegen den schlimm- sten Mißbrauchgroßer Namen" zu treffen, der gerade jetzt sick, ausbreitet.. Die Bolkspartei und die Demokratische Partei suchen ihr« Wahlkämpf« damit zu bestreiten, daß sie in möglichst vielen Wahlkreisen den einen zugkräftigen Namen an die Spitze setzen, den sie haben: so kandidiert chugenbcrg fünfmal an der Spitze, Letiow- Vorbeck noch öfter. Das bedeutet natür- lich, daß sich Wähler eventuell für diese hervorragenden Gestalten der deutschen Politik entscheiden, während dann in ihrem Wahlkreis eben doch wieder einInteressentenvertreter", der unscheinbar an zweiter oder dritter Stelle steht, in den Reichstag einzieht, da der i.grvße Mann" doch mir m e i n« m. Wahlkreise fein« Wahl am nehmen kann. Eine'Vorkehrung gegen ein«' derartige Irreführung der Wähferschost scheint nötiger als manches andere Reformstück der der Reichsregierung vorgelegten Wahlreform zu sein.

Besitz und Arbeit.

»Gefahr eines sozialistischen Sieges!" Treviravus bläst zum Kampf. Die von den Hugenbergern abgespaltene.�konservative Voltspartei" hat soeben ihren Wahlaufruf erlassen. Er ist so konfus, daß man den Verfasser sofort erkennt. Uns wenig- stens ist nur c i nführender" deutscher Politiker bekannt, dem Sätze zuzutrauen sind wie dieser: Die Sorge für einen lebensfähigen inneren Markt, der den Millionen feiernder Hände nicht nur Unterstützung, sonderu Brot(!) geben soll, ist die vordringliche Ausgabe der Handelsvertrags- und Wirtschaftspolitik des Reiches. Kennzeichnend für die phrasenhafte Konfusion des Ver- fassers ist insbesondere auch die Behandlung der Wehr- frage. Da wird zunächst in unmittelbarem Anschluß an eine Deklamation über denchristlich-deutschen Menschen" und diegottgesetzten Ordnungen" unser Herr Jesu Christ , hurra, hurra hurra! folgende rechtwinklige Wendung zum Militärischen vollzogen: Wir sordern Wehrfreiheit, die Voraussetzung echter Staatshoheit, das höchste Ehrenrecht eines freien Volkes. Ein paar Zeilen weiter unten heißt es aber: Wir fordern Abrüstung der S i c g e r st a a t c n zur Her- stellung der R ü st u n g s g l e i ch h e i t. Auch ein Sekadett sollte vom internationalen Wehr- Problem genug wissen, um zu erkennen, daß Forderung 1 und Forderung 2 sich gegenseitig ausschließen. Entweder nämlich hat jedesfreie Volk" Wehrfreiheit, dann müsien wir allen das Recht zubilligen, zu rüsten wieviel sie wollen, oder aber alle verpflichten sich zur Abrüstung, und dann hat keinerWehrfreiheit". Abgesehen davon enthält der Ausruf eine bis auf e i n e n Punkt vollständige Speisekarte außenpolitischer Forderungen: Revision des Poung-Plans. Ost�renze, Eupen -Malmedr,. Saar , Kriegsschuld, Minderheitenschutz, das alles ist da. Es fehlt nur eines: der Anschluß Oe st erreichs? Diesen deutschen Menschen". ist Neutomischel wichtiger als Wien . Ueber die innenpolitische Lage wird folgendermaßen orakelt: Nach der Flucht der Sozialdemokratie aus der Verantwortung im Reiche mußte der Reichspräsident neue Wege weifen. Im Bunde mit Kommunisten und Sozialdemokraten haben sich National- soziolisten und Deutschnationale der politischen Führung des Reichspräsidenten versagt. Damit ist der Soziakdenw. kratie wiederum der Weg zur Macht im Reich« freigemocht. Die Gefahr eines soziallstifcheu Siege» gilt es abzuwenden. Hierüber wirb der 14. September 1930 entscheiden. Ueber den Schwindel von derMucht der Sozialdemo- kratie aus der Verantwortung" wollen wir mit derKonser- vativen Volkspartei" nicht besonders rechten, der ist einfach nu? der Z e n t r u m s p r e s s e abgeschrieben. Aber der Angstschrei wegen derG e f a h r e i n.e s s o z i a l i st i s ch e n Sieges" ist das einzige Echte an dem ganzen Opus. Herr Treviranus und seine neugebackene Partei ewp- fehlen, sich- einem Publikum als patentierte Soziakisten.- - äter» Das find hchcnr. Ii

»Das bißchen Defizit kann der Mann da alleine tragen!"

GchielesRoggenlogik" Was wird aus dem deutsch -finnisthen Zollgeschast?

