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BERLIN Dienstag 26. August 1930

Der Abend

Erfcheint täglich außer Sonntag 8.

TO

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Nr. 398

B 198

47. Jahrgang

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Der Bombenprozeß von Altona

Die Angeklagten streifen- Verabredetes Spiel mit dem Gericht

Altona , 26. August.

aufrechtzu erhalten. Er wiederholt, er wolle feinerlei] Erklärungen abgeben. Die übrigen Angeklagten tun wiederum das gleiche.

geklagten Bold vorzuhalten, daß die Attentate doch den Zeck hatten, Rechtsanwalt Graf v. d. Golh ersucht das Gericht, dem An­die Presse und somit die breiteste Deffentlichkeit auf die von ihnen ins Leben gerufene Bewegung aufmerksam zu machen, und daß seine jezige Einstellung dem widerspreche.

Vor dem Altonaer Schwurgericht begann am Dienstag: vormittag unter dem Vorsitz des Landgerichtsdirektors Dr. Zelenka der von aller Welt mit begreiflicher Spannung erwartete Prozeß gegen die joge nannten holsteinischen Bombenleger. Die Anklage richtet sich gegen insgesamt 21 Personen und wird vom Oberstaatsanwalt Gollnick Altona und den Staatsanwälten Dr. Junkers Altona und Dr. Eichhaft holz Berlin vertreten. Die Verteidigung der meisten Angeklagten liegt in den Händen des Rechtsanwalts Dr.

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Rechtsanwalt Dr. Bloch wendet sich scharf gegen diesen Vor­und bezeichnet den Standpunkt der Angeklagten, sich lieber in Schweigen zu hüllen, als durchaus gerechtfertigt.

Der Angeklagte Heim erklärt nochmals ausdrücklich, er wolle nichts sagen. Die Angeklagten sähen in dem Gericht den Expo­nenten eines Systems, das sie bekämpfen, und hätten die Ueberzeugung, daß den Richtern das Verständnis für ihre Lage

Der Organisation der Totschläger und ihr Handeln fehle.

ist die vierte Seite gewidmet.

Quetgebrune Göttingen . Der Angeklagte Klaus Heim wird von Rechtsanwalt Hüttmann- Dagteheide, der Angeklagte Nickels von Rechtsanwalt Kay- Heide, der Angeklagte Volck von Rechtsanwalt Graf von der Goltz- Stettin, der Angeklagte Rehling von Rechtsanwalt Brandes- Mülheim, die Angeklagten Schmidt und Rieper von Rechtsanwalt Bloch- Berlin verteidigt. Bisher sind etwa 70 Zeugen allein durch die Staatsanwaltschaft ge­laden worden. Die Zahl der Zeugen dürfte sich aber im Laufe der Verhandlungen noch vermehren. Man rechnet mit einer Prozeßdauer von etwa vier Wochen.

Kurz vor 10 Uhr wurden die Angeklagten in den Saal gerufen, der fast zur Hälfte den zahlreichen Ver­tretern der Presse eingeräumt ist. Entgegen aller Ge­wohnheit befindet sich in diesem Sensationsprozeß kaum ein halbes Dukend weibliche Personen unter den Zu hörern. Der Polizeipräsident von Altona Eggerstedt wohnt der Verhandlung bei.

Vor Berlefung des Eröffnungsbeschlusses entspann sich noch eine längere Auseinandersetzung zwischen dem Bertreter des als Nebenkläger zugelassenen Rechtsanwalts Dr. Strauß- Lüneburg, R.- A, Brandt- Berlin , und den Verteidigern, zu denen sich übri­gens noch R.-A. Pohlmann- Lüneburg gefellt hat, über Rechtsfragen, und zwar

erklärte die Berteidigung, auf etwaige Fragen des Nebenklägers feine Antwort geben zu wollen.

Die Ursache dieser Debatte war eine Anfrage betreffend Haftent­laffung eines der Angeklagten, von der der Nebenkläger feine Mit­teilung erhalten hat. Der Borsigende stellte noch aus den Aften fest, wann und aus welchen Gründen die auf freien Fuß belassenen Angeklagten mit der Untersuchungshaft verschont wor den find. Sie haben durchweg Sicherheiten bis zu 35 000 m. hinterlegt.

Der Eröffnungsbeschluß, der nach diesem Vorspiel zur Ber­lefung tam, umfaßt 20 Schreibmaschinenseiten und geht im einzel­nen auf die Borgänge ein, für die die Angeklagten zur Berant­wortung gezogen werden.

Inzwischen sind noch weitere höhere Beamte erschienen, um den Verhandlungen beizuwohnen, außer dem Polizeipräsidenten von Altona ist nämlich auch der Homburg- Wilhelmsburger Polizei­präsident anwesend, ferner vom Preußischen Ministerium des Innern Regierungsrat Kempner mit dem Regierungspräsidenten von Schleswig , Regierungsrat Muthren, schließlich Oberlandes­gerichtspräsident Ruhnt Riel und Generalstaatsanwalt Hansen. Kurz nach 11 Uhr fann endlich die persönliche Befra gung der Angeklagten beginnen.

Die Angeklagten erklären übereinstimmend, daß sie jede Aussage auch zur Person verweigern. Nur der Angeklagte Rehling gibt einige Auskünfte über die Entstehung seiner Beziehungen zu den übrigen Angeklagten. Den ihm zur Last gelegten Diebstahl der Sprengstoffe in Mülheim a. Ruhr bestreite er und behauptet, erst durch die Zeitungen von diesem Vorwurf erfahren zu haben. Ueber seinen Aufenthalt zur Zeit der Tat macht er bestimmte Angaben, um sein Alibi nachzuweisen.

