1 Beilage zum„Vorwärts" Berliner Volksblatt. Ur. 90. Freitag, den 17. April 1896. 13. Jahrg. Neichskag. 69. Sitzung vom 16. April, 2 Uhr. Am Tische des Bundesraths: von Bötticher, von Berlepsch. Die Abgg. K r ö b e r(Bayern ) und R e i n d l sind ver- storben; das Haus ehrt ihr Andenken in der üblichen Weise. Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung des Ges etzentwurfs zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs. Nach§ l kann derjenige, welcher in öffentlichen Bekannt- machungen oder Mittheilungen über geschäftliche Verhältnisse, rnsbes andere über Beschaffenheit, Herstellungsart und Preis- deinessung von Maaren-c.. über die Art des Bezuges oder die Be- zugsquelle, über den Anlaß oder den Zweck des Verkaufs unrichtige Angaben macht, welche geeignet sind,� den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervor- zurufen, auf Unterlassung dieser unrichtigen Angaben in Anspruch L->'on'>ne>. werden von jedem Geiverbetreibenden, der Waaren Leistungen gleicher oder verwandter Art herstellt oder in geschäftlichen Verkehr bringt. Daneben haben die Gewerbe- treibende» auch Anspruch auf Ersatz des verursachten Schadens gegen denjenigen, der die unrichtigen Angaben gemacht hat, '�re Unrichtigkeil kannte oder kennen mußte. Bei öffentlichen Bekanntmachungen durch die Presse sollen die für den Inhalt der Druckschriften verantwortlichen Personen zum Schadenersatz nur herangezogen werden können, wen» der ver- antwortliche Redakteur die unrichtigen Angaben kannte, oder wenn derselbe einen Verfasser oder Einsender nicht nachweist, welcher sich im Bereich der richterlichen Gewalt eines deutsche» Bundesstaates befindet. Drei Aenderungsanträge beziehen sich auf diesen letzten Punkt bezüglich der Presse: 1. Abg. Roer e n(Z.) will die Vorschriften des§ 1 auf die sur den Inhalt einer Druckschrift verantwortlichen Personen nur rnsoweit Anwendung finden lassen, als dieselben die Iln richtigkeil der Angaben kannten; 2. die Abgg. Schmidt und Träger(frs. Vp.) wollen eine Inanspruchnahme bezüglich der Presse dann nicht zulassen, wenn die unrichtigen Angaben im Auftrage eines Dritten in die Druckschrift aufgenomnien worden sind und dies aus der Art der Bekanntmachung selbst erkennbar hervorgetreten ist; 3. Abg. B a s s e r m a n n(natl.) will hierzu noch hinzu fugen:„oder falls letzteres nicht der Fall ist, wenn auf erfolgte Aufforderung der Verfasser oder Einsender nachgewiesen wird/ Außerdem beantragt Abg. Bassermann, daß die Ver Wendung von Namen, welche nach Handelsgebrauch zur Be- nennung gewisser Waaren dienen, ohne deren Herkunft be- zeichnen zu sollen, nicht unter vorstehende Bestimmung fallen soll. � Die Abgg. Singer und L e n z m a n n wollen über- einstimmend die Worte„über Geschästsverhältnisse, insbesondere" streichen., § 1 wird in seinen einzelnen Absätzen getrennt behandelt; es kommt zunächst zur Verhandlung der Absatz I, betreffend die Mittheilung unrichtiger Angaben mit den Anträgen Singer und Lenzmann. Abg. Lenzmann(frs. Vp.) hält es für zuweit gehend, die Angaben über geschäftliche Verhältnisse hier hineinzuziehen, wo man doch nur den unlauteren Wettbewerb in Handel und Wandel selbst treffen will, aber nicht Angaben über die Geschästsverhält- niffe, vielleicht also eine kleine übertreibende Behauptung über die Größe der Werkstälte, über die Zahl der beschäftigten Per- sonen u. s. w. Die Konkurrenten könnten sich gegenseitig in dieser Beziehung mit Klagen chikaniren. Abg. Singer(Soz.): Bei dem Antrage leitet mich Haupt- sächlich das Mißtrauengegen