Zmei: Maimägcker �Bilderbogen
Der Tag war schon. Heber die Piazza in Venedig schlenderten die Frenchcn und die Müßiggänger. Die Markuskirche und der Dogenpalast wurden be- wundert, die Tauben wurden gefüttert und die Gondeliere auf dem Canal(Brande warteten auf die Käste. Ein« kühne Dam« aus Syaüe kam vom Canal Grande nach der Piazza und erklärte ihrer Freundin: „chaste den gesehen, den jungen, kräftigen Menschen, i>«n Gondeliere? Der tut doch dm ganzen Tag weiter nischt. als auf die Lait « zu warten, die in seiner Gondel fahren wollen. So ein großer kräftiger und gesunder Mensch. Anna, das dürfte mein Mann nicht fein, immer bloß mit der Gondel auf dem Ganal rumgondeln, den würde ich aber arbeiten lernen!" Die Freundin Anna sagte: „Warum denn nicht? Da hättste doch immer freie Fahrt." Was nun die Dame aus 5)alle antwortete, weiß ich nicht, ich saß vor einem kleinen Cafe a» der Piazza, auf die das Licht strömte. Ploftlich fiel Schatten in dos Licht- Eine lange Kette schweigender Kinder, in den Gesichtern Stolz und Hochmut, marschiert« über den Platz. Sie wurdcn von einem Matrosen angeführt, und dann tappten hart, wie auf einem leise geflüsterten Befehl hin, die kleinen Füße auf die marmornen Fliesen. Der Taktschritt der Zehnjährigen. der Zwölfjährigen kam ganz überraschend, und nun besann man sich, dag da war eine Gruppe aus der Ballila, aus der fürfchistifchen Killderorganisation, die eben vorübertappte. In Venedig gibt es viele Plätze und viele Kinder. Plussolini will aus dem Laude eine permonent« Gebäranstalt machen. Nicht olle Kinder gehären zur Ballila, aber um alle Kinder wird«in großer Krieg geführt. Der Faschismus mch der Katholizismus kämpfen um die Kinder, um diese Generatwn der nächsten Jahr- zehnte, die einmal das Schicksal des Landes bestimmen werden. Um die Kinder geht der Kampf, um mehr Kinder, aus denen die Rutenbündel neuer foschiflifchcr Bataillone gebunden werden sollen. Das blanke Beil aber blinkt über jeden, der sich weigert, in Mussolini den neuen Erlöser zu sehen. In den Tagen, als ich in Venedig war, wurde in Pisa ein katholischer Geistliiher verhaftet, weil er osfen gegen die Brutalitäten der Schwarzhenrden predigte. Di« Gesang- nisse des Landes sind mit proletarischen Aufruhrern überfüllt. Uiü» die Lehre von der Harmonie der Klassen wurde in der Lombardei durch große Streiks in den Textilfabriken empfindlich gestört. Die Arbeiter gingen auf die Straße und stimmten die verbotenen und unterdrückten Kampflieder des Sozialismus an. Von Venedig aus fährt man nach Bologna durch die lombar- dische Tiefebene, durch das fruchtbare Gartenland, in dem Mais. Reis und Wein gedeihen. Zwischen den Maulbeerbäumen— in der Lombardei ist auch die Seidenzucht zu Hause— hängen die Weinreben wie Girlanden. Wir kommen an kleinen Dörfern vorbei und berühren einige Städte, die den Wolkenschleier großer Industrien nach dem blauen Himmel schicken. Wir überqueren den Po und viele Kanäle, und dann steigen die kahlen Berge der Apenninen aus. Bor den Bergen liegt Bologna . Von der Scadt sehen wir nichts, aber wenn sich der Zug den Bergen zuwendet, werden hinter uns die Schattenriffe einiger Kirchen und Türme sichtbar. Italien ist Bergland- Von den