Einzelbild herunterladen
 

Morgenausgabe

Nr. 409

A 206

47.Jahrgang

Böchentlich 85 Bt., monatlich 3,60 im voraus zahlbar, Poftbezug 4,32 m. einschließlich 60 Bfg. Boftzeitungs- und 72 Pfg. Bostbestellgebühren. Auslands abonnement 6,- M. pro Monat. *

Der Bormärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Bolt und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Frauenstimme". Technit"," Blid in die Büchermelt"," Jugend- Borwärts" und Stadtbeilage".

Vorwärts

Berliner   Bolksblatt

Dienstag 2. September 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einipaltige Ranpareillezetle 80 Pfennig. Reflamezeile 5,- Reichs. mart. Kleine Anzeigen' das fettge. drudte Bort 25 Pfennig( zuläffig mei fettgebrudte Worte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Seile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imhaupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich Don 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW 68, Lindenstraße 3 Vorwärts Verlag G. m. b. H.

Fernsprecher: Donhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  .

Hitler   kapituliert!

Er bewilligt die Lohnforderungen seiner Söldnertruppe.

Im Kriegervereinshaus in der Chausseestraße fand gestern eine große Bersammlung der S2., der Sturmabteilungen der Na­ tionalsozialistischen   Partei in Berlin   statt. Hitler   persönlich war erschienen, um die Revolte der Prätorianergarden seiner Partei zu beschwichtigen. Die Versammlung begann gegen% 49 Uhr

Die fünf Standarten der Berliner   SA. hatten vor dem Be­ginn der allgemeinen Versammlung Sonderversammlun gen, so daß ihr Anmarsch unpünktlich erfolgte. Jede Standarte marschierte geschlossen an, alles in allem waren etwa 2500 S2.. Leute versammelt.

Dem Beobachter bot sich ein seltsames Bild. Es war schwer zu unterscheiden, ob es sich um eine nationalsozialistische Bersammlung oder um eine Bersammlung des aufgelösten Rotfrontkämpferbundes handelte. Ein Sturm trug de­monstrativ rote Blumen im Knopfioch. Vor Beginn der Versamm­Lung sangen die SA.  - Leute ihre Lieder. Es waren durchweg Bieder des Rotfronttämpferbundes, nur daß sie statt Heil Moskau   Heil Hitler   fangen. Die Gestalten und die Gesichter waren ganz die gleichen, die man früher bei Versammlungen und Aufmärschen des Rotfrontkämpferbundes gesehen hat.

Hitler tam in feinem bayerischen   Reisewagen vor dem Ber

sammlungslokal an. Er hielt sich nur etwa 25 Minuten in der Ver­fammlung auf, davon sprach er etwa zehn Minuten selbst, dann hörte

er sich noch eine Rede von Goebbels   an, um jofort danach wieder zu verschwinden. Seine Ansprache an die versammelten SA.  - Leute war fehr furz. Ihr Inhalt war: ,, Alles ist erledigt,

alle Differenzen find in eurem Sinne beigelegt, aller Streit soll vergeffen und begraben sein. Laßt eure Sorgen meine Sorgen sein. Die Einigung ist erfolgt, morgen wird ein Befehl über den Inhalt der Einigung ergehen. Sie haben 3 mei Tage Bahlarbeit versäumt, Sie werden nunmehr diese Berfäumnis in zwei Rächten nachholen!"

Nachdem Hitler jo die gesamte Berliner   SA. zum Nachererzieren tommandiert hatte, sprach Goebbels  . Er gebärdete sich viel meniger pathetisch als sonst; seine Rede bestand aus Variationen über das Thema: Alle Kräfte zusammenfassen.

Nach Goebbels   hielt der SA- Führer Ost Stennes eine furze Ansprache. Dann wurden die Standarten entlassen. Sturm Fünf

jedoch wurde von Stennes, weil er gemurrt hatte, zum Nach egerzieren dabehalten.

