Beilage
Sonnabend, 23. August 1930
Mosaik der Misere
Erlebnisse eines Abends/ Heinrich Hemmer
Es gibt Ueberfälle: nicht nur von Menschen, auch von Situationen, vom Leben, von der Schwierigkeit, fagen wir, zu leben. So erging's mir am letzten Regenabend, also noch nicht vor langem, als ich, ursprünglich gut gelaunt, das vormalige Restaurationslokal des ,, gemütlichen Onkel Ernst" aufsuchte, in dem es jetzt sputt, sozusagen. An der Eingangstüre schon stand ein Mann mit einem Ar maus Holz und Ble d), daran hingen, was soll man auch sonst damit machen, Perlentetten zum Verkauf auf der Straße. Der Arm nämlich, den er jetzt edig wie ein Maschinenmensch bewegte, war ihm, ohne daß er dafür entschädigt worden wäre, bei einer Millionenfirma abgequetscht worden, und wie sollte er mit seiner jungen Frau von dem bißchen Unterstützung und Verkauf( der heute obendrein verregnet war)... ,, o bitte, geben Sie mir zwei Mart". Man hört sich solche Reden halb an und braucht, ich wenigstens, seine paar Groschen, um selbst einmal etwas in den Magen zu kriegen: ich
trat ein.
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Die junge Wirtin begrüßte mich mit herzlichem und zugleich etwas schmerzlichem Lächeln: ihr Vater, der Restaurationspächter, war furz nach Uebernahme des Geschäfts gestorben, und der Geld geber flagte nun auf Räumung. Sie hatten ihn schon mal rausgeworfen, sie und ihre Mutter, derart hatte er ihnen mit Geldforderungen zugesetzt während sie doch Geld in das Geschäft gesteckt hatten.„ Ja, ja, im Oktober ist Termin, und im November müssen wir raus, und die neuen Pächter haben einen Vertrag, daß sie nicht aus den Augen schauen können." Keinen viel besseren hatte der Verstorbene nach zwanzigjähriger erfolgreicher Reisetätig feit für den Herrn Geldgeber erreichen können ich drückte der Wirtin die Hand und bestellte etwas zu essen.
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Als ich mich mit einem„ miese Zeiten" an den Stammtisch setzte: Ja", sagte ein nachdenklicher Herr bedeutungsvoll ,,, davon fann ich Ihnen eine Geschichte erzählen." Ein bekannter, geachteter, regelmäßig und solide verdienender Bertreter hatte den Herrn crsucht, ihm 1000 Mart zu verschaffen Sichers heit: Wohnung, Möbel, alles, was die Famile besitzt, Man friegt Geld, zweifelsohne, aber was für Garantien werden nicht alle verlangt, und der Mann mar etwas ., unsicher", denn sein Chef, der jetzt natürlich Vertreter findet, so viele er will, hatte bei Erneuerung des Kontrakts verlangt, daß der Vertreter für Ausfälle( d. h. für nicht geleistete Zahlungen auf erhaltene Ware) mit seinem Gelde garantiere.
,, Man muß heutigentegs vorfidhtig sein", sagte ein Ueberschlauer Dom Stammtisch ,,, die Dinge sind nicht, wie sie scheinen, das beweist Ihnen ein ganz sonderbares Erlebnis, das ich erst vor einigen Tagen hatte. Es war Mittag: die Zeit des Hauptverkehrs, da sprang ein Mann über die Brücke in den Kanal. Die Leute rennen, Grängen fich zur Unglücksstelle, ein Rettungsfahn wird freigemacht, im letzten Moment, als er schon untergegangen ist, erreicht man den Selbstmörder, bringt den Ohnmächtigen ans Land... ich aber drücke mich: denn ich weiß, was das alles zu bedeuten hat. Der Mann wird in eine Droschte gesezt und im Hospital wieder aufgepäppelt; am Kai hat indessen ein ,, Wohltäter" für ihn gesaminelt, und wenn Sie gleich nachher die Zeitungen anrufen, werden Sie hören, daß Name und Beruf. des Selbstmörders und sein Retter bekannt sind, so prompt arbeitet die Selbstmordindustrie". Ja, so etwas gibt es: aber einem geübten Schwimmer wie mir ist es nicht ent: gangen, daß der Selbstmörder Wassertretbewegungen gemacht hat." ,, Wie sah er aus?" fragte der Nachdenkliche.