die Interpretation s.olcher kautschukartiger Bestinimungen seitens der Richter. Dem Grundgedanken des Entwurfs stehe ich freundlich gegenüber, aber ich will nicht eine neue Quelle seit- sanier Interpretationen eröffnen; das Gesetz selbst soll die Merk- male angeben für das Urlheil des Richters. Das ist besonders nothwendig, weil wir hier auf ein neues, ungewohntes Gebiet der Gesetzgebung kommen. Sonst werden die Richtersprüche schließlich degründet auf dem Urtheil eines neidischen Kon- kurrenten, der darüber ärgerlich ist, daß er nicht selbst das Geschäft gemacht hat. Die Regierungs - vorläge enthielt die bedenklichen Worte nicht. Alle Parteien wollten die eononrrenos deloyale bestraft wissen, aber nur an der Hand klarer und fester Vorschriften. Warum will man ein Spezialgesetz nun auf einmal verallgemeinern. Sollten die Worte nicht gestrichen werden, so werden meine Freunde gegen 8 1 stimmen. Abg. Bafsermann(natl.) tritt für die Annahme des Kom- missionsbeschlusses ein. Allerdings wird durch die Aufnahme der allgemeineren Klausel eine unangenehme Uebergangszeit für das Publikum entstehen, ehe die Richtersprüche sich niit einander in Ucbereiustimmung setzen; aber das wird auch beim Streichen der all- gemeineren Worte der Fall sein. Richterliche Urtheile er- scheinen allerdings manchmal seltsam; das ist aber bedenklicher bei strafrechtlichen Urtheilen als bei zivilrechtlichen. Nur durch eine Generalt- klausel können alle Mittel des unlauteren Wettbewerbes getroffen werden, weil man nicht alle denkbaren oder mögliche» Mittel aufzählen kann. Abg. Rörcn(Z.) hält die Aufnahme einer Generalklausel für nothwendig. denn es würden sonst die Reklamen, welche das Publikum durch gefälschte Atteste irreleiten, nicht unter das Gesetz fallen. Eine gleiche Bestimmung befindet sich schon im Art. 62 des Handels-Gesetzbuches, welcher von der Auslösung des Gehilfenverhältnisses handelt, welches erfolgen kann„ans ge- wichtigen Gründen, insbesondere ic." Die Bestimmung kann um so eher angenommen werden, als niemals eine redliche Existenz davon getroffen werden kann. Bei anderen Gesetzen kann ein- mal ein Unschuldiger getroffen werden. Staatssekretär v. Bötticher: Ueber die Absicht, welche wir mit dem Gesetzentwurfe befolge», besteht zwischen den beiden letzten Vorrednern und den verbündeten Regierungen eine Meinungsverschiedenheit nicht. Wir wollen den unlauteren Wett- bewerb möglichst wirksam und in allen seinen Punkten treffen. Wir sind sehr geneigt, eine Vervollständigung der Auf- Zählung im§ 1 vorzunehmen. Tie Frage, ob eine Generalklausel aufzunehmen sei, ist im Kreise der verbündeten Regierungen Gegenstand eifriger Erörterung gewesen. Eine der verbündeten Regierungen hat sich anfänglich mit einer großen Lebhaftigkeit auf den Standpunkt des Kommisstonsbeschlusses gestellt. Aber auch diese hat sich im Laufe der Berathung davon überzeugen müssen, daß es nicht wohlgethan ist, zu einer solchen General- klausel überzugehen. Die Gründe, welche jene Regierung be- stimmt haben, die Generalklansel abzulehnen und welche mich bestimmen, jetzt gegen dieselbe zu sprechen, sind folgende: Die Bewegung zur Bekämpfung des unerlaubten Wettbewerbes ist doch hauptsächlich daraus hervorgegangen, daß mit dem Schadenersatz nach der Praxis der deutschen Gerichte nicht viel anzufangen ist. Die Generalklausel führt nicht zum ersehnten Ziel, sondern trägt vielleicht dazu bei, daß der Richter vielleicht ein milderes Urtheil fällt. Mit den Beschlüssen der Kommission wird es sich ja leben lassen, aber