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BERLIN  Freitag 5. September

1930

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10 Pf.

Der Abend

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Spalausgabe des Vorwärts

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47. Jahrgang

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Arbeitswoche 44 Stunden!

Pensionsalter 60 Jahre/ Forderungen der britischen Gewerkschaften

Nottingham  , 5. September.  ( Eigenbericht.)

Der britische   Gewerkschaftstongreß beschäftigte fich am Donners

tag mit den zur Rationalisierung, zur Arbeitslosigkeit und zur sozialen und sanitären Fürsorge gestellten Anträgen.

Die in England einsetzende Rationalisierung und die Arbeits­

Jofigkeit erfordern nach der Ansicht des Kongresses

1. die Herabsetzung des pensionsfähigen Alters auf 60 Jahre, modurch 678 000 Arbeiter über 60 Jahre aus dem Produktionsprozeß herausgezogen und jüngeren Kräften Plaz gemacht würde.

2. Die Verkürzung der Arbeitszeit auf 44 Stunden in der Woche einschließlich der Mahlzeitpausen, mit dem gleichzeitigen Verbot der

1000 Tote in San Domingo

1200 Verwundete- 25000 Personen obdachlos

New York  , 6. September.

Nach den immer noch spärlich einlaufenden Nach richten aus Santo Domingo   verschlimmern sich trot aller silfeleistung aus der unmittelbaren Nachbarschaft

die Stundengeschwindigkeit in Richtung auf Havanna   und nunmehr Ruba und Bahamas  - Inseln weiterbewegt hatte, nunmehr Florida   bedroht.

leberſhinden, ohne daß jedoch der gegenwärtige Lohnſtandard durch und der umfassenden pilfsaktion des amerikanischen Gewaltige Ueberschwemmung in Indien  

diese Maßnahme herabgesetzt wird.

3. verlangt der Kongreß eine Entschädigung für die infolge Rationalisierung und Betriebszufammenlegung überflüffig ge­mordenen Arbeiter und Angestellten.

Die Anträge wurden nach langer Debatte mit überwäl tigender Mehrheit angenommen, ebenso jene Entschlie Bungen, die die Einbeziehung von Frauen und Kindern in das Krantentaffengesetz verlangen, die Reorganisierung der medizinischen Behandlung der Versicherten sowie den Ausbau des gesamten Aerzte­mejens.

Angenommen wurde ferner der Antrag, der Bank von England  die ihr heute zustehenden finanziellen Befugnisse zu nehmen und fie auf die Regierung zu übertragen. 13

Roten Kreuzes die Zustände von Stunde zu Stunde. Nach den letzten Meldungen beträgt die Zahl der in San Domingo bei der Wirbelsturmfatastrophe ums Leben gekommenen Personen 1000. Die Zahl der Berletten ist auf 1200 gestiegen. Sehr schwer wurde von dem Wirbelsturm auch die britische Insel Dominika betroffen, auf der 35 Personen getötet wurden. Es fehlt bereits an Wasser und Licht, das Hilfswerk muß baher in der Dunkelheit fort gefekt werden. Auch zu Plünderungen ist es schon gekommen und erste Anzeichen ausbrechender Epidemien machen sich bemerkbar.

Durch die Zerstörung einer großen Anzahl von Wohnhäusern find etwa 25 000 Personen obdachlos geworden. Die Ge­walt des Sturms war so groß, daß zahlreiche Personen in die Luft gehoben und gegen Häuser geschleudert wurden. Bier volle Stunden hindurch wütete der Orkan mit unveränderter

