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Nr. 431» 47. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Sonntag, 14. September 1930

Wahltag bei Kraufes. Achtung, A6)tung, hier ist Berlin , Deutschlandsenüer Konig�- «usterhausen, Bculfcher Kurzwellensender und die angeschlossenen Sendergruppen Breslau , Gleiwitz , Königsberg , Danzig . Meine Damen und cherren, die Funkstundc Berlin überkragt das Früh. k o n z e r t aus dem Hamburger Hafen . Sie hören als erstesEinzug der Gladiatoren", Marsch von Fucik ." Und in die Still« des sonn- täglichen Morgens donnert der Lautsprecher unbarmherzig die wilde Schlachtmusik.Nicht einmal am Sonntag lassen sie einem ein paar Minuten länger schlafen," brubbelt Bater Kraus« im Bett.Du scheinst nicht zu wissen, was heute für ein Tag ist," weist ihn seine Frau zurecht,die Uhr ist fünf Minuten nach sieben, beeile dich lieber, damit du rechtzeitig mit deinem Plakat vor dem Wahllokal bist.".Herr im Himmel, stimmt ja, nee, beim Flugblätteraustragen, da fühll man seine Knochen, ich möchte kein Briefträger sein, fünf Häuser mit Vorderausgang, Seitenflügel und Ouergebäude, da schwitzt man wie ein Bratapfel. Mutta, gib doch mal meinen guten Anzug aus dem Schrank, wie ist denn überhaupt das Wetter?"Der Himmel ist grau, es sieht ziemlich nach Regen ob."Ich möchte einen Wahltag erleben, an dem die Sonn« scheint," sagt Bater Krause und krabbelt aus dem Bett. Morgens beim Milchhänbler. Guten Morgen, Frau Krause, was kann ich Ihnen geben?" Einen Liter Milch. Wieviel kostet denn die Milch heute?" Immer noch dreißig Pfennige, der Preis ist geblieben von der vorigen Woche."Ja, ja, man ist wirklich bescheiden geworden, man wundert sich schon, wenn etwas seinen alten Preis behalten hat. Wie geht es Ihnen denn. Frau Weber?"Fragen Sie bloß nicht danach, seit dem Ersten bin ich arbeitslos, es war ia auch tatsächlich nichts mehr zu tun, und mein Mann, Sie wissen ja, der ist bei Siemens und arbeitet nun schon«in geschlagenes halbes Jahr nur drei Tage in der Woche, das lohnt kaum dos Hinfahren. Seit- dem die neue Regierung ist. kriegen verheiratete Frauen keine Unter. siützuag mehr, aber die schweren Beiträge können wir feste bezahlen, nun rechnen Sie sich aus. Frau Krause, was übrig bleibt, wenn wir unsere Miete bezahlt haben. Man hat einfach die fünfzehn Pfennige für den halben Liter Milch nicht mehr. Und zwei Er- wachsen« können sich ja zur Rot auch«ine Weile ohne Milch beHelsen, da trinken wir eben schwarzen Kassee, aber hoben Sie nun mal etwas Kleines, was dann?" fragt die jung« Frau Weber.Ra, wissen Sie denn," fängt Frau Krause wieder an, ,uvem es noch ziemlich dreckig, geht? Dem Prokuristen, der da drüben wohnt, da. wo der Erker ist, der ist doch auch abgebaut. Der war bei einer Zigarettenfirma,'die mußt« so halb und halb zumachen wegen Steuer. schulden, er hat ja wohl noch ein Halhsahresgehalt als Abfindung erhalten, ober trotzdem sitzt er jetzt da mit der großen Wohnung. Was hat der Mann angegeben, verreist sind sie immer vier Wochen,

Vater Krause ist schon ungeduldig Nu sage mal, die hoben wohl die Kühe erst gemolken. Was? Sitzt Pater Krause ärgerlich in der Küche..Denkst du denn. man kann da einfach reinrennen, einen Liter Milch, bums, wieder raus, und so, man muß doch wenigstensGuten Tag" sagen, der Mllchfritz« weiß ganz genau, daß wir olles andere aus dem Kon- s u m holen. Die aus dem Grünkramkellcr hat doch neulich zur Frau Richter gesogt, na, ihre Kartoffeln uied ihren Sauerkohl brauchen Sie ja auch nicht bloß bei mir zu holen, aber wer Hai denn heutzutage Geld, das teure O b st zu kaufen."Donnerwetter, jetzt ist es gleich dreiviertel Acht, mache das Mittagessen zeitig heute, bis zehn Uhr muß ich vor dem Wahllokal stehen, dann gehe ich mal zu unserer Parteikneip« rnm und sehe, ob die noch jemand

