10 Pf.
Der Abend™
Erfcheint täglich außer Sonntags. Bugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin SW 68, Lindenstr. 3
42. Jahrgang
66 Anzeigenpreis: Die einspaltige Nonpareillezeile
Spälausgabe des„ Vorwärts
80 Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Bosscheckkonto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin Nr. 37536. Fernsprecher: Dönhoff 292 bis 297
Wirtschaftspartei will Nazi- Koalition
Gleichzeitig Auflösungsantrag gegen Preußenkoalition
Dresden , 19. September. ( Eigenbericht.)
Die Landtagsfraktion der Wirtschaftspartei hat an sämtliche bürgerlichen Parteien des Sächsischen Landtags , einschließlich der Nationalsozialisten, ein Schreiben gerichtet, in dem gesagt wird, der Ausgang der Reichstagswahlen habe die von der Wirtschaftspartei eingeleiteten Verhandlungen zur Bildung einer nationalen" Regierung durchaus bestätigt. Die Frattionen werden gebeten mitzuteilen, ob sie bereit find, an der Bildung einer solchen nationalen Regierung fich zu beteiligen oder eine solche Regierung zu ermöglichen. Es wird um baldige Antwort gebeten, damit vor dem Zusammentreten des Landtages Klärung geschaffen werden kann.
Ladendorff will neue Wahl.
Antrag auf Landtagsauflösung.
Abg. Ladendorff hat für die Frattion der Wirtschaftspartei im Preußischen Landtag einen Antrag eingebracht, wonach der Landtag mit fofortiger Wirtung aufgelöst werden soll. Die Wirtschaftspartei ist die Nächste dazu, wie die Fru Pastore bei Reuter sagt. Sie hat im ganzen Reichstag genau ihre Mandats: zahl behalten, nämlich 23 in Worten dreiundzwanzig!-, in Wirklichkeit hat sie bei der gesteigerten Wahlbeteiligung sich verringert. Das möchte sie schnell noch mal erleben! Hausagrarierlogit!
-
aber auf wie lange?
-
-
Unter der Ueberschrift Unnüße Kombinationen" gesteht der Böltische Beobachter":
,, Die Rede Adolf Hitlers hat viele Neugierige enttäuscht". Sie waren zur Versammlung gekommen, offenbar in der findlichen Annahme, Hitler würde in einer Massenversammlung alle Wege aufzeigen, die er einzuschlagen beabsichtige. Nun, daraus ist nichts geworden, und wir haben auch jetzt feine Ursache, eine sich vor. drängende Neugier zu befriedigen. Der Nationalsozialismus? ann auch schweigsam sein; daß aber die Voraussetzungen aller feiner Maßnahmen heute schärfere sein werden als vor 1½ Monaten, werden sich ja auch die anderen sagen können."
-
-
Zu den Blättern gewendet, die zu erzählen wissen, daß deutsch nationale Führer Hitlers ruhige Rede" kritisiert hätten, wird gesagt, ,, daß, wenn die DNVP . sich noch verhältnismäßig gut gehalten hat, dies durch das Vertrauen vieler Wähler auf die Kraft des Nationalsozialismus geschehen ist. Die Herren sollen jetzt nur nicht den wilden Mann spielen wollen; etliche tun ja bereits, als seien sie die Sieger. Andere sprechen von einer Fraktionsgemeinschaft mit der MSDAP.". Da ist es denn erneut am Plazze, hier wieder die notwendige Distanz herzustellen. Wir sind eine sozial revolutio= näre, die DNVP . eine sozialreaktionäre Partei, und unverrückbar bestehen. dieser Unterschied bleibt neben andern Deshalb ist eine Frattionsgemeinschaft absolut undistutabel." Eine Fraktion mit den Deutschnationalen, um mit zusammen 148 Mann den Anspruch auf das Reichstagspräsidium erheben zu fönnen, wird also vorläufig nicht gebildet werden- bis Hitler etwas anderes beschließt. Da in Thüringen in Koalition gemacht wird, und ohne daß sie den Wahlerfolg dort beeinträchtigte, und da in der rechten Hälfte der geschlagenen Mittelparteien die Sehnsucht nac dem Faschismus wächst, so ist mit dieser parteiamtlichen VerlautLarung die Koalition der großen Rechten im Reiche nicht ein für allemal erledigt. Mussolini , an den der König die parlamentarische Verfassung verriet, begann bekanntlich mit einer Art von Koalitionsfabinett zu regieren.
