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BERLIN Sonnabend 30. Auguff

1930

Der Abend

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Nr. 406

B 202 47. Jahrgang

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Luftgeschwader Liste 1

Start zum Deutschlandflug für die Sozialdemokratische Partei

Die Sozialdemokratie hat neben unzähligen

Wahlflugblättern und Wahlzeitungen, neben der Aufklärung

Sejm aufgelöst.

Parteiabzeichen verboten!

von Mund zu Mund, auch das Luftgeschwader des Sturm- Neuwahl im November. - Verfassungsreform angekündigt. Wirth verordnet: Wahlvorstände dürfen keine Abzeichen vogels" gemietet und in den Wahldienst gestellt.

Fünf Flugzeuge des Sturmvogels" werden in einem Rundflug von 14 Tagen alle Gebiete Deutschlands bereisen und überall die riefigen Schlagzeilen Wählt Liste 1" hintragen. Der Flug begann heute morgen, an Bord eines Flugzeuges befindet sich auch ein Mit­arbeiter des Borwärts", der über den Verlauf der großzügigen Propagandafahrt eingehend berichten wird. Um 10,15 Uhr starteten die Maschinen, um ihr erstes Flugpensum Schwerin und dann weiter auch Flensburg anzusteuern. Bon Flensburg geht es dann wieder zurück nach dem Rheinland und dann nach dem

Süden.

Am Freitagabend wurden die Maschinen startfertig gemacht. Am Flugzeugschuppen des Sturmvogels" herrschte ein reges Leben und Treiben. Die Motore wurden noch einmal überprüft, Ersatzteile zurechtgelegt und genügend Benzin getankt. Am Sonnabend ist alles wieder früh auf den Beinen. Die Meßinstrumente werden noch einmal abgestimmt und dann stehen die fünf Maschinen start bereit. Letzte Besprechungen mit den Piloten und dann furren die Propeller los. Noch springen die Monteure von Maschine zu Maschine; hier und da wird noch geölt. Inzwischen treffen auf dem Flugplatz die Gäste des Sturmvogels" ein, die mit regem Interesse die Startvorbereitungen verfolgen. Der Parteivorstand der Sozialdemokratischen Partei hat den Borsigenden Crispien ents sandt; auch die Gewerkschaften haben Vertreter zum Flugplatz. ge­schickt. Walter Binder, der Vorsitzende des Sturmvogels", führt die Gäste zu den Maschinen und läßt auch einen großen Dornier" fertigmachen, der einen Teil der Gäste aufnehmen und das Luft­geschwader eine Strecke begleiten soll.

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Die fünf Sturmvogel"-Maschinen tragen an den Flügelenden und am Schwanzsteuer die Reichsfarben. Unter den Flügeldecken leuchtet in dicen Lettern die Mahnung Wählt Liste 1!" Um 10.15 Uhr haben alle Maschinen ihre letzten Borbereitungen getroffen und nacheinander rollen sie zum Startplatz. Die Flagge des Poli­zisten senkt sich und schon donnert die erste Maschine in die Luft. In wenigen Minuten schweben die fünf Flugvögel im glitzernden Sonnenschein und erst jetzt sieht man, wie wirksam und weithin fichtbar die Schriftleisten Wählt Lifte 1" sind. Die Maschinen fliegen in niedrigen Kurven über den Flugplatz, ziehen erst Kreise über Berlin , sammeln sich dann und steuern, dicht nebeneinander, in Richtung Schwerin los. Der große sechsfizige" Dornier" hat sich auch hochgeschraubt, fliegt über Berlin hinter ihnen her und verläßt fie dann, um zurückzukehren zum Flughafen Tempelhof . Die fünf Maschinen verschwinden am Horizont; sie werden 14 Tage über Dörfer und Städte brummen und dort Werber für die Sozial­demokratie sein.

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SPD. - Sturmvogel, grüßt die unermüdlichen und eifrigen Streiter der Sozialdemokratie im Wahlkampf und weckt die Cauen und Gleichgültigen, damit sie den Ernst der Stunde erkennen und begreifen, daß Stürme unterwegs sind, die alle politischen und fozialen Errungenschaften der Arbeiterklasse bedrohen. Wählt Liffe 1 wählt die Sozialdemokratie!" Das ist der Kampfruf der SPD. - Sturmvögel.

Sizewelle in England: 50 Tote!

London , 30. Auguft. Die Hikewelle in England hat bereits 50 Todesopfer gefordert. In der vergangenen Nacht ging ein schweres Gewitter mit starken Regen. güssen über London nieder, das eine leichte Abküh Iung zur Folge hatte.

Auflösung einer Naziversammlung. Feder wegen Beschimpfung der Republit festgenommen. Kaffel, 30. Auguft.