die Wirkung des Gesetzes wird dadurch nicht erhöht, sondern eher vermindert. Abg. v. Langen(k.): Die Kommission hat, außer in diesem Punkt, es vermieden, eine Verallgemeinerung eintreten zu lassen, sonst hätten wir ganz nach dem französischen Muster jeden un- lauteren Wettbewerb verboten. Die Spezialfälle erschöpfen den unlauteren Wettbewerb nicht; es muß eine Verallgemeinerung eintreten, denn man weiß ja heule noch nicht, welche Mittel und Wege nach Erlaß des Gesetzes eingeschlagen werden. Manche Urtheilssprüche der Richter haben Kopf- schütteln hervorgerufen, aber doch meist nur auf strafrechtlichem Gebiete, während es sich hier um zivilrechtliche Fragen handelt. Ein Schaden wird durch die Generalklausel jedenfalls nicht angerichtet. Abg. Vielhabeu(d.-s. Reform-P.): Ohne die Generalklausel würde die Vorlage keine Wirkung haben, denn diejenigen, gegen welche das Gesetz gerichtet ist, sind sehr erfinderisch in ihren Mitteln; man hat gar keine Vorstellung, wie reich die Phantasie dieser Geschäftsleute ist. Werden nur einzelne Spezial- bestimmungen aufgenommen, so nehmen sich die Geschäftsleute in Acht, unter die einzelnen Bestimmungen zu fallen. Wird eine allgemeine Klausel aufgenommen, so müssen sie viel achtsamer sein. Jedenfalls sind die bemängelten Worte nicht unklarer als z. B. die Bezeichnung„Betriebs- geheimniß". Absatz 2: Schadenersatz, ruft keine Debatte hervor. Absatz 3 betrifft die Vorschriften über die Presse; es liegt außer den mitgelheilten Anträgen noch ein Antrag Vielhaben vor, den ganzen Absatz zu streichen. Abg. Schmidt zieht seinen Antrag zu gunsten des An- träges Roeren zurück. Abg. Roeren(Z.) ändert seinen Antrag formell dahin, daß er nicht alle für den Inhalt einer Druckschrift verantwortlichen Personen(d. h. die strafrechtlich verantwortlichen Personen), sondern nur die Redakteure, Herausgeber, Drucker und Ver- breiter von Druckschriften unier dieses Gesetz fallen lassen will. Ganz ausgeschlossen konnten die Druckschriften nicht werden, weil sonst von einem leistungsfähigen Ge- schäftsmann gar kein Schadenersatz zu erlangen gewesen wäre, wenn ein Drucker für ihn fortwährend Reklame-Anzeigen verbreitet. Abg. Bassermann(natl.): Man wollte die dem unlauteren Wettbewerb dienenden Anzeigen treffen, aber man wollte auch dem ganzen Geschäftsbetrieb des Jnseratenwesens Rechnung tragen. Mit meinem Antrage sind die Eingaben der Presse vollständig einverstanden und darüber hinauszugehen in bezug auf die Entlastung der Presse ist wohl nicht nothwendig. Die Eingabe der Preßinteressenten, die unterzeichnet ist von dem „Hannoverschen Courier", der„Magdeburger Zeitung" u. s. w. verlangt nur, daß die Redakteure u. s. w. straffrei sein sollen, wenn die Anzeige als im Auftrage eines Dritten aufgenommen gekennzeichnet ist. Auch bezüglich der anonymen Anzeigen ist die Eingabe mit meinem Antrage einverstanden. Geh. Ober-Regierungsraih Hauff: Von feiten der Re- giernngsvertreter ist von vornherein gegen die Ergänzung, welche die Kommission in bezug aus die Presse hat eintreten lassen, Widerspruch erhoben worden, weil es nicht richtig ist, der Presse eine exzeptionelle Stellung in dieser Beziehung einzuräumen. Soll aber eine Ergänzung der Vorlage stallfinden, so ist der Anlrag Roeren wohl ausreichend. Der Antrag Bafsermann ist nicht klar genug für das Publikum und für die Richter, sodaß selbst der Wunsch der Presse nicht dazu führen sollte, eine solche Aenderung vorzunehmen. Abg. Viclhabe»: Für die Bildung der öffentlichen Meinung sind die Zeitungen die Hauptsache; weist man diesen eine Aus- nahmestellung an, so schädigt man die Wirkung des ganzen Gesetzes. Die Presse befindet sich in keiner anderen Lage als ein großer Agent, der eine Menge von Artikeln vertreibt. Dieser muß in Zukunft alle ihm von den Fabrikanten zugeschickten Reklamezettel durchlesen. Warum sollen die Zeitungen nicht auch die Anzeigen prüfen durch einen besonderen Angestellten? Bei politischen Nachrichten kommt es auf die Schnelligkeit an; ob eine Anzeige ein oder zwei Tage später erscheint, ist gleich- giltig.