Der Abend
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Nr. 412
B 205 47. Jahrgang
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Leberfall auf Reichsbanner
Nächtlicher Angriff aus dem Hinterhalt
Eine Jugendabteilung des Spandauer Reichs banners wurde, als fie nachts von einer jozialdemokratischen Beranstaltung in Seeburg( Ofthanelland) nach Hause marschierte, hinterrüds überfallen. Eine Roffe nationalsozialistischer Seeburger Baueratnechte halte fich 500 Meter vor den Dorf neben einem Feldweg auf die Lauer gelegt, ließ heimtüdisch den erfien Teil der Reichsbannerlente vorbei und schlug dann einen Nachtrupp mit Hammerschlägen nieder. Als die weiter vorn marschierenden Reichsbannerleute auf die Hilferufe ihrer Kameraden hin zur Ueberfallstelle zurückliefen, wurden auch sie mit Hammerschlägen in Empfang genommen. Die nationalsozialistischen Wegelagerer find schließlich unerkannt im Duntel der Nacht entkommen. Die schwerverletzten Reichsbannerleute blieben bewußtlos am Wege liegen. Erst eine Stunde später fonnte ein städtischer Krantenwagen herangebracht werden, in den die am schwersten Berlegten nach Spandau ins Krantenhaus transportiert wurden. Einige von ihnen tonnten nach Anlegung von Notverbänden nach Hause entlassen werden. Drei Reichsbannertameraden, und zwar Erwin Richter, Walter Mehelthin und Karl Höpfner, liegen noch in bedentlichem Zustande im Krankenhaus; sie haben familich durch Hammerschläge auf den Kopf ich were Schädelverlegungen und Gehirnerschütterungen erlitten. Höpfner hat a usertem schmere innere Berlegungen aufzuweisen; die Rowdys haben ihn mit Fußfritten bearbeitet, als er schon befinnungslos am Boden lag. Die Polizei sucht nach den Tätern; bisher war ihre Tätigteif ohne Erfolg.
Endlich ein Kartell Attiönchen.
Es wird etwas aufgehoben, was gar nicht mehr exiftiert Die Reichsregierung hat es doch für richtig gehalten, vor dem
14. September menigstens eine Verordnung zur Durchführung ihrer am 26. Juli angekündigten großen Kartellation zu erlassen. Die Berordnung wurde gestern unterzeichnet und wird heute vom Reichswirtschaftsminister bekannt gegeben. Sie hat nur wenige Paragraphen; die Verordnung erflärt Reversverträge für nichtig und untersagt die Anwendung von Geschäftsbedingungen, soweit sie den Abnehmer einer Ware a) für Waren anderer Art oder Herkunft, oder aber b) für gewerbliche Leistungen in seiner Preisstellung rechtlich oder wirtschaftlich beschränkt". Der Vorläufige Reichswirtschaftsrat hat am 28. August in seiner Mehrheit die Berordnung zustimmend begutachtet.
Man wird diese wohl niemandem verständliche Verordnung etwas ins Deutsche übersehen müssen. Es handelt sich um eine
( Siehe 3. Seite)
Nationalkommunistische Einigung
Die kommunistische Zeitung, Berlin am Morgen" eröffnet die öffentliche Aussprache zwifchen Rommunisten und Rationalsozialisten.
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3n diesem Zeichen wirst du erst recht nicht siegen!
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sich im Augenblid nur etwas mehr zu, nachdem nun einmal die ganze Deffentlichkeit wegen, der Kartellpreise alarmiert und die Reichsregierung verpflichtet ist, irgend etwas zu tun. Bon einer preissenfenden Wirkung wird bei dieser Attion natürlich nicht die Rede sein. Es ist ein höchst bescheidenes Kartellättiönchen, das hier gestiegen ist, und es bleibt nur die 3artheit und Behutsam teit zu bewundern, mit der die Reichsregierung ihre Notverordnung gegenüber der Industrie durchführt, eine Bartheit und Behutsamkeit, die freilich die Parteien dieser Reichsregierung den deutschen Unternehmern schuldig sind, die ihnen die Wahlen bezahlen müssen.
Braun stellt Brüning.
Deckt der Kanzler Treviranus?
