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Georg Decker :* Die bürgerlicheMend strömt zum Faschismus- weil sie nicht mehr königlich preußischer Reserveoffizier werden kann. Der Tchrei in den bürgerlichen Mittelparteien, ..die Jugend vor die Front", stellt den Versuch dar, die davonlaufenden Scharen der Jungen für die Politik ihrer Väter zu gewinnen. Das gilt so gut für die Staatspartei wie für dieJungkonser- vativen" um Treviranus und Westarp. Es wird nicht für, sonder« um die Jugend gekämpft. Die Jugend wird nicht zum neuen po/itische« Bewußt- sein geweckt, sie wird bloß umworben. Di« ganze innerliche Verlogenheit dieser Umwerbung der jungen Wähler offenbart sich schon in allen diesen Redensarten von den Jungen", von derJugend", von derlungen Generation" über- Haupt, ohne jede nähere Bezeichnung, an wen eigentlich dabei ge- dacht wird. Gehören denn wirtlich alle Söhne zusammen, unge- achtet dessen, zu welcher gesellschaftlichen Schicht, zu welcher Klasse, zu welchem Beruf ihre Väter und sie selbst gehören? Jede Schicht, jede geistig« Richtung und jede politische Partei hat jetzt ihr eigenes Problem der Beziehung zwischen den Generationen. Es lassen sich freilich auch gewisse Züge feststellen, die verschiedenen Formen dieses Problems gemeinsam sind. Physiologische und damit verbundene psychologische Unterschiede existieren immer, sie bildeten aber keine Grundlage für die gemeinsame politische Front der Jungen. Jetzt gibt es noch eins, was der gesamten jungen Gene- ration gemeinsam ist. Sie ist von den älteren Generationen dadurch getrennt, daß sie die Zeil vor dem Kriege und vor der Umwälzung nicht bewußt miterlebt hat. Auch diese zweifelsohne außerordentlich bedeutsame Tatsache genügt aber n i ch t, um es zu begründen, daß die gesamte junge Generation zu einer politischen Front, und erst recht nicht, daß sie zu einer Front ausgerechnet mit Dietrich und Hermann Fischer oder mit Graf Westarp und General Lettow-Vorbeck » gehört. Wenn man das Kind mit seinem richtigen Namen nennt, so geht der Kampf um die bürgerliche Jugend im breiten Sinne des Wortes, um die Söhne und Töchter, deren Väter lonseroatio oder liberal wählten, die aber selbst nicht geneigt sind, diese politische Erbschaft willig zu übernchmen. Wenn wir uns zum Beispiel die schwinde!- basten Erfolge der R a t i o n a l s o z i a l i st e n bei der akademischen Jugend oergegenwärtigen, so wird es klar, daß diese Jugend andere Wege gehen will als ihre Väter. Wir übersehen die Totsache nicht, daß die Nationalsozialisten auch bei der proletarischen Jugend ge- wisse Erfolge haben. Diese Erfolge haben aber ein ganz anderes. und zwar viel geringeres Ausmaß, und sie erstrecken sich vornehmlich auf die Kreise außerhalb der großen Masse der sozialisti- s ch e n Arbeiterschaft, währertd innerhalb der bürgerlichen Zugend die Nationalsozialisten die traditionellen Bindungen zerschlage«. Daß für die Arbeiterschaft das Problem der Generation ganz anders ist, ergibt sich schon aus der Tatsache, daß hierbei die Ver. schiedenheit in der Wertschätzung der Errungenschaften der Arbeiter- bewegung eine sehr beträchtlich« Roll« spielt: Die Jugend, die nicht aus eigenen Erfahrungen weiß, was die frühereD e s p o t i« im Betriebe", überhaupt die Arbeit unter den früheren Verhält- nissen oder Arbeitslosigkeit ohne jede Unterstützung bedeutete, ist nicht imstande, ebenso klar wie die Alten einzusehen, wie stark und wie vieles sich doch geändert hat. Erst jetzt, da die soziale ReaktionzumAngriss auf ganzer Linie übergegangen ist und Hunderllausende wegen der dauernden Arbeitslosigkest ausgesteuert iverden, lernen auch die Jungen kennen, was die Arbeiterschaft alles zu verlieren hat. Di« Differenzen innerhalb der sozialistischen Arbeiterschaft drehen sich im wesentlichen um die Frage, w i e die gemeinsame Sache besser zu machen ist. In der Zielsetzung ist man einig, und am wenigsten kommt es in Frage, daß dieglorreiche Vergangenheit" in irgendwelcher Hinsicht von der alten oder von der jungen Generation als Ideal betrachtet wird, was bei der Aus« «inandersetzung zwischen den