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BERLIN  Mittwoch

10. September 1930

Der Abend

Erscheint täglich außer Sonntags. Sugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin   SW68, Lindenstr. 3

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Nr. 424

B 211

47. Jahrgang

66 Anzeigenpreis: Die einspaltige Nonpareillezeile

Spalausgabe des Vorwärts

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Polnische Politifer im Kerfer

Pilsudski   verhaftet Oppositionsabgeordnete, darunter vier Sozialisten

Warschau  , 10. September.  ( Eigenbericht.)

Am Dienstag nachmittag ist ein Wahlblock der fünf demokra­fischen polnischen Oppositionsparteien abgeschlossen worden. Als Antwort darauf sind in der Nacht zum Mittwoch neun der be­fanntesten oppositionellen Parteiführer, darunter Dr. Lieber­mann, der von Pilsudski   wegen seiner eindrucksvollen Anklagerede mit besonderem Haß verfolgt wird, Profeffor Barlidi, Bor­sitzender der Sozialistischen Partei, Dr. Grier und der Redakteur des Robotnik" und Führer der Sozialistischen Arbeiterjugend Du­bois, verhaftet worden. Die anderen fünf Verhafteten sind be­fannte Führer der oppositionellen Bauerngruppen, der natio­nalen Arbeiterpartei und der oppositionellen Nationaldemo­fraten. Es handelt sich um besonders volkstümliche Führer der Mehrheit des aufgelösten Parlaments. Offenbar will Pilsudski   auf diese Weise jeden freien Wahlkampf verhindern und den neuen Maffenfundgebungen vorbeugen, die bereits am fommen. den Sonntag im ganzen Lande gegen sein Regime angekündigt find. Wir haben heute morgen die Meldung aus Warschau  verzeichnet, daß den Abgeordneten die Waffenscheine entzogen morden, sie also gegen Ueberfälle mehrlos gemacht worden find, und daß dem alten Sejmmarschall Daszynski   der Baß entzogen wurde, der ihm die Reise nach Karlsbad   zum Kurgebrauch ermöglicht hätte. Der leise 3weifel, den wir zu diesen Meldungen äußerten, ist durch die obenstehende Nachricht von der Verhaftung der Oppositionsführer gegen­standslos geworden. Offene Gewalt, nadter Rechts­bruch das sind die ersten Regierungshandlungen des Ministerpräsidenten Pilsudski  . Das Parlament ist auf­gelöst, die Neuwahl für den Spätherbst ausgeschrieben. Die Berhaftung der Oppositionsführer soll den Wahlkampf der verfassungstreuen Parteien von vornherein um seine Führer bringen und ist das Vorspiel zum brutalen Wahl terror der Offiziere, der Pilsudski  - Legionäre und Schützen­verbände und jener Verräter, die die polnische sozialistische Partei zu spalten versuchten, und als ihnen dies mißlang, Banden organisierten, die dem Kampf der Arbeiterschaft und der Demokratie in den Rücken zu fallen haben.

Die Republik   Polen scheint in den Zustand zurück ge­worfen zu werden, der unter der zarischen Fremd­herrschaft bestand. Damals freilich war Joseph Pilsudski  einer der Hauptfämpfer gegen die Tyrannei. Heute übt er sie selbst. Die polnischen Sozialisten aber, kampfgewohnt und im Bunde nicht nur mit dem industriellen und ländlichen Proletariat, sondern auch mit der überwiegenden Masse des Bauernvolfes, werden sich nicht beugen. So bitter es auch für die polnische Demokratie ist, im eigenen Staat, der nach 150jähriger Zerrissenheit wieder. auferstanden ist. die Kampf­methoden der Barenzeit wieder aufnehmen zu müssen es wird geschehen, da man sie dazu zwingt. Wenn die Faschistengefahr in Deutschösterreich einigermaßen gebannt erscheint, so ist sie heute in Polen   am brennendsten. Die großen Demokratien des Westens dürfen nicht verfäumen, die Entwicklung des ihnen verbündeten Staates zu über­wachen! Die sozialistische Arbeiterschaft aller Länder verfolgt den Kampf der polnischen Genossen mit heißer Sympathie und erwartet ihren Sieg, zu dem der deutsche Wahltag das Vorspiel sein soll.

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Die Wahlurnen

werden zum Sonntag aus dem städtischen Lager in die Stimmlokale transportiert

Die täglichen Abstürze.

Wieder sieben Todesopfer der Militärfliegerei.

New York  , 10. September.

In der Nähe von Merida in Merifo ist ein Militärflugzeug abgestürzt. Von seinen Insassen wurden sechs getötet und zwei schwer verletzt.

