Severins unter Zensur. Die„lleberparteilichkeit� des Rundfunks. Von Fritz SegalL Zur Sicherung der politischen als auch der kulturellen Belangs des Reiches und der Länder sind den Rundfunk» gesellschaften von der Deutschen Reichspost Bedingungen auf- erlegt, die eine Ueberwachung des Nachrichten- und Vortrags- dienstss zur Folge haben. Diese Richtlinien, die die Reichs- regierung im Zusammenwirken mit den Ländern aufstellte, sind dem Reichstag Ende 1926 durch den demokratischen Reichsinnenminister Külz vorgelegt worden. Sie be- stimmen, daß der Rundfunk keiner Partei zu dienen habe, daß sein gesamter Nachrichten- und Vortragsdienst also streng überparteilich zu gestatten sei. Die Ausübung der staallichen Ueberwachung obliegt dem Politischen Ueber- wachungsausschuß. der aus drei Mitgliedern besteht, von denen je eines durch das Reich, die anderen von der zu- ständigen Landesregierung bestimmt werden. Zur Mit- Wirkung an dem Teil der Programmgestaltung, der Kunst, Wissenschaft und Volksbildung umfaßt, fungiert der Kulturbeirat. In ihm müssen mindestens drei, hoch- stens aber sieben Mttglieder vorhanden sein, die nach An- hörung der Sendegesellschaft von der zuständigen Landes- regierung oder der von ihr benannten Stelle im Benehmen mit dem Reichsministerium des Innern zu berufen sind. Der Reichsminister des Innern fällt also in Fragen der gesamten Programmgestaltung die letzte Entscheidung. Von ihm selbst werden naturgemäß nur ganz wichtige Fälle behandelt, wie zum Beispiel ein Antrag der Sozialdemokratischen Partei, die auch in diesem Jahre eine Berücksichtigung des Maifeier- gedankens im Rundfunkprogramm forderte, die von Wirth jedoch abgelehnt wurde. Weniger bedeutungs- volle, aber doch wichtige Entscheidungen werden vom politi- schen Ueberwachungsausschuß erledigt. Es ist zu einer beliebten und verständlichen Geste der Sendcgesellschaften geworden, bei Ablehnungen von be- stimmten Programmvorschlägen den Politischen Ueber- wachungsausschuß verantwortlich zu machen. Da dieser wieder das Bestreben zeigt, nach Möglichkeit ungenannt zu bleiben, ist es für Außenstehende sehr schwer festzustellen, welche Instanz eigentlich Einspruch erhoben hat. Ohne Zweifel wird die Unklarheit in der Pro- grammgestaltung dadurch gefördert, daß die Darbietungen überparteilich gehalten sein sollen. Die praktische Arbeit der bürgerlichen Parteien beweist, daß dort, wo die Theorie der Ueberparteilichkeit am stärksten in den Vordergrund gestellt wird, sie am allerwenigsten eingehalten werden kann. Jeder Vortrag, auch wenn er von unpolitischen Referenten ge- sprachen wird, ist von der Weltanschauung be- st i m m t, die ihn stets beeinflußt. Bei Durchsicht der Programme zeigte sich deutlich, wie wenig die sogenannte Ueberparteilichkeit«ingehatten werden kann und wie sehr diese Verschleierung auch heute dazu dient, sozialistische Weltanschauung vom Rund- funk fernzuhalten. Es sei in diesem Zusammenhang nur an die lächerliche Verfügung des bayerischen Kultus- Ministeriums erinnert, die zum Beispiel bestimmt, daß die dortige Rundfunkgesellschaft im Rahmen der Sonntags - feie m nur solche Vorträge zulassen darf, die/ die Pi Iii- g ung der kirchlichen Ober be Hörde oder der von ihr benannten Vertrauensleute gefunden habe. Sozialistische Morgenfeiern müssen also von der Kirche begutachtet werden. Der Rundfunk glaubt, auch noch heute einen Unterschied da- durch