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Morgenausgabe

Nr. 431

A 217

47.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Sonntag

14. September 1930

Groß- Berlin 15 Pf. Auswärts 20 Pf.

Die ein paltige Nonpareilbezeile 80 Pfennig. Retlamezelle 5,- Reichs mart. Kleine Anzeigen" pas fettge brudte Wort 25 Pfennig( zuläffig zwet fettgebrudte Borte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben Arbeitsmarkt zählen für zwei Borte. Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imhaupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr,

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Es lebe die Sozialdemokratie!

Wir stehen am Ende eines Kampfes, dessen Bedeutung| den Weg der friedlichen Evolution. Sie sieht in der parradifal flingender Phrasen. Sie sind entschlossen, mit der in der Geschichte der sozialistischen Arbeiterbewegung nicht allein nach seinem ziffernmäßigen Ergebnis beurteilt werden mird. Wie sein ziffernmäßiges Ergebnis sein wird, werden mir erst morgen wissen. Aber heute schon wissen wir, daß bie Sozialdemokratie aus ihm gefestigt und zu neuem Aufstieg bereit hervorgehen wird.

Die geschichtliche Bedeutung dieses Kampfes besteht vor allem darin, daß er von Partei und Gewerkschaft in völliger Einigkeit geführt wurde. Die Interessensolidarität und die Ideengemeinschaft dieser beiden Flügel der Arbeiter bewegung wurden offenbar. So undenkbar wie ein Sozial­demokrat ist, der den Gewerkschaften gleichgültig gegenüber­steht, ist auch der Gewerkschafter geworden, der den Kampf der Sozialdemokratie um die Macht durch die Brille der Neutralität betrachtet. Partei und Gewerkschaft sind zu einer unauflösbaren Kampfgemeinschaft zusammenge­schmiedet. Einiger und geschlossener denn je tritt die soziali­stische Arbeiterbewegung an die Aufgaben heran, die ihr die Zeit nach dem 14. September bringen wird.

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Und das zweite: Die Sozialdemokratie stand diesmal in einem Wahlkampf, wie sie ihn in der Republik noch nie und faum jemals im Kaiserreich erlebt hat. Sie war dem fon zentrischen Angriff aller andern Parteien ausgesetzt, die so uneinig sie auch waren- faum Zeit fanden, sich untereinander zu befehden, weil sie alle im Grunde nur einen Feind. fannten: eben die Sozialdemokra tie. Aus nationalsozialistischen, gewerkschaftschriftlichen und fommunistischen. Schlünden brach eine Kotflut der Ber leumdungen gegen sie los, die alles bisher Dagemejene meit übertraf. Was war doch der Reichsverband zur Be­fämpfung der Sozialdemokratie, der berüchtigte Reichs­lügenverband der Vorkriegszeit, für ein elender Stümper gegen den Agitprop der KPD.!

Nationalsozialisten, Gewerkschaftschriften, Kommunisten, eine seltsame Dreieinigkeit! Hinter ihnen stand grinsend, händereibend alles, was in Deutschland sozialreaktionäre und scharfmacherische Ziele verfolgt.

Eine ganze Hölle war gegen die Sozialdemokratie los gelassen-- und das hat der Partei gut getan! Ihre Kampfenergie ist geweckt worden. Die Millionenschar ihrer Anhänger wurde aufgerüttelt bis zum letzten Mann, und zur letzten Frau. Mit verbissener But schlug sie alle Angriffe zurück. In heller Begeisterung trug sie den Angriff hinüber ins gegnerische Lager.

Der ungeheure Druck, der auf die Partei ausgeübt wurde, hat sie nicht zerbrochen, sondern im Gegenteil befestigt. Eine Partei aber, die sich gegen einen solchen konzentrischen An­griff hält und unerschüttert aus ihm hervorgeht, die ist in Wahrheit unüberwindlich.

Bielleicht war dieser Wahlkampf das Vorspiel zu noch viel schwereren Kämpfen. Er hat gezeigt, daß die Sozial­demokratie für sie gewappnet ist.

lamentarischen Demokratie den Boden, auf dem sich der Ausgleich der miteinander ringenden Kräfte ohne Schädigung des Volksganzen vollziehen kann. Weil sie die parlamentarische Demokratie will die sie als Minderheit allein nicht tragen fann war sie im alten Reichstag bereit, eine Politit der Verständigung zu treiben, und sie wird auch im neuen dazu bereit sein.

