Der Zusammenbruch der Mitte
Das Fiasko der fonservativen Sammlung/ Brünings politische Niederlage/ Die Halbierung der Deutschnationalen
Wir haben in unserem ersten Artikel die Entwicklung derjenigen Parteien betrachtet, für die vergleichbare Zahlen von den früheren Reichstagswahlen vorlagen, also die alten" Parteien. Zwei dieser Parteien dürfen aber nicht ganz als" alte" Parteien angesehen werden, nämlich die Deutschnationalen wegen der Reihe der Spaltungen und die Deutsche Staatspartei wegen ihres Entstehens durch eine„ Berschmelzung". Die Parteien, die ihren gemeinsamen Ursprung in der alten Deutschnationalen Partei haben, werden wir im folgenden näher betrachten.
Was die Deutsche Staatspartei anbetrifft, so ist in einer wahlstatistischen Betrachtung die Gleichstellung dieser Partei mit der Demokratischen Partei bei den früheren Wahlen tein Fehler. Der Jungdo hat sich als eine Seifenblase, die bei der ersten Berührung mit der politischen Wirklichkeit plagte, erwiesen. Die Berschmelzung mit dem Jungdo und sonstigen angeblich jungen Kräften hat die absteigende Entwicklung der Demokratischen Partei nicht aufzuhalten vermocht. Vielleicht hat sich diese Entwicklung nur etwas verlangsamt. Mit Ausnahme von ganz wenigen Wahlkreisen haben der Jungdo und die anderen neuhinzugefommenen Wähler
nur die Wähler erfeht,
die unmittelbar infolge der Verschmelzung den Demokraten den Rücken gekehrt haben. Ersatz für die ständig davonlaufen. den demokratischen Wähler haben diese neuen Kräfte nicht gebracht. Als einen Ausnahmefall darf man vor allem den Wahlkreis Dresden Bauzen betrachten, in dem die Staatspartei jezt 81 630 Stimmen erhalten hat gegen 62 657 demokratische Stimmen bei den Maiwahlen 1928. Eine geringe Zunahme im Vergleich zu den früheren demokratischen Stimmenzahlen weisen noch die Wahlkreise
Treviranus selbst und von Herrn Brüning bleibt. Nun ist die Katastrophe dieser Neugründung deshalb außerordentlich bezeichnend, weit Herr Treviranus in der letzten Zeit auf der politischen Bühne als politischer Zwillingsbruder Brünings erschien und es für die nichtkatholischen Anhänger der Politik der Regierung Brüning das gegebene gewesen wäre, ihre Stimmen der Partei von Treviranus zu geben. Die fatastrophale Niederlage Treviranus ' ist deshalb zugleich auch die katastrophale Niederlage der Regierung.
Barteigebilde einen Teil des unter deutschnationaler Führung| Kraft ausüben, da ihr Inhalt bis jetzt das Geheimnis von Herrn stehenden Landbundes zuführen. Dies ist aber nur in sehr bescheidenem Umfange gelungen. Die Deutschnationalen haben zwar auch auf dem Lande start verloren, aber offenbar meniger zugunsten des Landvolks als der Nationalsozialisten. So haben die Deutschnationalen in Ostpreußen nahezu 90 000 Stimmen verloren, das Landvolk erhielt aber nur 15 089, in Pommern verloren die Deutsch nationalen rund 130 000, während das Landvolk nur 31 880 erhielt. Einen beträchtlichen Erfolg hat das Landvolk in Franten zu verzeichnen, wo es 143 402 Stimmen erhalten hat und die Deutschnationalen von ihren 234 248 Stimmen 202 456 verloren haben. Allerdings trat das Landvolk in Franten zusammen mit dem Bayerischen Bauernbund ( 28 857 Stimmen im Mai 1928) auf. Relative Erfolge hat das Landvolk in den Wahlkreisen Frankfurt
Dr. Breitscheid spricht aus Genf .
Im Programm der Aftuellen Abteilung( Bortragsreihe ,, Wovon man spricht") werden am Donnerstag, dem 18. Sep tember, abends 8 Uhr, die Mitglieder der deutschen Bölkerbundsdelegation über ihre Aufgaben sprechen. Die aus Genf bringt den Uebertragung Reichsaußenminister Dr. Curtius und Reichspressechef Ministerialdirektor Dr. 3e ch lin und voraussichtlich auch die Delegierten Dr. Breitscheid, Professor Höezsch und Freiherr von Rheinbaben ans Mikrophon.
Das evangelische Zentrum.
