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Morgenausgabe

Nr. 421

A 212

47.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Dienstag

9. September 1930

Groß- Berlin 10 D. Auswärts 15 Pf.

Die einfpaltige Nonpareillezeile 80 Pfennig. Reflame elle 5,- Reichs­mart. Kleine Anzeigen das iettge brudte Mort 25 Pfennig( zulässig zwei fettgedruckte Worte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes meitere Wort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Belle 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imhaupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Otto Braun   fordert Klarheit

Eine Aufforderung an Reichsfanzler Brüning

Hamburg  , 8. September.  ( Eigenbericht.)

Die Hamburger   Sozialdemokratie veranstaltete am Montag abend auf der Moormeide ihre vierte große Wahlfundgebung unter freiem Himmel, die, wie die vergangenen, wieder eine Beteiligung von mehreren Zehntausenden aufwies und einen imposanten Ver­lauf nahm. Es sprachen der preußische Ministerpräsident Otto Braun   und der 2. Vorsitzende des ADGB.  , der Hamburger Reichs­tagstandidat Peter Graßmann. Peter Graßmann betonte, daß dieser Wahlkampf zugleich ein Wirtschaftskampf erster Ordnung sei. Das Kapital habe zu einem großen Schlag gegen die Arbeiter. schaft ausgeholt.

Die Arbeiterschaft ist dem Kapital zu groß und zu einflußreich ge­worden. Dieser Kampf geht nicht nur um den politischen Lohn, sondern auch um die politisch gewordenen Arbeitsbedingungen über haupt und er geht um die Verteidigung der arbeitspolitischen und arbeitsrechtlichen Einrichtungen in ihrer Gesamtheit. Zum ersten Male haben die freien Gewerkschaften ihren Mitgliedern offiziell die Parole gegeben, die Sozialdemokratische Partei   zu wählen. Zum ersten Male haben sie ihre Mitglieder aufgefordert: Werbt, opfert, arbeitet für die sozialdemokratische Macht!

Als Ministerpräsident Otto Braun   die Redner­tribüne betrat, wurde er mit langanhaltenden, brausenden Hochrufen begrüßt. Wie schon in vorangegangenen Wahlreden wandte sich der Ministerpräsident auch diesmal gegen die Anwendung des Artitels 48, wofür die Voraussetzungen jetzt nicht gegeben seien. Wenn eine Regierung, die im Reichstag feine Mehrheit für ihre Borlage findet, ohne weiteres zum Artitel 48 greifen könne, dann

bebeutet das das Ende des Parlamentarismus.

Hier müsse den Anfängen gewehrt werden! Nach der Wahl werde die Regierung vor der gleichen Situation stehen wie vor Auflösung des Reichstags. Reichsminister Treviranus habe erklärt: Die Reichsregierung werde die Hilfe der Sozialdemokratie ablehnen. Ministerpräsident Braun verwies in diesem Zusammen­hang auf seine vor einigen Tagen an den Reichskanzler gerichtete

Curtius gegen Seedt.

Er muß schon wieder zerbrochenes Porzellan fitten. Dr. Curtius hat am Montagabend die Vertreter der Weltpresse in Genf   empfangen und ihnen u. a. erklärt:

Bostschecktonto: Berlin   37 536.

Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65. Dt. B. u. Disc.- Gef.. Depofitenkaffe Lindenstr. 3.

Eine Frage an Herrn Brüning.

Bur heutigen Sportpalastfundgebung des Zentrums.

Die Auseinandersetzung, die wir vor kurzem mit der ,, Germania  " anläßlich des Aufsatzes von Pater Muckermann gehabt haben, vermochte feine Klarheit in der Frage herbei­zuführen, wie jetzt die Stellung des Zentrums zu den wich­

Anfrage, ob die Regierung sich diese Erklärung des Reichsministers tigsten Problemen der deutschen   Demokratie ist. Die ,, Ger­Treviranus zu eigen mache und erklärte dazu:

-

mania" hat auf unseren Artikel 3entrum wohin?" Ich habe gestern in Tilfit auf die bekannte Zwischenfrage des geantwortet, ist aber jeder flaren Stellungnahme ausge= Reichskanzlers mit einem flaren Ja geantwortet.

Ich muß nun erwarten, daß der Herr Reichskanzler jetzt ebenso klar antwortet, ob die Reichsregierung es wirklich ablehnt, die Hilfe der Sozialdemokratie anzunehmen.