Auf Antrag der Berteidigung wird dem Angeklagten Wiborg Die Frage porgelegt, feine Anschuldigung gegen Rehling

Staatsanwalt Dr. Eichholz beantragt Berlesung der Prototolle, in denen die früheren Bekenntnisse niedergelegt find bzw. aus denen sich gegenseitige Belastungen ergeben.

Vorsitzender Landgerichtsdirettor Dr. 3elenta schlägt vor, sie aufgenommen worden sind. die Protokolle nacheinander zusammenhängend zu verlesen, wie

R.-A. Luetgebrune erklärt: Der Wille des Mandanten scheint mir das oberste Gesez für die Verteidigung zu sein. Da die Angeklagten nichts zur Sache sagen wollen, muß die Staatsanwalt­schaft ein Verzeichnis derjenigen Protokolle vor­legen, deren Verlesung sie wünscht. Bis dahin bitte ich, die Sitzung zu vertagen.

Darauf wird beschlossen, die Berhandlungen auf mitt woch vormittag zu vertagen, damit die Staatsanwaltschaft das erbetene Verzeichnis fertig stellen kann, um eine reibungslose Ab widlung der weiteren Beweisaufnahme zu gewährleisten.

Die Hauszinssteuer soll retten

Trok Notverordnung wächst das Defizit- deshalb werden Bauten gesperrt!

Das Reichsfabnett ist am Dienstagvormittag um eine neue Steigerung der Arbeitslosen* 11 Uhr zu einer Sigung zusammengetreten, um über die ziffern und damit eine weitere Vergrößerung des Finanzreformpläne Dr. Dietrichs zu beraten, besonders Defizits! die Richtlinien einer Finanzreform, die Neuregelung des Finanzausgleichs und die Aufstellung des Etats für 1931.

Die Regierung plant u. a. auch eine Neuregelung der Verteilung der Hauszinssteuer, und zwar in dem Sinne, daß den Ländern die Mittel zur Be­schaffung von Neubauten nicht unerheblich beschnitten werden sollen. Auf diese Weise will man

Preisfrage

GEGEN

DEN HOCH- UND LANDESVEL RAT DER S.PD GEGEN DEN VERSAILLER RAUBFRIEDEN GEGEN SCHULDEN BEZAH LEN.

SIEGREKH WOLLEN WIR...

GEGEN

DEN HOCH- UND LANDESVERRAT

DER SPD GEGEN

DEN VERSAILLER RAUBFRIEDEN

GEGEN SCHULDEN BEZAH LEN. SIEGREICH WOLLEN WIR...

KP.D.

80

Warum zanten sich die beiden eigentlich?

einen Teil des Defizits decken, das dank der Inter­effenpolitik der Regierung Brüning schon jest wieder Hunderte von Millionen betragen soll.

Die Einbehaltung der Hauszinssteuer zu dem Zwecke, das Loch im Finanzsäckel zu stopfen, würde bedeuten. daß zahlreiche Bauten nicht begonnen und nicht weitergeführt werden können. Die Folge wäre also

Dietrich läßt bestreiten.

Die Regierung läßt offiziös folgendes Dementi verbreiten: Die Behauptung des Borwärts" vom 26. August 1930, Nr. 397, und des ,, Sozialdemokratischen Pressedienstes" vom 25. August d. I., daß eine Aufhebung der Erstattung der Lohnsteuer und eine entsprechende Erhöhung der Lohnsteuer geplant sei, iſt vollkommen aus der Luft gegriffen und ist lediglich als wahl­taktisches Manöver zu werten, ebenso wie die heutige Meldung eines Berliner Mittagblattes, nach der Mittel der Hauszinssteuer zur Senkung der Einkommensteuer verwendet werden sollen und ähnliche Kombinationen. Richtig ist nur, daß der Reichs minister der Finanzen von den Ressorts weitere erhebliche Einschränkungen verlangt hat.

Arbeitszeitschiedsspruch für Nordwest.

48 stündige Arbeitszeit bei Lohnausgleich.

Dortmund , 26. August.( TU.) In dem Arbeitszeitstreit in der Eisen- und Stahlindustrie der Nordwestlichen Gruppe wurde heute unter dem Vorsitz des Schlichters für Westfalen ein Schiedsspruch gefällt, in dem für etwa 2000 bis 3000 Arbeiter die Arbeitszeit zum Teil von 57, 54 und 52 Stunden auf 48 Stunden herabgeseht wird. Das Abkommen läuft ein Jahr. Die Arbeitgeber haben sich zu einem Cohnausgleich bereiterklärt.

Die Erklärungsfrist läuft bis zum 1. September.

Wohlfahrtserwerbslose in Kleinstädten. An Zahl seit Ende Juli um 10 Prozent gestiegen. Nach den bisher vorliegenden Ergebnissen des monatlichen Schnelldienstes des Reichsstädtebundes ist die Zahl der am 31. Juli 1930 unterstützten Wohlfahrtserwerbslosen wieder um durchschnitt­lich 10 Pro3. gestiegen.

Jn 1134 Städten bis zu 25 000 Einwohnern wurden am 31. Juli rund 58 500 Personen laufend unterstützt, d. h. 8,7 auf 1000 Einwohner. Ferner wurden 3729 Fürjorgearbeiter( 0,6 auf 1000 Einwohner) beschäftigt. Troß des Sommers ist fein Rüdgang eingetreten, mit dem Ende der Ernte und dem Aufhören der Bau­fätigkeit ist für die nächsten Monate mit weiterem Ansteigen zu rechnen.

Der Northcliffe- Zeitungstrust, dessen Anteile sich im Besitz vor Lord Rothermere befinden, hat wiederum zwei große Provinz blätter, die Hull Daily Mail" und den Grimsby Telegraph", ers worben.