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Hans Friedrich Blunck  :

Glück auf dem Weg

daß alles

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Anna Dreesen zog die Gardine zurück und warf einen haftigen| fie fragen, ob fie es denn mun recht getroffen hat. ersten Blick auf die weite Fläche des Sees, den Schilf und Wald Er könnte ihr sagen, ja, er würde ihr sagen, daß sie alt geworden, in weitem Bogen umgaben. oh, er hat gewarnt, aber sie hat die Briefe zerrissen. Wenn es damals anders gekommen wäre? Sie würde jegt oben im Hause am Waldrand warten, sie hätte Henning vielleicht von der Arbeit geholt, würde jezt neben ihm gehen, so wie sie jetzt hinter ihm geht: Würde sie unglücklicher sein? Sie vermag sich die Frage nicht

Die Straße, die zwischen Fremdenheim und Wasser lag, war nur von einigen Sommergästen begangen. Im Erlenbrach, der jen­feits des Weges lag, quätten und schnarrten die Wildhühner, ge­nau wie einst, wenn sie als Kind am Ufer entlang trottete. Nur das große Radnest auf Nachbar Broders Strohdach war leer ge­blieben. Richtig, die Störche tamen auf ihrer Winterfahrt um, hatte sie gelesen, man vergiftete die Heuschrecken da irgendwo in Afrifa und die Vögel starben mit.

Anna Dreesen las viel, sie wußte über alles Bescheid. Seit sie als junges Mädchen das Dorf verlassen hatte, von einem un­endlichen Bildungsdrang besessen, hatte sie anderthalb Jahrzehnte hindurch alles, was ihr versäumt schien, nachzuholen versucht, hatte unendlich viel Bücher gelesen, hatte sich vom ersten Unterricht an der Schreibmaschine raftlos in den großen Geschäffen der Stadt Don Stufe zu Stufe emporgearbeitet. Jetzt war sie Prokuristin in einer guten Firma geworden, ein märchenhafter Weg. Den ersten Urlaub benutzte sie, um in das Dorf heimzukehren, von dem fie einmal ausgezogen war, ein wenig mit dem Wunsch, die Ueber legenheit des von ihr Erreichten über die Daheimgebliebenen aus­zufosten, ein wenig aus der Angst der leeren Stunden heraus, die sie in der großen Stadt zu packen begann, wenn sie übermüde vom Wert heimkehrte und alles Gewonnene ihr wie ein verwehender Rauch schien, den der Wind am Weg auflöſte.

Immerhin ein stolzes Gefühl. Die andern, bei Herd und Küche geblieben, wohnen in den kleinen neuen Siedlungen, die sie rund im Grünen erblickt. Sie werden hier auch im Winter wohnen müssen, wenn sie selbst abends guter Mufit zu folgen sucht. Sie erkennt drüben just beim Erbsenausspalten Mine Sievert, mit der fie zur Schule gegangen, fie lächelt über das Hochdeutsch der Bäuerin, bei der sie, eine fremde, vornehme Frau aus der Stadt fich auf Roft und Wohnung eingemietet hat. Sie beobachtet den Sprung eines Hechtes im Wasser, den russischen Knecht, der bei Wilrats vom Krieg her ist und der mit und Ho die Pferde zur Weide treibt. Dankbar, sehr dankbar ist sie jener gutmütigen alten Frau, die vor fünfzehn Jahren in ihr den Drang über das Dorf. hinaus entdeckte und den Weg zur Stadt, den Weg zum Lernen, zum Aufstieg öffnete. Aber es fann nicht darüber hinhelfen, irgend­mie bleibt ein verlegenes Staunen über das stille Leben derer, die daheim bleiben. Oft muß man sich quälend beweisen, daß man es besser hat, daß der ewige Wechsel, daß ihr Erfolg kein Gespinst ihres Hochmutes war.

Run, das find eben Stimmungen, dafür hat man ihr die länd­liche Ruhe verordnet. Es sind jene Stimmungen, wo man plöglich aus unbegreiflichen Gründen zu meinen beginnt, die ungeheure Einsamkeit empfindet und den Augenblick verwünscht, wo jene Fremde, in der Meinung ein gutes Werk zu tun, den Weg in diese

fünfzehn Jahre führte.