Außerdem ersucht der Kongreß den Generalrat der britischen Gewerkschaften in Verbindung mit dem Internationalen Gemert. schaftsbund zu versuchen, daß die Arbeitszeit und die Arbeitslöhne im internationalen Bergbau für alle Staaten auf eine gemeinsame Basis gebracht wird. Die Anstrengungen der Arbeiterregierung zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit anerkennt der Kongreß in einer weiteren Entschließung. Da aber die Labour- Regierung feine Mehrheit im Parlament befize, sei es ihr unmöglich, durch sozia- eftigkeit und ließ in dem Wohnviertel der ärmeren Bevölkerung listische Maßnahmen die Wirtschaftskrise zu lösen und die Arbeits­losigkeit zu beenden. Deshalb betrachte es der Kongreß als die vor­nehmste Pflicht aller Gewerkschaftsmitglieder, bei den nächsten eng. lischen Wahlen nicht nur für die Labour- Partei zu ffimmen, fondern auch mit allen Kräften dafür zu sorgen, daß die Arbeiterpartei mit einer Mehrheit ins Parlament zurückkehrt.

Die deutsche Arbeiterschaft hat schon am 14. Sep tember Gelegenheit dieser Wahlparole finngemäß zu folgen.

Die Nationalfommunisten.

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Die Rote Fahne  " verleugnet Heinz Neumann  . Das neue nationalkommunistische Programm des Heinz Neu­ mann   hat unter den kommunistischen   Arbeitern Verwirrung hervor. gerufen. Die Folge ist, daß alle auf Grund dieses Programms begonnenen Aktionen, so die brüderliche Diskussion mit den Hafen freuzlern, von der Roten Fahne" verleugnet werden.

So sucht sie auch die Tatsache hinwegzuleugnen, daß am 27. Jaunar 1924 ein von Heinz Neumann   verfaßtes Rundschreiben an die Offiziere herausgegeben wurde, das in widerlicher Weise um die nationalistischen Offiziere buhlte. Die Rote Fahne  " spekuliert darauf, daß die Mitglieder der KPD. von heute nicht wissen, was 1923 und Anfang 1924 war.

Dies Rundschreiben, das wir widergeben, stellt eine Aktion der KPD. dar. Es ist verfaßt von Heinz Neumann  , inspiriert von Radet, es atmet den Geist der berüchtigten Schlageter. Rede Radeks, es sollte das Bündnis der Rechtsputschisten mit den Linksputschisten fördern, und vor allem: die neue fommu­nistische Programmerflärung, verfaßt von Heinz Neu­ mann  , ist ja aus diesem Rundschreiben dem Sinne nach aus­geschrieben!

Die Rote Fahne  " von heute will ben Nationalfommu nismus von 1923/24 nicht wahr haben, nur den von 1930? Sie will ihn fortieugnen? Nun, am 18. August 1923 schrieb die Rote Fahne  ":

Sogar mit Leuten, die Liebknecht und Rosa Luxemburg   ermordet haben, werden wir zusammen­gehen, wenn sie in unsere Reihen treten wollen." Das ist der Geist des Nationalfommunismus von 1923, der Geist der Roten Fahne" von damals, der Geist des Rundschreibens des Heinz Neumann   an die Offiziere und dieser Geiſt tritt jetzt wieder neu hervor! Da hilft kein Ablügen!

Arbeiter, zeigt den Nationalkommunisten am 14. September, daß ihr mit dieser Sorte Geist nichts zu tun haben mollt.

fein Haus unbeschädigt. Alle Zugangsstraßen nach San Domingo find infolge der entwurzelten Bäume und den an den Brücken an­gerichteten Zerstörungen unpassierbar geworden. Zur Unterſtügung des Rettungs- und Hilfswerks ist die gesamte Armee des Landes unter Führung des Präsidenten Turzillo mobilisiert morden, die gleichzeitig auch gegen die in großer Zahl auftretenden Plünderer und Diebe vorgehen soll. Ueber die Berheerungen außer halb der Hauptstadt besteht infolge der unterbrochenen Verbindungen noch völlige Unflarheit.

Auch Kuba   und Florida   vom Orkan bedroht.