Fr
Weißes Haar, schwarzer Schnurrbart, groß, mager, ein Brand
mal auf der einen Backe."
,, Großer Gott!" rief der Nachdenkliche, und türmte hinaus, ,, es ist mein Freund, der Vertreter..."
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Bei Schmorden", zu dem ich dann meine Schritte lenkte, um auf andere Gedanken zu kommen, herrschte eine ähnliche Stimmung. Der melancholische Dachdecker starrte mie immer vor sich hin, denn es gab wohl mehr Aufträge denn je in diesem naffen Sommer, aber so wenig Geld dafür wie noch nie. ,, Es ist schon gut, wenn man überhaupt etwas zu tun hat", bemerkte ein viel in Anspruch genommener Armenrat, der, wenn es mit der Abdrosselung der Arbeit so weiter ginge, einen Winter der Katastrophen prophezeite. Alle Kategorien von Menschen gehen be: ihm aus und ein, das heißt sie gehen immer mit ein wenig mehr Geld aus, denn ein. Leute mit Titeln, Gelehrte, Künstler: darunter( ift's möglich?) sogar der Chormeister von der Synagoge unter meinem Fenster, denn von seinen 70 Mark monatl.ch leben fann er wohl nicht. Noch kann das ein Mädchen mit 48 Mart Erwerbslosemunterstügung zuwege bringen. Und wenn tatsächlich ein Unwürdiger unter zehn Bedürftigen sich einschleichen könne, wäre das ein Grund, die Taschen zuzumachen und den Bewerbern, denen man die Arbeit nahm, auch noch das Leben zu nehmen?" sagte der Rat. ,, D, davon fann ich eine Geschite erzählen," sagte ein fremder Reisender, nachdem er sich zu uns an den Tisch setzte.
Der Reisende war vor zwei, drei Wochen zusammen mit einem jungen Mann, den er im Zuge fennengelernt, in einem obffuren Ileinen Hotel abgestiegen, das versteckt in einem Garten liegt, unweit eines Bahndammes. Immer hört man dort das Rollen der Züge. Es ist laut genug, jedes andere Geräusch zu übertönen. Beispielsweise auch das Knallen eines Revolvers. So kann man fich dort ungestört eines Lebens entledigen, das jeden Reiz verloren hat. Der Fall ereignete sich in diesen letzten Wochen der Misere sehr häufig. So häufig, daß man jedesmal Berdacht schöpfte, wenn jemand längere Zeit sein Zimmer nicht verließ. So war's dem jungen, faum zwanzigjährigen Manne ergangen, mit dem der Reisende zusammen eingezogen war. Ich erinnere mich noch( jagte der Reisende), daß er am Abend sein Rad megbrachte; er erwähnte diesen Umstand sogor unten, wo ich vor den Eingang saß, mir gegenüber mit einer Stimme, die mir ihrer Substanzlosigkeit halber auffiel. Nach einer Weile fam er zurück, verlangte den Schlüssel und sagte gute Nacht" mit einer noch unirdischeren, einer schon vom Körper ganz losgelösten Stimme und ging hin auf. Ich legte diesen Dingen kein besonderes Gewicht bei, denn der Mann war bei einer großen Firma engagiert, er hatte nur den Kontrakt zu unterschreiben und eine Wohnung zu suchen für fich und seine Braut, die am nächsten Tag eintreffen sollte.
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Bis spät am nächsten Nachmittag war aber der junge Mann nicht wieder gesehen worden. Hatte er unbemerkt das Zimmer verlassen? Man bohrte ein Loch in die Tür: ich war mit dabe: Ich guckte durch das Loch. Mein Blick fiel auf ein Paar Schuhe. Der Anblick dieser verlassenen Fußbekleidung war schauderhaft und überzeugend. Sie standen unterm Bett. Der Eigentümer benötigte ihrer nicht mehr. Er war bereits in einer Domäne, wo man nicht mehr nach einen Stelle herumzulaufen braucht. Die zugesagte Stelle nämlich hatte der junge Mann der Geldknappheit" halber nicht erhalten: so besagte ein Brief an seine Braut, der auch den Erlös für das Fahrrad und Abschiedsgrüße enthielt.
