Morgenausgabe
Nr. 409
A 206
47.Jahrgang
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Dienstag 2. September 1930
Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
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Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
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Er bewilligt die Lohnforderungen seiner Söldnertruppe.
Im Kriegervereinshaus in der Chausseestraße fand gestern eine große Bersammlung der S2., der Sturmabteilungen der Na tionalsozialistischen Partei in Berlin statt. Hitler persönlich war erschienen, um die Revolte der Prätorianergarden seiner Partei zu beschwichtigen. Die Versammlung begann gegen% 49 Uhr
Die fünf Standarten der Berliner SA. hatten vor dem Beginn der allgemeinen Versammlung Sonderversammlun gen, so daß ihr Anmarsch unpünktlich erfolgte. Jede Standarte marschierte geschlossen an, alles in allem waren etwa 2500 S2.. Leute versammelt.
Dem Beobachter bot sich ein seltsames Bild. Es war schwer zu unterscheiden, ob es sich um eine nationalsozialistische Bersammlung oder um eine Bersammlung des aufgelösten Rotfrontkämpferbundes handelte. Ein Sturm trug demonstrativ rote Blumen im Knopfioch. Vor Beginn der VersammLung sangen die SA. - Leute ihre Lieder. Es waren durchweg Bieder des Rotfronttämpferbundes, nur daß sie statt Heil Moskau Heil Hitler fangen. Die Gestalten und die Gesichter waren ganz die gleichen, die man früher bei Versammlungen und Aufmärschen des Rotfrontkämpferbundes gesehen hat.
Hitler tam in feinem bayerischen Reisewagen vor dem Ber
sammlungslokal an. Er hielt sich nur etwa 25 Minuten in der Verfammlung auf, davon sprach er etwa zehn Minuten selbst, dann hörte
er sich noch eine Rede von Goebbels an, um jofort danach wieder zu verschwinden. Seine Ansprache an die versammelten SA. - Leute war fehr furz. Ihr Inhalt war: ,, Alles ist erledigt,
alle Differenzen find in eurem Sinne beigelegt, aller Streit soll vergeffen und begraben sein. Laßt eure Sorgen meine Sorgen sein. Die Einigung ist erfolgt, morgen wird ein Befehl über den Inhalt der Einigung ergehen. Sie haben 3 mei Tage Bahlarbeit versäumt, Sie werden nunmehr diese Berfäumnis in zwei Rächten nachholen!"
Nachdem Hitler jo die gesamte Berliner SA. zum Nachererzieren tommandiert hatte, sprach Goebbels . Er gebärdete sich viel meniger pathetisch als sonst; seine Rede bestand aus Variationen über das Thema: Alle Kräfte zusammenfassen.
Nach Goebbels hielt der SA- Führer Ost Stennes eine furze Ansprache. Dann wurden die Standarten entlassen. Sturm Fünf
jedoch wurde von Stennes, weil er gemurrt hatte, zum Nach egerzieren dabehalten.
Während der Versammlung hatten sich Goebbels und Stennes meber begrüßt noch angesehen; auch am Ende der Versammlung gingen sie ohne Gruß auseinander. Es war flar, daß die Einigung nur sehr vorläufig ist. Goebbels war diesmal nicht in seinem neuen eleganten Mercedeswagen vorgefahren, er hatte seinen Wagen ein paar Eden weiter halten laffen. Als er das Lokal verließ, wurde er nur schwach begrüßt. Die sonstige Begeisterung seiner Anhänger fehlte vollständig.
Ueber die Grundlagen der Einigung wurde in der Bersammlung selbst nichts bekanntgegeben, doch bestehen sie im wesentlichen darin,
daß die Forderungen der SA , auf Bezahlung bewilligt worden find.
Interessant ist es, daß zu diesen Forderungen auch die folgende gehört: Die Berliner Abgeordneten der Nationalsozialisten führen monatlich von ihren Diäten jeder 300 m. ab. Die SA. hat gefordert, daß diese Gelder nicht in die nationalsozialistische Parteitaffe fliegen, sondern der S. zukommen sollen. Als echte Brätorianergarde steht die SA. auf dem Standpunkt, daß, wenn
fie fich für die nationalsozialistischen Abgeordneten prügelt, ihr au das Geld der nationalsozialistischen Abge
ordneten gehören müsse.
Wie lange die Einigung vorhalten wird, ist eine andere Frage. Interessant ist schließlich auch noch, daß der sogenannte Horst Wesselsturm aufgelöst worden ist, daß sich in ihm gegen 200 Kommunist en befanden.
Hänge: Neumann.
In einer fommunistischen Bersammlung in Düsseldorf sprach der berüchtigte einz Reumann, Reichstagstandidat der Rommuniften:
Grzesinsti irrt sich! Grzesinsti, Severing und Konsorten baumeln drei Stunden nach der Machtergreifung durch uns an den
Bäumen."
den Hafenkreuzlern, Frid, Straßer u. Co. haben dasselbe schon viel Diese niedliche fleine Mordheße ist ebenfalls nur ein Plagiat an schöner gejagt.
