Aufgeregte Erklärung gegen Genossen Künstler.
Aus dem Reichswehrministerium wird folgendes ver. breitet:
Nach den Berichten verschiebener Blätter hat Herr Franz Künstler in einer Wahlversammlung der Sozialdemokratischen Partei behauptet, Offiziere der Reichswehr feien mit dem russischen Militärattaché und deutschen Kommunisten zusammengefommen und hätten mit diesen die Grundlagen für den Aufruf der KPD. vereinbart. Diese Angaben find so phantastisch und ungeheuerlich, daß Herr Künstler hiermit öffentlich aufgefordert wird, auf folgende Fragen zu antworten:
1. Wann und wo ist diese Zusammenkunft gewesen? 2. Welche Offiziere haben daran teilgenommen?
3. Welche Beweise fann Herr Künstler hierfür vorlegen? Sollte Herr Künstler den Beweis für seine Angaben, schuldig bleiben, so würde er sich selbst als Verleumder fennzeichnen, gegen den sich das Reichswehrministerium gerichtliche Schritte vor behält.
Ferner hat Herr Künstler die Namen einiger früherer Offiziere genannt, die angeblich in Rußland tätig sein sollen. Da diese Namen schon öfters genannt worden sind, hat das Reichswehrministerium folgendes über sie festgestellt:
Generalmajor a. D. Thomsen von der Lieth hat der Reichswehr niemals angehört. Er lebt seit Jahren, schwerkrant und fast erblindet, in Schleswig- Holstein .
General d. Art. a. D. Ludwig ist 1929 aus der Reichs wehr ausgeschieden und wohnt in Berlin . Zwischen ihm und dem Reichswehrministerium bestehen teine dienstlichen Verbindungen irgendwelcher Art.
Major a. D. Ritter von Niedermayer ist schon am 31. Januar 1922 aus der Reichswehr ausgeschieden. Er ist Doktor der Geographie und seit seiner Berabschiedung auf diesem Gebiete wissenschaftlich tätig.
Ebenfalls ist in diesem Zusammenhang in einer Zeitung der Major a. D. Just row genannt worden, der im Jahre 1929 den Abschied erhalten hat. Er hat sich, soweit dem Reichswehrminifterium bekannt, seitdem dauernd in Deutschland aufgehalten. Dienstliche Beziehungen zwischen ihm und dem Reichswehrministerium bestehen nicht.
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Das Reichswehrministerium hat bekanntlich die Bezie hungen zu Gen. Künstler abgebrochen, weil ihm seine legte Reichstagsrede nicht gefallen hat. Damit fonnte sich aber das Reichswehrministerium nicht von der Pflicht befreien, erst einmal den wirklichen Wortlaut der neuesten Aeuße rungen Künstlers festzustellen, bevor es sich zu einer öffent: lichen Polemik gegen ihn entschloß. Es fann einwandfrei nachgewiesen werden, daß Künstler im Zusammenhang mit der Entstehung der nationalkommunistischen Programm erklärung die er auch sonst ganz anders dargestellt hat, als die Reichswehr behauptet von ,, e hemaligen deut schen Offizieren" gesprochen hat. Danach fehlt dem Reichswehrministerium nach feiner eigenen wiederholt scharf be: tonten Auffassung in diesem Falle jede Zuständigkeit Ohne für die Angelegenheit zuständig zu sein, ohne sich ausreichend über die Aeußerungen Künstlers informiert zu haben, fordert das Reichswehrministerium Künstler auf, den Bemeis für das anzutreten, mas er gar nicht behauptet hat, und es nennt ihn für den Fall, daß er das nicht fönne, einen Berleumder. Der Borwurf der Verleumdung praut auf die jenigen zurück, die ihn erheben.. Uebrigens sieht Gen. Künstler den angekündigten gerichtlichen Schritten mit eben so großer Ruhe mie regem Interesse entgegen. Dieser Prozeß dürfte auch mirklich interessant werden.
Auch durch die aufgeregtesten Erklärungen der Reichs wehr wird nichts daran geändert werden, daß die Sozialdemokratie militärische Beziehungen, die der deutschen Außenpolitik gefährlich find, auch weiterhin auf das entschiedenste bekämpfen wird.