Herrn Schiele ist nicht wohl. Seine wie des Land- bundes Wohlhoffnungen sind und bleiben in erster Linie auf den deutschen Osten gerichtet, wo die Agrarier sitzen. Hoff- nungen auf den Osten und zwar auf dieselben Agrariex, hat aber auch Herr Hugenberg, der wegen Schieles bisher ziemlich erfolgloser Roggcnpolitik nicht schlecht gegen Schiele und den Landbund vom Leder zieht. So muß Schiele seine Agrarier über die Roggenpreije, die einfach nicht richtig in die Höhe wollteü, beruhigen, und er tut das höchst- selbst in seinem.Leibblatt, der.Deutschen Tageszeitung". Schade für Herrn Schiele und den Landbund, daß er jetzt durch Gesundbeterei gutzumachen nersuchen muß. was trotz restloser Erschöpfung des schutzzöllnerischen Arsenals beim Roggen nicht erreicht werden konnte. Di� R.o gg. enio aik ispreche gegen den Ro ggelr-- pess l m.i s m u 5, so'tsteink Schiele. Nachdem der'Roggsn- zoll von S auf 1.5 Mark erhöht, der Futtergerstenzoll von 2 auf 12 Mark gesteigert und die Maiseinfuhr durch das Maismonopol so gut wie abgedrosselt sei. müsse die Logik dieser Tatsachen im neuen Wirtschaftsjahr die Futtergetreide- einfuhr, die bisher so auf den Roggenpreis gedrückt habe, um 50 Proz. sinken. Nachdem die diesjährige Getreideernte um eine halbe Million Tonnen Roggen und um eineinhalb Mil- lionen Tonnen Hafer kleiner sei und nachdem das Regen- weiter die Qualität immer mehr verschlechtert, sei höchstens nach eine überschüssige Roggenmenge von einer Million Tonnen erwarten,' für deren Unterbringung jetzt schon durch das Vrotgesetz, die Aktion mit dem Eosinroggen und durch die Möglichkeit des Roggenexportes vorgesorgt sei. Schiele kommt zu dem trostreichen Ergebnis, daß nach menschlicher Voraussicht in dem neuen Erntejohr die Ord- nung auf dem Roggenmarkt hergestellt sei. Herr Schiele scheint ober diese menschliche Voraussicht selbst nicht sehr hoch einzuschätzen, denn er hält es doch für entscheidend für eine günstige Marktentwicklung, daß auch die Genossenschaften, der Handel und die Landwirtschaft von ihrem Roggenpessimismus zu seiner Roggenlogik bekehrt werden. Den Zeitpunkt für die verkündete Wendung zum Bessern sieht er erst dann gekommen, wenn die Psychose am Roggenmarkt niedergerungen sei. Wir haben nun den Eindruck, däß Herr Schiele doch in die Regierung gegangen ist, um die Ursachen dieser Roggen- psychose bei den Landwirten und im Handel zu bekämpfen. Daß er jetzt in seinem Ringkampf mit Hugenberg seine Mannen trösten und beruhigen muß. scheint uns ein recht fatales Eingeständnis dafür zu sein, daß er mit seiner Roggen- Politik keinen astzu großen Erfolg gehabt hat. Außerdem stich wir der Meinung, daß die B a u e r n, die der Reichsland- bund ja in erster Linie gewinnen möchte, von Herrn Schieles Trostepistel für die Großagrarier nicht sehr entzückt sein werden, denn alle Maßnahmen, die er für«ine Besierung des Roggenmarktes angeführt hat, haben sich als ebenso schwere Keulenschläge gegen die Stallwirtschaft der Bauern ausge­wirkt, denen die Futtermittel mit jeder Maßnahme, die dem Roggen auf die Beine helfen sollte, verteuert werden. Was aus den deutsch -sinnischen Zollverhand- l n g e n wird, ist immer noch ungewiß. Herr Ritter vom deutschen Auswärtigen Amt ist zwar nach Helsingfors gefcihrcn, es ist aber unbekannt, welche Aufträge er hat. So besteht bis