In Zentrumsfreifen hat man zwar erklärt, diese Frage sei zunächst müßig, da man ja noch nicht wisse, wie die Wahl ausfällt. Nun, ge­rade deshalb, weil Herr Treviranus ohne Rücksicht auf den Ausfall der Wahl erklärt hat, die Hilfe der Sozialdemo­tratie werde abgelehnt werden, gerade deshalb müssen wir noch vor der Wahl Klarheit verlangen. Der Vorwurf gegen die Sozialdemokratie, sie habe sich der Verantwortung ent­zogen, ist völlig unberechtigt. Nach dem Kriegszusammenbruch, beim Kapp- Butsch, in der Inflation und als es galt, die Young- Gesetze anzunehmen und die Befreiung des Rheinlandes herbeizuführen, in allen diesen kritischen und entscheidenden Situationen hat die Sozialdemokratie die Verantwertung mit übernommen.

-

Es geht nun freilich nicht so, daß die bürgerlichen Parteien und Jutereffendengruppen die finanziellen, wirtschaftlichen, sozialen Fragen nach ihren Wünschen gestalten und dann von der Sozial­demokratie verlangen, dafür die Berantwortung zu übernehmen. Wir sind bereit zur Uebernahme der Verantwortung, wenn wir gemäß unserem politischen Stärteverhältnis entscheidenden Einfluß auf alle diese Dinge nehmen tönnen und wenn Gewähr dafür besteht, daß die Interessen der breiten Boltsmassen nicht privatkapitalistischen Profit intereffen geopfert werden. Wir werden nach der Wahl vor Wir werden nach der Wahl vor schwierigen Aufgaben stehen und vielleicht vieles auf uns nehmen müssen, was nicht gerade angenehm ist. Aber die großen Probleme unserer Wirtschaft und Politik sind nur zu lösen, wenn alle Schich ten der Bevölkerung bereit sind, Opfer auf sich zu nehmen!

feits der Grenze.... Kampf gegen Bersailles... Rampf gegen die Young Tribute..."

Die Welt weiß, daß Seedt jeßt die große Nummer der felben Partei ist, der der Reichsaußenminister Dr. Curtius angehört. Um mun den Schaden einigermaßen wieder gutzumachen,

michen. Heute spricht im Sportpalast   Herr Reichstanzler Dr. Brüning. Er wird sich natürlich in erster Linie an die fatholische Wählerschaft, die auch in Berlin   ziemlich start ist, wenden; seine Rede in der Haupt­stadt des Reiches wird aber ohne Zweifel eine viel breitere Resonanz finden als irgendeine seiner früheren Reden. Wir hoffen, daß er diese Gelegenheit nicht verpassen wird, um auch zu dem Fragenkomplex, den wir in unserer Auseinander­fegung mit der Germania  " angeschnitten haben, Stellung zu nehmen. Das sind wohl Dinge, die in hervorragendem Maße angehen. Auch Pater Muckermann hat offenbar Herrn Brüning gemeint, indem er von einem Reichs­tanzler", der zugleich katholischer Staats­mann" ist, gesprochen hat.

Den Ausgangspunkt für unsere Auseinandersetzung stellte die Feststellung von Pater Muckermann dar, daß es nach den Wahlen entweder ein arbeitsfähiges Parlament oder das letzte Barlament der Weimarer Zeit  " geben wird. Wir haben angenommen, daß unter der ,, Wei­ marer Zeit  " in diesem Zusammenhang nicht etwa die Zeit, in der Goethe in Weimar   wirfte, sondern nur die Zeit der Weimarer Verfassung   verstanden werden kann, und haben deshalb die entsprechende Stelle bei Pater Mucker­mann als Ankündigung einer eventuellen außertraftsegung der Weimarer Ver= fassung verstanden. Es ist nicht bloß eine Böswillig­feit von uns, wenn wir die Aeußerungen der Germania  " zu dieser Frage völlig unflar und ausweichend finden. Dr. Feder schrieb zu diesen Aeußerungen im ,, Berliner Tage­blatt":

,, Das Berliner   Zentrumsorgan hat seltsam zweideutigen Aus­führungen, wie denen des Baters Mudermann, Raum gegeben und in seltsam zweideutigen Rommentaren sie inter­pretiert. Sind auch hier schon die Fäden nach rechts so fest ge= ponnen, daß man sie nicht zu lösen vermag?"

Wir stimmen mit Dr. Feder nur insofern nicht überein, als uns die Ausführungen des Paters Mudermann als völlig eindeutig erscheinen.