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das ärgste fam erst. An der Haustür entdeckte ich, daß ich den Ich war aufgestanden ich hatte genug für diesen Abend, aber Schlüssel nicht eingesteckt hatte. Ein Nachtwächter fommt alle Stunden vorbei. Ich setzte mich in seiner Erwartung vor die gläserne Scheibe und starrte in den Häuserschacht hinauf, der sich um den Hof schloß. Dieser ganze Häuserkomplex steht seit zwei Jahren leer ( so etwas gibt es in Berlin ) um so mehr überraschte es mich, daß sich zu allen Fenstern dunkle Gestalten drängten: Männer, Männer, Männer. Ein Torwart mit einer Stappe, den ich kannte( aber woher nur??), öffnete von innen und begrüßte mich: Also sind Sie doch endlich ins Asyl gekommen!", sagte er. Mir schauderte: ich war in einem Männerheim, das ich unlängst besichtigt hatte; aber der Torwart beruhigte mich. ,, Sie sind ja erster Klasse", sagte er( auch hier gibt's zwei Klassen, das Elend 2. Klasse und das noch elendigere erstklassige Elend)... Sie müssen nur trachten, daß Sie Ihre Kleider in Ordnung halten und nicht zur zweiten Klasse herabsinken, denn alle, die von der ersten in die zweite Klasse kommen, sind verloren obwohl, glauben
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Der Abend
Shalausgabe des Vorwärts
Sie mir, sie haben es besser in der zweiten: die haben mehr Geld, denn sie können betteln gehen. Der Wart führte mich in den Gesellschaftsraum der ersten: da saßen sie alle stumm und stumps, und von einem geheimen Kummer gequält, denn wenn sie auch ärmer waren als die Bettler, so hatten sie doch noch etwas zu verlieren. Aber die in der zweiten Klasse bildeten fröhliche Gruppen, umringten mich schließlich und führten mich in den Schachthof hinaus. Da starrten sie noch immer herunter: 400 Augenpaare. Ein ganzes Städtchen der Misere.
,, Was sind Sie?" fragte der Torwart und blätterte im Zetteltasten; da gab es Kaufleute, Lehrer, Dentisten, Reisende, Ingenieure, einen Schmied, der schon sechs Jahre arbeitslos ist und einen Professor Dr. Soundio: Schriftsteller. Manche hatten den Zettel über und über vermerkt und andere, wie ich, waren ein unbeschriebenes Blatt: 400!
frisch überzogenen reinen Bett zwar und in einer halbhoch abge
Ich sollte jetzt mit diesen 400 Obdachlosen schlafen: in einem trennten Zelle, aber ich würde sie doch alle atmen hören, oder vielmehr fühlen, und mein eigenes Ich würde sich verlieren, es würde in der Masse Asylmensch aufgehen. Ich sträubte mich, und ie mehr ich mich sträubte, desto mehr lachten die Bettler. ,, Was willst du Narr", sagten sie, und zeigten mir, wo man die Hemden, nein: das Hemd wäscht und trocknen läßt, während man badet. Fürchtest du dich vor der Misere? Komm', die sollst du kennenDu schreibst und kennst ja noch gar nischt..." ,, Mein Zimmer, ach gebt mir mein 3immer wieder!", rief ich...
lernen.
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,, Wat woll'n Se denn", sagte der Nachtwächter, mir aufhelfend, sind Sie blau?" ,, Nein", sagte ich, grau die Mijere". ich ,,, grau
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Kaspar auf der Barrikade
Zur Jahrhundertfeier der belgischen Revolution
Ohne die Heilige Kanaille" Brüssels vom 23. September hätte Belgien die Unabhängigkeit nicht fennengelernt. Camille Huysmans . Bei den rauschenden Festlichkeiten, mit denen Belgien seit Wochen und Monaten den hundertsten Geburtstag seiner sta at: lichen Unabhängigkeit begeht, kommt die patriotische Le gende mehr zu ihrem Recht als die historische Wahrheit. Aber auch wenn statt der Sage die Geschichte den Mund auftut, ist die Revolution, die zur Gründung des belgischen Staates führte, von einer Bedeutung, die eine nähere Betrachtung rechtfertigt.