Alpen hinunter nach dem Süden läuft das nackte, wakdarme Gebirge der Apenninen, van vielen Tälern zerrissen, von einigen Flüssen angenagt, von schwierigen Straßen und Cisenbahnstrecken überquert. Hinter uns liegt Bo logna . und wir faliren ein breites Tal aufwärts, verfolgen den Lauf »ine« wasserarmen Flusses und kommen an einigen Dörfern, ein- fafffsu Städtchen und Industrieanlagen vorbei. Die Berge werden immer kahler und zerfetzter. Manchmal brandet kleiner Laubwald um kahle Kuppen. Hier in den Bergen. in den wilden Schluchten entspringen viel« Heilquellen dem vulkani» lchen Boden. Wir fahren durch altes Land. In den toskanifchcn Bergen und in dem Küstenstreifen nach Rom hinunter hoben einmal die Etrusker gelebt, ein Volk mit hoher Kultur. Auch diese Bali» über die Berge ist elektrifiziert. Italien hat keine schwarze Kohle und niuß sich der weißen Kohle bedienen. Die große Woge der Amerikanisierung hat das ganze Land erfaßt, aber der technische Fortschritt ist durchaus kein Verdienst des Faschismus, wie es seine Lobredner wahr haben wollen. Der elektrische Zug also rast die vielen Kurven und Schleifen empor, stürzt trochend über viele Brücken, donnert durch fünfzig Tunnels und hat endlich die Pahhöhe erreicht. Vor uns eröffnet sich ein wundervolles Bild: die toskanische Ebene schimmert in der Tiefe und entschleiert sich bald herrlich. Bon eigener Schwere trunken rollt der Zug abwärts. An den Berghängen schwellen große Weinhügel. Der Zug krachl als eisernes Gewitter über neue Brücken, beruhigt sich endlich und gleitet gutgeölt durch die Eben«. Wir kommen an fruchtboren Feldern vorüber und sehen die ersten windzerzauston, stlberschimmernden Haine voller Oelbäume. Aus dem Batynhch von Pistoja ist der alt« Jammer sichtbar: man sieht den Fahnenüderschwong kleiner und großer Wimpel und das patriotisch verklSrte Rutenbündel mit dem Richtbeil. Ein« un- geheure Well« des Patriotismus flutet über das Land. Es ist wie bei einer Kriegserklärung, wie bei einem Belagerungszustand. Auch unser Zug wird von einem Faschisten begleitet, von einem jungen Burschen, der alle Stunden durch die Wagen geht. In Pistoja sehen wir neben den Schwarzhemden die Stadtpolizfften mit den Dreffpitzen, den Fräcken und den schwarzen Hosen mit den roten Biesen. Die Macht aber hat die faschistisch« Miliz, die Stadt» Polizisten sind nur noch zur Verzierung da. Ein wenig Glanz ist noch um Florenz , als wir ankommen, ein wenig Licht, ein Schimmer von der untergehenden Sonne. Und mit dem letzten Licht bummeln wir durch die alte Stadt, gehen durch schmale, schmutzige Gaffen, hären den verklingenden Lärm de? Ar- beiistages und den Marjchgesang heimziehender Faschisten. Dann stehen mir vor dem Marmornen Dom und dem hochaus ragenden Ratlhaus der alten Republik. Und In einer Hauptstraße sehen wir Lichtreklame und lesen: Luis Douglas, der Neger, tanzt«n Florenz . Vor dem Krieg war Italien mit deutschen Handwerksburschen überschwemmt. Heute findet man wenig Tippclbrüder da unten. Mussolini läßt an den Grenzen jeden Wanderer doppelt und dreiiach prüfen. Aber nicht nur die Wanderer werden geprüft. Von allen europäischen Grenzen, vielleicht außer der russtscheu. ist die italienische die am besten