,, Die deutsche Politik vertrete selbstverständlich in erster Linie hat sich Dr. Curtius beeilt, der Weltpresse zu versichern, daß Seedt bare" bezeichnet und schrieb über die Antwort der ,, Ger  

die nationalen Interessen; sie sei sich aber bewußt, daß eine nationale Politik nur auf dem Wege der Verständi gung und des Friedens möglich sei. Eine andere Politik fei heute für Deutschland   unmöglich. Gleichgültig, wie die Reichs tagswahlen ausfielen, die deutsche Politik werde und müsse von jeder Regierung in diesem Sinne geführt werden. Die deutsche Regierung habe durch ihn, Curtius, dem französischen   Außen­minister den Dant ausgesprochen, daß er die Initiative ergriffen und fachlich über die Antworten aller Regierungen der Konferenz berichtet habe. Der Paneuropagedante werde langsam fortschreiten und organisch wachsen. Die deutsche Regierung vertrete den Standpunkt der Gleichheit und Gerechtigkeit fämtlicher Staaten im Rahmen Paneuropas.

nur Blech geredet hat. Denn so und nicht anders sind die Er­flärungen von Dr. Curtius in Genf   zu verstehen, wenn man sie mit der Rede des Generalobersten a. D. im Großen Schauspielhaus vergleicht.

Argentinien   nach dem Umsturz. Zunächst Standrecht  - dann Verfassungsmäßigkeit?

Buenos Aires  , 8. September.  ( Eigenbericht.) Die Revolutionsregierung hat über ganz Argentinien   das Standrecht verhängt und den kongreß aufgelöst. In Diese Erklärungen von Dr. Curtius sind zu begrüßen. Ihre einer Proklamation erklärt die Regierung, daß fie die Berfaf­Eindeutigkeit steht freilich feineswegs im Einklang mit der 3 weifung achten und bald Neuwahlen ausschreiben werde. Alle deutigkeit seiner eigenen Partei, die eine Mehrheits- Regierungsmitglieder haben sich ehrenwörtlich verpflichtet, bei den fommenden Präsidentschaftswahlen nicht zu fandidieren. bildung nach rechts erstrebt und nicht einmal die Hakenkreuzler von pornherein als fünftige Bundesgenossen ablehnt.

Die Einrichtungen und sämtliche Akten der zwei Zeitungen, die 3rigoyen nahestanden, wurden verbrannt. Auch die Einrichtung der Wohnung Jrigoyens, der am Montag auf Veranlassung der Revolutionsregierung wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, ist völlig zerstört worden. Gegen zahlreiche Beamte der ver­gangenen Regierung ist haft befehl ergangen. Maßnahmen gegen die Mitglieder des verfloffenen Kabinetts find nicht beab­

Die auffallende Ruhe, mit der Dr. Curtius die Welt. presse zusammenberufen ließ, dürfte ihre besondere Bewandtnis haben. Von den Treviranus- Reden war das Kabinett bereits deutlich genug abgedrückt, so daß eine nochmalige Bekräftigung des Festhaltens am bisherigen außenpolitischen Kurs nicht unbedingt nötig gewesen wäre. Inzwischen sind aber die Kampfparolen des Generals Don Seedt ins Ausland gedrungen. Der Feind steht jen- fichtigt.

Die Frankfurter Zeitung  " hat( am 31. August) die Aus­führungen des Paters Mudermann als reichlich anfecht­mania" auf unsere Fragen: Statt der erwünschten Llaren Antworten, die so nahe lägen, vernimmt man nur allge­meine Formulierungen"( folgen Beispiele). Die Frank­furter Beitung" glaubt zwar selbst, daß das Zentrum gar nicht in der Lage wäre ,,, auf längere Sicht die Verantwortung für ein Konfliktregime zu tragen", aber sie meint trotzdem: Für die Masse der Wähler, die jedes Spielen mit dem Gedanken einer Dittatur ablehnt, wäre wohl eine deutliche Abgrenzung erwünscht gewesen."

Die Klärung wird also nicht von uns allein gewünscht. Es besteht eine starke Beunruhigung auch in den Kreisen, die sich nicht in der Opposition zu der Regierung Brüning befinden. Es handelt sich wohlbemerkt nicht um die Frage, wo diese Regierung nach den Wahlen die Mehrheit für sich suchen will, sondern um die Frage nach der Stellung zur Demoratie und zum Spielen mit dem Gedanken einer Diftatur". Ist die Auffassung des Paters Mudermann auch die der maßgeben den Kreise des Zentrums? Und insbesondere:

Betrachtet sich Herr Brüning selbst als denjenigen fatho­lischen Staatsmann, dem die christliche Moral die Möglichkeit gibt, eine vollendete Tatsache" im Sinne von Herrn Muckermann zu schaffen?

Wir erwarten von Herrn Brüning eine eindeutige

Heute und morgen 35 Wählerkundgebungen

der Sozialdemokratischen Partei! Erscheint in Massen!( Näheres 2. Seite)