Während der Versammlung hatten sich Goebbels   und Stennes meber begrüßt noch angesehen; auch am Ende der Versammlung gingen sie ohne Gruß auseinander. Es war flar, daß die Einigung nur sehr vorläufig ist. Goebbels   war dies­mal nicht in seinem neuen eleganten Mercedeswagen vorgefahren, er hatte seinen Wagen ein paar Eden weiter halten laffen. Als er das Lokal verließ, wurde er nur schwach begrüßt. Die sonstige Begeisterung seiner Anhänger fehlte vollständig.

Ueber die Grundlagen der Einigung wurde in der Bersammlung selbst nichts bekanntgegeben, doch bestehen sie im wesentlichen darin,

daß die Forderungen der SA  , auf Bezahlung bewilligt worden find.

Interessant ist es, daß zu diesen Forderungen auch die folgende ge­hört: Die Berliner   Abgeordneten der Nationalsozialisten führen monatlich von ihren Diäten jeder 300 m. ab. Die SA. hat gefordert, daß diese Gelder nicht in die nationalsozialistische Partei­taffe fliegen, sondern der S. zukommen sollen. Als echte Brätorianergarde steht die SA.   auf dem Standpunkt, daß, wenn

fie fich für die nationalsozialistischen Abgeordneten prügelt, ihr au das Geld der nationalsozialistischen Abge

ordneten gehören müsse.

Wie lange die Einigung vorhalten wird, ist eine andere Frage. Interessant ist schließlich auch noch, daß der sogenannte Horst Wesselsturm aufgelöst worden ist, daß sich in ihm gegen 200 Kommunist en befanden.

Hänge: Neumann.

In einer fommunistischen Bersammlung in Düsseldorf   sprach der berüchtigte einz Reumann, Reichstagstandidat der Rom­muniften:

Grzesinsti irrt sich! Grzesinsti, Severing und Konsorten baumeln drei Stunden nach der Machtergreifung durch uns an den

Bäumen."

den Hafenkreuzlern, Frid, Straßer u. Co. haben dasselbe schon viel Diese niedliche fleine Mordheße ist ebenfalls nur ein Plagiat an schöner gejagt.

Oeffentliche Wählerkundgebungen.

Heute, Dienstag, d. 2. September:

umzug mit Mujit und Fackeln um 19 Uhr, Stadtpart, Fürsten walder Straße.

4. Kreis Prenzlauer Berg  . Abmarsch zum Werbeumzug Mahlsdorf  . 20 Uhr im Lokal Nordstern, Hönower Str. 49. 18% Uhr vom Bahnhof Weißenfee.

Redner: Stadtverordneter Franz Käming.

Grünau  . 20 Uhr im Gesellschaftshaus. Redner: Stadtverordneten- Pankow  , 128./130. Abt. 19% Uhr in Linders Konzerthaus, vorsteher Johannes Haß  .

Marktplatz. Redner: Siegfried Aufhäuser  .

Postschedkonto: Berlin   37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter. Angestellten und Beamten. Wallstr. 65. Dt. B. u. Disc.- Gef.. Depofitentafe Lindenstr. 8

T

Prätorianer.

Die Internationale aus Dafffe".

-

Die SA.  das heißt die militärisch disziplinierte Kern­truppe der Nationalsozialisten hat gemeutert. Sie hat die Gaugeschäftsstelle der Nationalsozialisten, ein Bürohaus mit 32 3immern, vollständig verwüstet, und hat die Leute Dom nationalsozialistischen Schutzsturm, die sich ihnen ent­gegenstellten, blutig geschlagen.

