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Mr. 92.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertele fährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 6 Pig. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt. pro Quartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Desterreich­Ungarn 2 M., für das übrige Ausland 3 Mt. pr. Monat. Eingetr. in der Post Zeitungs Preisliste für 1896 unter Nr. 7277.

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Vorwärts

13. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächite Nummer müssen bis 4 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr vormittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 1, Hr. 1508 Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin".

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Ein Lutschbeukel für die

Agravier.

Sonntag, den 19. April 1896.

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Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3..

D

über einen wenig geneigten, theilweise sogar ablehnenden| Schüttbodenlagerung" wäre nicht ohne. Wer da recht hat, Standpunkt einnahmen, hat unter ihnen in neuerer Zeit weiß man nicht. Da aber der landwirthschaftliche Zentral­unter dem Drucke der niedrigen Getreidepreise verein der Provinz Sachsen   in Halle ein Kornhaus erbanen und der ungesunden Entwickelung des Zwischen will, in dem beide Syfteme zur Anwendung kommen, so handels unverkennbar eine diesem Unternehmen günstige Dem preußischen Abgeordnetenhaus ist kurz vor dem Stimmung mehr und mehr platgegriffen, und es macht sich wird das wohl schon das richtigste sein. Wiederbeginn seiner Sigungen eine Kreditvorlage zu- augenblicklich in landwirthschaftlichen Streisen der lebhafte Wunsch Wer soll die Kornhäuser bauen? Die Lage der Lands gegangen, deren hervorstechendstes Merkmal die Verquickung geltend, daß staatlicherfeits die erforderlichen Bauten ausgeführt wirthschaft ist gegenwärtig eine so schlechte, daß die Land­zweier einander fachlich fernstehender Dinge ist. Sie be- und den genossenschaftlichen Bereinigungen der wirthe die erforderlichen Mittel unmöglich aus eigenen zweckt nämlich den Bau einer Anzahl von Sekundärbahnen andwirthe zur Verwaltung und Benutzung Kräften aufbringen können. Folglich muß ihnen der Staat und die Anlage staatlicher Kornlagerhäuser. Durch die überwiesen werden mögen.... Da zur Zeit noch beispringen. Aber das ganze Risiko kann er nicht auf Vorlage soll die Regierung ermächtigt werden, zum Bau nicht alle in betracht kommenden Verhältnisse seine Schultern nehmen. Man weiß ja noch nicht, wie die von im ganzen 18 Eisenbahnlinien die Summe von der Sachverständigen noch vielfach über einzelne wichtige vollständig klargestellt sind, und die Meinungen Sache enden wird. 57 503 000 m., zur Betheiligung des Staates an dem Bau Punkte dieser neuen Einrichtung auseinander gehen, so So soll es vorerst ein Versuch sein. Der Staat baut von 2 Eisenbahnen 818 000 M., zur Förderung des Baues handelt es sich vorläufig um ein versuchsweises Vor- für drei Millionen Mark an Eisenbahn- Knotenpunkten von Kleinbahnen 8 000 000 m. und zur Errichtung gehen. Keinesfalls wird der Staat sich darauf einlassen und Wasserumschlagsplägen landwirthschaftliche Getreide­von landwirthschaftlichen Getreidelagerhäusern können, selbst Träger derartiger Einrichtungen zu werden, und häuser und überläßt sie an leistungsfähige Korporationen 3 000 000 m., insgesammt 69 321 000 M. zu verwenden. den Betrieb auf seine Gefahr und Rechnung selbst zu übernehmen,( landwirthschaftliche Genossenschaften, Getreide- Verkaufs Ueber die Verwendung des zum Bau von Kleinbahnen be- sondern die Kornhäuser werden nur aus ftaatlichen Mitteln möglichst Genossenschaften u. s. w.) gegen Entgelt zur Benutzung und stimmten