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Rr. 397 47. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Dienstag, 26. August 1930

Das Funkparadies Beraleute im Todestampf

Die neue Wandelhalle auf dem Messegelände

Die technische Entwicklung des Radiomejens bleibt eine unsicht| Versuche der Bastlervereinigungen, die mit reichem Material auf hare Angelegenheit, die eigentlich nur akustisch wahrnehmbar wird. marten und der Industrie manchen wertvollen Fingerzeig geben. Die großen führenden Firmen stehen im ständigen Wettbewerb, und die neuen Typen, die auf der Funk- und Phonoschau am Raiferdamm gezeigt werden, sind ganz besonders danach angetan, die Freude des Rundfunkfreundes zu wecken. Nur haben die

An den Wochenendtagen freuzen auf den Havelfeen Motorboote unter Führung eines Radiobootes, mit

Reues entfeßliches Unglück in Oberschlesien. - Fünfzehn Mann verschüttet.

Kattowi, 25. August.

Am Montagmittag ereignete sich auf dem Hilde. brandschacht der Hildebrandgruppe in Wirek( An­tonienhütte) ein schweres Grubenunglüd. Durch Zu- Bruch- Gehen eines Pfeilers, das durch einen Erdston verursacht wurde, wurden 15 Berglente ber­schüttet, 9 fonnten nach mehrstündiger angestrengter Bergungsarbeit schwer verlet geborgen werden. An die anderen Verschütteten wird man erst in etwa zwei Tagen herankommen können. Aus diesem Grunde besteht keine Hoffnung mehr, diese noch lebend bergen zu können. Dies ist das zweite schwere Unglück, das sich innerhalb von fünf Monaten auf der Hildebrand­grube ereignet hat. Damals tamen ebenfalls mehrere Bergleute ums Leben.

Furchtbares Bootsunglück!

Geegelboot im Haff gefentert. Blühendes Leben ver nichtet. Sieben junge Menschen ertrunken! Stettin , 25. August. heute früh in der Nähe der Kaiserfahrt gefunden. Ein gefentertes Boot der Jungmarine wurde

Neuerungen einen Hafen, der diese Freude start beeinträchtigt. dessen Lautsprecheranlage Schallplattenfonzert, lautverstärkte Sprache An das Boot hatte sich der Jungmann Methke an

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Jede kleine Veränderung in der Apparatur, die der Laie gar nicht zu bemerken und zu würdigen vermag, ist furzlebig bis zur nächsten Sunkausstellung. Mit ihr werden die hohen Preise für die neuen Typen motiviert. Was bei der vorigen Ausstellung eigent­fich fennzeichnend war, die vieffache Vorzeigung billiger Netz­anschlüsse, tritt in diesem Jahr in den Hintergrund. Im Gegenteil scheinen die Preise für gute Funtgeräte verteuert zu sein. Daß bei den Nezanschlußgeräten nicht alles jo tlappt wie man möchte, zeigt das Erstarken der Batterieempfänger. Sie vermitteln viel­mehr als der Netzanschluß einen gleichmäßigen, flangreinen Empfang ohne Störungen, die im Leitungsnetz auftreten. Auch für den Fernempfang leisten sie vorzügliches. Der moderne Apparat Fesitzt selbstverständlich eingebaute Sperrfreise zum Ausschalten des Drtsempfängers wie auch die Einrichtung des Kurzwellenempfängers. Die Lautsprecherindustrie hat sich zur Wiedergabe reiner Klang­füllen bis an die Grenzen des Möglichen entwickelt, leider hat sie aber auch den Ton zu einer Klangstärke hinaufgetrieben, der schon unter dem Begriff ,, ärm" fällt. Hier fehlt die Einrichtung eines Dämpfers, der sicher begrüßt werden würde; denn die meisten Netz. geräte lassen sich nicht ohne Berzerrung unter eine bestimmte Alang­ftufe zurüdstellen.