Generationen innerhalb des Bürger- tums keine gering« Rolle spielt. Mit anderen Worten: Di« Span- nungen zwischen den Generallonen in der großen Masse der Arbeiter- schast gehören zu dem Prozeß der Bildung des proletarischen polillschen Bewußtseins, während die entsprechenden Spannungen in den verschiedenen bürgerlichen Schichten die Zersetzung des bürgerlichen politischen Bewußtseins widerspiegeln. Für die proletarische Zugend ist es typisch, daß sie ihre proleta- rische Gesinnung besonders stark betont, während niemand von der bürgerlichen Zugend als. bürgerlich erscheinen will. In ihrer Auswirkung bedeutet die steigende Aktivität der Jugend für eine Partei wie die unsrige ihr« Stärkung und die Sicherung ihres Aufstiegs, während die bürgerlichen Parteien von der Jugend oerlassen und durch die Aktivität der Jugend in ihrer Existenz bedroht werden. Für die bürgerlichen Kreise sind die Nationalsozialisten schon in starkem Maße die Partei der Jugend geworden. Neulich sagte mir jemand, der wegen seiner persönlichen Verbindungen und seiner beruflichen Tätigkeit sehr breit« Beziehungen in den bürgerlichen auch in den großtapita- listischen Kreisen hat: Bürgerliche Zugend. soweit sie sich nicht zum Sozialismus bekennt, muß faschistisch werden." Es war kein Sozialist, sondern ein guter bürgerlicher Demokrat, der diese Feststellung getroffen hat. und er hat damit auch die für ihn sehr unangenehme Tatsache begründet, daß sich die Demokraten mll dem Jungdeutschen Orden, dessen saschisttsche Neigungen unverkennbar sind, verschmolzen haben. Die Gründung der Staats- Partei ist also insofern ein« Anpassung an die junge Gcueration. als sie der Entwicklung der Kinder Rechnung trägt, die für den Liberalismus wohlbemerkt für einen sehr verwelkten Liberalis. mus ihrer Väter nichts mehr übrig hoben und sich durch die un- klare faschistische Ideologie und geräuschvollen faschistischen Phrasen beeinflussen lassen. Soll nun das, was aus dieser Paarung eines verwelkten Liberalismus mit einem gemäßigten Faschismus zustand« kommt, als der Ausdruck des politischen Willens der jungen Gene- ration gelten? Die Staatspartei kann«ine nützliche Funktion er- füllen, wenn es ihr gelingen wird, einen Teil des Bürgertums außerhalb einer geschlossenen reaktionären Front zu holten. Ihre positive politische Bedeutung wird nicht zuletzt davon abhängen, wieviel von altem politischen Liberalismus in ihr erhalten bleibt. Die Partei der deutschen Jugend ist sie auf keinen Fall. Für die bürgerliche Jugend von heute, mag es sich um die Söhne der Industriellen, der Käufleute, der mittleren und höheren Beamten oder der Akademiker handeln, sind die alten Wertschätzungen ver- lorengegangen, die für ihre Väter in den letzten Jahrzehnten vor dem Kriege selbstverständlich waren. Man wußte damals ganz genau, was der Begriffhoch zu kommen" bedeutet. Rur für wenigeAuserwählte" bedeutete das auch damalsreich werden"; für alle war das die Sicherung der anständigen E x i st e n z und eineehrenhafte" Stellung in der gesellschaftlichen Pyramide. Das Maß des gesellschaftlichen Erfolges wurde sozu- sagen von oben gemessen. Die Gesellschaft hatte«nie klar u m- rissene Spitze der Hof und Hofadel, die höheren Militärs, die geadelte Plutokratie, das war eine Lichtquell«, und ehrenhaft war es, in ihrer Ausstrahlung zu leben. Auch Titel und �Zrdcn gehörten zu dieser Ausstrahlung. In Preußen hat» die Einrichtung der königlichen Reserveoffiziere eine besondere Rolle gespielt, die von Dr. Eckart Kehr (Zur Genesis des Kgl. preußischen Reserveoffiziers", inDie Gesellschaft", De- zember 1928) vorzüglich geschildert wurde. Dr. Kehr spricht von der Anbiederung des Bürgertums an die Armee unter Umbildung der bürgerlichen Denkweise zur Denkweise des Offiziers und der Verleihung eines sozialen Nimbus an die bürgerliche Schicht, die der Würde des Reserveoffiziers teilhaftig werden konnte".Der Referveoffizierafpirant wurde im Kasino von den Offizieren seines Regiments, die ihn später zu wählen hatten, genau auf seine Qua- litäten geprüft. Der Jude kam von vornherein nicht für die Würde einesManöveronkels" in