Es war dagegen ein unzweifelhafter Vorteil der dritten neuen Partei deutschnationalen Ursprungs, daß sie feinen Vertreter im Kabinett Brüning hatte. Diese Partei, der Christlich Soziale Volksdienst ", hatte einen viel größeren Erfolg als die beiden anderen und hat bei ihrem ersten Auftreten 869 520 Stimmen erhalten. Sie wird, mit Herrn Mumm und Behrens an der Spize, mit 14 Mandaten in den Reichstag ziehen. Allerdings ist diese Partei mehr als die Umformung einer deutschnationalen Absplitterung: sie hat ihre älteren Wurzeln noch in der christlichsozialen Bewegung Stöckers, dessen Schüler und Schwiegerjohn Herr Mumm ist, und sie hat sich im vorigen Jahre als eine Sammlung der Neugründungen örtlichen Charakters als eine Reichsorganisation konstituiert. Der Volksdienst" hat schon durch seinen Erfolg bei den letzten württembergischen Wahlen die Aufmerksamkeit auf sich gezogen; verschiedene örtliche Gruppen dieser Richtung haben auch bei den letzten preußischen Gemeindewahlen in manchen Städten einen gewiffen Erfolg aufzuweisen gehabt. Auf eine kurze Formel
Ost- Hannover( 20 716 gegen 18 788 im Mai 1928) und Geffen( 48 360) und Merseburg ( 59 020) aufzuweisen, wo es ihm gelungen gebracht, stellt diese Gründung einen Versuch dar, Darmstadt ( 38 755 521)
Köln- Aachen( 34 017 gegen 29 826) auf. In den Wahlkreisen Thüringen ( 41 609 gegen 42 939), Schleswig- Holstein ( 42 282 gegen 44751), Koblenz - Trier ( 10 152 gegen 10 737) sind die Verluste weniger erheblich, so daß man sagen darf, daß sich die Staatspartei in diesen Wahlkreisen einigermaßen behauptet hat. Durch eine weiter in die Prüfung der Einzelergebnisse gehende Betrachtung wird es vielleicht möglich sein, ein Urteil darüber zu gewinnen, wo und in welchem Maße solche relativen Erfolge oder relativ geringeren Mißerfolge auf die Mitwirkung des Jungdos oder auf die Kreise um Binschuh oder Baltrusch zurückzuführen sind. Einen großen Bert würden solche Feststellungen nicht haben, da es sich dabei um politisch sehr wenig erhebliche Größen handelt. Es steht auf jeden Fall fest, daß es
der erneuerten Demokratischen Partei nicht gelungen ist, irgendeinen Erfolg bei der jungen Wählergeneration zu erringen. Auch die Aufstellung einer gemeinsamen Liste der Staatspartei und der Bolkspartei bedeutete teine Rettung. In Württemberg hat eine folche Liste 136 775 Stimmen erhalten gegen 173 570, die die beiden Parteein zusammen im Mai 1928 erhielten, in Baden 114 693 gegen 150 289. Der große Führer des Staatsvoltes, Herr Dietrich, ist nur mit württembergischen Rest stimmen gewählt worden. Wenn wir auch die Wirtschaftspartei zu der ,, bürgerlichen Mitte" zählen, so ergibt sich seit Dezember 1924, als die Wirtschaftspartei zum erstenmal auftrat, folgende Entwicklung: Dez. 1924
Mai 1928 Sept. 1930 Zahl der Stimmen 5 978 921 5578 903 4 360 140 In Proz. aller Stimmen. 19,7 18,2 12,5 Die„ bürgerliche Mitte" hat also am 14. September einen vollfommenen Zusammenbruch erlitten. gebnis dieser Wahlen, das am wenigsten überraschte. Beniger all. gemein war die Erwartung, daß der Versuch der Sammlung„ neuer tonjernativer Kräfte" ein solcher Mißerfolg sein würde, wie das in der Tat geschehen ist. Darin besteht auch eigentlich die große Niederlage der Regierung Brüning. Die Wahlen vom 14. Sep. tember liefern uns auch ein schlagendes Beispiel dafür, wie start die engen parte i politischen Interessen einer Partei in Wider spruch mit ihren allgemeinen politischen Interessen geraten können. Herr Brüning darf als Parteiführer mit den Ergebnissen der Wahlen zufrieden sein,
als politischer Führer, als Reichskanzler hat er eine Niederlage erlitten, die ihresgleichen fucht.
