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BERLIN Sonnabend

23. Auguft

1930

10 Pf.

Der Abend

Erfcheint täglich außer Sonntags. Sugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin SW 68, Lindenstr. 3

47. Jahrgang

66 Anzeigenpreis: Die einspaltige Nonpareillezeile

Spätausgabe des Vorwärts

80 Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Postscheckkonto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin Nr. 37536. Fernsprecher: Donhoff 292 bis 297

Nazis in Potsdamer Reichswehr

Soldaten der Nachrichtenabteilung machen GA.- Lebungen mit

tam zu einem schweren Handgemenge, in dessen Verlauf die Haken­kreuzler durch die energisch zugreifenden Reichsbannerkameraden gründlich zurechtgewiesen wurden.

Scharfe Schüffe in Bunzlau .

Wie wir von beftunterrichteter Seite erfahren, bestehen innerhalb| Jugendlichen ein und versuchten sie aus dem Zuge zu reißen. Es der Potsdamer Reichswehrgarnison nationalsozialistische Zellen. So ift der Führer des Jagdwagens des Standortältesten von Potsdam eingeschriebenes Mitglied der NSDAP . Auch die Nach richtenabteilung von Potsdam unterhält enge Beziehungen zur Hitlerpartei. An den Abend- und Nachtmärschen der SA.­Abteilung Potsdam haben 14 Angehörige der 6.. Kompagnie des Infanterieregiments IX. teilgenommen, darunter auch ein Soldat, der in nationalsozialistischen Kreisen den Spitznamen General Heinrich" trägt. Die nationalfozialistischen Reichswehrmitglieder nehmen an diesen Märschen in SA.- Kleidung mit Reichs­wehrmänteln feil. Ihre Uniform verbergen fie in der Zwischen zeit unter einem Chaiselongue in dem früheren Gaffhaus Richter am Alten Markt, einer Nazi- Kneipe.

Auch mit dem Stahlhelm unterhält die Potsdamer Reichs­ wehr enge Beziehungen. So hat der Reichswehrmusiker Ziegenhagen an einer Stahlhelmfundgebung in Hamburg als Tambour- major mitgewirkt.

Die Reichswehrangehörigen werden ähnlich wie die Beamten, denen die Zugehörigkeit zur NSDAP . untersagt ist, mit falschen Namen in den Ortsgruppenliffen, oder als Einzelmitglieder bei der Reichsparteileitung geführt.

Schreckensfind ohne Ende.

Treviranus redet...

Hamburg , 23. Auguft."

In einer Wählerversammlung der Konservativen Bolkspartei sprach am Freitagabend Reichsminister Treviramus. Unter den Bersammlungsteilnehmern befanden sich auch viele National sozialisten, die den Verlauf der Versammlung so erheblich störten, daß der erste Redner seine Rede vorzeitig ab­brechen mußte. Dem zweiten Redner, Lambach, gelang es

Drei Zote und acht Verwundete.

Bunzlau , 23. Auguft. berufene Bersammlung statt. Die Polizei hatte hierzu umfangreiche Gestern abend fand hier eine von den Nationalsozialisten ein­

Absperrungsmaßnahmen getroffen.

Dabei fam es zu Zusammenstößen mit Kommu nisten, die die umliegenden Straßen besetzt hielten. Eine ein­gesetzte Motorsprige wurde von den Kommunisten schwer be­drängt. Das Personal wurde angegriffen und die Schläuche in den Odeonteich geworfen. Die aus Görlitz angeforderte Schutz­polizei traf wegen einer Autopanne verspätet ein. Als der Kriminal­affiftent Melcher einen Kommunisten führer, der fortwährend zum Angriff aufhegte, festnehmen wollte, wurde er mit einem Steinmurf zu Boden gest redt. Die Polizei eröffnete dar­auf das Feuer. Durch die Schüsse wurden drei Bersonen getötet und acht verlegt. Die drei Toten sind zwei Arbeiter und ein Schneider­meister.

Politische Zeitungsstände verboten.

Dresden , 23. Auguft.