Besonders die Auftrengungen der Industrie, ein transpor fables Funtgerät zu fchaffen, einen jogenannten Roffer­apparat, mollen sich nicht in dem Sinne auswirken, der großen Mode der Sprechplattentoffer Konkurrenz zu machen. Der Apparat, der mit Trockenbatterien ausgerüstet ist, ist viel zu schwer, um ihn auf die Reise mitzunehmen. Er ist auch in seiner Apparatur zu empfindlich, um ihn für Bald. und Wiesenzmede zu strapazieren. Und außerdem ist er noch viel, viel zu teuer. So versucht die benachteiligte Industrie, aus der Not eine Tugend zu machen; die Berbindung mit der Schallplattenindustrie, wie sie sich schon äußerlich in der Zusammenlegung von Radio und Phonoschau fund gibt, zeigt Triumphe der Technit, wo in einer Apparatur Radio und Sprechplattenübertragung vereinigt merden. Für die Fortschritte des Radiomesens sprechen auch die

SINCLAIR LEWIS

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DER ERWERB

und

Wassersportler werden auch zahlreiche Luftballons über Bord ge­worfen. Jeder zweite Bailon enthält einen Gutschein, der zum freien Eintritt in die Große Deutsche Funtausstellung und

Phonoschau Berlin 1930" berechtigt.

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Der Eintrittspreis zur Funtausstellung beträgt 1,50 m. Karten sind auch bei den Verkehrsbetrieben zu haben und berechtigen zur freien Hinfahrt nach der Ausstellung. Die Rinderfarte toftet 0,75 m., ist aber nicht bei den Verkehrsstellen zu haben, sondern nur an den Ausstellungskassen. Die Ausstellung ist von 9% Uhr bis 20 Uhr geöffnet.

Starker Andrang zur Funt. und Phonoschau. Der Funk- und Phonoschau am Kaiserdamm scheint ein außerordentlicher Besuchs­erfolg beschieden zu sein. Die Besuchsziffern der ersten drei Tage liegen durchweg um mehr als 50 Pro3. höher gegenüber den entsprechenden Tagen des Vorjahres. Allein am gestrigen Sonntag passierten rund 40 000 die Sperre.

PHONOSEHAD

Der Eingang zur Phonoschau

ROMAN affen. Er zerriß den Durchschlag des Briefes und sah Una

War Herr Roß ein wenig enervierend, so mar er im Bergleich zum übrigen Pembertonbetrieb die verförperte Wüstenstille.

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geklammert. Er berichtete, daß er mit 7 Mann der Torgelower Jungmarine am Sonntag in einem Boot

von Ueckermünde aus in das Haff gesegelt sei. Sie wur den von einer Gewitterböe überrascht. Das Boot fenterte und alle 8 Personen fielen ins Wasser. Methke allein konnte sich an dem gekenterten Boot jest­klammern und trieb über 12 Stunden. Die übrigen Insassen, junge Leute im Alter von 15 bis 18 Jahren, und der Führer des Seglers, Stegemann, sind er. trunken.

Todesmutiger Retter ertrunken.

Hamburg , 25. Auguft. Der Berliner Rechtsanwalt Dr. Bendig war heute im Westerländer Nordbad zu weit hinausgeschwommen und dabei in Lebensgefahr geraten. Der Oberstleutnant a. D. Elchner,

DoIt

der dem Rechtsanwalt zu Hilfe eilte, wurde bei dem Rettungs versuch selbst von den Wellen in die See getrieben und ertrant. Rechtsanwalt Bendig indes fonnte dem Schiffer Artur Hansen geborgen werden. Auch ein dritter Badegast, der sich an der Rettungsattion beteiligt hatte und ebenfalls in Gefahr ge rafen mar ,, fonnte in Sicherheit gebracht werden.

Mordgerücht in Neukölln.

In Neukölln war gestern das Gerücht von einem Mor ver breitet. Im Hause Kopfstraße 33 mar dort die 36jährige Witme Marie Schatz im Bett liegend tot aufgefunden worden. Der erste Befund gab zunächst dem Berdacht Nahrung, daß die Frau eines gewaltsamen Todes gestorben sei. Nach den Ermittlungen der Mord­fommission scheint sich der Fall jedoch als ein Selbstmord here auszustellen. Die Todesursache muß noch durch die Obduktion feit­gestellt werden. Die Verstorbene hatte fürzlich schon einmal einen Selbstmordversuch unternommen.