Elbing , 3. September. ( Eigenbericht.) Die Elbinger Sozialdemokratie hielt am Dienstag eine von über 1500 Personen besuchte Wahlversammlung ab, in der der Preußische Ministerpräsident Otto Brdun referierte. In feinem großzügigen Referat beschäftigte er sich auch mit den letzten Was die Hausfrau an Steuern zahlt politischen Ausführungen des Ministers Treviranus. Braun fagte u. a.: Herr Treviranus stößt gern ins helle Horn und hält forsche, schönklingende Kasinoreden. Für die innere Politik ist das ohne wesentliche Bedeutung, aber seine Ausflüge in das Gebiet der aus wärtigen Bolitit tönnen verhängnisvoll wirken. Sie sind Wasser auf die Mühlen der ausländischen Nationalisten. Es ist deshalb zu begrüßen, daß der Reichskanzler vor einigen Tagen erklärt hat, daß er eine Außenpolitik der ruhigen Entwicklung führen wolle. Brüning hat besonders zum Ausdrud gebracht, daß der Außen miniſter und er allein für die Außenpolitit verantwortlich seien. Die bloße Konstatierung dieser Berantwortlichkeit nüßt uns nichts, menn der verantwortliche Minister Curtius und Herr Brüning nicht auch tatsächlich entscheidenden Einfluß nehmen. Das muß auch gelten hinsichtlich Gerüchten über
generelle Bestimmung für alle Fälle, die hier gemeint find, nicht um bas Borgehen gegen ein einzelnes Kariell. Die Fälle, die aber heute noch darunter fallen, dürften verschwindend ge= ring sein, so daß der wirtschaftliche Vorteil mur in der Berhinderung eines Mißbrauchs in der Zukunft besteht.
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Bas dabei verboten wird, zeigen am besten zwei Beispiele: So besteht in Deutschland ein Chlormagnesiumfyndilat, das eine Bauge verkauft, die für die Herstellung von Steinholzfußböden unentbehrlich ist. Dieses Kartell hat nun, mas freilich in der Tat erstaunlich ist, auch die Preise für die Verlegung non Steinholzfußböden und von Steinholzplatten bei allen Firmen vordie Politik einzelner Reichswehroffiziere, geschrieben, die diese Lauge kaufen. Ein anderer Fall hat in der die auf Zusammenarbeit mit Rußland hinzielt. Es muß auch auf Linoleumindustrie eine Rolle gespielt: Der Deutsche Linoleumtrust hat nicht nur die Verkaufspreise für Linoleum, diesem Gebiet völlige Offenheit herrschen. Der Kanzler muß sondern auch die beim Verlegen gebrauchten Decleisten, fich gegen politische Aspiration wehren, die uns in eine Katastrophe Messingschienen und ähnliches, aber auch das Berlegen von Linoleum selbst im Preise gebunden Das sind zwei typische Fälle, deren Wiederkehr in der Zukunft auch grundsäglich verhindert
werden soll.
einiges festzustellen:
Diese Verordnung mag recht nützlich sein. Aber es ist dazu Einmal wird the Verordnung taum noch prattische Anwendung finden,
denn die beiden genannten Firmen bzw. Kartelle haben ihre Reverse schon in der Vergangenheit für ungültig erklärt. Sum Erlaß einer derartigen Berordnung wäre der Reichswirtschafts minister auch ohne die große Kartellation von 1930 schon seit 1923 ermächtigt gemejen. Das Reichswirtschaftsininifterium traut
hineinbringen oder doch wenigstens das Bertrauen zur friedlichen Bei der Erörterung der politischen Möglichkeiten nach der Wahl Gesinnung des deutschen Volkes schwer erschüttern fönnen." führte der Redner aus:„ Bestehen die Regierung und die hinter ihr ftehenden Parteien darauf, das Finanzproblem, das Wirtschafts- und Arbeitslosenproblem ohne oder gegen die Sozialdemokratie zu lösen, dann tommt es zweifellos zu fchweren parlamentarischen Rämpfen. Herr Treviranus hat in Mainz erklärt, die Regierung lehne es ab, das große Reformwert mit Hilfe der Sozialdemokratie zu erledigen. Ich weiß nicht, ob Herr Treviranus autorisiert ist, für die gesamte Reichsregierung zu sprechen.