bewachte. Fast jeder kleine Grenzer will hier Musso- lini spielen und hat den astpreußischen Besehlstnn und Anschnauzer bei den Kontrollen eingeführt. Da» also ist Florenz . Bon den Hauptstraßen sind die»eitler vertrieben, wie sie auch in Venedig vertrieben waren. Aber sie stehen nun in den Nevengoffen und strecken die leeren Hände aus. Wir wandern am nächsten Tag nach der Piazza Michelangelo, dem Hügel jenseits des Arnos, und scheu unter uns die luwelenhaü schön« Sladt mit vielen Türmen liegen. Dann bummeln wir nach der Porta Roma hinüber, an der. wie zu einer Begrüßung, antik« Statuen ausgestellt sind. Am Valazzo Pitti biegen wir in«ine schmal«, unberühmte Gosse ein. An ihren Wänden Neben soschistische Plakate. Und quer über dies« Plakate stsht mit Kohl« geschrieben:
Es leb« der Sozmlrsmus! Ja, auch in Florenz marschierte die Ballilq, auch in Florenz gibt es faschistische Gewerkschaften. Um leben zu können, um Atem zu schöpfen, um sich zu sammeln und vorzubereiten sind auch unsere Genossen bei den faschistischen Gewerkschasten organisiert. Ihr Hemd ist schwarz, ihr Herz ist rot, und manchmal malt«ine schwere Arbcüerhatrd über alle faschistischen Plakate die Losung: Es lede der Sozialismus! Auch in Ficfole. dem kleinen Bergnsst über Florenz , fand ich an einer Mauer den stummen Schrei nach Freiheit. Von Florenz geht es weiter nach dem Süden. Endlose Weinberge bauen sich im Tal des Arno und in den Seitentälern auf. Riesige Olivenhaine schimmer silbern. Dann kommen wieder kahle Berg« und aus den Hügeln zusammengebaute Städte, die wie alte Raubncster aussehen. Die Hügel werden größer, wilder, zackiger und endlich fahren wir in die versumpfte Campagna ein und erreichen am Abend Rom . I« Rom blieb ich nur zwei Tage, dann reffte ich nach Neapel , ging den alten Wegen nach, die ich als Tippelbruder vor dem Kriege gelaufen war, besah mir im Nationalmuseum die schönen Trümmer
der Antike, war aus dem Vesuv und auch tn Pompeji , und als ich am letzten Tag auf der Höhe stand und Neapel unter mir bewunderte, kam ich mit einem liberalen Bürger ins Gespräch, der mich fragt«, wie mir diese Stadt gefalle. „Es ist wunderbar." sagte ich,.chas Meer, die Palmen, der Vesuv und so weiter. Neapel ist schön!" Der alle Herr war kein Faschist- Er sah mich starr an, dann blickte er vorsichtig um sich, atmete heftig und sagte leff«: „Napoli ist nicht schön, Signor, in Napoli gibt es keine Freiheit. Signor, Napoli ist eine schmutzige Stadt! Keimen Sie Leipzig1?* Leipzig ? Natürlich kannte ich Leipzig ! Wie durste man im Angesicht von Neapel von Leipzig sprechen! Nun, ich nickte, ja. ich kenne Leipzig , und da erklärte der alle Herr laut und überzeugend: „Ah. Sie kennen Leipzig ? Nun, Leipzig ist eine schöne Stadt. Leipzig fft viel schöner als Napoli!" Er drehte sich um, ging fort und ließ mich stelzen. Natürlich war ich sehr erstaunt und verwundert. Leipzig sei schöner als Neapel ? Ich lachte leise. Dann ging ich nach der Stadt zurück, aber unterwegs kam ich doch dahinter, warum der olle Herr Neapel den Kranz der Schönheit von der Stirne riß und Leipzig damit schmückte: in Napoli gab es keine Freiheit, und ohne Freiheit kann die schönste Stadt zu einem Zuchthaus werden!
