Entelgllungsrechl gegen Bodenspekulanten Gemeinden wehrlos gegen Preistreibereien— Sondergerichte notwendig
Als vor zwei bis drei Monaten heftige Erörterungen über die Grundstückskäufe der Stadt Berlin tobten, ist manchmal schon darauf hingewiesen worden, daß gewisse Pfade städtischer Grundstückspolitik nur aus den Bestimmungen des noch heute geltenden preußischen Enteignungsgesetzes von 1874 zu verstehen sind. Es hat sich in jenen Debatten zum Beispiel herausgestellt, daß für ein Grundstück, das zum Untergrundbahnbau benötigt wurde und welches der Kämmerer sich aus finanziellen Gründen weigerte, zum Preis von 475 000 M. zu erwerben, die Stadt Berlin dann im Ent- eignungsverfahren 850 000 M. zahlen mußt«. Damit wird wohl einwandfrei erwiesen sein, daß man der Stadt Berlin generell daraus keinen Vorwurf machen darf, wenn sie es vorzog, sich bei Käufen hinter Privatpersonen zu verbergen. Denn es kann wohl als allgemeiner Erfahrungsgrundsatz gelten, daß jeder Verkäufer, der mit der Stadt zu verhandeln hatte, � seine preise besonder, hoch ansetzte, weil er hoffen durste, im Enteignungsverfahren noch mehr zu erholten. So heißt es z. B. in der Vorlage für die Stobtoerordnetenversamm- lung der Stadt Berlin Nr. 15 1930 S. 248:„Die Erfahrung Hot auch hier gezeigt, daß Kaufpreisvereinbarungen, die freihändig ab- gemacht waren, aber nicht zu einem Abschluß kamen, weil diese Preise zu hoch erschienen, regelmäßig im Enteignungsverfahren um ein Bedeutendes, oft um ein Bielfaches überschritten wurden." Daß diese Zustände aus den verschiedensten Gründen unhaltbar sind, bedarf keiner langen Erörterung. Auch kein noch so verbissener Anhänger des Privateigentums wird leugnen können, daß es weder einen moralischen noch einen Rechtsgrundsatz des Inhalts gibt, daß die öffentlich« Hand teurer taust als der Privatunternehmer. Und gerade die bürgerlichen Parteien müssen es eigentlich als Ausfluß ihres immer empfohlenen Sparsamkeitsprinzips für die öffentliche Hand begrüßen, wenn hier Wege beschritten werden, die zu einer fühlbaren Entlastung für die städtischen Finanzkassen führen. Dazu kommt noch ein weiteres: Auch wenn die Stadt Berlin und ihre Grundstücksdezernenten im wesentlichen mit allen ihren Sünden um 90 Proz. hinter der Darstellung der großstädtischen Skandalpresse zurückbleiben, so ist es doch dringend notwendig, daß die Großstädte im Interesse ihres eigenen Ansehens es in Zukunft nicht mehr notwendig haben, mit allen möglichen, oft wenig an- ziehenden Persönlichkeiten zusammenzuarbeiten. Es ist ein unhalt- barer Zustand, daß die Städte sich, wenn sie billig kaufen wollen, der Vermittlung von Privatpersonen bedienen müsien, denen sie hohe Provisionssätze zahlen, nur damit niemand merkt. daß eine Stadt der Käufer ist. Ein Enteignungsverfahren ist notwendig, dessen Anwendung d:n Städten ihre Aufgaben erleichtert, nicht erschwert. Weiter- bin aber ist nach der bekannten Reichsgerichtsentscheidung, die hier schon mehrfach den Gegenstand der Erörterung gebildet hat, für eine planmäßige Baupolitik keine sichere Grundlage mehr vorhanden, und die Städte müßten, falls die dort ausgesprochenen Grundsätze weiter in Kraft bleiben sollten, so hohe Entschädigungen zahlen, daß sie in Zukunft kaum mehr die Mittel zu ihrer so not- wendigen planvollen Baupolitik haben werden. Schon der Entwurf eines preußischen S t ä d t e b a u g« s e tz x s, der vor dieser Ent- s Heidung fertiggestellt war, suchte hier ein« sichere Rechtsgrundlage zu schaffen. Aber auch wenn der preußische Staatsrat keine so «ngsrirnige Privateigentum schützende Tendenz gezeigt hätte, wäre dieser in mancher Hinsicht nicht zustiedenstellende, in mancher aber immerhin befriedigende Entwurf zum Scheitern verurteilt ge- wesen. Denn da die höchstrichterliche Rechtsprechung in ihrem eifer- vollen Bemühen um die Verteidigung des Privateigentums in den Art. 153 der Reichsverfassung Dinge hineininterpretiert hat, über die die vorweimarische Berwaltungsrechslehre nur den Kopf geschüttelt hätte, müssen diese Fragen— ganz abgesehen von der Zweckmäßigkeitsfrage— reichsgesetzlich geregelt werden. Einen bescheidenen Versuch einer solchen reichsgesetzlichen Rege- lung stellt der Entwurf dar, der im