Eine am Freitag abend in der Stadthalle abgehaltene national­fozialistische Wahlversammlung, in der der Reichstagsabgeordnete Feder München sprach, wurde wegen Berstößen des Redners gegen das Republitschutzgesetz polizeilich aufgelöst. Dabei fam es zu Tumulten, so daß die Polizei den Saal räumte. Feder wurde Don Kriminalbeamten festgenommen und ins Polizeipräsidium ge­bracht. In der Hohenzollernstraße wurde ein Zug der National­fozialisten aufgelöst. Auch dabei fam es zu Zusammenstößen 3mischen Demonstranten und Polizei. Die Polizei machte vom Gummifnüppel Gebrauch und nahm zahlreiche Zwangsgestellungen

Warschau , 30. Auguff. Durch Berordnung des Staatspräsidenten Mrofcidi wurden heute Sejm und Senat aufgelöst.

In dem Erlaß des Staatspräsidenten heißt es: Nach reiflicher Erwägung habe ich festgestellt, daß die wichtigste Aufgabe für die Arbeit aller Bürger die Verbesserung der grundlegenden Rechte ist, durch die der Staat regiert wird, da diese Rechte die Grundlage aller Staatsgesetze sind. Die Verbesserung ist not­wendig, weil sich das gegenwärtig im Staate herrschende Chaos bisher leider nicht beseitigen ließ. Nachdem ich zu der Ueber­zeugung gelangt bin, daß ich die Verbesserung allen meinen Be­mühungen zum Trotz durch den gegenwärtigen Sejm nicht erreichen fann, habe ich beschlossen, auf Grund des Artikels 23, Ab­schnitt 2 und 3 der Verfassung, nach dem Beschluß des Minister rats mit dem 30. August Sejm und. Senat aufzulösen und bestimme als Wahltermin den 16. November für den Sejm und den 23. November 1930 für den Senat.

Straßenbahn zermalmt Auto.

Schweres Verkehrsunglück in Charlottenburg .

Heute vormittag wurde an der Ede March- und Gueride. straße in Charlottenburg ein mit zwei Personen besetztes Privatauto von zwei aus entgegengesetzter Richtung kommenden Straßenbahnwagen der Linie 45 erfaßt und buchstäblich 3 er quetscht. Der Führer des Autos und sein Begleiter erlitten lebensgefährliche Verlehungen.

einer Reparaturwerkstätte überholt worden war und heute von dem Bei dem Unglücksauto handelt es sich um einen Wagen, der in 22jährigen Monteur Erich Behrendt aus der Uhlandstraße 183 eingefahren werden sollte. Neben Behrendt hatte noch der 19jährige Schlosserlehrling Karl Löffel aus der Bastianstraße Platz ge­den Fahrdamm noch vor zwei Straßenbahnwagen der Linie 45, nommen. An der Ede March- und Guerickestraße versuchte Behrendt die sich gerade kreuzten, zu überqueren. Der Chauffeur hatte jedoch die Entfernung unterschätzt. Das Auto wurde von beiden Straßen. bahnen erfaßt und eingequetscht. Die Führer der Straßenbahnen versuchten mit allen Mitteln zu bremsen, sie fonnten ihre Fahr. zeuge jedoch nicht mehr rechtzeitig zum Halten bringen. Das Auto bildete nur noch einen Trümmerhausen. Behrendt und sein Begleiter tonnten nur mit großer Mühe aus ihrer furcht baren Lage befreit werden. Die Verunglückten wurden in das Moabiter Krankenhaus gebracht. Die Feuerwehr hatte nahezu 30 Minuten mit den Aufräumungsarbeiten zu tun. Die Straßen­bahnen wiesen so schmere Beschädigungen auf, daß sie aus dem Ver­fehr gezogen werden mußten. Der Betrieb war in beiden Richtungen eine halbe Stunde lang lahmgelegt.

Curtius muß den Wahlkampf abbrechen

Wegen allgemeiner Leberanstrengung. Baden- Baden , 30. Auguft. Reichsaußenminister Dr. Curtius ift, während er in einer überfüllten Bersammlung in Baden- Baden sprach, infolge von eberanstrengung in den letzten Tagen unpäßlich geworden und konnte die Rede nicht zu Ende führen. Der Minister unterbricht seinen Aufenthalt in Baden und kehrt heute nach Berlin zurüd.

Fürstentreue.

Erlebnis vor einer Anschlagsäule.

Man schreibt uns: Die ,, Die politischen Erinnerungen des Fürsten Bülow erscheinen!" schreit es in großen Buchstaben und möglichst auffällig von den Anschlagsäulen. Der gewöhnliche Sterbliche liest es im Borbeigehen. Eine alte Dame, Anhängerin der schönen Kaiserzeit, Krönungstaler in Broschenform als Erkennungsmarte vor den Busen gesteckt, buchstabiert das Plakat eingehend, dann wendet sie sich, tief gefnidt und fast weinend, an ihre Nachbarin mit dem Ausspruch: Run fangen sie wieder an und machen die Fürsten schlecht."