Die Sonne neigt sich schon dem Westen zu. der Dunst steigt höher über dem See. Anna Dreesen hat erst spät im Jahre auf Urlaub gehen können, erst nachdem die verheirateten Proturisten mit ihren Kindern an der Gee gewesen waren. Dafür sind die Farben jetzt stärker, als in den hohen gelben Sommerwochen, das weiß fie. Dafür wünscht sie alle diese Menschen zu betrachten, mit denen sie aufmuchs, die sie vor fünfzehn Jahren verließ und von denen noch keiner sie wiedererkannte. Aber sie will ja auch nicht wiedererkannt werden. Es ist ihr Genuß, alles von fern zu beob­achten, sehr überlegen, wie man eben fremde Kinder ansieht, an denen man vorbeiwuchs.

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Wie sie sich darauf freut! Sie wird auch Henning Boß wieder­sehen, der damals Sonntags mit ihr tanzen ging, zwei, drei Sonn­tage, bis das Glück sich dazwischen schob und sie zur Ausbildung in die Stadt kam. Er hat ihr noch oft geschrieben, lange hatte er auf die Stadt fam. Er hat ihr noch oft geschrieben, lange hatte er auf fie gewartet, er hat ihren Aufbruch nur schwer verwinden können. Wieder muß sie sich zu einem Lächeln zwingen, Boß ist jetzt Ma­schinenmeister drüben in der Meierei, sie ist eine gutbezahlte Profu­ristin in einer guten Firma. Sie ist wie sie sich bei dem Lächeln im Spiegel sieht, erschricht sie fein. Nun, fünfzehn Jahre sind teine Kleinigkeit, gut, daß sie die unverwüstliche Kraft von draußen brachte, es hätte faum jemand ein Gleiches leisten können wie sie. Es wird Zeit, einmal die Straße auf und ab zu gehen, wenn man vom Licht noch etwas haben will. Anna Dreesen wirft den Mantel über, fie steigt die knarrende Treppe hinab, sie geht mit dem Gefühl einer glücklichen Lösung von endloser Arbeit auf viele Wochen den Weg am See entlang. Ein kleines Mädchen treibt das Bieh zum Hof ihres Bruders hinüber. Neugierig mustert fie es, sie wird es morgen kennenlernen. Ach, wie würde man in der Stadt lachen, sähe man sie auf solchen Entdeckungsfahrten, einen Roman fönnte man darüber schreiben.

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Dann kommt sie bei der Meierei vorbei. Ein Heizer steht in Rittel und Deltuch vorm Feuer. Eine riesige Bogenlampe springt an, die Milchkannen flirren von dem Wagen, zwei Menschen nehmen sie an. Im Hintergrund, halb vom Kesselfeuer beschienen, steht ein großer rußiger Mann. Anna Dreefen erschricht doch ein wenig. Also so fieht Henning jetzt aus. Man baut eine neue Ma­schine ein, hört sie. Da ist ein Arbeiter, der mit prasselndem Luft­bruckhammer ein Resselgerüst schweißt, Maurer   haben eine neue Wand gezogen, fie machen just Feierabend, werfen die Kittel über, einer räumt 3ementrefte zusammen.

Henning Boß steht grell beschienen unter der Bogenlampe, er spricht mit dem Heizer; jemand berichtet ihm, wieviel Milch ein­gefahren ist.