£ola Xandau: iöOS tßtomfgell
Schon am Mittag ist das Dorf in festlichem Aufruhr. Ein Karuffeff wird auf d«r Wies« aufgebaut, weithin schallen die Hammer- schläge. und plötzlich hat oll« Bewohner ein leichter freudiger Taumel ergriffen, als drehten sie sich schon auf der kreisenden Scheibe. Männer und Frauen lassen ihre Arbeit liegen, die Kinder jagen von den Spiel- Plätzen, alle sammeln sich müßig und neugierig aus dem Festplatz. Da steht das riesige Spielzeug, von Leinewand noch ringsum verhüllt, wie ein kreisrundes mächtiges Zelt. Die Kinder kriechen auf dem Bauch« dicht heran und heben das schwere Tuch, um einen Blick von den zauberhaften Holzfiguren zu erhaschen. „Ich habe mir schon mein Pserd ausgesucht", schreit ein Jung«. „Mein Schimmel mit blauen Zügeln." Die größeren Kinder ober betrachten aufmerksam das lebende Pferd, den breiten Falben, der frei auf der Wiese grast und am Abend das Karussell ziehen wird. Es hat eine goldgelbe unwirkliche Farbe, dieses Pferd, einen märchenhaft langen Schweif und einen so sanften verträumten Blick, daß man sich nicht wundern würde, wenn es das Maul öffnete und zu den Kindern spräche. Das Geheimnisvollst« aber ist der lange Wohnmagen, dieses jahrende Hau» mit seinen zierlichen Fenstern, vor denen sich weiße Gardinen bauchen und dem Schornstein, au« dem ein seiner Rauch- faden in die Luft steigt. Eine klein« Treppe führt von der Erde zur Tür hinaus, und die Kinder, die heimlich hineinspäheu, blicken er. staunt in«in behagliches Zimmer mit dem gedeckten Tisch, bemalten Holzschränken, dem Kochherd und blitzendem Geschirr an den Wänden. Und hinter dem geöffneten Vorhang können sie in den Schlafraum sehen, der schmal wie ein Schlauch mit den beiden an- geschraubten Betten völlig einer Schiffskabine gleich:. „Nun, ihr Göhren , was habt ihr hier zu gucken?" Den Mund zu einem gutmütigen breiten Lachen verziehend, erscheint per Besitzer des Wohnwagen» an der Tür. Mit seiner gedrun, genen Gestalt, seinem verschlossenen und doch psissigen Gesicht hat er das Auslehen eines wetterharten Seemannes, der Kapitän dieses seltsamen Schiffe«, das über die Schollen der Erde wie über di« Wellen eines unendlichen Meeres dahinrollt. Langsam und schwer sollen die Wort- au» seinem Munde, als wir ihn noch seinem Leben fragen. „Ich fahre fest fünfundzwanzig Iahren mit dem Karussell aus dem Land« herum", erzählt er-„Ja früher waren die Zeiten leichter. Damal, gab es keine Konkurrenz, nicht die modischen Sachen, kein Kino, kein Radio." „Slber Karussell bleibt, solange es Kinder gibt", unterbricht ihn seine Frau, eine kleine dunkel gekleidete Gestalt, die näherkommt. während sie eifrig eine Wäscheleine aufwickelt. Schmächtig und un- scheinbar, aber mit den derben Zügen und kräftigen 5zänden einer Bäuerin steht sie hinter ihrem Manne. In ihren grauen Augen liegt nicht etwa die Unstetheit der ewigen Landstraße, sondern ein zäher fast verbissener Lebenstrotz, der sich an die Erde klammert. Und wean vielleicht in dem Mann« die abenteuernde Lust seine» Gewerbes um- geht, die ihn von Dorf zu Dorf treibt, so wird diese Frau dos sah- rende Zimmer zum Heim machen, die Wäsche waschen, die Gardinen plätten, den Tisch decken und in aller Unrast solchen Lebens eine Rast bedeuten. „Dir drei, mein Mann, ich und«>» Gehils«. wir machen alle» allein", sogt sie einfach.„Aufbauen, Orgel drehen, Kaffieren! Arbeit gibt es genug." „Und der Winter?" Der Mann lacht hart auf.