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Nr. 443 47. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Sonntag, 21. Geptember 1930.

Unter Loug

und

über Tacy

Kein Brot!

51 Kilometer westlich von Berlin   im Kreise Zauch- Belzig   liegt die Siedlung Schenkenberg. Es ist eine Siedlung der Not. Die Oeffentlichkeit wußte bis jetzt sehr wenig von ihr. Bis plötzlich durch alle Zeitungen die Meldung ging: Der Gemeindevorsteher der Siedlung Schenkenberg nach Unterschlagung größerer Geldsummen getürmt! Schnell verschwand jedoch der Name Schenkenberg wieder aus den Berliner   Zeitungen. Der Vorwärts" zeigt heute, wieviel enttäuschte Hoffnung, wieviel vergebliche Arbeit und wieviel Sorge sich hinter dem einen Wort Schenkenberg verbergen. Hundert Siedler, die ihre Heimat in der Hoffnung, eine neue Lebensexistenz zu finden, schweren Herzens ver­lassen haben, sind jetzt der Verzweiflung nahe. Sie sind am Ende und sehen keinen Ausmeg! Ihnen muß geholfen werden!

Von der Ruhr an die Havel  .

Auf den Arbeitsnachweisen des Ruhrgebiets figen 1926/1927 bie Rumpels von den stillgelegten Zechen. Irgendwann sidert es in der Recklinghausener Ede durch: wir fönnen siebeln. Es geht sehr schnell, am Sonnabend, dem 21. Mai 1927, sind die ersten sechs Ruhrarbeiter auf dem Landesarbeitsamt Bochum   und hören aufmerksam zu, was ihnen über die Ruhrumsiedlung erzählt wird. Man verlieft ein Gutachten, wonach es sich bei dem Gut Schenken. berg, wohin die arbeitslosen Ruhrproleten fommen sollen, um durchaus für den Gartenbau geeigneten Boden handelt, der mit wenig Rapital in furzer Zeit ertragreich zu machen ist. 6 Morgen Gartenland, 2 Morgen Wiese, ein halbes Haus mit 3 Zimmern, Küche, Keller und Stall für Kuh, Schwein und Federvieh, dazu Licht bis ans Haus, Waffer mittels Hydrant und einen Baum um die Parzelle, das alles soll es geben. Und die sechs armen Teufel, die das nichtsnuhige Stempeln schon hassen, sehen eine Hoff= nung aufdämmern, mun doch nicht als letzte von den Hunden ge­biffen zu werden und unterschreiben den Rentengutsvertrag für eine Ruhrumsiedlerstelle.

Diese 8 Morgen Land einschließlich der Gebäude kosten für Ruhrumsiedler 12 700 M. Davon sind 2000 m. bar zu zahlen ( 1500 M. Hofort, der Rest in zinei Raten), 4000 m. und Ruhr­amfiedlungskredit zum Binsfag von 1 Broz., 4000 M. Darlehen zum Zinssatz von 4 Proz. und der Rest von 2700 M. ist mit 5 Proz. zu verzinsen. Die Ruhrarbeiter, es waren nicht nur Bergleute, sondern auch erwerbslose Handwerter, hoben ihr Spargeld ab oder horgten sich die fünfzehnhundert Mark von Verwandten und zogen nach Schenkenberg, Bahnstation Göz( Kreis 3auch- Belzig  ), 51 Kilo­meter westlich von Berlin  . Heute fizzen auf dem parzellierten Gut Schenkenberg 120 Siedler: Ruhrumsiedler, Ostflüchtlinge, ab­gefundene Reichswehrsoldaten und Polizeibeamte, Kriegsbeschädigte, die sich ihre Rente tapitalisieren ließen, und vereinzelte Privat­fäufer, wie ehemalige Kolonialdeutsche und abgebaute Bant beamte. Rein Zweifel, daß dieses großzügige und vom besten Bollen des preußischen Staates begleitete Siedlungsexperiment dem gespanntesten Interesse der gesamten Deffentlichkeit begegnet. Nur wird das Bild allzusehr überschattet von der Siedlungsgesellschaft Deutsch- Land" m. b. H., die sich zwischen den Staat und den Siedler geschoben hat. Ueber diese Gesellschaft wird noch zu reden sein.