Ein Mann lädt große runde Käse ab und schichtet sie aufein ander. Dann steht Boß mit dem Heizer allein. Noch einige Worte und der Maschinenmeister drückt sich einen Hut in die Stirn und geht an der Wartenden vorbei den Weg zu den neuen Häusern am Bald. Ja, geht an ihr vorüber, er hat sie nicht erkannt, er hat nicht acht auf die fremde Dame, es find Sommers so viele am Drt. Der Heizer reißt die Refseltüre auf, der rote Schein flackert durch den Raum, er fliegt bis zur Straße und macht erschrecken. Anna Dreesen folgt dem Maschinenmeister; fie sagt sich, es set Neugier, daß sie ihm folgt. Vielleicht ist es aber auch immer die Sehnsucht, frohlocken zu können. Sie hat ein grenzenloses Bedürf­nis, die Arbeit dieser fünfzehn Jahre zu begründen, sie will wiffen, marum sie glücklicher ist als die, welche daheim blieben. Sie will erschreden, wenn sie sieht, wo Henning Bos wohnt, mill Vergleiche ziehen, will sich vorstellen, welche Erbärmlichkeit ihr beschieden ge­mesen märe, hätte das Schicksal nicht so glüdlich die Wege offen getan. Im Halbbuntel folgt sie dem schweren großen Mann, der Dor ihr zu den Waldhäusern stapft. Sie muß sich etwas beeilen, er hat einen langen Schritt.

Eine Amsel schlägt am Weg auf, trillert ihren Herbstschlag und huscht in den Knid hinein. Tau liegt im Gras und überspinnt es grau wie Schlaf. Wie lange hat sie sich auf diesen Tag gefreut, so lange, so lange! Und doch fragt sie sich, ob die Freude groß genug ist. Anna Dreesen wartet eigentlich noch darauf, wartet, ohne daß fie recht zu ihr fame. Dafür folgt fie Henning Boß. Ob sie ihn anruft? Dumm wäre es, was follte sie nur sagen? Sie würde fürchten Fich bintt ib, et tönnte Lächeln, tönnte

Zehn Gebote

Für den Wahllag

Du sollst dich- wählen!

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Du sollst aber auch Bolt und Menschheit wählen!

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Du bist kein Kind, du weißt, welcher Wahlzettel dir, Wohlergehen und Friede deinem Volk und der Menschheit verbürgt!

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zu beantworten. In diesem Augenblick nicht. Sie wandelt, als wären alle die fünfzehn Jahre nicht gewesen, als wäre es anders ges tommen, so wie sie sichs mitunter vorgestellt hat. Jetzt weiß sie, sie hat sogar davon geträumt, sie hatte den Traum nur wieder vergessen. Anna Dreesen wandert, als hätte sie damals ja gesagt, ihr; als wären Kinder da, die auf sie warteten, als wäre der als gehörte das rote Haus da vorn ihr selbst, Henning Boß und Abend, als wäre der Taufall, als wäre der Wind vom See wie immer ihr eigen. Wehren möchte sie sich gegen die Vorstellung, aber sie ist schön und grauenhaft, jeden Schritt kostet sie aus. Wie nacht wandelnd geht Anna Dreesen durch den Abend, wie hinter einer Nachtwandlerin sinft alle Sehnsucht, alle Leere, alle todbringende Einsamkeit vergessen zurück, atmet sie wie ein Kind in alter Ges meinschaft, gehört sie zu diesem unverbrüchlichen Kreis ihrer Jus gend, wuchs, wie es ihr wohl bestimmt gewesen, zur jungen Frau, wandert zu ihrem Haus.

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Plöglich hält der Schreitende vor ihr an, biegt vom Weg ab, mit einem sonderbar erstaunten Blick zur Fremden, die ihm folgt. Eine Tür öffnet sich, noch halb wie im Traum will das Mädchen folgen, taum vermag sie sich zu lösen von diesem tiefen zitternden Glück einer wiedergefundenen, einer nie verlorenen Stimmung da steht im Lichtschein eine Fremde auf der Treppe. Guten Abend" hört sie.- Und plöglich, mit jener raschen Schulung einer langen ente behrungsvollen Zeit, hat Anna Dreesen sich wiedergefunden. Mein Gott  ", denkt fie, was war eben? Empfindsamleit? Du empfind

buch deines Herzens. Wähle das Recht! Was ist Recht? Es steht im Gesetz- sam?"