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Die Sozialdemokratische Partei fann einen Zweck dieser Reichstagsauflösung, sofern er innerhalb des parlamentarischen Systems liegen soll, nicht anerkennen. Eine Regierung, die in die Minderheit geraten ist, handelt nach einer Auflösung des Parlaments nur dann im Sinne des parlamentarischen Systems, wenn sie von den Wahlen eine Verwandlung ihrer Minderheit in eine Mehrheit erwartet. Da die Regie­rung Brüning von der Reichstagsauflösung dergleichen faum erwarten konnte, lag nach sozialdemokratischer Ueberzeugung ihr Vorgehen nicht mehr im Rahmen der Verfassung und der parlamentarischen Demokratie.

Wollen die Parteien der Mitte nach der Wahl den Weg zur ruhigen verfassungsmäßigen Entwicklung, der auch für die Wirtschaft der gesündeste ist, zurückfinden, so ist die Sozial­demokratie bereit, ihnen dabei behilflich zu sein. Wollen sie aber im Bunde mit Herrn Schiele, der das ganze System zum Teufel jagen mill, und mit Herrn Treviranus, der als aftiver Reichsminister offene Staatsstreichpläne ent­wickelt, den Weg der Abenteurer weiter perfolgen, dann stehen uns Kämpfe von gar nicht abzusehendem Um­fang und gar nicht abzusehenden Folgen für die Wirt­schaft bevor.

Sozialdemokratie mirtliche sozialistische Ara beiterpoliti? zu treiben.. Und sie sind auch bereit, unter der Führung der Sozialdemokratie den Kampf gegen alle Dittaturgelüfte aufzunehmen, von welcher Seite immer sie kommen mögen.

Das ist das erhebende und beglückende Ergebnis dieses Wahlkampfes, das wir schon in dieser Stunde feststellen dürfen, noch ehe der erste Stimmzettel in die Urne gefallen ist. Die Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei, die Funktionäre der freien Gewerkschaften, das sind die besten politischen Mannschaften der Welt! Unsere Gegner werden ihre Ueberlegenheit noch öfter zu spüren be tommen. Ihre Ueberlegenheit aber stammt aus der Kraft einer großen Idee, die die Gewähr des Sieges in fich trägt. Für sie vorwärts, durch alle Kämpfe hindurch bis zum letzten Gefecht!

Es lebe die Sozialdemokratie!

Bon 1928 bis 1930.

Das Resultat von damals und die Aufgaben von heute. An dem Tage, an dem das deutsche Volf sich einen neuen Reichstag wählt, wird es interessieren, die 3usammen fegung des alten aufgelösten Barlaments und die 3ahl der hinter den einzelnen Parteien stehenden Wähler sich noch einmal por Augen zu führen. Am 20. Mai erzielten

Aber der Wahlkampf hat gezeigt, daß Sozialdemokraten Partei und Gewerkschaft den Aufgaben, die diese Kämpfe an sie stellen, in vollem Um= fang gewachsen sein werden.

Als einzige von den zwei Duhend Parteien, die zum Wahlkampf aufmarschiert sind, kann die Sozialdemokratie schon heute, vor der Entscheidung, die Sprache ruhigen Kraftbewußtseins führen. Sie weiß, daß die heran­tobende Sturmflut ihre Dämme nicht unterspült hat, sie weiß, daß sie ihre Waffen so blank und so scharf aus dem Kampfe zurückbringt, wie sie sie in ihn hineingetragen hat. Morgen werden manche Parteien, die bis gestern den Mund recht vollgenommen hatten, sehr kleinlaut sein. Andere werden vergängliche Erfolge zu geschichtlichen Triumphen aufblasen, ohne daß auch nur ein verständiger Mensch sie ernst nehmen wird. Die sozialistische Arbeiterbewegung aber, verförpert in der Sozialdemokratischen Partei und den freien Gewerkschaften, wird dastehen unerschüttert, innerlich gefestigt, zu neuen Kämpfen und Siegen gerüstet: ein Machtfaktor, an dem niemand vorbeigehen fann, der in Deutschland Politit treiben will.