jetzt nur die Hoffnung, daß der dcutsch-sinnische Handelsvertrag nicht gekündigt wird. Auf dieser Hoffnung sind auch die Schlußverhandlungen auf- gebaut, die zwischen dem'Zweckoetband der Nieder- rheinischen Industrie- und Handelskammern und d e r. R o t t e r d a in e r Handelskammer zur Beilegung des holländischen Boykotts deutscher Maren geführt worden sind und über die jetzt ein Kommunique veröffentlicht worden ist. Bon deutscher Seite ist dabei die Erklärung abgegeben worden, daß mit.einer Wicderausnahme von Besprechungen ähnlicher Art wie des deutsch -finnischen Prioatvertrpges nicht mehr zu rechnen sei und die Ratifizierung des deutsch -sinnischen Zusatz- abkommens schnellstens erfolgen werde. Die deutschen und hollän- dischen Unterhändler sprechen die Hoffnung aus, daß das frühere sre.undfchaftlich? Verhältnis zwischen Holland und Deutschland wieder voll hergesteilt, werde und Münde�für�die �Wiederholung der Boh- tottdeweguvg nicht' mehr entstehen.'/ DieDeutsche Tageszeitung" verrät zwar auckz nichts darüber, obwohl sie es bei ihrer Verbindung mit Herrn Schiele wissen müßte, was Herr Ritter in Helsingfors durchsetzen soll. Aber sie bekennt ganz deutlich, daß sie mit ihren Butter- und Käs«- sorderungen unversöhnlich bleiben. will. Die deutsche Regierung soll, das ist die Forderung derDeutschen Tageszeitung", im Rohmen der ihr erteilten Ermächtigung alle Bindungen beseitigen, die der Handelsoerträg mit Finnland für Butter und Käse ausrecht erhält. Das heißt wenn schon der deutsch - sinnische Handelsvertrag nicht mehr gekündigt werden soll daß auf irgendeinem Wege die Bindung der Butterzölle aus 50 M. beseitigt, der Erziehungszollcharaktcr, d. h.' die Senkung der Butter- zolle auf 40 und 30 M. nach 1333, ausgehoben, daß die Käsezöll« beträchtlich erhöht und daß alle Bindungen überhaupt preisgegeben werden müssen. Offen ist nur die Frage, auf welchem Wege dos geschehen soll. Obwohl man scheinbar aus die Kündigung jetzt verzichtet, besteht man auf den Erfolg, den die Kündigung hätte herbeiführen sollen. Der Landbund verlangt, daß die Aushebung aller Zollschranken für Butter und Käse möglichst.sofort und aus alle Fälle früher erfolgen muß. als es auf dem Wege der Kündigung möglich gewesen wäre. Deshalb wird die Aufgabe Ritters in Helsingfors auch nur dahin- charakterisiert, daß er unter Aufrechterhaltung der Landbundforderungen nur noch einmal den Versuch einer gütlichen Einigung machen soll. Wenn diese gütliche Einigung nicht in den allernächsten Tagen zum Ziel führt, dann muß der deutsch -sinnische Handelsvertrag gekündigt werden. Darauf bleibt der Rcichslandbund auch im gegenwärtigen Augenblick bestehen.Faule Kompromisse darf es in dieser landwirtschaftlichen Lebensfrage nicht geben und wird es auch nicht gebenl", sa lautet des Landbunds Auftrag für Herrn Schiele. Die Dinge liegen also noch keineswegs so einfach, wie es nach den Hoffnungen der deutschen und holländischen Handels- kammcrn und nach den Erwartungen scheinen möchte, die angesichts der Tatsachs in weiten Kreisen der Ocsfentlichkeit gehegt wurden, daß eine Kündigung des deutsch -sinnischen Handelsvertrags in. der letzten Sitzung des Rcichskabinetts nicht beschlossen worden ist. Di« großen Wirtschastsgesahrcn, die in der Linie der von Schiele und dem Reichslandbund verfolgten Katastrophenpolitit liegen, dauern fort, nach wie. vor ist mit dem deutschen Handelsvertragssystem auch der deutsche Export bedroht und damit die Gefahr gegeben, daß die deutsche Wirtschaftskrise sich w e i t c r o e r s ch ä r f t.»' ,,

Polen unterstützen Anschluß. OerRobotnik" für die Politik desVorwärts". Warschau . 18. August. Dt« amtliche polnische Telegrapheaogeutur gibt denvorwärts"- Artikel wieder, der dos Anschlußproblem behandelte und dar ans hinwies, daß die deutsche Politik aus diesem Gebiet von Polen u n t« r fi ü tz k werden wüßte, da die Ablenkung Deutschland , zum Lüdosten seinen Druck aus die polnischen.Grenzen abschwächen würde. Da» haoptorgan der Sozialistischen Partei Polens Robolnik" erklärt, daß diese Klelluugnahmc de»vorwärt»" sich vollkommen mit dem Standpunkt der polnische« Sozialtsten decke, wie sie ihm feil Iaheen wiederholt««»drtck gejgeb«, haben.

Oie Not der Städte. Eine traurige(Statistik der Fehlbeträge. Nach Feststellungen des Reichs st ädtebundes betrugen die Fehlbeträge in der Iahresrechnung 1329 in 220 preußischen Städten bis zu 25 000 Einwohnern durchschnittlich 6,31 M. je Ein- wohner. In den einzelnen Größenklassen wurde festgestellt, daß in 23 Städten bis zu 2000 Einwohnern durchschnittlich 5,61 M. se Ein­wohner, in 68 Städten mit 2001 bis zu 5000 Einwohnern durch- schnitilich 7,24 M. je Einwohner, in 56 Städten mit 5001 bi» zu 10000 Einwohnern durchschnittlich 7,74 M. und in 53 Städten mit 10 001 bis zu 25 000 Einwohnern durchschnittlich 6,34 M. sc Einwohner al» ungedeckter Fehlbetrag nach 1930 üb S-- uwauieu werden nachten.