Dein Kreuz ins erste Feim So sieht der Stimmzettel aus. Reichstags wähl Wahlkreis Berlin Stimmzettel für HSnaer

Hb! Jede Stimme kommt es an 1

brauchen. Kurz nach zwölf bin ich zurück. Kannst eigentlich gleich mitkonmien und wählen, erledigt ist erledigt."Ich komme nach. ich muß erst hie Betten machen, geh man." Frau Krause alleiiu So«in W a h l t a g, da sind die Männer ganz aufgeregt, was ist denn schon wieder mit der Fahne los, die hat sich ja ganz verwickelt, da kann doch keiner die1" lesen. So nun flattert sie wieder." Posten vor öem Wahllokal. Tag, Albert, so früh schon auf den Beinen?" fragt Bater Krause, der treu und schlicht vor dem Wahllokal Posten steht, einen Kollsgen.Ich komme von Nachtschicht, die Abrechnung hat wieder so lange gedauert. Aber es ist ja alles bald zu Ende." Wieso zu Ende, stehst du denn mit auf der Liste?"Natürlich. man hat auch zu viel Pech."Albert, nun sei mal vernünftig, wenn Sie dir Feierabend geboten haben, dann hast hu selbst daran schuld. Wir konnten uns das Maul fußlig reden, als wir für die paar Tage Arbeitsstreckung waren, das war für jeden Kollegen zu ertragen, aber ihr, was habt ihr gemacht, alles oder gar nichts habt ihr geschrien, na, du weißt ja selbst, was das Resultat der Ur- abstimnmng war. Nun sitzt ihr da mit einem dicken Kopf, gewiß, jeder hat im stillen gedacht, unsereinen wird es nicht gleich treffen, aber die, die euch den Wahnsinn eingeredet haben, für eure eigene Entlassung zu stimmen, Albert, die getreu euch jetzt auch nichts oder bildest du dir vielleicht«in, den Heinz N e u m a n n kümmert auch nur«in entlassener BBG.-Prolet? Albert, jetzt ist es zu spät, über dieses und jenes zu reden, aber im letzten Augenblick doch, überlege es dir dreimal, ob du die Brüder aus dem KL.-Haus noch einmal wählen willst. Die können Arbeiter nur in den Abgrund bringen, weiter nischt." Wer steht denn da. das ist doch Max Krause?"Tritt man näher, Paul, wer soll denn sonst hier stehen."Wie geht's Maxe?" Du siehst ja, immer so wester, Wahltag ist Arbeitstag. Aber heute gehts noch, Mitte September, da kann man eine Wahl noch aushalten, wenn ich jedoch an die letzten Kommunalwahlen vom vorigen Jahr denke, Mann, war ich n a ß, den ganzen 17. Na- vember lang hat es doch geregnet, was sage ich, geregnet, gegossen Hot es, und am Montag war wieder dos schönste Mützenwetter. Hast« denn gestern noch ein bißchen agitiert?"Aber fest,. da waren so ein paar Angestellte, also was die alles zusammen- wählen wollten, daß die Leute nicht begreifen, daß sie auch nur Proletarier sind und vom Verkauf ihrer Arbeitskraft leben, da ist noch ein weites Feld für uns."Ach. da kommt meine A b- l ö s u n g."Na. denn gib mal her. wo bist du denn heute abend?" Ich komme auch mm zurGießkanne", ich will doch sehen, was los ist." Krau Beuster läßt sich belehren. .Achtung, Berlin , meine Damen und Herren, wir setzen unser Mittagskonzert fort, Sie hören«in Duett aus demBorbier von Sevilla"."Herjeses, jetzt fällt mir ein, ich bin ja noch gar nicht rasiert".Nun komme mal erst essen, rasieren kannst dich nachher, stecke eben nicht im letzten Moment auf."Rede nicht schon wieder,

wanizeii von 8 us 17 wir!

Uebt euer Wahlrecht am Vormittag aus!

Alses