geltend machen zu müssen, daß er den Sozialismus nur als p ö l i t i s ch e n, also nicht zu berücksichtigenden Faktor be- zeichnet, während er die jetzige Gesellschaftsform mit allen Begleiterscheinungen als weltanschaulich anerkennt und unvergleichlich stärk berücksichtigt. Eine ändere Absicht vertrat der Rundfunkkommissar Dr. Bredow in seiner aufschlußreichen, durch Rundfunk verbreiteten Rede anläßlich der Eröffnung der Großen Funk- ausstellung. Er führte dort aus: „Kein bedeutendes politisches, kullurelles oder sportliches Er- eignis, das der Mitwelt nicht durch Berichterstattung oder Ueber- trogung nahegebracht wird. Völlig verkannt wird hierbei in manchem Hörerkreis noch immer die Aufgabe des»Rundfunks als Zeitspiegel, wenn ihm diese oder jene Uebertragungen vor- geworfen werden, als sei er selbst verantwortlich für das betreffende Zeitereignis. Der Rundfunk ist in diesem Fall nur objektiver Mittler und nimmt nicht Stxllung zu den Dingen. Er mutz auch Zeiterfcheinungen widerspiegeln, die nicht jedem willkommen sind. Der Rundfunk kann nicht den Kopf in den Sand stecken und so tun, als wenn die Gegenwart für ihn nicht vorhanden wäre. Er ist wie ein Fenster, durch das man ip die Außenwelt hineinblickt. Jeder wird sich von seinem Fenster abwenden, wenn er etwas für ihn Unerfreuliches sieht, aber niemand wird es deshalb zerschlagen. Unzweiselhast, der Rundfunk geht einen schweren Gang. Engherzigkeit und Unduldsamkeit können ihm den Weg erschweren, ihn aber nicht verhindern, seine Pflicht zu tun. Zum parteipolitischen Kampfmittel will kein Rundfunkmann ihn machen. Staatspolitische Notwendigkeiten können die Verwen- dung des Mikrophons auch für politische Zwecke er- forderlich machen. Hier Handell e« sich um ein der Regierung zu- kommendes Recht, das den Rundsunkgesellschasten nicht zusteht." Die Hörerschaft hat ohne Zweifel erwartet, daß der Rundfunk auch die aktuellsten Geschehnisse der Gegenwart, die Wahlbewegung, widerspiegele. Es wäre möglich gewesen, Reportagen aus Wahlversammlungen zu übertragen. Es wäre möglich gewesen und war auch vorgesehen, die Führer der Reichstagsfraktionen entsprechend 'hrer Fraktionsstärke sprechen zu lassen. Schon vor Wochen ist im„A r b e i t e r f u n k", dem Organ des Arbeiter-Radio- Bundes, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Nichts ist von alledem erfolgt, well der gleiche Dr. Bredow die Rundsunkgesellschasten anwies,«alles zu vermeiden, was irgendwie als Stellungnahme für eine Parteigruppe gedeutet werden könnte!" Natürlich ist der Inhalt dieses Rundschreibens durchaus korrekt, wenn an das..Neutralitätsprinzip" des Rundfunks gedacht wird. Aber wenn auf Anordnung des Rundfunk- kommissars das Programm das a k t u e l l st e Zeitgeschehen unberücksichtigt läßt, dann hat der Rundfunk eben den Kopf in den Sand gesteckt. Für die vom Genossen Ministerialrat Prof. W o l d t ge- leitete Arbeiterstunde der Deutschen Welle mar für den Sonn- abend vor dem Wohltag Genosse Severin g als Redner über das Thema«Demokratie im Volksstaat vorgeschlagen worden. Die Leitung der Deutschen Well« hatte ihn aber
Seekadeiienlos.
viebtai? Das unter Führung des kaiserlichen Kapitänleutnants Treviranus in die Wahlschlacht gezogene Torpedoboot erwies sich als nicht seetüchtig. Das Schiff versank. Nur 5 Mann konnten gerettet werden.
Oer Scherbenhaufen. Weitere pessimistische Kommentare der Auslandspresse.