Um ein Bollwerk gegen Frankreich zu schaffen, hatte der Wiener Rongreß 1815 die sogenannten österreichischen Niederlande samt dem Fürstentum Lüttich , also Belgien mit den Bereinigten Provinzen, also Holland , zu dem neuen Königreich der Vereinigten Niederlande zusammengefügt. Wirtschaftlich machte sich die Schöpfung nicht übel; Kanalanlagen, Ausbau des Antwerpener Hafens, Schutzzölle für die Industrie famen nicht zuletzt der jungen belgischen Bourgeoisie zugute, an deren dicken Bäuchen sich der ökonomische Aufschwung ebenso ablesen ließ wie an den geschwellten Ziffern der Handelsstatistik. Immerhin war es eine Quelle des Gulden in die Gemeinschaft eingetreten waren, fortan auch für die Mißvergnügens, daß die Belgier, die mit knapp hundert Millionen tausend Millionen, mit denen Holland belastet war, die Zinsen zahlen mußten, und auch die Ausgaben für die Deiche und die Flotte sah, fern vom Meer, der Brüsseler und Lütticher als weggeworfenes Geld an.
Schärferen Stachel aber hatte die politische Unzu Gegensaß ergab.„ Nirgends", sagte ein Zeitgenosse ,,, war der friedenheit, die sich nicht allein aus dem religiösen reformierte Calvinismus einseitiger und härter als in Holland , und nirgends der Katholizismus bigotter als in Belgien . Das die Verfassung die Gleichberechtigung der Bekenntnisse festlegte und die Schule der Aufsicht des Staates unterstellte, ging der Klerisei wider den Strich. Aber auch jene demokratisch gesinnte Schicht des Bürgertums, die von der Erinnerung an die Französische Revolution zehrte, wurde vor den Kopf gestoßen, weil König Wilhelm I. Belgien fast wie erobertes Land behandelte. Holländisch war Trumpf, der Belgier fühlte sich als Bürger zweiter Rlasse. Obwohl zwei Millionen Holländern dreieinviertel Millionen Belgier gegenüberstanden, waren von 1967 Offizieren nur 288, von den Gesandten und Konsuln gerade zwei Belgier, und bei den Wahlen zu den Generalstaaten entfiel schon auf 41 000 Sol länder, aber erst auf 70 000 Belgier ein Abgeordneter. Mehr als die Hälfte der Belgier sprach flamisch, das sich vom Holländischen faum unterscheidet, aber der Versuch, Holländisch als Amtssprache einzuführen, stieß nicht nur bei den Wallonen, sondern auch bei den Flamen auf erbitterten Widerstand, weil Französisch feit alters die Bildungssprache aller Belgier war. Die wachsende Unzufriedenheit führte 1828 zu einem Bündnis zwischen der katholischen und der liberalen Partei. Die Regierung sah sich zu Zugeständnissen, für jene in der Schul- und Kirchenfrage, für diese in der Sprachenfrage, gezwungen, und wenn auch die sogenannten Annexionisten von einer Angliederung des Landes an Frankreich träumten, strebte das Bürgertum als Ganzes nur eine Reform, teine Revolution an und dachte nicht an Trennung von Holland .
Da flammte die Pariser Julirevolution als mächtiges Fanal auf und entzündete die Köpfe auch in Belgien . Am 10. August noch besuchte Wilhelm I. , angehocht und umjubelt, die Brüsseler Ausstellung, und für Mittwoch, den 25. August, rüstete die Stadt zu Festlichkeiten, die zugleich dem Geburtstag des Monarchen wie der Bermählung mit dem preußischen Prinzen golten. Aber schon den Sonntag vorher fündigten an den Mauern flebende Zettel an: Montag Feuerwert, Dienstag Illumination. Mittwoch Revolution!" Wirklich ging es in der Mittwoch| nacht los; die Aufführung der„ Stummen von Portici" in der Oper endete mit Verwüstung der Redaktionsräume eines Blattes, das von der Regierung getauft war, mit Niederbrennung eines Hauses, das
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einem besonders verhaßten Minister gehörte, und mit Plünderung von Waffenläden. Wenn Treitschte von einer„, rohen, noch ziellosen Böbelbewegung" spricht, war in der Tat der Held des Tages fein katholischer oder liberaler Führer, sondern die an onyme Boltsmasse, jenes Proletariat, das ein Spottwort der Bourgeoisie unter dem Namen Gaspard oder Kaspar zufammenfaßte; da es arbeitslos und hungernd auf dem Pflaster lag, richtete es feine Wut gegen die Dampfmaschinen, die es für Urbeber feines Glends hielt.