Eine Meuterei in aller Form, die alles Gerede von der glänzenden freiwilligen Disziplin, von der Hingebung an den Führer als hohle Phrase entlarvt. Die offiziellen National­sozialisten sind in tödlicher Verlegenheit. Herr Stennes  , der Häuptling der Berliner SA., verbreitet eine interessante Erklärung über die Meuterei, der man die Ueberschrift: ,, Der mißverstandene Befehl" geben tönnte. Die SA.  - Leute, so erzählt Herr Stennes  , hatten Befehl, die SS.  - Leute in der Bewachung abzulösen. Die SS.  - Leute aber wußten nichts von diesem Befehl und wollten sich nicht ablösen lassen und so fam es zur Schlacht. Denn Befehle müssen ausgeführt werden. Nur aus falsch verstandener Disziplin- SA.  - Leute die so möchte Herr Stennes   es verstanden wissen haben die die Einrichtung Don 32 Zimmern zer­

-

trümmert!

-WOO

Herr Stennes schreibt seinen Leuten Kadavergehorsam 3. Kadavergehorsam ist eine der wesentlichsten Eigen­schaften von Prätorianern. Diesmal haben die Prätorianer Die erste Klasse bildet die SS., der Schußsturm, der über rebelliert, und zwar die zweite Klasse gegen die erste Klasse. die persönliche Sicherheit der Führer zu wachen hat, die zweite Klasse ist die SA., die Sturmabteilungen, deren vor­nehmste Aufgabe es ist, sich auf der Straße herumzuschlagen. Die SA.   hat den SS. verprügelt.

Sie hat rebelliert, weil ihr die Bezahlung gesperrt murde. Der Gehorsam von Prätorianern steht im direkten Verhältnis zum Grad der Bezahlung. Als die Bezahlung ganz aufhörte, erfolgte prompt die Revclte. Auf einem Handzettel, der in Berlin   verbreitet wurde, angeblich von oppositionellen SA.  - Leuten, liest man:

,, Die Sturmabteilungen sollen außer dem Opfer ihres Blutes auch all ihre Propaganda, ihre Autofahrten, ihre Fahrgelder bezahlen, weil die Partei angeblich fein Geld hat."

-

-

-

Hier ist der Grund der Revolte von Politit Otto Straßers Organ den SA.  - Leuten zu: SA.  - Mann! feine Spur. Ein prominenter SA.  - Führer" ruft in Werde politisch oder stirb!" Mit diesem Ausruf ist alles charakterisiert: die SA.   eine Organisation von be= zahlten unpolitischen Schlagetoten, die eben erst auf Befehl von Goebbels   die Straßer- Leute verprügelte das wurde noch bezahlt und die nun auf Goebbels   selber losgeht, weil nicht mehr bezahlt werden soll. Eine Organi­sation, die sich leider wir müssen dies feststellen-vor­zugsweise aus Proletarier freisen rekrutiert, aus jenen Kreisen, für die geistige Beschäftigung mit politischen vorzieht. Der politische Triebsand des Proletariats ist es, Problemen fern liegt, und die den Raufhandel aller Politik der zum Teil in diese Hakenkreuzorganisation geflossen ist. Ein winziges Fünfchen von Politik steckt dennoch in diesen Leuten, die die Prätorianergarde der Hakenkreuz­

-

Morgen, Mittwoch, 3. September: Buchholz. 20 Uhr im Lokal Erdmann, Pasewalter Str. 11. führer spielen. Sie tennen die Konkurrenz, und

6. Abt. Mitte. 19% Uhr in Hoffmanns Festsälen, Schwedter Str. 23. Redner: Carl Litte.

32. und 53. Abt. Charlottenburg  . 20 Uhr Schulaula Wiebe. straße. Deffentliche Werbekundgebung. Redner: Otto Meier  , M. d. L.

62. Abt. Siemensstadt  . 20 Uhr im Lokal Bum Heidekrug", Ronnendammallee 89. Redner: Polizeioberst a. D. Dr. Her. mann Schützinger.