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Intrigen und Geheimnisse famen Una auch als Sefre- Pemberton und seine Söhne, der Hauptkassierer, der General­tärin des Herrn Roß zu Ohren. Sie erinnerte sich eines direktor, der Vorstand der Einkaufsabteilung, die Direktoren Tages, da Herr Roß dem alten Herrn Pemberton in ihrer der Sodamasser- und Erfrischungsgetränkeerzeugung, der Gegenwart versichert hatte, daß er für den Rest seines Lebens Seifenfabrik, der Laboratorien für Drogen, der Toiletten­bei der Firma zu bleiben hoffe, und unmittelbar danach hatte artifelerzeugung, der Direktor der Verkaufsabteilung und er ihr einen Brief an den Präsidenten einer Konkurrenz- Herr S. Herbert Roß . Sie bildeten den olympischen Rai, firma diftiert, in der Absicht, sich eine neue Stelle zu ver- Gottheiten, mit denen zu sprechen die untergeordneten Be schaffen. Er zerriß den Durchschlag des Briefes und sah Una amten niemals gewagt hätten. Wenn Gerüchte im Umlauf so unschuldig an wie je. Una sah, mie er Briefe las, die auf waren von Veränderungen" oder vom Abbau des Per­den Schreibtischen anderer Herren lagen, während er mit sonals", so beobachtete das gesamte Büropersonal die obersten ihnen sprach; sah, mie er Telephongespräche ,, mithörte" und Chefs, wenn sie sich versammelten, um gemeinsam zum Essen gelegentlich den Fuß zwischen eine Türe stedte, um irgend zu gehen große, blühend aussehende, glattrasierte Herren, einen Besucher in einem anderen Büroraum sehen zu können. die sorglos plauderten, sich durch Auto- und Golfsport bei Sie sah, wie einer der jüngeren Herren Pemberton sich hinter guter Gesundheit erhielten, und denen es freistand, während einem Bücherschrank versteckte, während sein Vater mit einem des Mittagessens in einer Unterredung von wenigen Minuten der Brüder sprach. Sie wußte, daß dieser Pemberton und die ganze Politik zu ändern" und die Familien von vierzig Herr Roß den Bruder hinausbeißen wollten, und daß der Beamten oder vierhundert Arbeitern in Not zu stürzen. Wenn junge und flinke Einkäufer wiederum gegen jene beiden sie vergnügt miteinander den Aufzug betraten, fam es vor, minierte. Sie wußte, daß eines der Mädchen in der Haus- daß eine überarbeitete Stenotypistin zu einer der älteren telephonzentrale die Geliebte und Spionin des alten Bem Kolleginnen weinend hinüberstürzte, um sich trösten zu berton mar. Sämtliche Direktoren wetteiferten in dem Be- lassen... In einer Stunde fonnte sie ihre winzige Stelle streben, es den großen Italienern des Mittelalters in der verloren haben. Kunst gleichzutun, lächelnd zu vergiften doch sie machten es so schlecht, sie waren so ohnmächtig wie eine Bande Schul­jungen, die den Lehrer haßt.