Die Bölkerhehe profitiert. Paris , 16. September. (Eigenbericht.) Den Wahlerfolg, den die Gegner der deutschen Republik am ii. September davongetragen haben, hat den französischen Nationalisten Wasser auf ihre Mühlen getrieben uird läßt sie mit verdoppelter Energie den Verzicht auf jede Verständi- gung mit Deutschland , ja sogar die schimpslich« Absetzung des versöhnungswilligen Außenministers Br io nd fordern. Die faschistische„Liberi i' triumphiert in lauter Freude über das Entsetzen der„Friedenshühner", die sich plötzlich Rechen- schast ablegen müßten» daß sie Enten ausgebrütet hätten Die Räumuna des Rheinlandes Hab« nicht nur kein« Entspannung tn DeutscAund. hervorgerufen,, sondern sie habe im- Gegenteil das deutsche Volk dazu veranläßt, okfeu feinen Rev a n�h« millan kundzutun.„Jnrronsigea nt" behauptet.�däß Deutschland sich wieder als dos gezeigt habe, was«s wirtlich sei:«Ein Volk des Raubes, des Krieges und der Eroberung." Selbst der„T e m p s" erklärt am Dienstag wieder, man iuirfe die Versicherung, daß der Wahlaussall die Richtung der deutschen Außenpolitik nicht ändern werde, vorläufig nur mit äußerster Vorsicht entgegennehmen. Es sei sicherlich besser, abzuwarten, bis der neue Reichstag und die neue Regierung im Amt sei. Es werde viel Zeil und viel guter Wille notwendig sein, um da» er- fchüllerte vertrauen iu Deutschland wieder herzustellen. Wenn Stresemann als höchstes Argument Vertrauen zur Stärkung der deutschen Republik Hobe fördern können, so habe das deutsche Volk jetzt durch stipe Begünstigung der Gegner der Demokratie, der Republik und des Friedens einen frevelhaften Bcer» trauensmißbrauch getrieben. Was di« französischen Beobachter in ihrem Mißtrauen noch be- stärkt, ist die Tatsache, daß der geschlagene Reichskanzler Brüning es nicht für notwendig gehalten hat, die Kon- s e q u e n z aus seiner Niederlage zu ziehen und reinen Tisch zu machen. Die Entscheidung Brünings, im Amte zu bleiben, so schreibt der «pari» Midi", zeuge von eiaer außerordentlich elastischen Auffassung der parlamcntarischeu Regeln. Tn jedem anderen Lande wäre das unmöglich. Brüning schein« nicht zu bemerken, daß er sich lächerlich mache, wenn er an seiner Seite einen Minister ohne Partei behalte, wie Treviranus, während eine große Partei von fast 150 Mitgliedern. wie die Sozialdemokratie, aus der Regierungskoalition aus- geschlossen bleibe, mir weil sie„höheren Ortes nicht gern ge- sehen" sei. Ernste Besorgnis in Prag . Prag . 16. September. (Eigenbericht) Das Wahlergebnis wird von der tschechischen Presse weiterhin als verhängnisvoll für Deutschlands Zu- kunft und als Gefahr für den europäischen Frieden bezeichnet. Alle Prager Blätter sind der Ansicht, daß die einzige Rettung Deutschlands nur eine Koalittonsregierul�g der Sozialdemo- l raten mit sämtlichen republikanischen Parteien sein könne.