Ich möchte, mie in der Frage der Außenpolitif, so auch hier, die Frage an den Herrn Reichskanzler richten, ob er derselben Anffaffung ift wie Herr Treviranus und ob sich die Regierung in
ihrer Gesamtheit heute schon darauf fefflegen will, die Mitarbeit der Sozialdemokratie abzulehnen."
Der Redner betonte noch den Willen der Sozialdemokratie zur Mitarbeit, den sie in entscheidenden und schweren Augenblicken der deutschen Geschichte der Nachkriegszeit bewiesen hat. Die SozialDemokratie scheut niemals, Berantwortung zu übernehmen. Sie muß es aber ablehnen, lediglich mitverantwortlich zu zeichnen, während die Politik felbft nach den Wünschen bürgerlicher Inter. effenten geleitet wird.
Die Ausführungen Brauns fanden bei der Versammlung stürmischen Beifall.
Erflärung.
Die Berliner Börsenzeitung" und eine Reihe anderer rechtsstehender Blätter bringen über die Kinderfreundebewegung folgende Berleumdung:
Ju Analogie zu den Morgen- und Abendandachten, die die fulfurfördernde christliche Jugendarbeit tennt, hält man in den Jeltlagern morgens und abends Fahnenweihen ab. Hierbei sagen die Kinder Reimfprüche her, die etwa folgenden Inhalf haben:„ Wir haben Gott aus dem Herzen entfernt, darum haben wir Cachen und Singen gelernt." Sowohl die Anfprachen als auch die£ leder, die bei diesen Fahnenweihen vorgebracht werden, find von Feindschaft gegen alles, was göttlich und religiös heißt, durchtränkt."
Wir verantwortlichen Leiter sämtlicher Kinderrepubliken der Jahre 1927, 1928, 1929 und 1930 erklären in aller Deffentlichkeit, daß weder beim Aufziehen noch beim Senten der Lagerfahne oder auch sonst bei Beranstaltungen jemals irgendein tirchen- oder religionsfeindlicher Spruch gesprochen worden ist. Der angeführte Vers:
,, Wir haben Gott aus dem Herzen entfernt, darum haben wir Lachen und Singen gelernt"
ift in der Kinderfreundebewegung überhaupt nicht betannt, wird dort weder gesprochen noch gesungen. Von seiner Eristenz haben wir erst durch eine tirchliche Hetzschrift kenntnis bekommen!
Wir betonen ausdrücklich, daß die Erziehung in den Kinderrepubliken, wie überhaupt in der Kinderfreundebewegung, pofitiv weltlich ist, daß uns jede Berunglimpfung oder Herabsehung der religiösen oder sonstigen anders gearteten Weltanschauung absolut fernliegt, daß wir grundfählich und tatsächlich von unseren Helfern wie von unseren Kindern die Achtung vor religiösen oder sonstigen Weltanschauungen auch dann verlangen, wenn sie sich gegen uns gegnerisch wenden. Jede andere Behauptung widerspricht den Tatsachen und ist durch die Anerkennung ernster Gegner, die das Leben unserer Kindergruppen und der Kinderrepubliken beobachtet haben, längst widerlegt.
Wir halten die Verbreitung derartiger Berleumdungen vor der Reichstagswahl für ein durchfichtiges manöver einer schamlojen Wahldemagogie und weisen es vor aller Oeffentlichkeit mit Entschiedenheit zurüd.
Dr. Kurt Adams ( Hamburg ), Andreas Gayk ( kiel ), Else Heiser( Mannheim ), Coffe& nauer( Berlin ), Theo Lill( kiel ), Frih List( Berlin ), Dr. Kurt Löwenstein ( Berlin ), Hugo Müller( Striegau ), Hermann Neddermeyer( Braunschweig ), Karl Nicolai( Jena ), Hans Otto( Lübed), 3. Quadt( Köln ), Mar Schmidtbauer ( Berlin ), Kurt Wedel( Dresden ).
Lohnabbauschiedsspruch verbindlich erklärt.
Plauen , 3. September. Der fächsische Landesschlichter hat am Dienstag die Verbandlichfeitserklärung des Schiedsspruchs vom 29. Auguft ausgesprochen, der eine Kürzung der bisher gewährten außertariflichen Zuschlage um vierzig prozent vorfieht. Eine Bersamm. lung der Belegschaft hat die Arbeitsaufnahme beschlossen. Die a öffnet die Fabriken am Donnerstag.