Polnischer Parlamentarier wehrlos.
Die Waffenscheine entzogen!
Warschau . 9. September. Einer Berordnung des Innenministers zufolge wurde sämtlichen Abgeordneten die nicht Reserveoffiziere der polnischen Armee sind, das Tragen von Waffen verboten; Waffenscheine, die sie besaßen, werden ihnen entzogen. In letter Zeit sind Abgeordnete der Opposition von Pil sudski- Anhängern und Offizieren in lebensgefährlicher Weise mishandelt worden.
Der Gejmpräsident darf nicht ins Ausland.
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desto enger schließt sich die Bürgerfront zusammen!
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Oberschlesien und Saar vor dem Rat
Deutsche Beschwerden von Polen anerkannt- Um den Rest von Gaarbahnschuh.
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Genf, 9. September. ( Eigenbericht.)
Der Bölkerbundsrat nahm am Dienstag zunächst den Bericht der Ständigen Mandatskommission über die Berwaltung von sechs Mandatsgebieten entgegen. Einwendungen wurden nicht erhoben. Reichsaußenminister Curtius bezeugte das größte Inter: esse der deutschen Regierung" an den ehemaligen deutschen Kolonien Tanganjita und Südwestafrifa. Er warte indeffen eine spätere Gelegenheit zur Aussprache ab und habe daher vorläufig nichts gegen den Bericht einzuwenden.
Die Aenderung der Danziger Berfassung wurde nach dem Borschlag des Berichterstatters Henderson debattelos zur Kenntnis genommen. Das von dem Danziger Volkstag zweimal mit 3meidrittelmehrheit angenommene Gefeß fann nunmehr verfündet werden. Es sieht vor, daß die Zahl der Senatoren von 22 auf 12, die der Abgeordneten des Boltsiages von 120 auf 72 herabgesetzt und das System der parlamentarischen Verantwortlichfeit für alfe Senatoren eingeführt wird. Das Gutachten des 3nternationalen Gerichtshofs gegen die Zulassung Danzigs zum Internationalen Arbeitsamt wurde dem Direktor des Internationalen Arbeitsamts überwiesen, der es dem Verwaltungs. rat zur Kenntnis bringen wird.
Die Erledigung der
drei oberschlesischen Minderheitsbeschwerden führte zu einem Erfolg Deutschlands . Der deutsche Rechtsanwalt Ochmann ist von Bolen wieder zugelassen worden. Curtius verlangte Schadenersatz für ihn, mas der polnische Außenminister Baleffi wohlwollend zu prüfen versprach Die 32 von der Direktion der polnischen Knappschaftstranfenfasse entlassenen deutschen Aerzte sollen, soweit die polnische Regierung dafür in Frage fommt, wieder eingestellt werden. Außerdem versprach Zalesti auf Borstellung von Curtius, daß alles getan werde, um die Einstellung durch die Kaffe auch tatsächlich sicherzustellen. Schließlich war der Rat einverstanden mit dem inzwischen durch Berhandlungen erreichten Berfahren bei der Einschulung von Kin dern der deutschsprachigen Minderheiten. Eine vierte Frage bezüglich der Nachprüfung, ob einzuschulende Kinder der deutschen Sprache mächtig seien, tonnte noch nicht erledigt werden. Etwa 700 Kinder find durch solche Prüfung von der deutschen Minderheitenschule ausgeschlossen worden. Es handelt sich nun darum, ob diese Kinder, die inzwischen Deutsch gelernt haben, aus der polnischen in die deutsche Schule tominen fönnen. Bolen, das sich in allen oberschlesischen Fragen diesmal sehr entgegen. tommend zeigte, hat die Bertagung der letzten Frage offenbar, angeregt, um mit diesen Verhandlungen noch mährend der gegenwärtigen Tagung zu einer gütlichen Einigung tommen zu können. In der Frage des
tommission hat die Truppen nach der Rheinlandräumung auf 150 Mann reduziert und dem Rat die weitere Entscheidung über. tragen. Als der italienische Außenminister Grandi darüber Bericht erstattet hatte, kam es zu einer mit großer Spannung aufgenommenen Kontroverse zwischen Curtius und Briand . Reichsaußenminister Curtius sprach dem Bahnschutz nach Räumung der Rheinlande jede Berechtigung ab, da er seinerzeit gegen den Protest Deutschlands ausschließlich zum Schutz der rückwärtigen Verbindung der Besatzungsarmee errichtet worden sei. Die Gendarmerie von rund 1000 Mann genüge zum Schutze der Ordnung und könne jederzeit auskömmlich ergänzt werden. Briand schlug ein Verfahren vor, wonach ein kleines Komitee die Frage prüfen soll, da der Rat mit dem Bahnschutz nicht nur die Truppen, sondern auch die Kohlentransporte und den gefamten Bahnverfehr habe sicherstellen wollen. Mit feierlicher Geste betonte er, daß es Frankreich fern liege, unter irgendeinem Borwand Truppen an der Saar zu halten. Er sei einverstanden, daß die Frage bald untersucht werde. Rochmals antwortete Curtius, die vorliegenden Gründe rechtfertigten zwar eine fofortige. Entscheidung, aber er verschließe sich Briands Erwägungen nicht und sei erfreut, daß das Verfahren mur der Beschleunigung dienen solle.