Fonds von 8 000 000 m. und des Fonds von und sodann an leistungsfähige Korporationen zur Benutzung und eine angemessene Verzinsung und Tilgung der vom Staate in Uebereinstimmung mit den Wünschen der Betheiligten zu erbauen Verwaltung. Dieses Entgelt wird so bemessen werden, daß 3 000 000. für die Kornlagerhäuser soll alljährlich dem Verwaltung gegen Entgelt zu überlassen sein. Wer diese aufgewendeten Beträge sicher gestellt erscheint. In diese Landtage Rechenschaft abgelegt werden. Träger im einzelnen Falle sein werden, läßt sich zur ur Beit Den Bau von Eisenbahnen zu fördern ist eine Kultur- noch nicht übersehen. Ferner empfiehlt es sich, bei der Kornspeicher   schickt der Landwirth sein Getreide und erhält aufgabe, deren Berechtigung in jedem Einzelfalle von der Verschiedenheit der Meinungen darüber, ob für unsere Verhält sofort eine Abschlagszahlung. Mit Hilfe der landwirth­forgfältigen Prüfung aller in betracht kommenden Umstände niffe fich Silos oder Bodenspeicher mehr eignen, schaftlichen Zentral Darlehnskasse und der preußischen abhängt. An fich ist jedenfalls umsoweniger gegen ein hierüber zunächst keine bestimmten Grundfäße aufzustellen. Auch Beutral- Genossenschaftskaffe werden die eingelagerten Be derartiges Beginnen etwas einzuwenden, da in Preußen wird man sich, da es sich um ein versuchsweise3 Borstände lombardirt, die Verwaltung des Speichers schreitet sowieso die meisten Eisenbahnen in den Besitz des Staates gehen handelt, schon im Hinblick auf die erheblichen Kosten zum Verkaufe, wenn ihr der günstigste Zeitpunkt gekommen übergegangen find. Daraus ergiebt sich für den Staat orläufig damit begnügen müffen, nur an einzelnen, beu sein scheint. geeigneten Stellen, Waſſerumschlags: die weitere Verpflichtung des Ausbaues des bestehenden pläßen und Bahnhöfen, die Kornhäuser zu errichten. Die Vorlage hat bei der Kreuz- Zeitung  " und ihren Eisenbahnneges. Für die Schäzung der Höhe des Bedarfs jür die nächsten Jahre Hintermännern, den Großgrundbesitzern, ungetheilte Bus Eine vollständige Neuerung ist nun aber die in jene fehlt es an ficheren Unterlagen. Vorläufig fommt ſtimmung gefunden. Das war vorauszusehen. Thuen Forderungen für Eisenbahnbauten sorgsam eingewickelte es darauf an, für das geplante Vorgehen auf diesem Gebiete schafft die Speicherverwaltung durch das Mischen ver­Forderung für Kornlagerhäuser. Natürlich wendet man Mittel in ausreichender Höhe zur Verfügung zu haben, während schiedener Sorten unter Umständen einen normalen Durch­fich mit einer gewissen Neugier den Motiven zu, die von die Ergänzung je nach Bedarf der Zukunft vorbehalten schnittspreis, auf jeden Fall aber stellt ihnen der Staat der Regierung den Kornlagerhäusern mit auf ihren Lebens. bleiben kann." für billiges Geld zweckentsprechende Lagerräume und Puz weg gegeben werden. Motive find nun seit je eine schwache Um diese Begründung vollauf würdigen zu können, maschinen. Seite einer föniglich preußischen Regierung gewesen und muß man sich erinnern, wie zaghaft souft die preußische Etwas mißtrauischer stellt sich der Vorlage gegenüber neuerdings wurde diese Seite schwächer und schwächer denn Regierung an Kulturaufgaben herantritt, wie selten für die" Teutsche Tageszeitung". Aus ihr spricht diesmal die je. Hat man durch die Motive sich durchgelesen, dann ist Kunst und Wissenschaft, für Hebung des Unterrichts eine Bauernstimme. Auf welche Weise soll der Bauer nach den man sicher nicht von der sachlichen Nothwendigkeit einer Extra- Aufwendung zu erlangen ist. Und hier? Trotzdem Kornhäusern gelangen, wenn nur an einigen Ecken und solchen Forderung überzeugt. Es ist, als hörte man die noch nicht alle in betracht kommenden Verhältnisse voll- Enden des Reiches einzelne errichtet werden? Und dann agrarische Nährmutter Miquel mit schlauem