14. Kreis Neukölln. Treffpunkt zur Demonstration um 19 Uhr auf dem Reuterplatz. Von hier aus feßt sich der Umzug mit Fackeln und Musit in Bewegung. Vorher treffen sich die Ab­teilungen wie folgt: 91., 94. und 95. Abteilung 18% Uhr Boddinplay; 92. und 93. Abteilung 18% Uhr Finowitraße( Nähe Kaiser- Friedrich- Straße); 96., 97, 98. Abteilung und SAJ. 18 Uhr Stubenrauchplatz( Nähe Schierkeftraße). Die 89. und 90. Abeilung sowie Brig   treffen sich 18% Uhr auf dem Reuter­plag. Niemand darf bei dieser wichtigen Wahlarbeit fehlen. Schlußtundgebung auf dem Herzbergplatz. Redner: Artur Crispien. Sprechchor der SAI.

Johannisthal. 20 Uhr im Lotal Zum Einsiedler", Sterndamm. Rednerin: Stadtverordnete Minna Todenhagen   und Genosse Reuter.

Söpenick. 2014 Uhr im Lofal Seidler, Uhlenhorst, Mahlsdorfer Straße. Redner: Kurt Heinig  . Treffpunft zum Werbe­

-

Redner: Carl Dressel.

Donnerstag, den 4. September: Betriebsfraktion der SPD  . beim Arbeitsamt Berlin­Mitte. 5 Uhr, Hadescher Hof, Rosenthaler Str. 40. Frattions. persammlung mit Sympathifierenden. Genosse Siegfried Auf­ häuser   spricht über die Reichstagswahl am 14. September". Betriebsfraktion der SPD  . beim Bezirksamt Berlin  . Mitte. 4 Uhr, Wahlfundgebung für alle Arbeiter, Angestellten und Beamten im Hackeschen   Hof, Rosenthaler Str. 40/41.

Wählerinnenkundgebung!

3. Kreis Wedding  . Mittwoch, den 3. September, 19% Uhr, in der Hochschulbrauerei, Amrumer, Ede Seeftr. Referat der Genoffin Klara Bohm- Schuch, M. d. R., Der Kampf der Sozialdemokratie gegen die Reaktion". Außerdem Aufführung des Sprechchorwertes Dividende" durch den Sprech- und des Sprechchorwertes Dividende" durch den Sprech- und Bewegungschor der Freien Gewerkschaftsjugend.

7. Streis Charlottenburg. Freitag, 5. September, 19% Uhr, in Ahlerts Festsälen, Charlottenburg  , Berliner Str. Bor führung des Filmes Freie Fahrt". Ansprache der Genoffin Käte Kern. Ferner gesangliche Darbietungen.

Männer und Frauen, erscheint in Massen!

so berichtet der prominente S.- Führer" in Straßers Dr­gan über die Schlacht im Hakenkreuzbüro in der Hedemann­ftraße:

G.- Männer mit Drill und Dr. Goebbels   mit literarisch- rhetorischen Anstatt sie politisch zu schulen, fütterte Herr v. Pfeffer die SA.  - Männer mit Drill und Dr. Goebbels   mit literarisch- rhetorischen Mäßchen. Die Quittung hat Herr Dr. Goebbels   am vergangenen Freitag erhalten; während er oben in seinem Rathenau- Zimmer" faß und auf den Treppen die empörten SA.  - Leute teils Schmäh­Sprechchöre einübten,

teils aus Daffte" die Internationale fangen, und Herrn Wilte mit Beleidigungen schlimmster Art belegten, wird ihm hoffentlich etwas von dem Kapitel Wirkungen der Phraseo­logie" aufgegangen sein."

Sie fangen aus Daffle" die Internationale... Aus Daffle", wie es im jüdischen Jargon heißt ,,, nun ge rade", um Herrn Goebbels   zu ärgern. Sie tennen ihnen wird sie täglich mehrmals gesungen haben, in jenen fie nämlich und fie tönnen sie singen!. Ein großer Teil von Beiten, als sie noch nicht die Prätorianer von Goebbels  waren, sondern die Rauf- und Schlagetottruppe von Willn Leom! Sie gehen zur Konkurrenz, wenn der eine Laden zumacht oder ihnen nicht mehr paßt- Triebsand, der bald