Reichsarbeitsblatt Jahrgang 1930 Heft Nr. 5 veräsfentlicht ist und der den anmutigen Titel trägt: vorläufiger unverbindlicher Reserentenenlwurf für ein Gesetz über die Erschließung und Beschaffung von Baugelände. Wir wollen hoffen, daß die ministerielle und gesetzgeberisch« Weiter- behandlung dieser Materie weder vorläufig noch unverbindlich bleibt, weil die Städte jeder Tag längeren Wartens nicht nur sehr viel Geld kostet, sondern ihnen auch eine planvolle Baupolitik gegenwärtig unmöglich macht. Es ist gut, daß dieser Entwurf in seinem Ab- schnitt II über Geländeerschließung und in seinem Ab- schnitt IV über Bodenbeschaffung die organisatorischen und rechtlichen Grundlagen für die Bodenpolitik der Gemeinden schafft. Es ist weiterhin gut, wenn dieser Entwurf die Notwendigkeit einer Beschleunigung des Enteignungsverfahrens, eine Ausschaltung der ordentlichen Gericht« aus dem Berfahren, eine anderweitige Entfchädigungsberechnung anstrebt; aber wir glauben, daß der Entwurf aus vielerlei Gründen einen großen Teil dessen, Ivos notwendig ist, gar nicht ausführen- kann. Das Enteignung;- wesen rst eine Materie, für die die städtische Bodensrage ein sehr wichtiger Teil ist; aber sie hat auch noch sehr viele andere An- wendungsgebiete. Auch die Reichsbahn und zahlreiche andere öffentliche Körperschaften müssen Enteignungen vornehmen, für die dieser Spezialentwurf nicht in Bettacht kommt, und die heute noch nach den unmöglichen Enteignungsgeletzen der Länder, die in sich mannigfach voneinander abweichen, behandelt werden. Es ist infolge- dessen«in Reichsratzmeagesetz notwendig. das die Versahrens- und Entfchädigungssrogen in den Grundzügen von Reichs wegen einheitlich regelt. Dabei muß das gesamte Ent- eignungsverfahren weitgehend vereinfacht und beschleunigt werden. Manche Länder besitzen Gesetze über ein vereinfachtes Enteignung;. verfahren aus der Nachkriegszeit, wie Preußen, während Länder wie Bayern z. B. sich in diesen Dingen noch im letzten Jahrhundert mit aller Umständlichkeit und Langwierigkeit bewegen. Dazu kommt. daß der Instanzenaufbau des vorliegenden Entwurfes(Bau. landgesetz) eine Unmöglichkeit ist. Die ordentlichen Gerichte, die bisher zuständig waren, haben den in den Enteignungsgesetzen aus- gesprochenen Grundsatz der vollen Entschädigung, wie wir oben sahen, in einer wahrhaft fürstlichen Großzügigkeit ausgelegt. Wenn jemand wußte, daß in nächster Zeit sein Grundbesitz enteignet werden
sollte, so brauchte er nur mit einem guten Freund zum Notar zu gehen, allwo der gute Freund ihm ein notarielles Kaufangebot machte. Es war gleichgültig, ob dieses Kaufangebot ein 50 Proz. zu hohes Kaufpreisangebot enthielt. Es ist aber Rechtsprechungs- grundsatz, daß bei der Enteignung der individuelle Wert zu berücksichtigen ist, den das Grundstück nicht für den Eigentümer selbst, sondern für einen dritten Kauflustigen hatte. Der führt« dazu, daß der in diesem fingierten Sausangebot genannte preis von der öffentlichen Körperschaften bezahlt werden muhte. Solchen Machinationen schiebt der Baulandentwurs teilweise einen Riegel vor, wenn er zunächst grundsätzlich übereinstimmend mit dem Wortlaut der Reichsverfassung die Reduktion der vollen auf die an- gemessene Entschädigung vornimmt. Nicht ganz glücklich ist frei- lich die nähere Bestimmung dessen, was angemessen ist. Es genügt nicht, wenn der Entwurf bei der Festsetzung der Entschädigung vom Steuerwert ausgeht; es empfiehlt sich vielmehr, den Steuerwert als Höchstgrenze der Entschädigung zu bezeichnen. Unhaltbar ist der Entwurf, wenn er einer alten Anregung aus dem Jahre 1919 folgend, die Zuständigkeit des ordentlichen Gerichts, dos in diesen Dingen so schmählich versagt hat, keineswegs gänzlich beseitigt; vielmehr läßt der Entwurf gegen den Entschädigungs- beschluß der Enteignungsbehörde Klage bei einem Sondergericht zu, das in Wirtlichkeit aber nur eine mit zwei richterlichen und einem Verwaltungsbeamten besetzte Spezialkammer des Landgerichts ist. Das preußische Ausführungsgesetz zum Reichs siedlungs» gesetz hat mit gutem Grund