Augenblinzeln ständig klargestellt sind", trotzdem die Meinungen der ist er ja so gar schrecklich verschuldet. Kann er sich mit daherrannen: Ja, schaun's, der Agrarierbub schreit und Sachverständigen noch vielfach auseinandergehen", will einem Male von seinem Körndljuden" trennen, bei dem schreit so gewaltig, daß es bald nimmer mehr zum Aus- unsere gütige Regierung einmal versuchsweise 3 Millionen er bis zum Halse in der Kreide sitzt? Und gelingt der halten ist. Da wollen wir ihm so ein kleines Lutschbeutelchen Mark in dieses agrarische Projekt hineinstecken und stellt Versuch wirklich, und werden nach und nach mehr und ins Mäulchen schieben. Kriegen wir es damit nicht still, je nach Bedarf" eine Ergänzung für die Zukunft in mehr Kornhäuser errichtet, bis der Bauer Vortheil von der das gute Kind, nun dann machen wir ihm eben ein neues Aussicht. neuen Einrichtung ziehen kann, ist er längst, abgeflogen"- zurecht." Jn das schöne Amtsdeutsch der königlich preußi­Und dabei weiß man noch nicht einmal, welche Art wenn er heute schon so verschuldet ist, wie das Bundes­schen Bureaukratie übertragen, lautet diese Miquel'sche Er- Kornlagerhäuser denn die zweckmäßigsten sind. Die einen blatt behauptet. läuterung: meinen, das amerikanische   Silosystem, nach dem die Frucht Eine weitere Beklemmung verursacht dem Blatte die Während aber die Landwirthe anfänglich in hohen, vollständig ausgefüllten Schächten oder Bellen Frage: Wer giebt das Geld her, damit die in die Korn dem Plane ber Errichtung von Kornhäusern gegen Aufbewahrung findet, sei das beste; andere sagen, auch die häuser eingelagerten Bestände belehnt werden können? Es ( Nachdruck verboten.) hingen an den Lippen der Lehrerin, die von ihrem ver- weise, die er für den Unterricht angenommen hatte, um nicht storbenen Schwager erzählte. Und näher und näher rückte jeden Augenblick in den Dialekt zu fallen; dann wurde Roman von Nicolaus Krauß. das Kind an die Tante. Und auf einmal warf es ein Vaterunser heruntergeschrieen, und der Unterricht be­seine Arme um ihren Hals und stürzte mit den gann. Worten, die wie ein Jauchzen klangen: Mein Vater! Lene saß steif auf ihrem Plaze, ohne sich um ihre Nach­Mein Vater!" an ihre Brust. barinnen auch nur mit einem verstohlenen Blick zu kümmern; Von der Stunde an hatte die Lehrerin das Vertrauen ihre Hände hatte sie vor sich flach auf die Bank gelegt, ihres Ziehkindes endgiltig gewonnen. Am andern Tag kam ihre Augen blickten nach dem Lehrer. Sie antwortete, Und die Lehrerin hatte dazu genickt und gedacht: Lene aus freien Stücken zur Tante, welche an Tische nähte wenn sie gefragt wurde, so gut sie es vermochte, Eingeschüchtert? Ja wohl. Wie Du es bist, seit ich Dich und begann vor ihr ein über und über verknüpftes Bündel- aber nie streckte sie den Finger in die Höhe, zum Zeichen, kenne, wie ich es geworden, und wie die Kinder es werden, chen auszukramen. Zuerst brachte sie eines jener blauen daß sie auch etwas wisse. So war der Vormittag mälig weil wir uns ducken müssen immer und ewig. Taschentücher hervor, von denen jeder Bauer eines in die vergangen. Plötzlich wurde der Lehrer abgerufen. Aber ihr Frauenherz sann sofort auf Abhilfe. Sie Tasche steckt, wenn er zur Stadt geht, und die so groß sind, Einige Minuten war's im Schulzimmer noch still wie befahl ihren Mädchen, mit der kleinen Fremden zu spielen daß sie gut und gern auch als Einschlagtücher benutzt werden in einer Kirche. Dann begann einer laut aufzuhäschen, als und veranlaßte auch andere Schulmädchen, mit der Lene tönnen; dann kam ein Stückchen buntes Zeug von einer läge ihm ein ganzer Zentner auf der Brust, und er müsse er­sich abzugeben und zu plaudern. Viel Erfolg hatte das im abgetragenen Weste und zum Schluß eine ganz zerknautschte sticken. Ein zweiter hatte seine Holzbüchse, in