Es hat in diesem Wahlkampf manches Niederziehende, aber auch manches Herrliche gegeben. Niederziehend war die durch nichts mehr zu überbietende Gemeinheit der verbündeten Lügentanaille gegen die Sozialdemokratie. Herrlich aber war die Erhebung der Arbeitermassen unter den Fahnen der Sozialdemokratie, der Kampfes mut, die Ueberzeugungstreue, mit denen sie alien Gegnern entgegentraten. Es gibt in Deutschland Millionen und aber Millionen Arbeiter, die trotz aller wirtschaftlichen Not taub sind gegen alle Lodungen politischer Gaukler und Markt­schreier, Millionen und aber Millionen, die der schwierigen Arbeit der Sozialdemokratie mit Verständnis und Vertrauen Die Sozialdemokratische Partei sucht mit allen Kräften folgen. Diese Massen verschmähen den Fuselrausch über­

Auch dem 14. September werden neue Rämpfe folgen. Sie sind an und für sich notwendig. Solange wir eine fapi­talistische Gesellschaft haben, wird das Ringen der Klassen miteinander nicht aufhören, und solange die Sozialdemokratie nich: für sich allein über eine gesicherte Mehrheit verfügt, wird sie um die Mehrheit tämpfen. Die Schicksalsfrage aber, vor der wir stehen, geht dahin, ob diese notwendigen Rämpfe so geführt werden sollen, daß das Wohl des deutschen Boltes dabei dauernd gewahrt bleibt, oder ob sie Formen annehmen werden, in denen allerschwerste Erschütterungen und Opfer nicht zu vermeiden sein werden.

Wählt LISTE

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Deutschnationale Zentrum Kommunisten Deutsche Volkspartei , Demofraten Wirtschaftspartei Bayerische Volkspartel. Nationalsozialisten. Chriftlich- Nat. Bauernpartei Deutsche Bauernpartei Welfen Aufwertler

O

9 150 533 Stimmen und 153 Mandate 4 380 196

78

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61

54

45

"

PERRY3842

3 710 747

9

3 262 876

2 678 532

1504 721

1 395 650

945 306

809 939

12

709 167 480 947

195 375 508 949

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# 2222222222

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Von den 153 Sozialdemokraten ist im Laufe der zwei Jahre der Reichstagsauflösung noch 152 fezialdemokratische Abgeordnete eine Abgeordnete zu den Kommunisten übergetreten, so daß am Tage vorhanden waren.

In voller Auflösung befand sich die deutsch nationale Frattion. Von ihr blieben am Schluß des Reichsa tags noch 35 Mannen um Hugenberg versammelt, während 19 sich in die Konservative Volkspartei "( Treviranus- Westarp- Lambach) umgewandelt hatten, 6 weitere( Mumm- Behrens) als Chriftlich Soziale firmierten und der Rest sich den Chriftlich- Nationalen Bauern" angeschlossen hatte. Der frühere deutschnationale Ab­geordnete Bruhn mußte, wie erinnerlich, aus nicht politischen Gründen die Deutschnationale Partei und Frattion verlassen und wurde seit der Zeit als wild" geführt.

Die Demokratische Partei hat als solche aufgehört, im Reichstag zu existieren. Einige ihrer Anhänger werden im neuen Reichstag unter dem Firmenschild Staatspartei" wieder auftauchen, ein großer Teil der bisherigen demokratischen Abgeordneten aber wird nicht wiederkehren.

In der Vielzahl der Parteien und Frattionen steht die Soziale

demokratie als die einzige fefte Säule, die in ihrem Bestande nicht wesentlich erschüttert werden kann. Nicht unerheblich fleiner, aber meltanschaulich gefestigt ist auch das Zentrum, das erheblichen Schwankungen nicht ausgesetzt ist.

Wie sich der Wahlkampf auf die vier Splitterparteien der Deutschnationalen auswirken wird, läßt sich mit

SOZIALDEMOKRATEN