Inzwischen erlaubt Klein- Mussolini seinen Ahängern zwar persönliche Ansichten über die Lage, verbietet aber seiner Parteipresse, dazu Stellung zu nehmen. Das ist seine zäsarische Demofratie.
Gegen den skandinavischen Faschismus.
Stocholm, 19. September. ( Eigenbericht.) Im Stockholmer Konzerthaus fand eine eindrucksvolle Rundgebung der Stocholmer Arbeiterfommune und gewerkschaftlichen Zentralorganisation gegen die finnische Lappobewegung statt. Als Hauptrebner sprachen der schwedische Advokat Georg Branting und der finnische sozialdemokratische Parteisekretär Rart Wiit. Die start besuchte Versammlung nahm eine Entschließung gegen die Lappobewegung an, die eine faschistische Gefahr für ganz Skandinavien
bedeutet.
-
Die Jakobiner der deutschen Revolution" die unter Otto Shoper abgesplitterten wirklich revolutionären Nogis- werfen den
-
geht die Polizei scharf gegen die Waffenhändler vor, die bisher die Banditen mit ihren modernsten Erzeugnissen versorgten.
Girondisten der Hitler- Partei-Berrat an allen revolutionären| hat, bisher nur ein einziger gefaßt werden konnte. Gleichzeitig Grundsäßen vor, weil ,, man in der verzweifelten Lage sich befindet, seine Anhänger mit revolutionärer Zielsehung gesammelt, mit revolutionären Redensarten gehalten zu haben um dann mit vollen Segeln in den Hafen der Legalität einzulaufen, die Weimarer Ver= fassung zu beschwören und durch Negersteuer besonders eifrige Erfüllungspolitik zu betreiben."
-
Als besonders hübsches Beispiel dieser Legalität" wird an geführt und nachgewiesen, daß vor dem Sturm der SA. auf das
Gaubüro
die Gaugeschäftsführung des Herrn Dr. Goebbels schon vorher die Polizei des Herrn Dr. Weiß für den Schutz des Gaubüros vor dem erwarteten Angriff der SA. ausersehen hatte. Ausdrücklich erhielt die SS.- Wache, nach vorheriger Beratung zwischen dem Bertrauensmann von Goebbels , Herrn Wille, und dem obersten SS. - Führer Wege, den Befehl ,,, das Ueberfallfom. mando zum Eingreifen herbeizurufen, falls die SA. mit in die Geschäftsstelle eindrang."
„ Fürwahr, das ist ein Bild für Götter," fügt der„ Nationale Sozialist" hinzu:„ Dr. Goebbels , auf dem Pulverfaß der revoltierenden SA. fizend, bittet seinen Freund" Dr. Weiß händeringend um Schußz."
Wehrlose niedergeschossen.
Der Täter unerkannt entfommen.
In dem Berliner Borort Karow an der Bahnstrede BerlinBernau wurde heute vormittag die Witwe des Reichsbahnbeamten Mathiat von einem bisher unbekannten jungen Mann überfallen und mit einem Schuß niedergestreckt.
Frau Mathiak besitzt in Karow ein Häuschen, wo sie in den Sommermonaten einige Zimmer vermietet. Ihre Lebensmittel bezog die Frau von Händlern, die ihr die Ware ins Haus brachten. Heute morgen fam der Schlächter und nahm von der Frau Bestellungen entgegen. Als er das Grundstück wieder verlassen halte, hörte er plöglich einen Schuß. Zurückgeeilt fand er die Frau mit
einer Schußwunde vor der Eingangstür in einer Blutlache auf. Nach einiger Zeit erholte sich die Ueberfallene und gab folgende Darstellung: Ein junger Bursche, der unerkannt entkommen ist, hatte bei ihr getlingelt und um Obst und dann um Arbeit gebeten. Die Frau hatte teine Beschäftigung für den Mann und wollte in ihr Wehrlose geschossen haben. Glücklicherweise scheint die Schußverlegung nicht lebensgefährlich zu sein,
Die eine Bande bedroht mit dem Tode- Haus zurückgehen. In diesem Augenblick soll der Fremde auf die die andere übernimmt gegen bar den Schuh.
Chitago, 19. September.