Wer die Wahl hat, der hat auch die Qual? Nein. So: durch deine Wahl schaffe du Möglichkeiten zur Freude! Dein Wahltag fei dein Feiertag: umfeiere du große Jdeen!

ist

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Sie stößt ein kurzes hartes Lachen heraus, sucht sich den Weg zurück, alle Gedanken darauf zusammengezogen, daß fie ja in diesen Tagen lächeln will, daß fie, allen überlegen, über Dorf und Freunde das Erreichte empfinden will, um das sie fünfzehn Jahre arbeitete. Bis zum Haus, in dem sie wohnt, vermag fie die Stimmung auf recht zu halten, lächelt hier, spöttelt dort oh, so viele Bekannte die sie sieht und von denen niemand sie tennt, von denen feiner' sie anders als die fremde Dame aus der Stadt fennt. Aber wie

Den Besitz sollst du nicht wählen. Wähle die Armut: fie sie bei der Wirtin vorbeikommt, spürt sie plötzlich, daß diese Stunde rein!

ihr in Wahrheit unerträglich war, daß fie feinen Tag wird länger weilen fönnen, ohne daß ein mühsam gewonnenes Selbstbewußts

Wähle auch keine Waffe- die würde dich selber schlagen! fein in ihr zerreißen würde, weiß sie, daß eine Furcht in ihr droht

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Wähle dein Kind feine freie Zukunft! Bedenke: durch die Wahl beherrschst du den Staat!

Dr. Curt Floericke:

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Max Dortu  

die größer als alle frohlockende Freude ist. Nie hätte sie hierher heimkehren sollen, es ist, als würde diese Furcht sie jetzt lange ven folgen, es ift.

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Noch am gleichen Abend mit dem Nachtzug flüchtet sie zur Stadt heim.

Löwendreffur Achtung ein. Er vergibt sich daher entschieden nicht wenig, wenn

er sich auf den Erdboden lagert, also sich gewissermaßen zum Standquartier des Tieres herabläßt. Deshalb hat es mir immer besonders imponiert, wenn der Abrichter sich mitten unter seinen Böglingen auf den Fußboden legte. Der unbewaffnete Mensch ist ja in solcher Lage faft wehrlos. Aber die Löwen betrugen sich ersichtlichem Wohlbehagen gefallen. Freilich darf man dabei nicht musterhaft und ließen sich diese nahe menschliche Gesellschaft mit vergessen, daß es sich bei solchen Vorführungen in den allermeisten Fällen nicht um wild eingefangene, sondern um in der Gefangen schaft gezüchtete Großkagen handelt.

Der Löwe gilt, und im allgemeinen wohl mit Recht, für gut­mütiger und fügsamer, für aufrichtiger und ehrlicher als der Tiger. Das drückt sich schon in dem monumental- ruhigen Antlig aus, das fich auch bei größter Wut niemals zu einer so teuflischen Fraße verzerrt wie beim Tiger. Zweifellos iſt er auch flüger und geistig begabter als dieser, was wohl auf den Umstand zurückzuführen ist, daß die Löwen   da, wo sie noch häufig sind, in kleinen Rudeln jagen und sich das Wild gegenseitig zutreiben, eine Jagdart, die mehr Ueberlegung und Selbstbeherrschung erfordert als die Einzeljagd, wie der Tiger und andere Großkazen sie ausüben. Aus allen diesen Gründen fann es nicht wundernehmen, daß sich der Löwe Camille auch der Zähmung und Abrichtung durch den Menschen zugäng licher ermeist als seine gestreiften und geflecten Vettern. Man be­kommt deshalb im Zirkus eher ein Dutzend Löwen   zu sehen als einen einzigen Tiger, Panther oder Jaguar. Freilich sind auch die Löwen unter sich nach Charakter, Temperament und Begabung sehr verschieden, und jeder einzelne verlangt deshalb eine individuelle Behandlung.

Ich habe öfters Gelegenheit gehabt, Löwendrejsuren von allem Anfang an mit anzusehen, und habe dabei sehr viel über den Charakter des Königs der Tiere" gelernt. Je jünger fie unter die Hand des Abrichters kommen, desto besser ist es natürlich. Launen haben sie wie alle Razen nicht zu fnapp, und ohne ersichtlichen haben sie wie alle kazen nicht zu knapp, und ohne ersichtlichen Grund arbeiten sie an dem einen Tage tadellos, am nächsten nur mit offenbarem Widerwillen. Es sind eben nur große gelbe Stazen, und wer mit einer Haustage gut umzugehen versteht, der weiß auch Löwen   zu behandeln, vorausgesetzt, daß er den nötigen Mut dazu aufbringt.