Paris  , 10. September.

Bei den elsässischen Manövern ereignete sich am

Dienstag ein Flugzeugunglüd. Ein Jagd- Zweisitzer, der meh enfliegen wollte, stieß im Nebel gegen einen Berg und ging dabei in Trümmer. Während der Führer mit lebensgefährlichen Berlegungen geborgen werden fonnte, war der Begleiter auf der Stelle tot.

Pulvererplosion in der Pfalz  .

Zwei Berletzte, die Belegschaft arbeitslos. Schwarzenfeld  ( Rgbz. Oberpfalz  ), 10. September. In der Aluminiumpulverfabrit Lauerbacher u. Co. erplo­dierte geffern nachmittag der Mahlraum für Aluminium. Sämtliche Maschinen wurden durch die Gewalt der Explosion ver­nichtet und in die Nab geschleudert. Auch eine Seite der Fabrit ift in die Nab gestürzt. Die Gewalt der Explosion war so fart, daß im Umkreis von 300 bis 500 Meter alle Fenster und Fensterstöde, zum Teil auch Türen, in Trümmer gingen. Die Be­völferung stürzte in panischem Schreden auf die Straße. 3 wei Arbeiter erlitten Verlegungen.

Wolffs Telegraphenbüro fügt hinzu: Die Belegschaft ift arbeitslos geworden.

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Sie fennen einander!

Die Germania", das Zentrumsblatt, schreibt über Deutsche Voltspartei und Staatspartei:

,, Wirtschaftlich haben beide Parten

fozialreaktionäre Tendenzen.

Mag sein, daß dies bei der Volkspartei stärker ist als bei der Staatspartei. Da aber die Staatspartei noch feine parlamen tarische Praxis aufzuweisen hat, wird man ihr gemäß ihrer pers jonellen Zusammensetzung nach dieser Richtung

begegnen müssen.

mit größtem Mißtrauen

Darauf antwortet die statsparteiliche Berliner Volkszeitung": Das Gerede von den sozialreaktionären Tendenzen" macht fich in dem Organ der Partei besonders dekorativ, deren Führer Brüning einem Kabinett vorsteht, dem der Zentrumsabge ordnete Schla d bestätigt hat, daß es

das reaktionärfte seit 1918

fel, und die einen Reichsarbeitsminister Stegerwald stellt, deffen soziale" Einstellung fich in dem Konflikt bei der Metall industrie zur Genüge offenbart hat.

3mei regierungsparteiliche Organe bestätigen einander, daß die hinter ihnen stehenden Parteien sozialreaktionär sind. Beide haben vollständig recht.

Blaue Bohnen statt Lohnerhöhung. Für die Bergarbeiter von Cerro de Pasco  .

London  , 10. September. 1 Die Regierung von Peru   hat 150 Soldaten in die Gruben bezirke von Cerro de Pasco   entsandt, wo die Agitation unter den 15 000 Arbeitern und Angestellten der Cerro de Pasco­Gesellschaft, einem amerikanischen   Kupferkonzern, im Reime erstickt werden soll. Die Agitation begann nach dem Sturz der Regierung des Präsidenten Leguia. Die Arbeiter fordern höhere Löhne, und die Bewegung nahm gefährliche Formen an.()

Die Forderung einer Lohnzulage erscheint dem Kapital stets und überall als gefährlich. Mit Soldaten lassen sich solche ,, Ge­fahren" auf die Dauer nicht bannen.

Mutschmann   legt still.

Der Nazigeldgeber entläßt seine Arbeiter.

Die Plauener   Spizenfirma Mutschmann   u. Eisenfraut bes absichtigt, wie wir erfahren, ihren Betrieb stillzulegen und hat dahingehende Verhandlungen bereits eingeleitet. Inhaber der Firma ist Herr Mutschmann  , der bekannte national­sozialistische Agitator, Freund Hitlers   und sächsischer Spitzenkandidat.

Es ist bezeichnend, daß Herr Mutschmann, der seine Geldmittel in reichlichem Maße der Hitler  - Partei zur Verfügung gestellt hat, mun offenbar die ihm daraus erwachsenen finanziellen Nöte auf dem Rücken seiner Arbeiter bereinigen möchte. Ein hübscher Arbeiter­führer!

Wen wählen wir?

Die fozialdemokratischen Kandidaten für Berlin  

PAGEAL

Artur Crispien

Hugo Heimann  

Clara Bolum- Schuch

S. Aufhäuser

Carl Litke

Dr. J. Mojes