(Gelächter links.) Deswegen kann bei Anzeigen eine gründliche Prüfung eintreten. Berichterstatter Abg. Mcycr: Diese letzte Anschauung des Vorredners ist eine der originellsten, die ich jemals gehört habe (Heiterkeit links.) Die Verantwortlichkeit des Redakteurs für Artikel, die er nicht geschrieben, ja vielleicht nicht einmal gelesen, ist eine Ordnungsbestimmung; anders liege es aber bezüglich der Anzeigen, die der Redakteur gar nicht kennt. Absatz 4, wonach unter Waaren im Sinne dieses Gesetzes auch landwirthschaflliche Erzeugnisse zu verstehen sind, veranlaßt keine Debatte. Der zweite Antrag des Abg. Bas s er mann(natl.) be- treffend die Benennung von Waaren mit handelsgebräuchlichen Namen soll dem§ 1 als fünfter Absatz angefügt werden. Der Antragsteller verweist darauf, daß das Waaren- zeiche»- Gesetz solche Benennungen zulasse; das gegenwärtige Gesetz solle diese Bestimmung nicht aufbeben, weil durch die Verwendung solcher handelsgebräuchlichen Namen keine Täuschung beabsichtigt sei. Abg. Roeren(Z.) erklärt sich gegen den Antrag, weil die Bestimmung des Waarenzeichengesetzes, welche hauptsächlich im Interesse der Weiugroßhündler getroffen ist, zu vielfachen Klagen, namentlich der kleinen Winzer, Veranlassung gegeben hat. Abg. Schmidt-Elberfeld(frs. Vp.) empfiehlt den Antrag Bassermann, der nolhwendiger sei, als auch die landwirthschaftlicheu Erzeugnisse unter die Vorlage fallen. Eine genaue Bezeichnung des Weines nach seinem Ursprünge könne durchaus nicht getroffen werden. Abg. Singer: Wenn wir einen Spezialgerichtshof, allein aus Herrn Roeren bestehend, konstruiren könnten, dann ließe sich die Sache ertragen. Für Wein allein könnte der Antrag Basser- mann vielleicht hingehen. Aber es giebt eine ganze Menge von Volksnahrungsmitteln, welche sich mit einer bestimmten Ursprungs- bezeichnung eingebürgert haben und deren Verkauf unter der üblichen Bezeichnung in Zukunft unter Strase gestellt werden würde. Staatssekretär l>. Bötticher: Wenn Sie im Z 1 die Worte „geschäftliche Verhältnisse" einfügen, dann werden Sie nicht um- hin können, den Antrag Basscrmann anzunehmen, wenn Sie nicht ungeahnte bedenkliche Folgen heraufbeschwören wollen. (Sehr richtig! links). Wer Harzer Käse, Braunschweiger Wurst u. s. w. kaufen will, der will nicht Waaren haben, die dlos nach der betreffende» Art fabrizirt sind, sondern er will Waaren des betreffenden Ursprunges haben. Der Sitz des Uebels sind eben die„geschäftlichen Verhältuisse." 'Abg. v. Langen: Ich esse sehr gerne italienischen Salat; aber ich würde nicht ungehalten darüber sein, wenn auf der Speisekarte stände: Salat nach italienischer Art; ich verlange nicht, daß der Salat in Italien gewachsen ist.