„Da sitzen wir in einem Dorf sest. Aber Ruh« haben wir auch dann nicht. Wir muffen die Schäden aus- bessern, da, Karuffell aufarbeiten. Spaß macht es, all« mein« Pferde n«u und schön auszuputzen. Diesmal habe ich ihnen Namen an- gemalt." „Ich nehme das Pferd, das sich beweat, da» Schaukelpferd!" schreit«» vom Karnffell herüber und vier nackt« Kinderbein« strampeln und balgen sich unter dem Zelttuch.—- „Haben Sie nie daran gedacht, da» Pserd durch«inen elektrischen Antrieb zu ersetzen?" fragen wir weiter- ver Mann runzelt böse die Stirn. ,.?lch. Unsinn! Zu teuer! Ist auch gar nicht nötig. Als ich jung y»or. hatte man nicht einmal ein Pferd: da gab es nur Hängekaruffells ohne seften Boden. Di« Kinder schoben gerne für«ine frei« Fahrt mit. und ich selber hob» als Junge beim Karuffell meines Boters stundenlang den Kosten gedreht." Da» steif« ledern« Gesicht wird plätzlich bei diesen Erinnerungen listig und jungenhast. Die Frau klopft ihrem Mann« auf die Schuster.„Tätest e» heute noch gern« Alter!" Dann dreht sie sich kurz um und geht in den Wagen hinein. „Gutes Wetter heut« Abend!" „Danke! Regnen darf«? nicht." Und wirklich, am Zkbend breitet sich ein r«g«nloscr Augusih'.mmol mit zarten stockigen Wolken üb« dem Dorf, und ein kühler Wind weht mit den Gerüchen van Heu die ersten abgeriffenen Töne der Drehorgel hinüber. Hie Wies« persmkt in einem Getümmel von Meaffchen. Erregt taumeln sie in den magischen Lichtkrei, des Karuffell». das in feinem Gilberputz in wilden Funken sprüht und glitzert. Schon wäbrend der Fahrt springen die Kinder oui und stürmen die Pferde, die au» ihren grellroten Nüstern ungeduldig zu schnauben scheinen. Die Schwäne recken die langen Hälse, und in Pen goldenen Wogen mit den Drachenköpfen und weichen Sammelpolstern wiegs" sich di« kleinen Mädchen in stolzer Haltung wie Fürstinnen, Aber auch si« reite» lieber aus den Pferden, und der Schimmel, der bei der treffenden Rundfahrt selber mstschavtelt. der Favorit des Rennen», pird immer erbitterter von ewigen Kinder» umkämpft. So
bleiben die Wagen für die Erwachsenen, die sich mit halbaeschloffenen Augen der Bewegung überlassen und still versunken vor sich hin- lächeln. Im Innenraum geht geduldig das falben« Pferd im Kreise und zieht die schwere Last von Jugend, Lust und Gelächter. Hinter ihm an einem grell bemalten Prospekt gelehnt, der«in« paradiesische Landschaft darstellt, bewegt der Mann mit kröstigcm Arm die Dreh- orgel. Er mahlt sie wie eine Mühle, aus der die neuesten Schlager herausspringen, und die Fahrenden beginnen, si« laut mitzusingen. Mitten in diesem unaufhörlichen Kreisen springt die kleine schwarze Frau wie eine Seiltänzerin aus und ab und läuft, überall auf- tauchend, sicher auf dem fahrenden Karuffell umher, um Geldmünzcn einzusammeln. Di« Hände der Fahrenden zittern von leiser Unruhe, aber die Hände der Frau sind sest und sicher. Plötzlich klingest schrill eine Glocke, das Karuffell hält an. Es schmerzt beinahe, dieser Ruck, als stände die Erde selber totenstill. Aber nach einigen Sekunden geht die Fahrt weiter, Wiese und Wolken drehen sich wieder und mit dem taumelnden Schwindel ergreift all- jene Wunschlosigkcit, die für Augenblicke die Schwerkraft der Erde mit ihren dumpfen Mühen erlöst. Bis spät in die Nacht tönt die Drehorgel, schaukelt dos Karuffell. Hinter dem schwarzen Walde erscheint es von fern« wie ein« Stern- schnuppe,«in goldfunkelnde» Rad, an das sich die Menschen in ihrem Glückshunaer anklammern.