Das Polizeipräsidium hat sich, wie amtlich mitgeteilt wird, ge­nötigt gesehen, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung die unter Borbehalt des Widerrufs erteilte Genehmigung zum Aufstellen von Zeitungs- und Werbeständen zurückzuziehen. Die betreffenden politischen Parteien sind aufgefordert worden, ihre Zeitungs- und dagegen, sich besser Gehör zu verschaffen. Er gab seiner Ueber- Werbestände bis heute mittag zu entfernen. Die Polizeibehörde zeugung Ausdruck, daß mit Männern, die durch Fraktionsbeschlüsse hat sich zu diesem Berbot veranlaßt gesehen, weil in den letzten gebunden und parteiabhängig seien, eine fruchtbringende Arbeit nicht Tagen an einzelnen Zeitungs- und Werbeständen politischer Parteien geleistet werden könne. In den nächsten Jahren müsse ohne die Zusammenrottungen ernster Art stattgefunden haben. Sozialdemokraten regiert werden.

Calonder tritt zurück.

Genf , 23. Auguft.

Reichsminister Treviramus führte aus, daß Deutschland nicht genesen werde, wenn man an Parteiprogrammen flebe. Das Ziel müsse sein, zur nationalen Einheit zu kommen. Er behandelte dann die innenpolitische Lage, die schließlich zur Reichstagsauflösung Der Präsident der gemischten deutsch - polnischen Schiedskommis­führte, und betonte, daß das vom Reichspräsidenten fion in Oberschlesien , Felix Calonder , hat in einem Schreiben von Hindenburg begonnene Reformmert weiter ausgebaut werden würde. Wenn das Haus brenne, könne man nicht darüber streiten, wie in dem Hause die Kammerverteilung sein solle. Es müsse eine Basis gefunden werden, auf der die gesamte Volkswirtschaft sich ausgleichen könne. Hierbei fönnten sozialistische Gedanken nicht geduldet werden, weil das ein Ende mit Schrecken bedeuten würde.

Herr Treviranus hat fürzlich einen Wahlaufruf unterschrieben, in dem das Machwert der Brüning- Regierung als hinden. burg Programm" bezeichnet war. Er hat sich amtlich be­stätigen lassen müssen, daß diese Firmenänderung unzulässig war. Was tut er nun? Er fährt nach Hamburg und redet weiter vom Hindenburg - Programm! Der Staat, das bin ich!" sagte Ludwig XIV. Hindenburg, das bin ich!" denkt Treviranus . Dieser berühmte Sprechminister der Regierung Brüning will ,, sozialistische Gedanken nicht dulden". Wer weiß, wie lange das Volk ihn dulden wird!?

In der Hafenkreuzfeste.

Hermann Müller in Coburg .

Coburg , 23. Auguft.( Eigenbericht.) In Coburg hielt am Freitag abend die Sozialdemokratische Partei die erste öffentliche Wählerversammlung mit Hermann Müller als Redner ab. Der große Festsaal der Hofbräu- Gaststätten war überfüllt. Müller wurde begeistert begrüßt. Seine Ausführungen wurden von der Riesenversammlung mit atemloser Spannung ent­gegengenommen. Die Versammlung verlief, da die National­sozialisten ausgeschlossen waren, in vollster Ruhe. Nur ein kommu­nistischer Redner versuchte vergeblich, mit dem Ablesen aus fommu­nistischen Flugblättern Eindrud zu schinden.

Vor der Versammlung fand ein starter Propaganda. umzug statt, den die Hakentreuzler auf dem Marktplatz zu sprengen versuchten. Mit Stöden bewaffnete Haten­freuzler drangen auf die im Zuge marschierenden Frauen und

an den Generalsekretär des Bölferbundes seinen Rücktritt mitgeteilt. Er bleibt vertragsmäßig bis Juli 1931 im Amt. In dem Schreiben wird der Rücktritt mit Familienverhältnissen begründet. Präsident Calonder hat sein Amt seit 1922 inne.

Befriedigung in Doorn

Wenn der Treviranus so fortfährt, mit seinen Reden Anstoß zu erregen, wird er M3CH fast ersetzen tönnen."

Stegerwald lehnt Polen ab.

Keine neuen polnischen Arbeiter für Großagrarier. Die Forderung der oftpreußischen Landwirtschaft auf Julaffung von 3000 polnischen Wanderarbeitern zur Kartoffel­ernte hatte in der deutschen Oeffentlichkeit einen Sturm der Ent­rüffung hervorgerufen.