Da lanmit halt nig machen!

tragen.

Bei den letzten Wahlen sind, wie halbamtlich mitgeteilt wird, in einigen Wahlstellen von Dresden Unzuträglichkeiten dadurch entstanden, daß Mitglieder des Wahlvorstandes während der Ausübung ihres Dienstes politische Abzeichen trugen. Auf Anfrage der sächsischen Regierung hat sich der Reichs minister des Innern wie folgt geäußert:

,, Der Abstimmungsvorstand ist ein staatliches Organ zur Vornahme der Wahl. Seine Mitglieder befleiden ein staatliches Ehrenamt. Sie werden durch Handschlag ver­pflichtet. Ungeachtet des Umstandes, daß bei Berufung der Beisitzer die verschiedenen Parteien zu berücksichtigen sind, find die Mitglieder des Abstimmungsvorstandes zu ft r e ng ster Unparteilichteit verpflichtet. Die Mitglieder des Abstimmungsvorstandes haben, gleichviel welcher politischen Partei sie angehören, bei ihrer Amts­führung diejenigen Rücksichten zu nehmen, die durch ihre Stellung als Mitglieder eines staatlichen Organs bedingt sind. Sie haben be­fonders parteiliche Rundgebungen zu vermeiden, die, wie 3. B. das sichtbare Tragen gewiffer Abzeichen geeignet sind, bei Andersdenkenden berechtigten Anstoß zu erregen.

Der Abstimmungsvorsteher wird zur Vermeidung von Unzuträg­lichkeiten den Mitgliedern des Abstimmungsvorstandes, die mit partei­politischen Abzeichen erscheinen, nahezulegen haben, das Abzeichen während der Ausübung ihrer Tätigkeit als Mitglied des Abstim mungsvorstandes abzulegen.

Wird diesem Ersuchen nicht entsprochen, so hätte der Abstim­mungsvorsteher den Beisitzer im Interesse der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung während der Abstimmungshandlung durch einen anderen Wähler zu ersetzen."

Stoßtrupps der Reaktion.

Kommunisten als Stuhlbeinhelden.- Zentrumsredner fordert ein Heer von 700 000 Mann.

Köln , 30. August.( Eigenbericht.)

In einer sozialdemokratischen Wahlversammlung in Jülich , die am Freitagabend stattfand und in der Reichstagsbge­ordneter Sollmann sprach, drangen unter Führung des fommu­niftischen Reichstagsabgeordneten Daubenberg lange nach Be ginn der Versammlung etwa 100 kommunisten ein. Nach­dem Daußenberg die ihm und einem Zentrumsredner zugestandene Redezeit von 20 Minuten beendet hatte und ihm das Wort entzogen wurde, als er nicht von der Tribüne abtrat, schlugen die kom­munisten mit Stühlen auf die sozialistischen Ber. iammlungsbesucher ein, wodurch mehrere verletzt wurden. Eine Person wurde mit schweren Kopfverletzungen von Sanitätern aus dem Saal geschafft. Nach dem Einschreiten der Polizei konnte die Versammlung zu Ende geführt werden. Als Redner des Zen­

frums sprach der christliche Gewerkschaftsführer Flohr aus Köln . Er forderte für Deutschland , ähnlich wie in der Borkriegszeit, ein Heer von 700 000 Mann. Mit dieser Forderung stieß er auf den stürmi­

schen Proteft der Bersammlung.

Die Arbeiter der Welt hoffen... 3nternationale Kundgebung in Kiel .

Kiel , 30. Auguft.( Eigenbericht.) In Kiel fand am Freitag eine große internationale Rundgebung statt, in deren Berlauf Redner aus zehn

Ländern, so u. a. aus England, Frankreich , Dänemark und Schweden , zu Tausenden von Arbeitern sprachen und die Wichtig­feit des Ergebnisses der Wahl am 14. September betonten. Alle Redner erklärten, daß die ganze Welt das größte Interesse daran habe, daß der 14. September zum Siegestag für die deutsche Arbeiterschaft werde, denn in allen Ländern der Welt stehe die Arbeiterschaft vor gleichen Schwierigkeiten wie die Deutschlands . Mit Spannung blide die Internationale auf den Kampf der deutschen Arbeiterschaft. Sie sei überzeugt, daß jeder Sozialdemokrat seine Pflicht tun werde, um dem Reich eine Regie­rung zu geben, die ein friedliches Zusammenarbeiten mit allen Ländern gewährleiste.

Expräsident Leguia im Gefängnis. Expräsident Leguia wurde nom Kreuzer ,, Almirante Grau" nach dem Gefängnis auf der San­Lorenzo- Insel übergeführt, dem gleichen Gefängnis, das er mährend feiner elfjährigen Regierung für politische Gefangene verwendete. Leguias Sohn Juan murde gicichfalls verhaftet.