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Löwen   scheuen so leicht wie Pferde. Ein unbekannter Gegen­stand von lächerlicher Geringfügigkeit fann sie in Verwirrung bringen. Einmal sah ich, wie eine Löwin lernen sollte, über zwei auf vier Piedestalen stehende Mähnenlöwen hinwegzuspringen. Manchmal vollführte sie den gewaltigen Sag mit ersichtlicher Freude, manchmal aber suchte sie nebenher auszuweichen oder drunter durchzulaufen. Der Dresseur versperrte ihr deshalb den verbotenen Weg durch ein großes altes Brett. Aber das war ein Fehler, da die Löwen   dieses Brett bisher noch nie gesehen hatten, es also nicht fannten und deshalb vor ihm zurückscheuten. Die unausbleibliche Folge war ein völliges Fiasko der Vorführung. Die Löwin prallte erschrocken zurück, die Löwen warfen mit großem Gepolter ihre Size um, alle drei jagten wild im Käfig herum, und es gab ein gräßliches Durcheinander, bei dem auch die Zurufe des Bändigers ungehört verhallten. In solchen Augenblicken heißt es für diesen, Ruhe und Kaltblütigkeit zu bewahren und sich nicht zu einer Unbesonnenheit hinreißen zu lassen, deren schädliche Folgen schwer wieder gut zu machen sind.

Als dann der Abrichter den Käfig verlassen hatte, tamen die Löwen einer nach dem anderen langsam und zögernd an das um­gefallene Brett heran, beschnüffelten es gründlich von allen Seiten, bissen Stücke davon ab und verarbeiteten sie zu Kleinholz. Dieses bedächtige Beschnüffeln unbekannter Gegenstände hat der Löwe wiederum mit der Haustage gemeinsam, während man es bei den anderen Großkaben viel weniger sieht. Selbst jedes in den Käfig hineingewehte welke Blatt wird neugierig beschnüffelt. Jedenfalls hatte von diesem Augenblick an das ihnen bisher so unheimliche Brett jeben Schrecken verloren, und am nächsten Tage klappten die prachtvollen Sprungübungen wieder tadellos. Ultig war es, dabei zu sehen, wie die beiden Mähnenlöwen so ganz und gar bei der Sache waren. Sie streckten nämlich ihre Schwänze, statt fie nature gemäß herabhängen zu laffen, in der Verlängerung der Rüdenlinie steif und gerade aus, um so das Hindernis noch zu verbreitern. Die Löwin respektierte in der Tat die ausgeredten Schwänze ihrer Partner ebensogut wie deren mächtige Körper.

So sehr waren diesen Löwen   die täglichen Unterrichtsübungen 3um Bedürfnis geworden, daß ihnen ersichtlich etwas fehlte, wenn fie einmal aus irgendeinem Grunde ausfielen. Dann überfam die flugen Tiere zur gewohnten Schulstunde eine ersichtliche Unruhe; sie tollten wie ausgelaffene Schuljungens in ihrem großen Käfig berum, feßten mit gewaltigen Sprüngen übereinander weg, wälzten sich auf der Erde und rauften miteinander.