Der von dem Richter Lyle eingeleitete Bernichtungsfeldzug gegen die Banditen hat am Donnerstag mit Razzien der Polizei in zehn Erpresserquartieren begonnen. Diese Banditen arbeiteten in der Weise, daß die Gewerkschaftsführer durch Mitglieder der Bande Al Capones mit Ermordung bedroht wurden und daß dann der Bandenführer Barter, selbstverständlich im Einvernehmen mit seinem Kollegen Al Capone , gegen Zahlung entsprechender Summen den Schuh diejer Todeskandidaten bzw. der Gewerkschaftsführer übernahm,
Die ständige Kommission für Verbrechen, die von der Stadtverwaltung unterhalten wird, hat berechnet, daß die Bandenführer und ihre rund 500 Anhänger wöchentlich 300 000 bis 500 000 Dollar erpressen. Der Säuberungsfeldzug scheint im übrigen kein allzu großes Ergebnis gezeitigt zu haben, da 26 Bandenführern, gegen die der Richter Lyle Haftbefehl erlassen
Abgelehnt
51
von den
Politischer Selbstmord?
Ein Unbekannter erschoß sich auf Helgoland .
Eine geheimnisvolle Persönlichkeit scheint ein Mann gewesen zu sein, der sich kürzlich in einem Hotel auf Helgoland eine Schußwunde beibrachte, an deren Folgen er zwei Tage später im Krankenhaus verstarb.
In das Fremdenbuch hatte sich der Mann als Sandor Hegessy eingetragen, im Krankenhaus gab er aber an, daß er ein 19 Jahre alter Emmerich Grün, der Sohn eines vermögenden Geteidehänddenn der Mann sah wesentlich älter aus. Er war 1,80 Meter groß lers aus Budapest sei. Auch diese Angabe dürfte kaum zutreffen, bekanntschaften gegenüber tat, war er ein ideal gesinnter und hatte gebräunten Teint. Nach Aeußerungen, die er BadeRommunist. Wegen seiner Propaganda für diese Partei war er, wie er sagte, in Rumänien zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt worden, aber geflüchtet. Auch in Ungarn habe er nicht bleiben können, weil seine Angehörigen sich von ihm losjagten. In einem in unbeholfenem Deutsch abgefaßten Abschiedsbrief vermachte er alles, was er bei sich führte, seiner Quartierwirtin, damit sie so seine Logisschuld in Höhe von 18 M. decken könne.
Ob seine Erklärungen zutreffen, ist noch nicht festgestellt. Personen, die über Sandor Hegessy( Emmerich Grün) etwas mitteilen tönnen, werden gebeten, sich an die Bermißtenzentrale des Polizeipräsidiums zu wenden.
Altwohnungen bleiben leer!
Die hohen Mieten tönnen nicht bezahlt werden.
Daß Neubauwohnungen wegen der zu hohen Miete monafelang leer stehen, ist man bereits gewohnt. Doch tritt bereits der gleiche Zustand bei gewiffen Altbauwohnungen in die Erscheinung, nicht etwa nur bei Luruswohnungen von 8 bis 10 Zimmern, sondern in der meistbegehrten Klaffe der 2½- und 3½- 3immer- Wohnungen. Dabei handelt es sich um Wohnungen, deren Mieten„ ordnungsmäßig" nach den bestehenden Höchstmietenbestimmungen errechnet, aber gleichwohl für die Wohnungsuchenden nicht mehr erschwinglich find.
-
Auf dem Tempelhofer Feld befinden sich eine Anzahl Baublocks mit Hochhäusern, die unmittelbar vor Kriegsausbruch errichtet wurden. Infolgedessen sind die Friedensmieten nach dem Stande der Jahre 1913/14 mit die relativ höchsten in Berlin . Im Gegensatz zu früher, wo in diesen Häusern freiwerdende 2- und 3-3immer- Wohnungen im Handumdrehen wieder vergeben waren, sfehen jetzt solche Wohnungen wochen, ja monatelang leer, nicht, meil es an Mietlustigen fehlt, sondern weil alle wieder umkehren müssen, sobald sie die Mieten erfahren.
Zwei Beispiele: Eine 2½- 3immer- Wohnung wurde Mitte Juli durch Todesfall plöglich frei. Obwohl vom letzten Inhaber kurz vor seinem Tode auf eigene Kosten renoviert, fand die Wohnung
durch Todesf all plöblich offer
Willst du nicht auch in unsere fiegreiche Sturmabteilung erst Mitte August Mieter, da die monatliche Miete von 95 M. faft
eintreten?"
Rein, dafür bin ich nicht mehr halbwüchsig genug!"
alle Mietluftigen abschredte. Ferner: Eine am 1. September durch Umzug freigewordene 3½- 3immer- Wohnung steht noch jetzt fee:. Es fommen zwar alle Tage Mietlustige, die sie besichtigen, aber