Statt des Gartens eine Wüste.

Der Fall Deutsch- Land".

sandstein, Sandschüttung statt einem Fußboden in Keller und Stall,| Erst seit neuerer Zeit besteht ein bescheidenes Wasserwerk. An die nur die Küche unterkellert, statt wie versprochen das ganze Haus, beiden Jahre ohne Wasser denken die Siedler mur mit Schreden und feine Grube, wo man das Gold der Landwirtschaft, den Dung, zurüd. hätte sammeln fönnen, und das Klosett, ja, das war eine genagelte, undichte Kiste, aber teine Grube. Auf den einmütigen Widerstand der Siedler hin entsandte das Kulturamt Berlin  - Teltow   eine Kom­mission, die an den einzelnen Häusern Minderungsbeträge bis zu 1200 m. festsetzte( Gutachten Hagemann), und die Baufirma mußte sich verpflichten, fünf Jahre lang für alle Reparaturen zu haften.

Hundert Siedler ohne Waffer.

Dann sollte es an die Bestellung der eigenen Scholle gehen, jenes Landes, das nach den Versprechungen mit geringem Rapital in kürzester Frist ertragreich zu gestalten sein sollte. Nur gab es vorerst nichts zu bestellen, sondern aus dem Dedland, das als

Jetzt heißt es handeln!

Putsch- und Bürgerkriegsparteien wittern Morgenluft!

Darum hinein in die Armee der Arbeit und des Friedens! Kommt zur Sozialdemokratie! Kämpft mit uns für eine bessere Zukunft!

Lest den ,, Vorwärts"!

Wir sagten, zwischen den Staat und die Siedler schob sich die Siedlungsgesellschaft Deutsch- Land" m. b. H., Berlin   W 35. Mit anderen Worten: zwischen die Führeridee des Staates und dem ehr­lichen Wollen der Siedler shob sich das Geschäft. Das 2000 Morgen große Gut Schenkenberg gehörte zuletzt einem Herrn Vollmer, der wie seine Vorgänger eine Rente aus dem Gut nicht herauszuwirtschaften vermochte. Die Deutsch  - Land" übernahm das Gut zu einem Kaufpreis von zirka 130 m. pro Morgen. Die Ge sellschafter der Deutsch- Land" sind zwei Privatleute und die Magde­ burger   Bau- und Kreditbank. Ihre Siedlungsaufgaben erfüllt die Gesellschaft durch Staatstrebite. Die Schenkenberg benach barte Siedlung Jeserig   wurde früher von der verkrachten Siedlungs­gesellschaft Invalidendant" bewirtschaftet, jetzt gehört Jeserig   eben­falls der Deutsch- Land".

Wenn wir recht unterrichtet sind, stellt die ,, Deutsch- Band" einen Morgen Land, den sie, mit rund 130 M. gekauft hat, heute Siedlern mit rund 700 M. in Rechnung. Weiter wurden die Bauten nicht öffentlich ausgeschrieben, sondern von der Magdeburger   Bau- und Kreditbank ausgeführt. Also von einer Gesellschafterin der Deutsch- Land". Bei der Qualität der Häuser dürften die Gewinne der Magdeburger  " etwas über einer halben Million Mark liegen. Aber tamen die Siedler und wollten sich beschweren, dann schnauzte man sie an: Was wollen Sie denn, Sie haben sich doch alles an gesehen, warum haben Sie denn gekauft?" Den größten Schimpf­bold, den Herrn Franz Rosenthal  , Prokurist nannte er sich, hat inzwischen sein verdientes Schickjal ereilt: Anfang dieses Jahres wurde er wegen Unterschlagung von Geldern der Deutsch­ Land  " zu einem halben Jahr Gefängnis verurteilt.

Natürlich bleiben derartige Borfommnisse nicht verborgen, ein Teil der Siedlerstellen ist bis heute un vertauft, obwohl die Anzahlung von 25 Proz., die noch die Ruhrumsiedler bezahlen mußten, auf 10 Proz. herabgesetzt worden ist. Insbesondere sind die sogenannten Krauterstellen zu je 28 Morgen größtenteils un­verfauft geblieben, man versuchte Geflügelfarmen daraus zu machen, aber Schenkenberg scheint unter einem unglücklichen Stern zu stehen.