Betracht, der Sozialdemokrat noch weniger: nicht mir deshalb, weil er mit seiner Zugehörigkeit zum Sozialismus bewies daß ihm die nötigenmoralischen Qualitäten" Christliche Neutralität . Bei der Sozialdemokratie hört sie auf. Bei einerGründungstundgebung" für den Landesverband Mitteldeutschland des.Deutschen Gewerkschastsbundes" am Sonn- tag, ausgehend von den Christlichnationalen Gewerkschaften in Halle, referierte Heinrich Im dusch. Die christlichen Gewerkschaften seien politisch neutral, das heiße aber nicht, uninteressiert,«keine Neutralität gibt es der marxistischen Sozialdemokratie gegenüber, aber im übrigen lassen wir unseren Mitgliedern vollkommene Freiheit." Imbusch betonte das besondere Interesse seiner Gewerkschaften am Staat. Deutschland sei ein Staat, in dem der Bürokratismus herrsche, trotzdem wolle man mitarbeiten an seiner inneren Ausgestaltung sowohl, wie an seiner äußeren Macht und Größe. Nach Imbusch präsentierte sich der Vorsitzende des neugcschaffe- nen Landesverbandes, der Gauvorsitzende des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbondes Feger(Halle ). Er feierte den nsuen Zusammenschluß als bedeutsames Ereignis zubewußter Zusammen- führung von Arbeitern und Angestellten der freien Wirtschast zu gemeinsamem staatsbürgerlichem Handeln. Ein ungeheurer Unter- schied besteht zwischen un» und den freien Gewerkschaften". Feger nennt den Wahlkampf einen soziapolitischen, bei dem die SPD. unter dem Einfluß der Gewerkschaften stehe. abgingen. Wer aber nicht Rcservcossizier war, dem fehlte das entscheidende Stück des sozialen Ansehens. Der Akademiker, der es nur bis zum Reserveunterosfizier gebracht hatte, war im bürger- lichen Leben das, was in der Kaserne Soldat zweiter Klasse hieß." Diese alte Herrlichkeit ist vorbei. Geblieben ist aber dos Bedürfnis nach der sicheren Orientierung der Lebenstätigkeit, nach dem gesellschaftlichen Erfolg, nach dem Aufstieg zu Ehren und Würden. Dem entspricht die faschistische Verheißung einer festen Rangordnung mit der Chance, in die Nähe derClile", d. h. der auserwählte« Führer- schasl zu kommen. Die Wehroerbände ersetzen die alte Armee mit ihrem aus- gedehnten Offizierkorps, man macht sich zuR e s e r v e o f f i zieren" einer eingebildeten Armee. Zugleich versagt auch der alte Individualismus, der Glaube an die Macht einzelner Persönlichkeiten. Schon so viele sind durch die ParoleFreie Bahn dem Tüchtigen" enttäuscht worden. Die Wirtschaft selbst wird b ü r o k r a t i s i e r t, an die Stelle der.freien" Unternehmer treten die besoldeten Leiter und Vertreter. Einsam und Verlässen fühlt sich der einzelne in dieser Gesellschaft, in welcher alte Bindungen so schonungslos zerschlagen werden, während von unten zusammen- geschlossene Massen immer bedrohlicher emporsteigen. Man über- läßt das persönliche Wirken dem berufenen Führer, man will geführt sein, man sucht die Rettung vom eigenen Schicksal, von den eindeutigen Bindungen an die großen kämpfenden sozialen Kräfte in vagen Vorstellungen von einer alles umfassenden, alles, was zerrissen wurde, wieder bindenden Volksgemeinschaft. Um diese Jugend geht jetzt der Kamps. Diese Jugend wird jetzt umworben. Und die Werbenden scheinen um so besser« Erfolgs- aussichten zu haben, je verworrener ihre Gedankengänge und je un- klarer ihre Programme sind. Dieser Verwirrung gegenüber ist es unsere Aufgabe: unsere Ideal« und unsere nächsten Ziele, unser« sozialen und kulturellen Bestrebungen mit aller Klarheit für jeden kenntlich zu machen, damit sich alles, was den Mut dazu findet, sich nicht für die nicht existierendeVolksgemeinschaft", sondern für die Freiheit und das Wohl des in Wirklichkeit bestehenden, schwer arbeitenden und leidenden Volkes zu entscheiden und sich um unsere Kampffahnen zusammenschart. Zu der Sozialdemokratie fänden die Arbeiterorganisationen stärkste Berücksichtigung. Bei den bürgerlichen Parteien fänden da- gegen die christlichen Gewerkschaften kaum Beach­tung, ihr Einfluß sei unbedeutend und unerwünscht. Es sei in Mitteldeutschland gelungen. 