Morgenausgabe
Nr. 387
A 195
47.Jahrgang
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Mittwoch 20. August 1930
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Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
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VBMJ. will diftieren!
Gehaltstürzungen und Entlassungen.
Die Gewerkschaften verlangten zunächst, daß die Kündigungen, die ausgesprochen wurden, sämtlich zurüdgenommen werden müßten. Das ist von den Unternehmern rundweg abge
Geffern fanden im Reichsarbeitsminifterium auf Wunsch der Gehaltsfürzung in Verbindung mit der Kurzarbeit durch Angestelltengewerkschaften nochmals Verhandlungen statt in dem fetzen und gleichzeitig nicht nur einen wesentlichen Teil der Konflikt in der Berliner Metallindustrie. ausgesprochenen Kündigungen aufrecht erhalten, sondern außerdem noch sich das Recht weiterer Kündigungen während der Laufdauer des Lohnabkommens vorbehalten. während der Laufdauer des Lohnabkommens vorbehalten. Es würden zum Beispiel von den rund 1300 ausgesprochenen Kündigungen bei Siemens und der AEG. 570 aufrechterhalten werden, es würde dazu eine zehnprozentige Gehaltsfürzung eintreten und außerdem würden die Unternehmer das Recht haben, weitere Kündigungen auszusprechen!
lehnt worden.
Weiter verlangten die Gewerkschaften, daß, falls ein Notablommen abgefchloffen würde, in dem eine Kürzung der Arbeitszeit und eine Gehaltstürzung vorgesehen würden, während der Dauer dieses Abkommens kündigungen nicht ausgesprochen Unter diesen Umständen mußten die Verhandlungen scheitern. werden dürfen. Auch diese Forderung ist von den Vertretern des Hervorzuheben ist, daß das Reichsarbeitsminifterium auch nicht den Verbandes Berliner Metallindustrieller abgelehnt worden. geringsten Verfuch gemacht hat, die Unternehmer von ihrem herausDie Metallindustriellen wollen eine zehnprozentige fordernden Standpunkt abzubringen.
Die Krankenfaffen warnen.
Notverordnung erschüttert Gemeinschaftsarbeit. dnung erschüt
haftsarbeit.
Dresden , 19. Auguft.( Eigenbericht.) und Verfassungsreform heißt das Schlagwort, das diefe program Die Tagung des Hauptverbandes Deutscher matische Aufgabe tennzeichnet. Rranfenfaffen wurde am Dienstag abgeschlossen. In der Frage der Arbeitsgemeinschaftenbildung zur Förderung der Gesundheitsfürsorge nahm der Krantentaffentag eine Entschließung an, in der bedauert wird, daß die von allen beteiligten Körperschaften der öffentlichen und privaten Gesundheitsfürsorge als dringend und notwendig anerkannte und auch bereits angebahnte Gemeinschaftsarbeit aufs schwerste durch die Draffelung der Einnahme der Sozialversicherung bedroht wird.
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Die Sparmaßnahmen" betont die Entschließung- werden Der Krankenversicherung und damit dem Boltsgesundheitsdienst 300. Millionen Mart entziehen. Der Invaliden und hinterbliebenenversorgung sind durch die Herabminderung der Einkünfte aus den Zolleinnahmen von 40 auf 20 Millionen Marf jährlich und durch das unerfüllt gebliebene Versprechen auf zu wendungen aus den Lohnsteuereinnahmen des Reiches be deutende Mittel entzogen. Der Reichsverband deutscher Landesversicherungsanstalten ist bereits mit Rücksicht darauf von der Durchführung des Abkommens zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten zurüdgetreten. Dadurch wird die wirksame Bekämpfung der wichtigsten Volkskrankheiten in der Gemeinschaftsarbeit unmöglich gemacht.
Der 34. Deutsche Krantenfassentag erwartet daher von der Reichs regierung geeignete Maßnahmen, damit die für die Gesundheitsfürs forge in der versicherten Bevölkerung vorgesehenen 20 Millionen Mart nicht zur Stärkung der Finanzen der Invalidenversicherung herangezogen, sondern für die Durchführung der Richtlinien für die Gesundheitsfürforge fichera e ftellt werden.
Deutschland ist zu sozialistisch!
Sagt der Bolksparteiler Hugo.
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Dr. Otto Hugo , Erster Syndikus der Industrie- und Dr. Otto Hugo , Erster Syndikus der Industrie- und Handelskammer von Bochum , führendes Mitglied der Deut schen Volkspartei , veröffentlicht in der Berliner Börsenzeitung" einen programmatischen Artikel. Er kommt dabei
Es ist schade, daß sich Herr Hugo nur in allgemeinen Redensarten bewegt und alle konkreten Vorschläge vermeidet, denn es wäre wirklich interessant zu erfahren, wie feine foziale Gegenrevolution im einzelnen aussieht. Bielleicht aber hält er auch deshalb mit Einzelheiten zurück, weil er weiß, daß der Volkspartei sonst auch noch der letzte Wähler davon laufen würde.