Sein Büro, das der Halle eines Millionen- Dollar- Hotels glich, und Unas Bude, die dem Verschlag des Portiers ent­sprach, waren die einzigen Fleckchen im ganzen Hause, an denen sich Una ficher fühlte. Außerhalb dieser beiden Räume befanden sich in der titanischen, vierzehn Stockwerke hohen Fabrit nur ungeheure Büros, eine Wildnis von Schreib­tischen, Ankleideräumen, Fahrüühlen, Wartezimmern und Korrespondenzregistraturen. Unas eigene Persönlichkeit murde von der fosmischen( wenn auch seifigen) Bersönlichkeit des Pembertonbetriebs absorbiert. Statt sich nach Ab­wechslung zu sehnen, flammerte sie sich an ihren eigenen Winkel, ihren Schreibtisch, den Sessel mit der federnden Lehne und den Wandkalender mit einem farbenprächtigen Der Krieg griff vom Lager der Direktoren in das der Bild von Washingtons Abschied. Sie zog es sogar vor, fich Angestellten über; auf Leute, die im Korridor auf und ab hier auszuruhen, statt im Klub- und Erholungszimmer für gingen, den Augenblid erwartend, da sie einen der Vorges weibliche Angestellte", auf das Herr Pemberton so stolz war. setzten allein sprechen könnten, während sie zu Kollegen hin­Una hatte von solchen Erholungsräumen Dinge gehört, überschielten, die das gleiche Manöver vollführten; auf Leute, die schön und wirklich beruhigend gellungen hatten; doch der die die geringfügigste Bemerkung eines Borgesezten auf betreffende Raum in der Pembertonfabrik glich eher einer schnappten und damit zu Verbündeten eilten mit der Frage: Sommerwohnung, die per Woche an geistesschwache Buch- un, mas glauben Sie, tann er damit gemeint haben?" halter vermietet wird. Es mar ein muffiges Zimmer mit Tausende non Fragen, wie man auf die obersten Herricher fchiefen Borhängen und mußte mohl von allen 3meigen der Eindrud machen fönnte, und Fragen der Hauspoliti Bembertonfamilie zum Loswerden ihres Bodengerümpels be- dieses hämischen, fleinen Geistes, der in den Geschäftshäusern nugt morden sein. In den Mittagspausen, wenn die Mädchen herumschleicht und die Leute dazu ermutigt, Begünstigungen ficher zu sein glaubten, nannten sie den Raum heimlich die zurückzuweisen. Rumpeltammer" und sagten, daß sie lieber in der Straße unten auf dem Bordstein fizen wollten.

Una felbst hatte einmal in dieses Zimmer hineingeblidt und hineingerochen und es dann nie wieder betreten. Doch selbst wenn es mirklich verlockend gewesen märe, hätte sie es nicht besucht. Die Kaste, der sie als Sekretärin angehörte, untersagte ihr das. Denn die Pembertonfabrit mar noll non Kastenmesen und Politik, Cliquen, Intrigen, Geheimnissen und Dynastien, die tamen und wieder in Ber gebenbeit gerieten.

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Unas Teil an tatsächlicher Arbeit bei Pemberton märe bloß ein Vormittagszeitvertreib gewesen; doch der Zusammen hang mit den hochgespannten Strömungen der Politif er schöpfte sie und lehrte sie, daß in der Welt des Geschäfts nur derjenige reüssiert, der verlangt und nimmt.

Die Büropolitik ist die Brutstätte des Kastenmefens. Die Kosten bei Pemberton maren etwas so scharf Umgrenztes wie militärische Rangstufen.

An der Spize standen die obersten Chefs, der General Herr stab der Gesellschaft, und die Abteilungsdirektoren

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Sogar die ausmärtigen Bundesgenossen der Chefs waren gewaltige Leute: Einkäufer und diplomatische Vertreter; Männer mit breiter Bruft und dider, goldener Uhrfette quer über der prallen Modewefte, und Gesandten mit besonderer Vollmacht gleich waren die Sachverständigen für zweckmäßig eingerichtete Betriebe", die Herr Pemberton gelegentlic fommen ließ, um die Arbeit ein wenig zu beschleunigen über das Maß menschlicher Kraft hinaus... Sachverständigen, ein lächelnder, blaßblonder junger Mann, der sich mit Herrn Roß über die neue Dichtkunst unterhielt, führte die Einrichtung ein, viermal des Tages- um zehn, Laufburschen mit Tabletten voll zmölf, zwei und nier Baffergläsern im ganzen Betrieb herumzuschicken: Bisher hatten die Stenotypistinnen eine Menge Zeit damit vergeudet, zu den Wasserfühlern trinfen zu gehen und für zehn Minuten im Tag tatsächlich Menschen zu fein, ein menig auszuruhen und zu schwagen. Nach dem Besuch des Sachverständigen waren die Mädchen so eisig, daß sie während des Arbeitens feine Gefunde ausseßten- ausgenommen, wenn eine von ihnen einen hysterischen Anfall bekam und schnell in den Er holungsraum gebracht werden mußte. Aber tein Sach­verständiger vermochte sie davon abzuhalten, sich auf die erſt­beste Gelegenheit zu stürzen, jemand zu heiraten, der die Gnade haben mürde, sie aus dieser Atmosphäre höchster Zweck­mäßigkeit zu befreien.

( Fortsetzung folgt.)