Der Marsch zum Wohlfahrtsamt.

Garten den Siedlern verkauft worden war, mußte erst einmal Kulturboden gemacht werden. Stubben mußten gerodet, Lu pinen als Zwischenfultur gesät werden, aber Sand blieb Sand, der feine Feuchtigkeit halten wollte. Doch was reden wir von Feuchtig= teit, wenn wenigstens noch Wasser dagewesen wäre in Schenken­berg und der gleichgearteten Schwesterfiedlung Jeserig  . Im In den Tagen nach dem Einzug der Siedler fam die erste ersten Jahr, da zogen die Siedler mit einem Sandwagen auf den Enttäuschung: die ,, Deutsch- Land" erhöhte den Kaufpreis von ehemaligen Gutshof und schleppten das Wasser eimerweise auf die 12 700 m. um 600 m. auf 13 300 M. Die Ruhrumsiedler verwiesen Felder, ein Unterfangen gleich den Schildbürgern, die sich eine Kirche auf die Sigung in Bochum   und auf ihren unterschriebenen Bertrag, ohne Fenster gebaut hatten und nun das Sonnenlicht in Säcken auf­aber die Sigung war nicht protokolliert und die Originale der fingen und schnell in die Kirche trugen, um es in der dunklen Kirche Rentengutsverträge nirgends auffindbar; da war es für die auszuschütten. Aber so wenig die Kirche hell wurde, so wenig Deutsch- Band" sehr leicht, um die Weihnachtszeit 1927 aufzuwuchsen die Pflanzen ohne Wasser., Hundert Siedler liefen trumpfen: Wollen Sie die 600 m. nun zahlen oder nicht, font täglich nach dem Gutshof und peinigten die arme Pumpe, die fliegen Sie!" Nach langen Verhandlungen wurde die Nachzahlung soviel Wasser gar nicht hergeben fonnte und zu guter Leht verkauf von Eiern, Tomaten und Gemüse herausgeholt. Wasser, auf 500 m. erniedrigt, doch das schlimmste war: die 500 m. mußten ja uchte. Dann charterte irgendwer ein paar Jauchewagen, und| bar auf den Tisch gezahlt werden. Und die Siedler pumpten nun wurde den Siedlern das Wasser vom Gut vor das Haus ge­von neuem Gott und die Welt an. fahren, wo diese es einteilten, zum Gießen und zum Trinken, immer aus den alten Jauchefässern. Die Siedler hätten allenfalls noch die Fässer ertragen, wenn es nur Wasser in genügender Menge gegeben hätte, aber bei den Tropfen, die sie buchstäblich nur aus­sprengten, vertrodneten die mühselig angelegten Kulturen.

Inzwischen bejahen sich die Siedler ihre Häuser und schüttelten morgens und abends den Kopf über die Versprechungen, die man ihnen in Bochum   gemacht hatte. Da standen wohl Häuser, aber mit Lehmmauerwert, mit Sandstakung, mit einem Fundament aus Kalt

Es liegen jetzt drei Jahre Siedlungserfahrung vor. Wir wollen für diese Zeit die 3 wischenbilanz eines Ruhrumsiedlers auf­machen. Von Juni 1927 bis Ende 1928 hat er in seinen Betrieb 4214 m. plus 1000 m. Einrichtungskredit gesteckt, seine Einnahmen betrugen... 203,38 m.! Dabei arbeiteten der Siedler und seine Frau und die beiden erwachsenen Söhne außerhalb als Handwerker, und nur, weil sie beide ihren ganzen Verdienst in den Betrieb des Vaters steckten, ließ sich dieser aufrecht erhalten. 1929 wurden 2013 M. in den Siedlungsbetrieb gesteckt und 708 M. aus dem Ver­Wasser!" heißt der Notschrei aller Siedler. In diesem Jahre haben es die Siedler mit Erdbeeren versucht, 80 Proz. der frischen Anpflanzungen find zugrunde gegangen. Mit dem Einwand, die Gärtnerei sei heute eine Wissenschaft und die Siedler wären feine Fachleute, fommen wir auch nicht weiter. Die beiden ersten Siedler waren gelernte Gärtner, der eine aus Potsdam  , der andere aus Sachsen  . Der eine hatte seine Hoffmung auf ein Gurtentreib­

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