Oeffentliche Wählerkundgebungen.
Heute, Dienstag, d. 2. September:
umzug mit Mujit und Fackeln um 19 Uhr, Stadtpart, Fürsten walder Straße.
4. Kreis Prenzlauer Berg . Abmarsch zum Werbeumzug Mahlsdorf . 20 Uhr im Lokal Nordstern, Hönower Str. 49. 18% Uhr vom Bahnhof Weißenfee.
Redner: Stadtverordneter Franz Käming.
Grünau . 20 Uhr im Gesellschaftshaus. Redner: Stadtverordneten- Pankow , 128./130. Abt. 19% Uhr in Linders Konzerthaus, vorsteher Johannes Haß .
Postschedkonto: Berlin 37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter. Angestellten und Beamten. Wallstr. 65. Dt. B. u. Disc.- Gef.. Depofitentafe Lindenstr. 8
T
Prätorianer.
Die Internationale aus„ Dafffe".
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Die SA. das heißt die militärisch disziplinierte Kerntruppe der Nationalsozialisten hat gemeutert. Sie hat die Gaugeschäftsstelle der Nationalsozialisten, ein Bürohaus mit 32 3immern, vollständig verwüstet, und hat die Leute Dom nationalsozialistischen Schutzsturm, die sich ihnen entgegenstellten, blutig geschlagen.
Eine Meuterei in aller Form, die alles Gerede von der glänzenden freiwilligen Disziplin, von der Hingebung an den Führer als hohle Phrase entlarvt. Die offiziellen Nationalsozialisten sind in tödlicher Verlegenheit. Herr Stennes , der Häuptling der Berliner SA., verbreitet eine interessante Erklärung über die Meuterei, der man die Ueberschrift: ,, Der mißverstandene Befehl" geben tönnte. Die SA. - Leute, so erzählt Herr Stennes , hatten Befehl, die SS. - Leute in der Bewachung abzulösen. Die SS. - Leute aber wußten nichts von diesem Befehl und wollten sich nicht ablösen lassen und so fam es zur Schlacht. Denn Befehle müssen ausgeführt werden. Nur aus falsch verstandener Disziplin- SA. - Leute die so möchte Herr Stennes es verstanden wissen haben die die Einrichtung Don 32 Zimmern zer
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trümmert!
-WOO
Herr Stennes schreibt seinen Leuten Kadavergehorsam 3. Kadavergehorsam ist eine der wesentlichsten Eigenschaften von Prätorianern. Diesmal haben die Prätorianer Die erste Klasse bildet die SS., der Schußsturm, der über rebelliert, und zwar die zweite Klasse gegen die erste Klasse. die persönliche Sicherheit der Führer zu wachen hat, die zweite Klasse ist die SA., die Sturmabteilungen, deren vornehmste Aufgabe es ist, sich auf der Straße herumzuschlagen. Die SA. hat den SS. verprügelt.
Sie hat rebelliert, weil ihr die Bezahlung gesperrt murde. Der Gehorsam von Prätorianern steht im direkten Verhältnis zum Grad der Bezahlung. Als die Bezahlung ganz aufhörte, erfolgte prompt die Revclte. Auf einem Handzettel, der in Berlin verbreitet wurde, angeblich von oppositionellen SA. - Leuten, liest man:
,, Die Sturmabteilungen sollen außer dem Opfer ihres Blutes auch all ihre Propaganda, ihre Autofahrten, ihre Fahrgelder bezahlen, weil die Partei angeblich fein Geld hat."
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Hier ist der Grund der Revolte von Politit Otto Straßers Organ den SA. - Leuten zu: SA. - Mann! feine Spur. Ein prominenter SA. - Führer" ruft in Werde politisch oder stirb!" Mit diesem Ausruf ist alles charakterisiert: die SA. eine Organisation von be= zahlten unpolitischen Schlagetoten, die eben erst auf Befehl von Goebbels die Straßer- Leute verprügelte das wurde noch bezahlt und die nun auf Goebbels selber losgeht, weil nicht mehr bezahlt werden soll. Eine Organisation, die sich leider wir müssen dies feststellen-vorzugsweise aus Proletarier freisen rekrutiert, aus jenen Kreisen, für die geistige Beschäftigung mit politischen vorzieht. Der politische Triebsand des Proletariats ist es, Problemen fern liegt, und die den Raufhandel aller Politik der zum Teil in diese Hakenkreuzorganisation geflossen ist. Ein winziges Fünfchen von Politik steckt dennoch in diesen Leuten, die die Prätorianergarde der Hakenkreuz
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Morgen, Mittwoch, 3. September: Buchholz. 20 Uhr im Lokal Erdmann, Pasewalter Str. 11. führer spielen. Sie tennen die Konkurrenz, und
6. Abt. Mitte. 19% Uhr in Hoffmanns Festsälen, Schwedter Str. 23. Redner: Carl Litte.
32. und 53. Abt. Charlottenburg . 20 Uhr Schulaula Wiebe. straße. Deffentliche Werbekundgebung. Redner: Otto Meier , M. d. L.