die ordentliche Gerichtsbarkeit gänzlich aus dem Enteignung». verfahren ausgeschaltet und dadurch neben allen anderen Vorteilen dieser Regelung Einheit- lichkeit und die dringend notwendige Verfahrensbeschleunigung ge- währleistet. Will man gegen den Enteignungsbeschluß der Berwal- tungsbehörde überhaupt ein förmliches Rechtsmittel und nicht nur die Aufsichtsbeschwerde geben, so kann dafür allein die Zuständigkeit eines Derwaltungsgerichts in Frage kommen. Grundsätzlich aber muß gefordert werden, daß an Stelle dieses Entwurfes schleunigst das R« i ch s i n ize n m i n i st« r i u m gemein- schaftlich den gesetzgebenden Körperschaften ein Reichsrahmen- gesetzfürdasgesamteEnteignungsver'fahren unter- breiten, dem als spezieller Teil die besondere Baulandmaterie anzu- gliedern ist. Die schon längst notwendige einheitliche reichsgesetzliche Regelung wird das Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen haben; das Gesetz wird das ordentliche Gericht endgültig und nicht nur teil- weise aus dem Enteignungsversohren zu beseitigen und für die angemessene Entschädigung den Steucrwert nur als Maximalgrenze festzusetzen haben. Ein solches Gesetz, ver- Kunden mit den korrespondierenden Bestimmungen über den Städte- bau ist«ine der dringendsten Notwendigkeiten. Es ist zu wünschen. daß die beiden dafür zuständigen Ministerien in gemeinsamer Arbett den vorliegenden Entwurf so umgestalten, daß der Reichstag imstande sst, sich möglichst noch im kommenden Winter mit der Materie zu befassen. Otto Xircbbeimer.
Aus Qlas und Stein f'in neues Jiaufhawt in Chemnitas, erbaut von Srich tttendelfohn. dem Erbauer des ttleiallarbeHer■ Der- bands- Qebäudes in Merlin, ä)ie den Mau tragenden Pfeiler find von außen un- fichlbar.
Grotesk-Theater in Nußland. Auf den Moskauer Bühnen ist in letzter Zeit«ine neue Form des Schauspiels eingeführt worden, d'.« anfangs als Kinder- und Märchcnvorstellung gedacht, sich allmählich auch den Abendspielplan zu erobern beginnt. Die Bewegung geht aus von einer grotesken Komödie Uri Olefhas„Drei dick« Männer", die zuerst im Moskauer Künstlertheater aufgeführt wurde. Der Erfolg war derart groß, daß auch andere Theater die gleich« Komödie in immer neuen Ber- fionen spielten. Die drei dicken Männer symbolisieren den Kapitalis- mus, die Religion und die bürgerliche Regierungssorm. Sie werden in allen möglichen Situationen als Typen gezeigt, in Verbindung gebracht zu Tagesereignissen, in immer neuen Szenen, wobei aller- dings der Grundriß des ehemaligen Märchensttickes unverändert bleibt. Der Erfolg dieses Theaters, das etwas an politssches Kasperletheater erinnert, ist, wie aus Moskau gemeldet wird, bei- spiellos. Gestützt auf das Stück hat sich eine Theaterorganisation gebildet, die Wandergastspiele durch die Provinz veranstaltet. Bc- sondere Theatertruppen sind in Leningrad , in Charkow und Odessa im Entstehen. Klugzeug nnt Kletwer-Noioren. Die„Posststhe Zeitmig" meldet aus New York :„Drei Ersmder, deren Namen einstweilen noch geheimgehalten werden, haben in oller Stille auf Long Island ein Flugzeug konstruiert, da; an Stelle der Flügel waagrecht gelagerte Rotoren nach dem Flettner-Typ aus- weist. Sie verwenden aus jeder Seite ihres Flugzeugs zv>ei Rotoren, die sie durch einen eigenen Windmotor antreiben lassen, während das Flugzeug selbst durch den gewöhnlichen Flugzeuginctor und Finen dreiteiligen Propeller angetrieben wird. Um ihr Geheimnis zu wahren, haben die Erfinder das Flugzeug auf einem Schiff« gebaut, dos in keinerlei Verbindung mit dem Lande steht. Trotzdem verlautet, daß sie bereits mehrere Mal« geflogen find. Bei einer Landung soll sogar der Schwimmer zerbrochen sein. Man ver- spricht sich auf Grund der bisherigen Versuche außerordentlich« Er- gcbnisse von diesen, neuen Flugzeug. Es soll zehnfach so große Lasten wie die gewöhnlichen Flugzeug« tragen und dabei eine viel höhere Geschwindigkeit entwickeln als die gewöhnlichen Flugzeuge gleicher Konstruktion. Angeblich gehört zu der Finanzgruppe, die die Ausbeutung dieser neuen Ersiudung übernehmen will, ein bekannter Automagnat." Der Siegeszug der Schallptattc. Ein« Berliner katholisch« Kirch«, die keinen eigenen Kirchenchor besitzt, hat sich eine Schall- plattenübertragungsanlag� errichten lassen. Durch einen doppel- seitiqen Grammophonschrant ist das Spielen von längeren Stücken ohne Unterbrechung von Plattenwechsel gestattet.
