Von Paul F. Schmidt
Dreizehn Künstler bei den Juryfreien. Um Irrtümern vorzubeugen: die 13 Künstler, deren Arbeiten derzeit die Räume der Jury freien gegenüber dem Reichstag füllen, find nicht von der Leitung aufgefordert worden, sondern haben größtenteils selber die Anregung gegeben, ihnen Raum zu Kollettivausstellungen zu gewähren. Nur so erklärt sich die höchst ungleichmäßige Kombination von allerhand echten und fragwürdigen Talenten, die von der bekannten großzügigen Gastlichkeit der Juryfreien Gebrauch machen.
Bum Trost hängt im Treppenhaus jedenfalls auch einmal wieder die mächtige Dekoration, die Kandinsky 1919 auf schwarzen Rupfen gemalt hat, erstmaliger Auftrag der Juryfreien; ein großartiges Werk pon symphonischer Bedeutsamkeit.
Die Dreizehn teilen sich in Anhänger der Iftenschen Theorien, was nicht zu ihrem Vorteil gereicht, nicht einmal bei dem unzweifelhaft start begabten Gyula Pap , und in schlechthin realistische Darsteller, denen aber Talent in noch stärkerem Grade abgeht. Dazu haben sich Erit Richter und G. W. Rößner mit nicht sehr maßgeblichen Zeichnungen und Studien eingestellt. Die Stulpturen von Schwerdtfeger, der seit 1925 an der Stettiner Kunst gewerbeschule lehrt, verraten nicht viel von dem Vorbildlichen seines Lehrers Schlemmer, mehr wieder von Jttens überspitzter Theoretit. Interessanter sind seine großen Federzeichnungen.
Richard Hohly fällt durch das starke Format feines malerischen Wollens heraus. Die natürliche Begabung des Schwaben für das Element der Farbe und das gewaltige Beispiel Munchs mirten hier zu einer symphatischen und weitausgreifenden Art von Malerei zusammen, die bisweilen, wie in dem Bommerschen Gutshaus, der Dame mit Bedienung und dem gelben Att visionäre Höhe
erreicht.
Den vollkommensten und einen ganz reinen Eindrud machen die Skulpturen und Zeichnungen von Hermann Geibel . Seine nadten Frauen, seine ganz föstlichen Zeichnungen sind bis zum Rande gefüllt mit Anschaulichkeit, Leben und Sinnenfreude. Wie bei Scheibe oder Mataré bestimmt nichts weiter als das unmitte!- bare plastische Gefühl seiner Bilder, nirgends ist die Spur von Theorie und vorgefaßter Formidee zu entdecken. Diese immer lauter und herzhaft sprudelnde Quelle naturhafter Anschaulichkeit macht all seine Werke erquidend und bei vollendeter Bescheidenheit zu runden
vollkommenen Runstwerken.
Heinrich v. Zügel.
Am 22. Oftober wird Heinrich v. Zügel 80 Jahre alt. Der Verein Berliner Künstler ( in der Bellevuestraße) veran= staltet eine schöne Ausstellung von mehr als zwei Dutzend seiner Werke, sehr bezeichnende und prominente Bilder.
Zügel, der im schwäbischen Murrhardt geboren wurde, seine fünstlerische Eristenz aber durchaus und stets auf München fonzen trierte, ist der fonfequenteste Impreffionist der Münchener Kunst; noch heute. Er nimmt eine ganz ähnliche Stellung ein wie Mag Liebermann in Berlin . Auch Zügel hat zuerst den dunkeltonigen noblen Realismus gepflegt, dessen stärkster Vertreter in Frankreich
Courbet , in Deutschland Leibl hieß; dann, in den 1880er Jahren, haben sich beide zur Lichtmalerei des Impressionismus bekehrt. Beide nicht ganz zum Vorteil ihrer Kunst.
Der Unterschied im Gegenständlichen scheint enorm. Während es für Liebermann eigentlich kein Gebiet gab, das er nicht fultiviert hätte, hat Zügel sich Zeit seines Lebens auf Darstellung der Haustiere des Menschen beschränkt; anfangs waren es mehr die Schafe, später des Menschen beschränkt; anfangs waren es mehr die Schafe, später
die Rinder.
Der Umfang des Inhaltlichen ist aber nicht so wichtig. Man fann auch mit Schilderung von Rind und Schaf ein unsterblicher Meister werden, wie Paul Potter und Albert Cuyp bewiesen haben. Es gibt ihrer noch mehr, und es ist zweifellos, daß Heinrich v. Zügel zu ihrer Schar gerechnet werden wird.