Mit dieser Erklärung glaubt Curtius offenbar besser zum Ziele zu kommen, da er in internen Beratungen noch viele Gründe gegen den Bahnschutz anführen kann. Bor der Ratstagung hatten fich Curtius und Briand bereits über dieses Verfahren verständigt. Am Mittwoch wird beim Generalsekretär Drummond die erste Besprechung über die strittige Frage zwischen Briand , Curtius und Scialoja, der den italienischen Außenminister als Berichterstatter vertreten wird, stattfinden. Boraussichtlich dürfte dann in der für Sonnabendnachmittag vorgesehenen Ratssitzung die Saarfrage entschieden werden.
England gegen einen europäischen Bölkerbund. Genf , 9. September. ( Eigenbericht.)
In einer Preffebesprechung erklärte der englische Außenminister Henderson am Dienstag, daß sich bei den Beratungen über Briands Paneuropaplan die englische Auffassung durch- gesetzt habe. England sei als Weltreich verbunden mit seinen Deshalb sei es für Mitgliedern, die außerhalb Europas liegen. ihn un denkbar, daß neben oder über dem Völkerbund eine andere Organisation errichtet werden könne.
Henderson teilte u. a. noch mit, daß augenblicklich zwischen Frankreich und Italien täglich Verhandlungen über die Seeabrüstungsfrage stattfinden. Er sei in ständiger Fühlung mit dem italienischen Außenminister Grandi und hoffe, daß noch vor Schluß der Versammlung des Völkerbundes ein Ergebnis erzielt werden könne.( Inzwischen ist Grandi nach Rom abgereift, aber nur auf furze Zeit, anscheinend um fich neue Instruktionen von
Warschau , 9. September. Dem Sejmmarschall Daszinski hat die Passtelle des Außenministeriums den Auslandspak entzogen, den er zur Ausreise nach Karlsbad erhalten hatte. Der Pak wurde wenige Stunden nach seiner Ausfertigung unter Berufung auf eine Anordnung höherer Stellen wieder ab. wurde noch keine Entscheidung erzielt. Die Regierungs. Mussolini zu holen. Red.) gefordert.
Beide Anordnungen sind ge meine Racheatte der neuen Regierung für die unbeugsame Verfas= sungstreue der Opposition. Berantwortlich dafür ist der Ministerpräsident Pilsrdsti, der sich nun nicht mehr als bloßer Kriegsminister ,, unbeteiligt" stellen kann. Dem alten Bortämpfer der Wiedererrichtung Bolens, dem obersten Bertreter der Volkssouveränität, dem ehemaligen besten Freund Pil sudskis und Verfaffer des freilich überholten Pilsudskibuchs Bolens großer Mann" aber die Kur im Ausland unmöglich zu machen, ist eine Handlung, die nur noch als eine Schurtentat bezeichnet werden könnte. Wir wollen daher noch einen leisen Zweifel in diefe T.- Meldung nicht unter
"
brücken.