Das Wasser unter der Sahara . Soeben ist«ine wissenschaftliche Expedition aus Frankreich ob- gereist, um die Möglichkeiten zu studieren, die sich für die Erschließung der Wüste Sahara bieten. Es ist den Franzosen schon immer schmerzlich gewesen, daß dieses ungeheure Kolonialgebiet, das so nahe liegt, völlig unbenutzbar ist. Nun haben Untersuchungen einer wissenschaftlichen Organisation die Vermutung nahegelegt, daß sich unter dem Wüstensand ein großes Gebiet mit frischem Wasser ver- birgt, sozusagen ein mächtiger unterirdischer See, der nur an d'e Oberflää)« gebracht werden muß, um die ganze Wüste zu bewässern und fruchtbar zu machen. Es ist sehr leicht möglich, daß der Wunsch der Vater des Gedankens gewesen ist. Immerhin haben die Geo- graphen festgestellt, daß sich in der Wüste Hundert« von jetzt aus- getrockneten und verödeten Flußbetten befinden, und daraus kann man in der Tat schließen, daß die Sahara früher einmal fruchtbar gewesen ist. Nun-geht die anfechtbare Meinung dieser Gelehrt.'« dahin, daß die Sahara nur deshalb zu einer Wüst« geworden ist, weil die Bevölkerung dieses Landes nichts von Bewässerung ver- stand und den natürlichen Quellen erlaubt«, vom Sand verschüttet zu werden. Die Expedition, die jetzt nach der Sahara ausgebrochen ist, hat die Aufgabe, ein« genaue Karte der verborgenen See» und Quellen anzufertigen, und dann hofft man, ein Bewässerungssystem ausarbeiten zu können, durch das 2H Millionen Quadratmcilen Land der Kultur zurückgegeben werden können. Man beruft sich dabei auf das Beispiel, des Irak , dessen ehemaliges Wüsteng.ttiiet dmch planvolle Bewässerung zum Teil fruchtbar gemocht worden ist. Wo früher kaum ein anspruchsloser Kaktus wachsen wollte, kann man nun alljährlich zwei Weizenernten einbringen, genau so wie zu jener Zeit des Altertums, in der Mesopotamien als die Kornkammer der Welt angesehen wurde. Der neue Wahltricksilm der Sozialdemokralischen Partei wird in einer von der 117. Abteilung veranstalteten künstlerischen Matinee am Sonntag, dem 31. August, vormittags �12 Uhr. im Lichtspielhaus Kosmos in der Lückstrahe in L i ch t e n b e rg ur> aufgeführt werden. Die einleitenden Worte wird Reichstagsobge- ordneter Genosse Künstler sprechen. Genosse Heinz Wagner spricht politisch-satyrische Dichtungen. Den Schlußteil bestreitet der Sprech- und Bewegungschor der Freien Gewerkschaftsjugend mit dem Chorwerk„Dividende". Sämtliche Programmteile wenden von dem verstärkten Kinoorchester musikalisch umrahmt. Für den Eintritts- preis von 50 Pfennig hat jeder Besucher außerdem dos Recht, kosten- los an der wertvollen Bücherverlosung teilzunehmen. Da» Staatliche Schausplelhou» eröffnet am 30. August die neue Spiel- zeit mit der Uraussührung von Klabund».Liebe aus dem Land«' in der Olnlzcmcrung von Jürgen Aehling.— AI»»ist« NeueinlUidierung geht im Schillertbealcr Schönhcrr» Schauspiel.Herr Doktor baben Sie zu essen' in Szene. Regie: Leopold Lindtberg .
Nur noch bis Sonniaö
liegen die Wählerlisten aus. Versäume niemand, sie einzusehen. Wer nicht In der Liste steht, darf nicht wählen»