Sofort aber bemächtigte sich die Bourgeoisie der Bewedes Eigentums, das ernstlich von niemandem bedroht wurde; diese gung. Sie schuf eine Nationalgarde in erster Reihe als Schutztruppe choß bereits am 26. August in die Volksmasse. Zwar hingen jetzt Bürgermiliz machte sich an eine Entwaffnung der Arbeiter und die Brabanter Farben Schwarz, Gelb und Rot, die schon 1790 ein furzlebiger belgischer Staat gehißt hatte, von Dach und Turm, aber noch dachten nur die wenigsten an eine Scheidung von Holland . Selbst als die Notabeln, die sich an die Spiße gestellt hatten, Anfang September eine Verwaltungstrennung beider Länder unter gemeinsamer Dynastie ins Auge faßten, fanden fich die belgischen Abgeordneten brav und bieder zur Tagung der Belgien und Holland jedes für sich ein Staat mit besonderer ReGeneralstaaten im Haag ein, und es wäre vielleicht so gekommen: gierung und besonderer Kammer, aber beide durch Personalunion unter dem Haus Oranien verbunden, wenn nicht der Souveränitätsdünkel Wilhelm I. gefigelt hätte, die ,, unbotmäßigen Untertanen" mit Gewalt zur Räson zu bringen. Da sich in der zweiten Septemberhälfte ein holländisches Heer Brüssel nahte, herrschte unter dunsteten und wurden, solange dice Luft" war, nicht mehr gesehen. den Führern der Bourgeoisie Heulen und Zähneklappern; sie verDafür nahm Kaspar die Sache in die Hand, Kaspar baute Barritaden, Kaspar griff zur Flinte. Als am 23. September zehntausend Holländer mit 26 Kanonen in die Stadt rückten, wurden sie von der Kanaille", dem„ Böbel", also von Arbeitern, Bauern und Kleinbürgern heiß empfangen und in mörderischer Straßen. schlacht zu den Toren hinausgeworfen. Diese Boltsmasse, die von Lehrern, Hufschmieden, Schneidern befehligt wurde, schlug sich nicht Belgiens , fie fämpfte gegen Unterdrüdung ganz allge für eine glatte akademische Formel, etwa die Unabhängigkeit allein zeugerischen, verabschiedete, wies sie den Ereignissen die Bahn. mein, aber dadurch, daß sie die Phrase zugunsten der Tat, der nach dem Boltssieg aus ihren Maufelöchern geschlüpften Führer, Da die Leichen zu Hunderten auf dem Pflaster lagen, sahen auch die daß es ein Zurück nicht mehr gab, und am 5. Oktober rief eine eilends gebildete provisorische Regierung die Unabhängigkeit Belgiens aus. Damit war man gewiß noch nicht überm Berg, denn selbst als die nach einem schmählichen Zensuswahlrecht zufammengefeßte Nationalversammlung die Grundlinien des belgischen Staates gezogen und erst den Sohn des Franzosenkönigs Ludwig Philipp, dann nach dessen Ablehnung den Prinzen Leopold von Koburg- Gotha zum König gewählt hatte, und selbst nach Zuſtimmung der Mächte, die anfangs über die revolutionäre Zerreißung der Wiener Kongreßbeschlüsse entsetzt waren, zeigte sich König Wilhelm unbelehrbar. Hatte seine Artillerie schon im Herbst 1830 die Stadt Antwerpen von der Festung aus sieben Stunden aus dreihundert Feuerschlünden bombardiert, so marschierten im August des nächsten Jahres abermals holländische Truppen in Belgien ein, es tam zu Gefechten, und erst der Einsatz der französischen Armee und der englischen Flotte brachte den halsſtarrigen Oranier endgültig zur Ruhe.
Aber trotz aller Verwicklung, die sich nach diesen beiden Tagen noch ergab: der 25. Auguft und der 23. September hatten die Fundamente zur Unabhängigteit Belgiens gelegt. Raspar hatte es geschafft! Allerdings erntete er schlechten Dant, denn in dem Belgien , das Karl Marr das Paradies der Kapitaliſten nannte, hatte die Arbeiterklasse, ökonomisch und bis ins zwanzigste Jahrhundert auch politisch entrechtet, wahrhaftig nichts zu lachen. Hermann Wendel .