Defings Gegenregierung.
Jenhfifchan Staatspräsident.
Peiping( Peting), 9. September. Die von Nanking unabhängige chinesische Nordregierung ist heute vormittag offiziell gebildet worden. General Jenhfishan leistete unter feierlichen Zeremonien den Eid als Staatspräsident. Im ganzen Gebiet, das die Nordregierung anerkennt, wurde der heutige Tag als Feiertag begangen. werIn einem Aufruf erklärt der Minifterrat, er wolle ver. suchen, die korruption zu beenden und die Sicherheit der Staatsfinanzen wieder herzustellen.
Bahnschutzes im Saargebiet
Fethy- 3smet Kemal.
Der Schrei nach dem Kurswechsel in der Türkei .
Smyrna , 9. September. ( Eigenbericht.)
Der Führer der neutürkischen Opposition, Fethy Bej, der zurzeit in der Provinz Smyrna weilt, wird überall mit großen Ovationen empfangen. Bo er sich auch zeigt, holen ihn die Boltsmassen trotz der Anwesenheit von Truppen, Gendarmerie, Polizei und zahlloser Spizzel und Propofateure im Triumph ein. Die Begeisterung für die junge Opposition, die auch von der Smyrnaer Arbeiterschaft troß aller Warnungen ihrer Führer gebeilt wird, rührt nicht etwa von einem allgemeinen Untlang her, den das Programm der neuen Bartei gefunden haben fönnte. Die meisten Smyrnioten dürften dies Programm nicht einmal gelesen haben. Was sie so plöglich und fo maßlos begeistert, ist die Hoffnung, daß der fünfjährige ich were Drud der Dittatur der Bolts partei zu Ende geht und mit Fethy Bej die Freiheit und Demokratie auch in der neuen Türkei ihren Einzug halten werben. Es ist der elementare Ausbruch einer allgemeinen Unzufriedenheit mit dem gegenwärtigen System, der in den begeisterten Empfängen des Oppositionsführers feinen Ausdruck findet. Fethy Bej macht sich die Stimmung zweifellos flug zunuze und ohne es zu sagen, läßt er doch überall durchblicken, daß Mustafa Kemal Pascha mit ihm sympathisiert und den diftatorischen Ismet Bascha lieber heute als morgen gestürzt sehen möchte. Diefer Tage hat Bethy Bei eine feierliche Prozession zum Grab
der Mutter Kemal Pafchas.. das sich in der Nähe von Smyrna befindet, unternommen und dort einen Kranz niedergelegt. Auch wird hier allgemein und erwartungsvoll von den möglichen Wirkungen eines geheimen Berichtes gesprochen, dent Fethy Bej über die Smyrnaer Unruhen an Mustafa Kemal gerichtet hat. Jedenfalls fann fein Zweifel darüber bestehen, daß die in einem Monat in Smyrna stattfindenden Gemeindewahlen zu einer fatastrophalen Niederlage der regierenden Boffspartei führen werden. Die Frage aber ist und bleibt: Was wird Kemal Paschá tun? Wird er aus seiner Reserve heraus offen auf die Seite Fethy Bejs treten? Oder wird er weiter abwarten?
Die Regierung Ismet Bascha ist unterdessen nicht müßig. Die ihr ergebene, d. h. von ihr bezahlte Presse verleumdet die Manifeftanten von Smyrna als Bagabunden, Berbrecher, Borbestrafte und Rommuniften. Sie schreibt allen Ernstes, daß die große Smyrnaer Demonstration von einem Manne geführt worden sei, deffen Bar die Polizei megen bordellmäßigen Betriebes gefchloffen hätte und ver bächtigt Fethi Bej, einen gemaltsamen Umsturz zu planen.
Türkische Offensive gegen die Kurden.
Angora, 9. September. ( Eigenbericht.)). Amtlich wird mitgeteilt, daß die Offensive der türkischen Truppen gegen die Kurden im Arrat- Gebiet nunmehr begonnen hat. Der erste Widerstand der Kurden am Kabat- Berge jei gebrochen. Ab Montag befinden sie sich nach der amtlichen. Berlautbarung auf dem Rückzug.