80 000(?) Arbeitnehmer christlich zu orientieren und sie so der Sozialdemokratie vorzuenthalten, das müsse bei den politischen Parteien beachtet werden. Es gibt keine Aebcnvindung der SPD , wenn nicht Bresche geschlagen wird in freie Gewerkschaslen. Genoflenschaslen und die anderen, sozialistisch eingestellten Arbeilerorganisatloaen. Woher kommt die Kraft der SPD , die 1 Million Wähler organisiert hat und 9 Millionen Stimmen erhielt? Zn der Zusammenfassung in den freien Gewerkschaslen liegt die Bindung und Verflechtung der Blassen mit der Sozialdemokratie." DieGrundungskundgebung" endete mit dem Deutschlandlied. Man kann sie als Symptom werten, als Symptom de» immer stärker werdenden Einflusses des Deutschnationalen Handiungs- oehilsenverbandcs und seiner Hintermänner auf die christlichen Gewerkschaften. Bessere Worte der Anerkennung können sich freie Gewertschosten und Sozialdemokratie nicht wünschen, als sie hier ausgesprochen wurden. Ihre Anerkennung mit dem Stimmzettel werden die Arbeiter und Angestellten am t4. September mit dem Stimm, eilel für die SPD. aussprechen. letzt Ist die alten Mitgliedskarten der Volksbühne umzutauschen und Neuanmeldungen vorzunehmen Organisationsfetischismus" (Schärfste Bekämpfung der eigenen Läden der KPO. Die ganze KPD. in Deutschland ist nichts als ein einziger Fehler. Was sie heute als richtig erkennt und anbetet, muß sie morgen als Fehler erklären und verbrennen. Sie kann nie wissen, was für sie fehlerhaft und richtig ist. Das erfährt sie stets erst hinterher aus Moskau . Da hafte man in Berlin die Schumacher und Kaiser gefeiert, als sie eigene Läden für Bekleldungsarbefter und Bauarbeiter aufzogen. Nachdem sie längst nicht mehr linientreu befunden und ausgeschlossen worden waren, wurde Niedtrkirchner gelobt, als er seinen Rohr- legerladen aufmacht«, und. Repschläger bekam sogar ein Reichstags- mandat dafür, daß er einen Laden für Zimmerer eröffnete. Auf dem S. RGJ.- Kongreß in Moskau führte Dahlem u. a. aus: wir müssen offen sagen, daß unser« innergewerkschaftliche Arbeit stagniert, hauptsächlich infolg« sektiererischen Theor.en und Abweichungen, deren Repräsentant in Deutschland Genosse Werter war. Die Gewerkschostsopposition muß diese Fehler korrigieren." Eine Resolution von Losowski fordert, daß in Deutschland die Losung:hinein in die Gewerkschaften i" aufgegeben werden muß. Dahlem wandte sich aus taktischen Gründen dagegen, indem er sagte:Tatsächlich existiert in unserer Press« eine solche Losung nicht mehr seit zweieinhalb Zahren. Würde eine solche Formulierung in der Resolution(von Losowski) beibehalten werden, so könnte dos angesichts der bestehenden starken gewerkschaftsfeind- lichen Tendenzen bei vielen Arbeitern den Eindruck hervorrufen, daß auch sie nicht mehr den reformistischen Ge- wertschasten anzugehören brauchen. Wir müssen positiv« Losungen aufstellen wie etwa: Arbeiter, tretet in die Reihen der Revolutionären Gewerkschaftsopposition ein!" Der Russe Smolianski erwiderte: Innerhalb der reformistischen Gewerkschaften sind wir immer noch sehr schwach, unsere Arbeit innerhalb der Gewerk- schasten Hot in der letzten Zeit nachgelassen. Diese Vernachlässigung hat sehr traurige Folgen gehabt. Wäre unser Einfluß innerhalb der Gewerkschaftsbewegung stärker, könnten wir für uns die Ele- m«nte gewinnen, die den Reformisten Gefolgschast leisten, so wäre unser Kampf viel erfolgreicher. Einige Genossen unterschätzen die große Bedeutung der Arbeit in den reformistischen Ge- we rks cho s te». Sie halten es für notwendig, sofort und überall selbständige verbände zu gründe«, als ob wir durch Schaffung neuer Verbände automatisch die Möglichkeit be- kämen, größer« Massen zu beeinflussen. Diese Stellungnahme ist Organtsalionsselischismus, die wir schärfftens bekämpfen müssen." Ob jetzt Repschläger und Niederkirchner samt denrevolutionären" Schuhmachern ihre Läden wieder zumachen sollen und einem dahin- gehenden Befehl nachkommen werden, das mögen die Moskau - Berliner unter sich abmachen. Unsere Aufgabe wird es sein, in den Gewerkschaften dafür zu sorgen, daß die kommunistischeArbeit", die allerdings traurige Folgen.hotte, vollends ausgeschaltet wird.