d'Orange: Mode und Politik

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Die Kleidung dient oft nicht nur zum Ausdruck des Geschmacks ihres Träger, sondern darüber hinaus zur Kundgebung seiner polis tifchen Ueberzeugung beziehungsweise seines nationalen Empfindens. Daniel Chodowiecki   hat bereits im Jahre 1785 den Entwurf zu einem deutschen Frauenreformkleid geschaffen übrigens einem höchft geschmackvollen Entwurf. Der Gedanke, eine nationale Kleidung zu schaffen, war in politisch erregten Zeiten in Deutschland   besonders start lebendig. In dem Frankreich  nach der Revolution von 1789 machte sich jeder Anhänger der alter Mode deren Kennzeichen der Galanteriedegen, Frack, Kniehosen weiße Strümpfe und Schuhe respektive der Reifrock waren ftaatsfeindlichen Gesinnung verdächtig, und mancher Mann, den bei feiner Kniehose blieb, anstatt den Sansculotten( das ist: ohne Kniehosen") die Ehre zu geben, hat seinen Mut mit dem Tod auf dem Schafott bezahlt. Vor dem entscheidenden Umschwung in der Kulturgefchichte, den das Jahr 1789 darstellt, drückte sich in der Kleidung der Stand aus, so wie Abzeichen an einer Uniform der soldatischen Rang verraten. Noch kurz vor dem Umsturz war es geschehen, daß der Oberhofzeremonienmeister beim Zusammentreter der Stände in Paris   den Unterschied auf die krasseste Weise in Erscheinung treten ließ, indem er den Vertretern des dritten Standes" den unansehnlichsten Rock zuwies. Die Nationalversamm lung schaffte die Standesunterschiede und also auch die Unterschiede in der Kleidung ab. Das lange Beinkleid, der Pantalon, vera drängt die Kniehose, das Haar wurde offen, d. h, unfrisiert und ungepudert getragen der runde Hut ersetzt den Dreispitz mit gole dener Borte und Federn., Man ermißt, was diese neue Mode be deutet, wenn man bedenkt, daß in der vorhergegangenen Zeit nur die armen Leute ohne Buder im Haar, daß nur die Matrosen in langen Hosen und runden Hüten gegangen waren. Mit Groll im Herzen mag die ältere Generation die neue Mode der Jugend bes trachtet haben oder mit jenem Kopfschütteln, das wir auch in unseren Tagen beobachten fönnen, wenn wir eine der alten Mode treu gebliebene Dame ein junges Mädchen im kniefreien Rock ber trachten sehen. Aber im Jahre 1797 erschien der König Fried rich Wilhelm III.   von Preußen in eigener Person im langen Bein kleid auf der Promenade von Bad Pyrmont   und von jened Zeit an galt diese Neuerung nicht mehr als ein Angriff auf den guten Geschmack.

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Der Begriff der Mode ist der Gegensatz zum Begriff der Treue, denn der Wille zum Wechsel ist der Mode Bater. Unvermerkt wandelt sie sich bereits nach furzer Zeit in Einzelheiten dem Gegenteil deffen, was sie ursprünglich beabsichtigte, zuzusteuern, Go wurde das aus antifem Geist geborene leib der franzöſiſchen  Nachrevolutionszeit nach furzen Jahren von einer Halskrause über­rumpelt, der kurze Aermel verlängert sich, um sich endlich in der Nähe des Handgelenks zu puffen. Die Schleppe verschwindet; ber Fuß, bis über den Knöchel, wird frei vom Kleid, die vormals freie Brust ist mun bis zum Halse vermummt, die Taille verschwindet endlich ganz und der Eindruck von Leichtigkeit ist dem der plumpesten Proportionen gewichen.

Diese Verkehrung der Mode in ihr Gegenteil erlebt jedes 3eit alter, das unsere auch. Der furze Rock erschien denjenigen, die ihm als die Erften trugen, wie die Befreiung für ewig aus ftlavischer Gehemmtheit der Füße. Wir glaubten, uns unsere Kleidung selbst zu bestimmen, als wir uns von den Berschnörkelungen und Längen, die unsere Großeltern so überaus liebten, freudig befreiten; aber 3u nett, wie sie ihrem Pfleger lang und schmal zugeschnittene nach einem Jahrzehnt bereits, nämlich in unserer Zeit von heute, Fleischstreifen aus der Hand nahmen, nicht etwa gierig zuschnappend welche die Schleppe gar wieder zu Ehren bringt, erweist es sich wie ein Hund, sondern mit unendlicher Vorsicht und 3artheit, mie daß auch diese Befreiung nur eine der Launen der Mode war, und man sie diesen mächtigen Raubtieren nie zugetraut hätte. Befannies will beinahe so scheinen, daß mir nicht flüger als unfere Groß ich flößt der aufrechte Gang des Menschen auch der wildeften Beftie eltern find.