62. Abt. Siemensstadt . 20 Uhr im Lokal Bum Heidekrug", Ronnendammallee 89. Redner: Polizeioberst a. D. Dr. Her. mann Schützinger.
14. Kreis Neukölln. Treffpunkt zur Demonstration um 19 Uhr auf dem Reuterplatz. Von hier aus feßt sich der Umzug mit Fackeln und Musit in Bewegung. Vorher treffen sich die Abteilungen wie folgt: 91., 94. und 95. Abteilung 18% Uhr Boddinplay; 92. und 93. Abteilung 18% Uhr Finowitraße( Nähe Kaiser- Friedrich- Straße); 96., 97, 98. Abteilung und SAJ. 18 Uhr Stubenrauchplatz( Nähe Schierkeftraße). Die 89. und 90. Abeilung sowie Brig treffen sich 18% Uhr auf dem Reuterplag. Niemand darf bei dieser wichtigen Wahlarbeit fehlen. Schlußtundgebung auf dem Herzbergplatz. Redner: Artur Crispien. Sprechchor der SAI.
Johannisthal. 20 Uhr im Lotal Zum Einsiedler", Sterndamm. Rednerin: Stadtverordnete Minna Todenhagen und Genosse Reuter.
Söpenick. 2014 Uhr im Lofal Seidler, Uhlenhorst, Mahlsdorfer Straße. Redner: Kurt Heinig . Treffpunft zum Werbe
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Redner: Carl Dressel.
Donnerstag, den 4. September: Betriebsfraktion der SPD . beim Arbeitsamt BerlinMitte. 5 Uhr, Hadescher Hof, Rosenthaler Str. 40. Frattions. persammlung mit Sympathifierenden. Genosse Siegfried Auf häuser spricht über die Reichstagswahl am 14. September". Betriebsfraktion der SPD . beim Bezirksamt Berlin . Mitte. 4 Uhr, Wahlfundgebung für alle Arbeiter, Angestellten und Beamten im Hackeschen Hof, Rosenthaler Str. 40/41.
Wählerinnenkundgebung!
3. Kreis Wedding . Mittwoch, den 3. September, 19% Uhr, in der Hochschulbrauerei, Amrumer, Ede Seeftr. Referat der Genoffin Klara Bohm- Schuch, M. d. R.,„ Der Kampf der Sozialdemokratie gegen die Reaktion". Außerdem Aufführung des Sprechchorwertes Dividende" durch den Sprech- und des Sprechchorwertes Dividende" durch den Sprech- und Bewegungschor der Freien Gewerkschaftsjugend.
7. Streis Charlottenburg. Freitag, 5. September, 19% Uhr, in Ahlerts Festsälen, Charlottenburg , Berliner Str. Bor führung des Filmes Freie Fahrt". Ansprache der Genoffin Käte Kern. Ferner gesangliche Darbietungen.
Männer und Frauen, erscheint in Massen!
so berichtet der prominente S.- Führer" in Straßers Drgan über die Schlacht im Hakenkreuzbüro in der Hedemannftraße:
G.- Männer mit Drill und Dr. Goebbels mit literarisch- rhetorischen Anstatt sie politisch zu schulen, fütterte Herr v. Pfeffer die SA. - Männer mit Drill und Dr. Goebbels mit literarisch- rhetorischen Mäßchen. Die Quittung hat Herr Dr. Goebbels am vergangenen Freitag erhalten; während er oben in seinem„ Rathenau- Zimmer" faß und auf den Treppen die empörten SA. - Leute teils SchmähSprechchöre einübten,
teils aus„ Daffte" die Internationale fangen, und Herrn Wilte mit Beleidigungen schlimmster Art belegten, wird ihm hoffentlich etwas von dem Kapitel„ Wirkungen der Phraseologie" aufgegangen sein."
Sie fangen aus Daffle" die Internationale... Aus Daffle", wie es im jüdischen Jargon heißt ,,, nun ge rade", um Herrn Goebbels zu ärgern. Sie tennen ihnen wird sie täglich mehrmals gesungen haben, in jenen fie nämlich und fie tönnen sie singen!. Ein großer Teil von Beiten, als sie noch nicht die Prätorianer von Goebbels waren, sondern die Rauf- und Schlagetottruppe von Willn Leom! Sie gehen zur Konkurrenz, wenn der eine Laden zumacht oder ihnen nicht mehr paßt- Triebsand, der bald