Ein amerikanischer Flieger, der in San Domingo landete, be­richtet, daß die Stadt einem Trümmerbaufen gleiche Die großen Häuser seien schwer beschädigt und die kleinen vom Sturm völlig weggefegt worden. Der amerikanische   Wetterdienst meldet, daß der Orfan  , der sich zunächst mit 220 Kilometer

Wilhelm Dels

( zu einem Interview)

Schreiben Gie: Die Arbeitslosenunterfügung lähmt nur den Arbeitswillen Weiter: Die Abfindung der Hohenzollern   muß der neue Reichstag verdreifachen..."

100 000 Menschen in Lebensgefahr.

Nach Meldungen aus Schillong in der nordostindischen Provinz Assam   sind durch das plözliche Anschwellen des Bramaputra­fluffes ausgedehnte Landstrecken des Bezirkes von Nowgong über­schwemmt worden. Vielerorts sind Häuser, Getreide. peicher, Stallungen mit Vieh usw. von den Fluten fortgeriffen worden. In zahlreichen Orten mußten die Ein­mohuer auf die Dächer ihrer Häuser flüchten, um dem Tod zu entgehen. Straßen und Eisenbahnen sind an vielen Stellen unterwaschen und unbenutzbar geworden. Etwa 100000 Berfonen werden durch die ungeheuren lleberschwemmungen be. droht. Zur Organisation der Hilfeleistung sind zahlreiche Regie­rungsbeamte in das betroffene Gebiet abgereift.

Eigene Heimwehrliften.

Die Trennung von den bürgerlichen Parteien. Wien  , 5. September.  ( Eigenbericht.)

Wie von der Organisation des Landbundes berichtet wird, haf die Kärntner   Heimwehr beschloffen, bei den kommenden Wahlen. zum Nationalrat eigene Ciften aufzustellen. Es verlautet, daß die wiener Heimwehr diesem Beispiel folgen wird.

Senator vergiftet.

Bon Berbrechern, gegen die er Untersuchung führte. New Yort, 5. September..

Der unlängst in Chicago   plöglich unter mysteriösen Umständen verstorbene Senator John Joyce ist wahrscheinlich von Banditen vergiftet worden. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung, die die Angehörigen des Senators haben vornehmen lassen. Es

wurde festgestellt, daß der Tod des Senators durch Blausäure

verursacht wurde. Senator Jonce hatte kurz vor seinem Tode als Zeuge gegen einen Erpresser ausgesagt und war ferner dazu aus­ersehen, in der Bestechungsaffäre des Banditen Zuta die Unter­suchung zu führen. Die Nachforschungen ergaben, daß Joyce, der völlig gesund war, eine Stunde vor seinem Ableben den Besuch eines unbekannten Mannes erhalten hatte, nach dessen Fortgehen er sofort von einem starten Unwohlsein befallen wurde. Während man zuerst an einen Selbstmord des Senators dachte, vermutet man iegt, daß dieser Besuch dem Senator das Gift beigebracht hat.

Hoesch informiert Briand  .

Man rückt von Treviranus und Schiele ab. Paris  , 5. September.  ( Eigenbericht.) Briand   hat am Donnerstag den deutschen   Botschafter in Paris   Hoesch und anschließend den französischen   Botschafter in Berlin   empfangen, der eigen 3 zum 3wede der Berichterstattung nach Paris   gekommen ist.

Gegenstand beider Unterhaltungen war die inner politische Lage in Deutschland  , die, wie man erfährt, auch in der am Mitt­woch erfolgten Unterredung zwischen Henderson und Briand  gestreift worden ist. Botschafter Hoesch dürfte Briand   gegenüber betont haben, daß die rhetorische Entgleisung einzelner deutscher Minister und ihre zum Teil mißverständlichen Interpre tierungen in der französischen   Bresse   in feiner Weise die Außen­politik der zuständigen deutschen   Stellen beeinflußt haben. Deutsc lands Außenpolitik jei nach wie vor vom Willen zur Annäherung und der friedlichen Regelung aller schwebenden Fragen befeelt.

Die Erklärung des Reichskabinetts über Deutschlands   Auße, politit hat hier außerordentlich entspannend gewirft.)