Man darf aber einen fleinen Unterschied, machen, der innerhalb feines Werkes verläuft. Zügels frühere Bilder, ganz gleich, ob liebevoll durchgeführte Kleinkunstwerte oder lebensgroße Leinwände von beträchtlicher Dimension, waren erfüllt von einer geistvollen Seine Hammelherden und und eindringlichen Liebe zur Natur. weidenden Einzelschafe, in dem noblen bräunlichen Ton der siebziger Jahre, Beispiele des sehr fachlichen und zugleich romantischen Realis. durch das unbeschreibliche Fluidum eines Naturmythos, deffen Zeugen mus der Leiblzeit, sind vollkommen gemalt und überdies bezaubernd fie find. Hier ist nicht bloß Naturwahrheit, sondern das Geheimnis
des großen Pan; die Tiere, und mit ihnen ihre Hirten und ihre Landschaft leben ihr besonderes, unantastbares, heiliges Leben. Man tann diese Bilder lieben: fie atmen die Seele der Kreatur.
Der Uebergang zur impressionistischen Auffassung geschah natür. lich nicht mit einem Rud, es gibt da vielerlei lebergänge. In dem Maße aber, wie Zügel fich von der Pariser Luft- und Lichtmalerei und ihrer Doktrin überwältigen ließ, verlor er an fünstlerischer Subftanz. Man sieht es in dieser schönen und charakteristischen Ausftellung: als er der impressionistische Maler der wildbewegten, im Helldunkel von Sonnenflecken aufgelösten Rinderexemplare wurde, schwand in dem gleichen Maße sein darstellerisches Bermögen. Er wurde ein blendender Virtuose in der Malerei von Sonnenlicht jeder Art auf dem schwarzweißen Fell von widerspenstigen Rindern. Hoffentlich versteht man den Unterschied. Damals fuchte er die ganze Welt in einer törichten Hammelherde; es war ihm ein Symbol für das Rätsel des Seins, er löfte es, indem er es malerisch bejahte, das Animalische war ihm Inhalt und Religion. Die impressionistische Theorie zerstörte ihm die Einheit der Welt, es gab nun bloß noch das Technische von Darstellung zerstreuten Lichts, und das Geschöpf Gottes mar herabgefunfen zum Statisten eines experimentellen Dramas der Vernunft.
6 motumisel no 73 300
„ Der Schwierige."
Komödie.
Der Schwierige, Hugo von Hoffmannsthal Luftspielheld, ist ein Mensch, der im Laufe der Jahrzehnte fait verschüttet wurde vom Trubel ,, leichter Konversation", von einer Nobleffe, die zum Nichtstun verpflichtet, und von einer namenlosen Angst vor der Wirklichkeit. Da erwacht er allmählich mitten im leichtlebigen, von Geist und Wiz unbeschwertem Trubel der altösterreichischen Aristokratie zur Wirklichkeit und erblickt sich selbst im Spiegel der Menschen, mit denen er bisher gelebt hat. Und erkennt sich als hypochondrischen, frankhaft empfindsamen Menschen, der alles, was er denkt und fühlt, nur auf Umwegen denken und fühlen kann. Unter seiner Oberfläche ruht Tiefe, nur hat er nie gelernt, vont ihr Gebrauch zu machen. Und so segeln die wohlerzogenen, schön bemalten Papierschiffchen jener Gefühle und Gedanken, die allein wert sind, von einem Aristokraten gefühlt und gedacht zu werden, über das dumpfe Meer seines Wesens. Weil er sich nicht so recht ausdrücken kann und unsicher geworden ist und weil ihn eine tiefe Echeu packt überall, wo er auf echte Empfindung zu stoßen glaubt, gilt er als exzentrisch. So gleitet er in Dämmerung dahin, während andere in pechschwarzer Finsternis leben, ohne daß er das Letzte, cinen freien Blick in die Sonne, wagt. Er gilt als Lebemann und großer Frauenfreund, dieser schwierige Mann, der sich immer auf Umwegen ausdrücken muß und deshalb so interessant ist. Die Damen laufen ihm nach, weil sie ihn, der sich selbst unbekannt ist, nicht ergründen können. Ein einfacher, unkomplizierter, aber verschütteter Mensch, der zur Sonne will.
Er, Graf Bühl , soll für Stani, seinen Neffen, um die junge Helene Altenwyl werben. Und hier stößt er auf eine Sphäre, die ihn erschüttert und verwirrt. Im Kreislauf fomplizierter, geschraubter Gespräche verbirgt er sich so leidenschaftlich, daß es in Helene licht wird und sie, der einzige frische, lebendige Mensch in diesem Totentanz der Masken, erkennt, daß er sie liebt und, alle jungfräuliche Scheu überwindend, ihm selbst seine Liebe zu ihr erflärt. So wird der Schwierige in sein natürliches Element, in die Wirklichkeit, verjeßt und zum Menschen.
Mar Reinhardt versteht sein Handwert. Er zeigt hier, wie unnatürlich Natur und wie natürlich Unnatur wirken können. In einem Kreis verknöcherter, überlebter Menschen, die sich alle mie Lasend natürlich gebärden, tastet sich ein einziger, der„ Unnatürliche", unter ihnen zum Leben zurück.
Radierungen von Belsen.