Der Grundgedante seiner Politit war: an Stelle der unfruchtbaren deu: schnationalen Opposition unter der Führung von Hugenberg eine Sammlung der staatsbejahenden" tonservativen Kräfte als den rechten Flügel der Regierungsmehrheit zu schaffen. Herr Brüning 30g in den Wahlkampf mit der lleberzeugung, daß die Hugen bergiche Opposition durch die Wahlen ihre Bedeutung gänzlich verlieren würde. Er erklärte am 10. August in jeiner Rebe in Hagen : Ich sage deshalb nur wenig über Herrn Hugenberg und feine Partei, weil ja der nächste Reichstag sich mi; ihr nicht sehr ernstlich zu beschäftigen haben wird." Nun haben die Deutschnationalen zwar sehr start verloren, aber trotzdem bedeutend mehr Stimmen erhalten als alle lleberläufer von den Deutschnationalen zum Kabinett Brüning zusammen. Infolge des gewaltigen Anmachiens der Nationalsozialisten wird die unfruchtbare Opposition von Hugenberg und Hitler im neuen Reichstag über 148 Sige verfügen, während es nur mit Mühe und Not gelingen fann, aus den einzelnen tonservativen Spit: ern eine Frattion von 40 Mann zusammenzuleimen. Es ist zu erwarten, daß die Gruppe Deutsches Landvolt", Ronservative Bolkspartei( Trevi ranus ), Christlichsozialer Volksdienst und Deutsch- Hannoveraner eine gemeinsame Frattion bilden werden.
„ Landvolk".
Die stärkste dieser Gruppen ist das Deutsche Bandoolt" mit 1 105 228 Stimmen. Diese Partei hat sich aus der frühere: Christlich Nationalen Bauern und Landvolkpartei und den Landbündern um Schiele zusammengeschloffen. Die Chriftlicy Nationale Bartei hat sich vor den Bahlen 1928 selbständig von den Deutschnationalen gemacht. Ihre Grundlage bildete der Landbund in Thüringen , Hessen- Nassau und Hessen- Darmstadt. Es war die überwiegend großbäuerliche Richtung des Landbundes, die sich nicht reftios ber Borherrschaft der oftelbischen Großgrundbefizer fügen wollte. Die Bartei hatte im Mai 1928 insgesamt 581 519 Stimmen erhalten, danon 296 206 in den drei obengenannten Wahltreffen, Die Berbindung mit Herrn Schiele follte dem nemen
a. d. D.( 62 115 Stimmen), Liegnig( 42 666 Stimmen), Magdeburg ist, etwa die Hälfte und sogar etwas mehr der von den Deutschnationalen verlorenen Stimmen aufzufangen. In den sächsischen Wahlkreisen hat das Landvolk den größeren Teil der früheren Maiwahlen 1928 der deutschnationalen Fraktion anschloß. Stimmen des sächsischen Landvolkes erhalten, das sich nach den Wir werden noch die Wahlergebnisse auf dem Lande einer besonderen Prüfung unterziehen müssen; soviel steht aber jetzt schon jest, daß aus der neuen Parteibildung
teine große agrarische Partei mit starkem bäuerlichen Einschlag entstanden
ist. In einigen Wahlkreisen ist die Stimmenzahl des Deutschen Landvoltes fogar zurüdgegangen im Vergleich mit der Stimmenzahl der Christlich- Nationalen Bauern und Landvolkpartei im Mai 1928, so in allen drei Kreisen, in denen die neue Gründung ur- j sprünglich entstanden ist: in Thüringen ( 118 591 gegen 127 030 Stimmen im Mai 1928), in Hessen- Nassau ( 85 770 gegen 89 470) und am stärksten in Hessen- Darmstadt( 57 553 gegen 79 706).
Aber sogar diese bescheidenen Erfolge von Herrn Schiele erscheinen nahezu als gewaltiger Sieg im Bergleich zu dem fläglichen Fiasto der neuen Gründung, die den jungen Konservativismus" repräsentieren sollte. Das Schicksal der von Treviranus gegründeten Konservativen Volkspartei ist zugleich ein sehr interessanter Beitrag zu der Beantwortung der Frage, in welchem Maße bei uns die Bersönlichkeiten" als solche den Erfolg oder den Mißerfolg einer Bartei bestimmen können. Mit Treviranus zusammen steht an der Spize der neuen Partei Graf Westarp , der bedeutendste der jetzt noch lebenden Vertreter der alten Deutschkonservativen Partei. Eine Figur von direkt symbolischer Bedeutung. In der Bersönlichkeit des Grajen Westarp schien das ganze Geschlecht verförpert zu sein, das Geschlecht der Menschen voller Herrschsucht, die es auch feiner. 3eit vorzüglich verstanden, ihre Machtstellung auszunuzen und als unbestrittene Führer nicht mur des adligen Großgrund. befizes, sondern auch des größeren Teils der gesamten Landbevölkerung auftraten. Jetzt sammelt die Bartei, zu deren Führung Graf Westarp gehört, im ganzen Reich rund 300-000 Stimmen ( 313 949 Stimmen, aber im Wahlkreise Weser- Ems mit den Hannoveranern zusammen). Die Persönlichkeit des Grafen Westarp zieht nicht an, wenn er nicht als Führer jenes stolzen Geschlechts auftritt.