Qeorg tllifdike:
WW Stekordtm Bei dem allgemeinen Rennen nach Ruhm und Reichtum werden in der ganzen West heute die seltsamsten Wege eingeschlagen. In dem Fieber sich auszuzeichnen, achtet man weniger auf das Gebiet. auf dem man die Palm« erringen will, als darauf, daß man über- Haupt nur von sich reden macht. So erfährt man. daß der Budapester Friseur Ladislaus Speesko beim internationalen Wettrasieren mit 43 Sekunden als der W»Ü schnellster Figaro hervorging. Auf einem Spaghetti-Weitessen in (ihikago siegte der Italiener Cotarino Nazarino mit einem Konsum von etwa 300 Meter Spaghetti als der weitaus best« Konkurrent. Der Kampf der neun am Wettstreit beteiligten Akteure verlief vor Hunderten von Neugierigen recht spannend. In San Sebastian vev- zehrt««in junger Mann, infolge«iner unsinnigen Wette, zehn rohe Eier mit Schale. Nachdem er die zehn Eier mit Hilf« eines Liter» Wein hinunteroespült hatte, spürt« er heftig« Magenschmerzen und starb wenige Minuten darauf. Die Post�i der Ford-Stadt Detroit in den Bereinigten Staate» mußte kürzlich einschreiten, um einem Marathontanz, der schon 1(17 Stunden gedauert hatte,«in Ende zu inachen. In der ganzen Zeit hasten die Tänzer nur wenig geschlafen. Ein anderer Rckordsüch- tigcr, Charles Nichola», tanzte 1Ü27 unausgesetzt 266 Stunden lang. Miß Miller ans Rosekand be! New Port erhielt«inen silbernen Becher, weil sie«ine 63 Kilometer lange Streck« Block Bostum tan» zend zurückgelegt lzatt«. Ein andere» amerikanisches Mädchen er- hielt kürzlich einen Preis von 1000 Mark, weil sie 106 Stunden lang Schallplatten angehört hatte. Am Ente diese» Rekordes delirierte sie und mußte in«in Krankenhaus gebracht werden. Eine unsinnige lebensgejährlickz« Belastungsprobe für den Magen stellt der Rekord de» Berliner Schichmacher» Ma� Hin! dar. der 73 Eier in 10>j W>- nuten aß und so den bisher von Jahn Williams, genannt..da» wan. delnde Omelette", gehaltenen Rekord im Eieresjen schlug. Zu den vollkommenen Veriicktheiten gehören die Rededuelle. Im Berliner Lustgarten sprach einer drei Tage lang ohne Pause, bis di« Stimm- bönder»ingerostet waren. In amerikanischen Kirchen finden des öfteren Schnellesekurse statt, wobei es«iner Fron gelang, das Alt« Testament in 69 Stunden vollkommen h«runt«rzurasieln. Menschlich« Energie bringt allerlei Unfaßbare» zu»>eg«. Ein N«g«r hat sich die Ohren so lang ziehen losten, daß sie 13 Zoll er« reichten- Ein englischer Matrose stellt« sich 37 Stunden oben aus den Quermast seines Segelschisse«, bis ihm die Füße anschwollen und er heruntersiel. Tot. jedoch als Weltrekordinhaber. Daß die Eng, länd«r lehr musikalijch sind, wollte ein Mister Wc. Bride in Man- chester dadurch bcwcijen. daß er den Schlager„Heimweh" von Irving tausendmal hintereinander runterspiests. Ein Grieche stellte die Sportlefftung des seligen Lord Bqron dadurch in den Schatten, daß er den Hellespont Harmonika blasend durchschwamm!
Ein veränderlicher Fluß. Eine Proplzezeiuig des Asisnsarschsrs Sven Hedin. ncuh der der chinesische Fluß To r i m innerhalb von 2ö Jahren iein altes Bett verlassen werde, hat sich jetzt erfüllt. Während seiner früheren Ernedittonen nach Innerasien stellt, Hedin »est, daß«in« aste chin«si!ch« Karte, die er benutzte, den Laus des Fluffes nicht genau migab. Bei seiner Nachforschung fand«, daß der Fluh vor 1500 Iahren ganz genau den Lauf der alten Karte haste, aber sestbem seine Richtung ändert«. Ein weiteres Studium oeranlaßt« ihn zu sein« vorhersage. Aus seiner neuesten Reis« hat er nun wieder nach dem Fluß geforscht und ihn nicht mehr an der alten Stelle gesunden. Er entdeckte ober, daß die Wasser des Tarim sich ein neue» Bett gesucht hatten, das ungefähr 140 Kilometer weiter nördlich liegt. Dir Deuijchc Neschsboh» befördert jährlich rund Z Milliarden Menschen, also«in« Bevölkerungszahl, die noch etwas größer ist. als die gegenwärtige Bevölkerung der Erde (zirka IL Milliarden). vi« erflen Stablsedw. die w Englqna hergestellt wurden. kosteten 20 M. da» Stuck.