3um 60. Geburtstag von Jacobus Belsen stellt die Buchhandlung Dieß, Lindenstraße 3, Radierungen von ihm aus, die in tiefsinniger Weise den Kampf des Menschen, vor allem des Proletarier, mit Schicksal, Not und übermächtigen Gewalten schildern. Eine zusammenfassende Ausstellung feines Berfes, vor allem auch seiner Gemälde, wird im Februar 1931 stattfinden.
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Portierwohnungen ohne Mieterschutz. Eine Verordnung des Wohlfahrtsministers.
Bom Gesamtverband wird uns geschrieben:
Eine eigenartige Berordnung hat der preußische Wohlfahrts. minister erlassen. Diese Berordnung hebt den Mieterschuh für Wohnungen der Portiers, Heizer und Hausreinigerinnen ab 1. April 1931 auf. Dies auf Drängen der Hausbesitzer.
Das bedeutet, daß jeder Portier, der sich nicht unbedingt dem Willen des Hausbesizers, besonders hinsichtlich der Bezahlung, der Arbeitszeit usw., fügt, der sich vielleicht auf bestehende Tarifverträge beruft, einfach fliegt.
Bei der großen Wohnungsnot, die doch vor allem dem Wohl fahrtsministerium bekannt ist, muß diese Maßnahme als ungeheuerlich bezeichnet werden.
Wer die Einstellung der Hausbesitzer den Portiers gegenüber fennt, weiß, daß durch diese Verordnung Tausende von Berufs angehörigen ihrer Wohnungen beraubt werden. Wer die Mittel kennen lernen will, welcher sich die Hausbesitzer in vielen Fällen bedienen, um den Portier loszuwerden, gehe einmal nach der Fachtammer des Arbeitsgerichts oder nach den Amtsgerichten.
Durch die Auswirkung dieser Verordnungen werden viele zur Berzweiflung getrieben. Wenn es dann zu Verzweiflungsaften fommt, tragen jene Stellen die Verantwortung, die einem Intereffentenhaufen zuliebe diese Berordnung erlassen haben.
Die von der Maßnahme des Wohlfahrtsministers betroffenen Beerufsangehörigen werden zu dieser arbeiterfeindlichen Verordnung in den nächsten Tagen in großen Versammlungen Stellung nehmen.
FUNK
UND
AM ABEND
15.20 Ehelosigkeit in der Zeitdichtung. 15.40 Neue Beleuchtungstechnik,
16.05 Dr. Becker- New York : Deutschlands Export nach USA ." 16.30 Neue Musik.
17.30 Jugendstunde( Die Eiszeit).
18.00 Das neue Buch.
18.30 Major Marcks:..Die Herbstübungen des Reichsheeres." 19.30 Königsberger Konzert.
Königswusterhausen.
16.30 Kammermusik aus Leipzig .
18.00 Staatseinnahmen und Konjunktur( Dr. Jostock). 18.30 Die Ursachen der Landflucht( Dr. Lomberg).
19.00 Festveranstaltung anläßlich des Jubiläums der Berliner Volksbühne. 20.00 Der Rundfunkvortrag und sein Hörer( Prof. Schubotz.). s München .
In der Besetzung führt Gustav Waldau als Schwieriger; bis in die kleinste Nuance der Bewegung eine unnachahmliche 21.05 Hörspiel:„ Der Admiral." Leistung. Helene Thimig schenft uns die spröde Süßigkeit der Liebenden, Else Edersberg entfesselt einen Herentessel von Temperament, Herta Hagen wirft als Inpus der altösterreichischen Aristofratin. E Ima von Bulla übertreibt die Rolle der lebhaften Kammerjungfer. Glänzend ist Ferdinand Bonn als maßlos von sich eingenommener und gleichzeitig um die Gunst 20.30 Schrammelkonzert der Bornehmen buhlender berühmter Mann", prachtvoll in seiner edigen Geziertheit Hans Deppe als Sefretär des Grajen Bühl. Günter Hadant ist als Intrigant und Außenseiter zu durch fichtig, Paul Hörbiger ist eine Fehlbesehung. Hermann Thimig gestaltet den österreichischen Aristokratenjüngling hin reißend komisch.
( Fs gab mächtigen Applaus. Die Wände zitterten.
Alexander von Sacher- Masoch.
Ab heute bringen wir laufend in unserer Rubrik Rinotafel" Dienstags und Freitags abends auch das Programm der Savon- Lichtspiele, Martin Luther - Str. 5; Franziskaner, Georgenstraße( Ede Friedrichstraße); sowie der Rant- Lichtspiele, Rantstr. 54, an der Wilmersdorfer Straße .
Berantwortl. für die Redaktion: Wolfgang Schwarz, Berlin ; Anzeigen: Th. Glode, Berlin . Berlag: Borwärts Berlag G. m. b. S., Berlin . Drud: Borwärts Buch bruderei und Verlagsanstalt Baul Singer& Co., Berlin GW 68, Lindenstraße 3. Sierzu 1 Bellage.
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