An des Januschauers Leitfeil.
Kandidatenrede des tollen Junfers.
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Herr von Oldenburg Januschau , einer von denen, die ausersehen sind, den Deutschen Reichstag zu verjüngen, hat in Riesenburg eine Kandidatenrede gehalten und dabei u. a. ausgeführt:
Je stärker die Rechte werde, desto leichter werde es sein, die Regierung am Leitseil zu halten.
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Schafft Klarheit!
Ein Wort an die Beamten. Von Albert Falkenberg .
Die Reichstagsverhandlungen der letzten Monate haben den Beamten die Augen geöffnet darüber, was ihnen blühen wird, wenn die Sozialreaktion der bürgerlichen Parteien, unterstützt durch die Flügelparteien von links und rechts, das Staatssteuer fest in die Hand bekommt. Die Beamten aller Kategorien sind daher in zwiefacher Hinsicht fall der Wahlen interessiert. Einmal haben sie fein an den politischen Vorgängen und insbesondere an dem AusInteresse an einer Regierung, die ihre Rechte mit Füßen tritt. In die Praris übersetzt, heißt das nichts anderes, als daß die Beamten mit dazu beitragen müssen, die Regierung Brüning verschwinden zu lassen. 3um anderen liegt es nicht zuletzt im Interesse der Beamten, daß durch den Ausfall der Wahlen politische Mehrheitsverhältnisse geschaffen werden, die Garantien für die Bildung einer stabilen Regierung ergeben einer Regierung, die die Zeichen der Zeit besser zu deuten versteht als die Regierung Brüning.
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Durch die aus der Parteienfrise entstandene Parteineubildung, d. h. Umrangierung der Parteikräfte, werden Gefahren heraufbeschworen, die gerade auch in den Reihen der Beamten Beachtung verdienen. Sehr bald werden, wenn es inzwischen nicht bereits geschehen sein sollte, von den Sammlungsdirigenten Lockrufe an die Beamtenschaft ergehen, die deswegen nicht ohne Wirkung bleiben können, weil breite Schichten des deutschen Beamtentums immer noch des Glaubens find, sie könnten sich auf Umwegen um die Erfüllung ihrer politischen Mission herumdrücken. Wenn der das nicht ohne attivste Anteilnahme der Beamten selber erStaat an Haupt und Gliedern erneuert werden soll, kann allem auch politisch so start werden, daß ihr Beto gegen jede folgen. Sie müssen nicht nur gewerkschaftlich, sondern vor politische Scheinaftion zur Umnebelung der Gehirne gehört wird und sich auswirkt gegen jene Kräfte, die meinen, wie bisher auch weiter die ihnen unentbehrlichen Massen an der Nase herumführen zu können. Auch die Beamten werden Parteineubildungen nicht hindern können; aber es ist für die sogenannten ,, neuen" Parteten nicht einerlei, ob, bzw. in welchem Umfange fie Mitläufer aus dem Lager der Beamten gewinnen. Je größer die Zahl der Mitläufer ist, die sich einer mit Scheingründen geftüßten Sammlungsaktion zu bekennen, desto schwieriger wird sich die Lösung der großen Beamtenfragen in Politik und Wirtschaft gestalten. Mit ihrem Deckungsprogramm hat die jetzige Reichsregierung der Beamtenschaft einen überaus lehreichen politischen Anschauungsunterricht erteilt. Dafür einige Beispiele.
Das Volk ist in Not! Ist diese Tatsache jemals Schiele sei ein ordentlicher Mann, der sicherlich das Beste von den Beamten geleugnet worden? Oder haben sich die wolle, doch auch er habe nichts geschafft. Schiele fämpfe um Beamten gemeigert, an der Beseitigung dieser Volksnot mitKündigung des Handelsvertrages mit Finnland , von dem alles abzuwirken? Ganz gewiß nicht. Aber sie verlangen, daß auch hänge. Er wisse, wie die Sachlage zu beurteilen sei und habe im die leistungsfähigen Schichten des deutschen Volkes in auss Weigerungsfalle mit dem Rücktritt gedroht. Er, Olden reichendem Maße mit herangezogen werden, wenn es zu burg- Januschau, tönne sich denten, wie schwer es Schiele falle, eiger opfern gilt. Die Regierung aber verfolgt ganz andere Ziele. feits in den polnischen Handelsvertrag einzutreten und andererseits Ihre 3oll- und Steuerpolitif ist Ausbeutung der für die Hebung der Produktion zu sorgen. Massen, also auch der Beamten. Der Besiz soll geschont werden, die Lohn- und Gehaltsempfänger sollen bluten. Sie sollen den verlorenen Krieg liquidieren, nicht diejenigen, die am Kriege verdient haben. Die Sozialdemokratie hat diese steuerliche Vergewaltigung der breiten Massen abgelehnt und der Regierung fowie den hinter ihr stehenden Parteien schärfsten Kampf angesagt. Die Sozialdemo fratie war die einzige Partei, die vor der Reichstagsauflösung mit ihren Anträgen eine grundlegende Alenderung des Beamtennotopfers zugunsten der unteren Kategorien der Beamten zu erreichen strebte. Als ihre Anträge im Steuerausschuß durch eine bürgerliche Mehrheit zu Fall gebracht maren, ftimmte die jozi albe mofratische Graftion fozialdemokratische
Er werde mit allen Kräften gegen die SPD. mar schieren. lleber das Ziel sei er sich mit seinen Freunden einig, der Weg zum Ziele stehe noch nicht fest.