(Heiterkeit.) Abg. Fuchs(Z.): Die Debatte zeigt, wie weit Handel und Wandel schon von Treu und Glauben abgewichen ist; aber diese Übeln Usancen müßten nach Möglichkeit wieder beseitigt werden, namentlich auch, soweit der Wein dabei in Frage kommt; denn der Besitzer von Berncastler Doktor wird arg geschädigt dadurch, daß sehr viel anderer Wein unter dieser Firma geht. Damit ist die Debatte über§ 1 erledigt. Berichterstatter Abg. Meyer: Die Kommission wollte an dem Gesetze über die Waarendezeichnungen nichts ändern; das Gegentheil zeigt sich heute als Absicht der Abgg. Roeren und Fuchs. § l wird mit dem Antrage der Abgg. Roeren zum Absatz 3 und Bassermann zum Absatz 5 angenommen. s 2, betreffend die Bezeichnung der für die Klagen zu» ständigen Gerichte, Z 3 über die Sicherung des Anspruchs und § 4 betreffend die strafrechtliche Verantwortung werden ohne Debatte angenommen. Nach§ 5 kann durch Beschluß des Bundesraths für be- stimmte Waaren festgesetzt werden, daß sie nur in vorgeschriebenen Einheiten der Zahl, der Länge und des Gewichts oder mit einer Angabe der Menge verkauft werden dürfen. Abg. Vielhabcn hält diese Bestimmung für überflüssig. Abg. Jacobskötter(k) spricht seine Verwunderung darüber aus, daß der Vorredner gerade diesen§ 5, der von allen Seiten Billigung erfahren habe, streichen will. Das würde man im Publikum gar nicht verstehen. Unterstaatssekretär Rothe wendet sich gegen den Antrag Viel- haben, ist aber nicht damit einverstanden, daß die Hohlmaße aus- gelassen sind. Gerade auf Anregung des Reichstages haben Unter- suchungen darüber stattgefunden, ob nicht auch der Verkauf von Bierw in Gefäßen voii bestimmtemJnhalt erfolgen solle. Die Aichung von Schankgefäßen ist vorgeschrieben; die von geschlossenen Ge- säßen nicht, trotzdem sich ergeben hat, daß die Herstellung von Flaschen eines bestimmten Maßes sich sehr leicht bewirken läßt. Im Flaschenbierhandel giebt es Flaschen der verschiedensten Größe; statt 20 Flaschen werden jetzt 30 Flaschen, statt früher 30 jetzt 40 Flaschen anscheinend derselben Größe aber mit höherem Boden geliefert. Der Bierverleger kann gar nicht ehrlich liefern, weil ihm von seinen Kunden Flaschen der verschiedensten Art zurückgegeben werden. Die Brauereien und die größeren Bierhändler, ebenso die Gastwirthe haben sich für eine Aenderung dieser Verhältnisse aus- gesprochen. Es wäre zu bedauern, wenn bei dieser Gelegenheit der Bundesrath verhindert werden sollte, eine durchgreifende 'Aenderung dieser Verhältnisse vorzunehmen, die in solcher Weise erfolgen würde, daß die Flaschenfabrikanten dadurch nicht ge- schädigt würden. Abg. Singer(Soz.): Der Antrag Vielhaben bildet eine merkwürdige Illustration zu dem Bestreben seiner Partei, Treue und Glauben im gewerblichen Leben aufrecht zu erhalten. Wenn auf irgend einem Gebiete eine Aenderung nothwendig ist, so ist es auf diesem Gebiete des kleinen Verkehrs der Fall. Grade dieser Z 5 ist der alleruothwendigste im ganzen Gesetze. Sowohl im Publikum als bei den Gewerbetreibenden ist der Wunsch vorhanden, auf diesem Gebiete des kleinen Verkehrs den un- lauteren Wettbewerb zu beseitigen. Mißtrauen gegen den Vundesrath könnte höchstens dazu führen, die Bestimmung gegen die Quantitätsverschleierungen in das Gefetz aus- zunehmen, dieselbe sei aber nicht nur dem Bundes- rath zu überlassen, sondern müsse der Reichstag materiell an dem Erlaß der Vorschriften betheiligr werden. In bezug auf den Flaschenbierhaudel besteht im Reichstag keine Neigung, besondere Bestimmungen einzuführen, denn schließlich würde man nur helfen können durch einen Aichzwang für Flaschen. Daraus folgt dann eine Vertheuerung der Flaschen und des Vieres. Die Ausdehnung des Biergenusfes durch Aus- dehnung des Flaschenbierhaudels ist die beste Maßregel zur Be- kämpfung des Schnapsgenufses. Ehe die Regierung nicht die Nützlichkeit einer