Der sozialdemokratische„Pravo L idu" schreibt„Deutschland braucht- ein starkes und gesundes de ni akratisches Europa, um sein« Wirtschast aufzurichten und das vom tapita- listischcn Regime verschuldete Elend ein wenig zu bessern. Der Hitlerismus ist der von Europa fortsührende Weg. Er ist gegen Europa gerichtet. Falls Deutschtand diese Weg« gehen wird, wird es wieder eine Niederlage erleben; denn Europa ist gegen allen imperialistischen Partikularismus." Das Organ der deutschen Sozialdemokraten, der„Sozial- d e m o k r a t", sagt:„Die Wahlen vom 14. September waren richtige Konjunkturwahlen für die Rechts- und Links- radikalen. Ihr Ausfall kann für Deutschland und Europa in der nächsten Zeit schwere Erschütterungen bringen. Die sozialen Entwicklungskrästc Deutschlands und seine real- politischen Möglichkeiten zwinge« aber dazu, die Sozialdema- kratie zur entscheidenden Macht in Deutschland werden zu lassen. Die Zukunft Deutschlands wird von der deutschen Sozialdemokratie geschmiedet werden." Di« osfiziöse„Prager Presse" sagt: Zentrum und Sozial- demokratie sind aus finänzpolitischen Gründen auseinandergegangen. Wie verhängnisvoll es war, weiß man erst seit dem 14. September. Aber finanzpolitische Gegensätze können nicht unüberbrückbar sein, wenn das Reich in Gefahr ist. Verantwortung oder Propaganda?? Amsterdam , 16. September. (Eigenbericht.) Das sozialdemokratische„H e t B o l k" erklärt, di« Soozialdemo- kratie stehe jetzt der Frage gegenüber, ob eine neue große Aufgabe von internationaler Bedeutung sie zwing«, auf dem Gebiet der inneren Politik noch größere Zugeständnisse als 1928 und 1929 zu machen. Sie müsse dabei jedoch erwägen, daß das Wachstum der kommunistischen und der faschistischen Parteien bestimmt teilweise dem Umstand« zuzuschreiben sei, daß die Sozialdemokratie ihrem Verantwortungsbewußtsein einen großen Teil ihrer Werbekraft geopfert habe. Di« Friedensotmo-, sphäre in Europa habe durch die Wahlen des letzten Sonntags. schwer gelitte iu Daher werde man alles, was die Sozialdemokratie tue, um diese Atmosphäre wieder zu verstärken, nur begrüßen können. Italienische Aeußerungen. Die kommandierten Aeußerungen der Presse Mussoliniens zeigen. daß man nach dem ersten Jubel über die Zahl der Hitler -Wähler jetzt mit dem Wahlausfall Geschäfte machen will, indem man dem 14. September besonders die Deutung einer Demonstration für Revision des Friedensdrktats gibt. Damit soll angedeutet werden, daß der„Duce" aus des—„Osafs" kriegshllse rechnen könne. Man weiß ja, daß der deutsche Radikalnationalismus längst darauf verzichten mußt«, die Befreiung des unerhört geknechteten deut- schen Südtirol zu fordern.
vom Programm gestrichen, angeblich, well am selben Tage ein Reichsminlster reden sollte. Natürlich verzichtete Seve- ring, an einem andern Termin(nach der Wahl!) zu sprechen, den ihm die Berliner Funtstunde einräumen wollte. Schließlich stellte sich heraus, daß der Vorsitzende des Poli- tischen Ueberwachungsausschusses, ein Ministerialrat Sch o l z, gleichfalls seine Einwilligung versagte. Severins am Sonnabend in der Berliner Funlstunde sprechen zu lassen. Der Rundfunkzensor Scholz, der sehr weit rechtspolitisch orientiert ist und bisher gleichzeitig das Rundfunk- referat im Reichsministerium des Innern verwaltet, gab als Begründung ebenfalls die beabsichtigte Rede des Reichskanzlers an, von dem noch nicht einmal fest- stand, ob er überhaupt an dem betreffenden Sonnabend sprechen kann. Es hat stärkster Interventionen bedurft, um die Rundfunkrede Severings am 13. September doch noch zu ermöglichen. Die verbotene und dann erlaubte
Severing-Rede ist nur eines der vielen parteipolitischen Symptome, die der Rundfunk unter dem Deckmantel der Neutralität jeden Tag spüren läßt. Die Freie Rundfunkzentrale der Sozialdemokratischen Partei, ihre bczirklichen Rundfunkausschüsse, haben in Zu- sammenarbeit mit dem Porstand des Arbeiter-Radio-Bunoes und seinen Gauleitungen die Arbeiten mit dem Ziel aufge- nommen, die Rundfunkprogramme wirklich überparteilich auszugestalten. Es gilt, den Rundfunk von kirchlicher und nationalistischer Vorherrschaft zu befreien. Schon vor vier Jahren erkannte der Reichstag, daß sich mit der fortschreitenden Entwicklung des Rundfunks die staatspolitische Notwendigkeit ergebe, Maßnahmen zu treffen» um«ine kulturell mißbräuchliche Ausnutzung der rundfunk- technischen Möglichkeiten zu oerhindern. Die Arbeiterschaft hat erfahren, daß die gesetzliche Regelung für den Rund- funk gegen den Rundfunk benützt wird.