der er seine Anfang nicht. Gerade, daß man sich um sie bemühte, mit Pfeifenspitze. Und Tuch, Läppchen und Pfeifenspitze legte Echieferstifte verwahrte, erlangt und quietschte mit ihr, daß Absicht bemühte, machte die Kleine mißtrauisch, stumm und Lene auf den Tisch, eines neben das andere, und es den fleinen ABC- Schützen eiskalt über den Rücken verstockt. So lange Zeit war sie auf sich allein angewiesen über jedes strichen ihre liebkosjenden Finger. Als die Lehrerin rann. Einer scharrte mit den Füßen und wieherte dazu gewesen, und wenn sich ihr jemand näherte, so wußte sie, das Ungethüm von einer Pfeifenspige erblickte, hätte sie im wie ein muthwilliges Füllen, der fiedelte mit seinem daß er ihr nichts Gutes brachte. Am meisten Angst hatte ersten Erstaunen bald hellauf losgelacht. Da hörte sie, wie Taschenfeitel an der Schulbank herum und einer zerriß sie vor halbwüchsen Burschen. Immer stand ihr der Sohn die Kleine mit aller Jubrunst einer Kinderseele flüsterte: mit seinem senkrecht gehaltenen Stift seine Schreibtafel der Bächtersleute vor Augen, der ihr ihr Brot wegnahm Von meinem Vater! Das Lachen verging ihr, und sie die Kreuz und die Quer. Das Schwäßen der Mädchen und fie prügelte, wenn sie es nicht gleich gutwillig hergab. wußte sofort des Räthsels Deutung. flang bald wie Gänsegeschnatter. Und dieses Tönegewire Und bis in den Schlaf hinein verfolgte sie noch immer Lene's erster Schulgang in Mühlessen   fiel nicht be- zerriß plötzlich eine helle Mädchenstimme! dieser Quälgeist. So sah sie in jedem einen Feind, und die sonders angenehm für sie aus. Der Lehrer hatte in wohl­vielen fremden Gesichter, die sie jetzt umgaben, machten erwogener Absicht das Kind nicht vor Beginn des Unter­sie noch verwirrter. Stundenlang saß sie auf einem richts das Schulzimmer betreten lassen, es mußte warten, Fleck und starrte vor sich hin, verkroch sich in einen Winkel, bis er selbst hinaufging, dann führte er es an der Hand in war einigemal ganz verschwunden und kehrte erst zurück, wenn die Klasse. Die Kinder reckten die Hälse nach dem fremden und Drängen nach der Fremden hin. Einzelne sprangen die Nacht sant. Nur selten gelang es, ein Wort aus ihr Ankömmling, und durch die Bänke, auf denen die älteren auf die Sigbretter, andere stiegen über die Köpfe ihrer herauszubringen. Und so hatte sie ihren Spiznamen gleich Knaben und Mädchen saßen, lief ein Raunen und Tuscheln. Vorderleute hinweg, und der ganze Schwarm ballte sich von allem Anfange. Kaspar, des Lehrers Aeltester, naunte Mag- da- le- na Stei- ner, Du sez- est Dich auf um Lene, wie schwärmende Bienen um ihre Königin. sie nur: die stumme, dumme Lene. die zwei- te Mädchen- bank von unten, an die rechte und in vielstimmigem Chor schrie und quäckte es, ganz im Endlich gelang es der Lehrerin, den Schlüssel zum E- cke beim Durch- gang; Du wirst sehr gut auf- passen, Takte! Herzen des Kindes zu finden. Zufällig hatte sie in Gegenda- mit Du ant- worten fannst, wenn ich Dich etwas Steinerin! Steinerin! Wo bist denn her!... wart der Kleinen des Bachschusters Erwähnung gethan. fra- gen wer- de. Nu- he!"..." sagte der Lehrer in Steinerin! Steinerin! Wo bist denn her!" Sofort hob Lene das Haupt, ihre Augen leuchteten und feiner abgerissenen, jede Silbe gleichmäßig betonenden Sprech­( Fortsetzung folgt.)

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Tene.

In der ersten Woche nach ihrer Ankunft brauchte Lene noch nicht in die Schule zu gehen. Gleich am anderen Tage hatte der Lehrer zu seiner Frau gesagt:

H

Das reine taube Hühnel! Lassen wir ihr noch einige Tage Zeit, sie ist ja ganz und gar verschüchtert."

Du, Steinerin, woher stammst Du denn eigentlich?" Lene gab keine Antwort. Noch immer saß sie da wie während des Unterrichts. Aber von allen Bänken her begann jetzt ein Schieben