Wie jetzt von zuständiger Stelle mitgeteilt wird, ist die Zulaffung dieses Kontingentes polnischer Erntearbeiter vom Reichsarbeits­minifterium verweigert worden.

Der erfundene Brief.

Aus der fommunistischen Fälscherwerkstatt.

Die Rote Fahne " hat mit untauglichen Mitteln versucht, den ,, Vorwärts" der Fälschung zu bezichtigen. Wir werden jezt an einem sehr markanten Fall nachweisen, wie die tommunistische Preise sich in unanständiger Weise des Mittels der Fälschung bedient, wie sie nicht davor zurückschreckt,

einen ganzen Brief eines sozialdemokratischen Abgeordneten von Anfang bis Ende zu erfinden.

Das ,, Echo des Dftens", Organ der KPD. für Ostpreußen , verant­wortlicher Redakteur Reichstagsabgeordneter Schneller, hat am 15. August 1930( Nr. 189) folgenden Brief abgedruckt, den Genosse Landtagsabgeordneter Erich Kuttner angeblich an ein Königsberger sozialdemokratisches Parteimitglied ge= schrieben haben soll, das wegen einer Prügelei mit dem Stahlhelm ( so wird behauptet) sechs Monate Gefängnis erhalten und sich aus dem Gerichtsgefängnis Königsberg heraus an Kuttner als Mit­glied des Rechtsausschusses gewandt hatte. Der Brief, wie ihn das tommunistische Parteiblatt abdruckt, lautet:

An

Berlin , 11. März 1930.

den Genossen D...

Königsberg .

Deinen Brief vom 8. erhalten, tann ich das leider nicht so machen, wie Du denkst; denn nach Befragen soll es dort( im Königsberger Gefängnis. D. Red.) nicht schlecht sein. Auch dort ist ein moderner Strafvollzug. Dann ist es doch auch nicht unsere Schuld, daß Du dort bist. Warum läßt Du Dich mit radikalen Rowdys ein? Sei doch ein überzeugter Arbeiter auf dem Boden der Verfassung. Was Du an sonstigen Uebelständen schreibst, fann so schnell nicht geändert werden, denn es ist kein Geld da, und nächstens wird erst über den Justizetat beraten. Man darf nicht gleich mit dem Knüppel arbeiten; ruhig, sachlich auf dem Grunde der Verfassung müssen wir arbeiten. Dann, was das Ererzieren betrifft, so wird es gut sein, denn wenn Ihr den ganzen Tag fit, ist dies doch zur Bewegung und Berdauung gut. Darum gedulde Dich bis zur Entlassung. Beobachte und bleibe ruhig.

Mit Parteigruß

gez.: Kuttner.

Dieser Brief ist von A bis 3 erfunden. Wer Kuttner als Partei­schriftsteller kennt, dem wird schon ohne weiteres einleuchten, daß dieses ungelente und falsche Deutsch nicht von ihm her­rühren kann. Außerdem redet Genosse Kuttner, der als Mitglied des Rechtsausschusses eine sehr umfangreiche Korrespondenz mit Straf­anstaltsinsassen hat, aus grundsäglichen Erwägungen heraus Straf­gefangene stets mit Sie und Sehr geehrter Herr" an. Schon hieraus ergibt sich die Fälschung. Wir sind aber in der Lage, sie roch näher aufzuklären.

Am 8. März 1930 erhielt Genosse Kuttner ein längeres Schreiben von einem im Gerichtsgefängnis Königsberg sitzenden Georg Dörsam, der sich als Parteimitglied bezeichnete und be­hauptete ,,, wegen des Stahlhelmtages" mit sechs Monaten Ge= fängnis bestraft zu sein. Dörsam hatte schon früher in einer Ein­gabejache Königsmann, in der Kuttner Berichterstatter beim Rechtsausschuß war, an Kuttner geschrieben. Da sich alle Angaben Dörsams in der Sache Königsmann als falsch erwiesen hatten, fo hatte Kuttner von Anfang an erhebliches Mißtrauen gegen den Briefschreiber. Verschiedene schwülstige Wendungen des Schreibens ließen Kuttner auch daran zweifeln, ob Dörfam wirklich langjähriges Parteimitglied sei, mie er behauptete und ob er aus politischen Gründen im Gefängnis fize. Kuttner erkundigte sich bei führenden ostpreußischen Parteigenossen nach Dörjam und