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Herr v. Oldenburg Januschau hat immer den Vorzug gehabt, offen auszusprechen, was auch andere denken oder tun. So als er an den Leutnant mit den zehn Mann
ein sozialistischer Staat ist, daß davon die Wirtschaftskrise herrührt und daß es einer antifozialistischen Ronterrevolution bedarf, um die Wirtschaft wieder auf die Beine zu bringen. Wörtlich schreibt er:
Man hat sich früher keinen rechten Begriff davon machen fönnen, was ein sozialistischer Staat bedeutet. Die Disfuffionen über den Bebelschen Zukunftsstaat waren mehr ideologischer Natur. Heute sehen wir flar, daß es der Sozialismus in Deutschland , zum Teil mit bürgerlicher Hilfe, verstanden hat, den Staat, der eigentlich den Intereffenausgleich für alle besorgen soll, zu einem wesentlich als klassen staat eingestellten Gebilde umzuwandeln. Ganz ungeheuerliche Mittel werden heute der Wirtschaft entzogen, um über die öffentliche Hand verbraucht zu werden. Stegerwald stellte in Köln fest, daß mehr als ein Drittel des deutschen Voltsaufkommens heute öffentlich in Anspruch genommen wird....
Es ist eine geschichtlich durchaus bekannte Tatsache, daß jede Revolution ihrer Korrektur bedarf. Jede Umwälzung schießt mit ihren neuen Ideen über das Ziel hinaus. Das gilt auch für die deutschen Verhältnisse der Gegenwart. Die gesamte Wirtschafts- und Finanzpolitik bedarf der Umstellung, und auch die staatlichen Einrichtungen müssen einer Rorreftur unterzogen werden, um alles auszuschalten, was an überBifigen, träfteverzehrenden Einrichtungen vorhanden ist. Reichs
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VORWARTS
appellierte, der den Reichstag davonjagen sollte, so als er dem preußischen Innenminister v. Loe bell während der englischen Blockade schrieb, er bebaue seine Kartoffelböden längst nicht mehr. Jetzt hat er die schöne Formulierung gefunden, man müsse die Rechte stärken, um die Regierung am Leitseil zu halten". Das Bild ist aus der Vorstellungswelt der Landwirtschaft gewählt und ungewöhnlich treffend.
Damit ist dem deutschen Volke die Frage gestellt, ob es eine Regierung will, die von Oldenburg , dem Januschauer, am Leitseil geführt wird. Diese Frage gilt es am 14. September zu beantworten!
„ Reichshilfe". Der Borwurf der Demagogie fann die
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im Plenum des Reichstags geschlossen gegen die Sozialdemokratie nicht treffen, weil sie den im Falle der Annahme ihrer Anträge entstehenden Einnahmeausfall durch stärfere eranziehung der leistungsfähigen Voltsschichten auszugleichen bereit war. Sie hat das bewiesen. durch ihren Antrag auf Erhöhung des Einkommensteuerzuschlags von fünf auf zehn Prozent für alle Einfommenbezieher über 8000 Mart.
Auf dem Gebiete des Beamtenrechts haben die Bürgerblockregierungen der letzten Jahre nicht erreicht, daß auch nur eine der dringlichsten Fragen zur Entscheidung gebracht wurde. Die Sozialdemokratie hat alles getan, um wenigstens den dringlichsten Forderungen der Beamten gerecht zu werden. Unter der Regierung Hermann Müller hat der sozialdemokratische Reichsinnenminister eines Gefeßes über Beamtenvertretungen im Reichstage eingebracht. Durch die innerpolitischen Wirren ist die Weiterberatung verzögert und schließlich durch die Reichstagsauflösung verhindert worden. Auch die Frage des einheitlichen Beamtenrechts wäre unter der Regierung Müller nach dem Willen Severings in Angriff genommen worden, hätten nicht die Machenschaften der aus
Die Krawalle in Neumünster . Severing im Januar dieses Jahres den Entwurf
Neumünster , 19. August.( Eigenbericht.) Wegen der Zusammenstöße 3 wischen Kommunisten und Polizei in Neumünster verurteilte das hiesige Schöffengericht nach dreitägiger Berhandlung sechs kommunistische Angeklagte zu Gefängnisstrafen von 2 bis 10 Monaten. Der angetlagte Kommunistenführer Timm wurde freigesprochen,