solchen Maßregel nachweist, wird sie wohl keine Vollmacht seitens des Reichstages bekommen. Abg. Vielhaben: Man ist hier in dem Bestreben, Uebel- stände zu beseitigen, viel zu weit gegangen. Man will dem Bundesrath nicht einmal das Bier anvertrauen, wie kann man ihm Bestimmungen überlassen über den Verkehr mit anderen Artikeln, über die er noch weniger ein Urtheil hat. Der Mittel- stand wird überhaupt gut thun, nicht allzu hohe Erwartungen an das Gesetz zu knüpfen. § 5 wird gegen die Stimme des Abg. Vielhaben angenommen, ebenso ohne Debatte die 6—8. Um Bffe Uhr wird die weitere Berathung bis Freitag l Uhr vertagt; außerdem steht die Novelle zum Genossenschafts- Gesetz betr. die Konsumvereine zur zweiten Berathung. Uokales. In Weiffensee hat eine Neuwahl zur Gemeindevertretung stattzufinden, da die Wahl unseres Parteigenossen Behlendors für ungillig erklärt worden ist. Friedrichshagen . Am Sonnabend, den 18. April, abends 8'/z Uhr. findet im Gesellschaftshause des Herrn Jlges hiersclbst eine Versammlung des„Allgemeinen Arbeiler-Bildungsvereins für Friedrichshagen und Umgegend" statt, in welcher Genosse Joh. Sassenbach einen Vortrag über„Verfassungskämpfe und Demagogenverfolgung in Deutschland " halten wird. Zu dieser Versammlung find alle Friedrichshagener Arbeiter, insbesondere aber diejenigen, welche sich an der letzten Gemeinderathswahl betheiligten und noch nicht Mitglieder unserer Organisation sind, eingeladen. Der Vorstand. Zeesen bei Königswiisterhausen. In Ermangelung einer Lokalkommission für Zeesen theilt der Unterzeichnete mit, daß daselbst das Lokal des Gastwirths S ch»mann den Arbeitern zu Versammlungen freigegeben ist. Die Berliner Genoffen wollen dies bei ihren Ausflügen berücksichtigen. W. Arndt, Adlershof . Der Berliner Asylverein für Obdachlose, dessen gemein- nützige Tbäligkeit allseitig anerkannt wird, errichtet in der Wiesenstraße ein neues Männerasyl, welches, ausgestaltet mit allen den Forderungen der Hygiene entspre chenden Einrichtungen, allabendlich 700 Obdachlosen Aufnahme, sowie warme Bäder, Abendbrot und Frühstück gewähren wird. Nachdem ein für den Bau passendes städtisches Grundstück mit Genehmigung des Oberpräsidenten an den Verein verkauft und die polizeiliche Genehmigung der Pläne erfolgt war, wurde mit dem Bau begonnen und die Arbeiten derart gefördert, daß der Verein sein neues Heim im nächsten Herbst zu beziehen hofft. Während der Vor- bereituugs- und Ausführungsarbeiten war, auf Verlangen des Grundbnchrichters, die staatliche Genehmigung zum Erwerbe des Grundstücks nachgesucht worden. Der Verein, welcher Korporal ions rechte besitzt und infolgedessen staatlicher Aussicht untersteht, glaubte mit dem Gesuch um Genehmigung des Grnndstückerwerbs- eine bloße Formalität erfüllen zu müssen und war nicht wenig erstaunt, als ihm im Auftrage des Ministers des Innern vom Polizei-Präsidenten eröffnet wurde, daß die Genehmigung des Ankaufs des Grundstücks zum Zweck des Asvlbaues versagt werde, weil das den in der Nähe befindlichen Humboldhain frequen- tirende Publikum durch das im Asyl sich einfindende Gesindel belä stigt werden würde. Außerdem sollten auch noch die Schüler der in der Nähe des zu errichtenden Asyls befindlichen Schulen durch einen Theil der das Asyl Aufsuchenden einer moralischen Ge- fährdung unterliegen. Der Vereinsvorstand wandte sich in einer Ein- gäbe, in welcher er vor allem dagegen nachdrücklichst Verwahrung einlegte, daß arbeits- und obdachlose Menschen als„Gesindel"
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