General Leffow- Borbed ift in allen sieben oder acht Wahlkreisen, 14 in denen er aufgestellt war, durchgefallen.
Ohne die Verbindung der Reichsliften mit dem Landvolk hätte die neue Partei überhaupt keinen einzigen Sig. Man darf aber annehmen, daß die Persönlichkeit von Treviramus ziemlich start ab stoßend gewirkt hat. Man hat ihn nicht ernst genommen. Und die Ideen des jungen Konservativismus fonnten teine anziehende
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Für den vollkommenen Erfolg dieses Versuches fehlt aber dem ein evangelisches Gegenstüd zum Zentrum zu schaffen. Volksdienst" nicht nur eine geschlossene Unterstügung der evange lischen Kirche, sondern auch, der evangelischen Kirche die Geschlossenheit, die Tradition und die hervorragende Kunst der Menschenbeeinflussung der katholischen Kirche . Trotzdem war die Unterstützung eines Teiles der Kirche dem ,, Boltsdienst" sehr von Nuzen. Als eine sich start auf die kirliche Beeinflussung der Wähler stüzende Partei ist der Boltsdienst" auch eine Frau en partei, vielleicht noch in stärkerem Maße als das Zentrum. Das Ergebnis der Umgruppierung in dem früheren deutschnationalen Lager sieht also folgendermaßen aus: Die Deutschnationale Volkspartei hat 2 461 199 Stimmen erhalten gegen 4507 844( mit dem fächsischen Landvolk) im Mai 1928, hat also 2 046 645 Stimmen perloren. Deutsches Bandoolt, Deutsch- Hannoveraner, Konservative Bolkspartei und Christlich- Sozialer Volksdienst haben zusammen 2 432 939 Stimmen erhalten. Da im Mai 1928 die Chriftlich- Nationale Bauern. und Landvolkpartei 581 519 und die Deutsch- Hannoveraner 195 375, also die beiden zusammen 776 894 Stimmen hatten, so beträgt der Gewinn aller diejer Gruppen 1 656 045 Stimmen, von welchen 869 520 Stimmen auf den Volksdienst" und 766 525 Stimmen auf die drei anderen, miteinander enger verbundenen Gruppen entfallen. Dieses Ergebnis sieht aber viel zu günstig aus, weil in diesem Bergleich der absoluten Zahlen die stärkere Wahlbeteiligung 14. September nicht berücksichtigt wird. Ihrem prozentualen Anteil nach sind mit dem sächsischen Landvolk
am
die Deutschnationalen von 14,7 Pro3. quf 7 Pro3. zurüdgegangen, die Christlich- Nationale Bartei und die Deutsch- Hannoveraner hatten zusammen 2,5 Broz, alle vier Gruppen haben jetzt zusammen auch nur 7 Broz. Um das Bild abzurunden, sei hier vorläufig nur bemerkt, daß der Bauern- und Weingärtnerbund in Württemberg feine 3 Mandate. beibehalten hat, während die Deutsche Bauernpartei 2 von ihren 8 Mandaten, wahrscheinlich an die Nationalsozialisten, verloren hat.
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Die Zahlen find nach den im Reichsanzeiger" veröffentlichten der Presse erschienenen 3iffern ab.
amtlichen Ergebnissen entnommen, sie weichen zum Teil von den in
Staatsrat für Flottenpakt.
Endlicher Entschluß in Japan nach sechs Monaten. London , 18. September. ( Eigenbericht.) Eine Kommission des japanischen Staatsrats hat einmitig beschlossen, dem Staatsrat die Ratifikation des Londoner Flottenabtommens zu empfehlen. Allerdings wurde auch beschlossen, dem japanischen Kaiser eine Verwarnung an sein Kabinett ju empfehlen, die sich gegen deffen allgemeine Politit richten soll.
Das abgestürzte SturmvogelFlugzeug
Unfer Nachtbild zeigt die schweren Beschädi
gungen des an der HeerStraße niedergegangenen Sturmvogel- Flugzeuges
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