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Morgenausgabe

Rr. 445

A 224

47.Jahrgang

chentlich 85 Bt. monatlich 8,60 2. im poraus zahlbar, Boftbezug 4,32 m. einschließlich 60 Pfg. Postzeitungs- und 72 Bfg. Boftbeftellgebühren. Auslands abonnement 6,- M. pro Monat. *

Der Bormärts erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abenbausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Bolt und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Frauenftimme, Technit"," Blid in bie Bücherwelt Jugend- Borwärts"

und Stadtbeilage

Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Dienstag

23. September 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einfpaltige Nonpareillezeile 80 Pfennig. Reflamezeile 5,- Reichs mart. Kleine Anzeigen" das fettge brudte Wort 25 Pfennig( zuläffig zwei fettgebrudte Borte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmartt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 0 Pfennig. Anzeigenannahme imHaupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr,

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Young- Anleihe stürzt weiter Der Del 3mperialismus.

Wachsender Pessimismus im Ausland.

Amsterdam , 22. September. ( Eigenbericht.) Die große Erschütterung der Young An Teihe auf der heutigen Amsterdamer Börse , wo der Kurs bis auf 74% Proz. zurücklief, wird in den Amster damer Abendblättern lebhaft besprochen.

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Der ,, Telegraaf " sieht darin im Zusammenhang mit den erlittenen großen Verlusten eine Erschütterung des deutschen Kredites. Allgemein ist die Auf­fassung, daß der Wortlaut der deutschen Regierungs. erklärung, wonach jeder Versuch einer Störung der öffentlichen Ordnung leicht unterdrückt werden könnte, wenig glücklich formuliert sei, da daraus entnommen werden müsse, das immerhin mit der Möglichkeit einer Störung der öffentlichen Ordnung gerechnet wer den könne.

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Am Vorabend der Reichstagswahlen, am 11. Sep. tember, wurde die Young- Anleihe in Amsterdam mit

82% notiert.

( Siehe auch den Wirtschaftsteil der 2 Beilage.) England hat fein Bertrauen zu Brüning.

London , 22. September. ( Eigenbericht.) Deutsche Minister haben der ausländischen Presse beruhi gende Intermiems über die Lage in Deutschland gegeben, Gleiches geschieht durch die amtlichen Stellen in Eng: land und sogar ein Leitartitel des Daily Herald

mahnt am Dienstag die mit Deutschland verflochtenen Wirtschafts.

freise zur Ruhe.

Hifler sei eher ein Boulanger als ein Muffolini und da die Bölkischen im Reichstag nur 20 Proz. der Stimmen be­fäßen, sei die gegenwärtige Banif verfrüht. Wenn die deutsche und preußische Regierung ihre Pflicht erkenne, sagt das Organ der Labour- Party, ist kein Zweifel, daß fie mit jedem Putsch- und Staats­ffreichsversuch fertig werden können. Allerdings, fügt der Daily Herald" hinzu, sollte der Sturz der deutschen Wertpapiere jenen deutschen Gentlemen eine Lehre sein, die die völtische Bewegung finanziert und dadurch ein Spiel getrieben haben, daß fie eine Gefahr für diese Geldgeber selbst geworden ist. Alle die deutschen und englischen Beruhigungsversuche haben leider nur was eine Beunruhigende, daß fie

"

im Publifum nicht geglaubt werden. Der neue Sturz der deutschen Wertpapiere beweist es, und nicht einmal die englischen Zeitungen in ihrem poli tischen Teil glauben an die Beschwichtigungsversuche. Die Times" magnt ebenfalls in ihrem wirtschaftlichen Zeil zur Besonnen­heit, im politischen Teil ist es jedoch anders zu lesen. Heute ist es in England so, daß die Erklärungen deutscher Minister abgetan und taum gehört merden. Hingegen füllt zum Beispiel am

Republik werde hart!

Ein Aufruf des Reichsbanners. Magdeburg , 22. September. ( Eigenbericht.) Die Führung des Reichsbammers Schwarz- Rot- Gold erläßt folgenden Aufruf nach den Wahlen: Wieder wie in den Jahren vor der Gründung des Reichs banners Schwarz- Rot- Gold sehen möchte- Gern- Diftatoren ihre Zeit für gekommen, weil die politisch Unmündigen und unvernünftigen wähnen, es sei möglich, durch Schwenken der Fahne des Aufstandes wider die demokratische Republif die graue Not der Arbeitslosigkeit und Weltwirtschaftskrise aus Deutschlands Grenzen zu verscheuchen. 3ertrümmerung der Staatsform von heute fann die wirtschaftliche Not nicht mildern, fann fie nur ins Ungewisse steigern. Nicht Milderung, sondern Festigung der Staats­autorität ist das Gebot der Stunde. Die republitanisch­Demokratischen Kräfte Deutschlands find berufen, die Staats gemalt zu bilden, die in planmäßiger Arbeit gegen die Wirtschafts­not antämpft, von allen Opferfähigen jene gewichtigen und über­zeugenden Opfer für den Staat erzwingt, die der Not und den Entbehrungen entsprechen, die in den Kriegs- und Nachfriegsjahren von den breiten besiglosen Massen des deutschen Boltes ertragen werden mußten. Bir fordern von den republikanisch- demokratischen Barteien, daß sie in kürzester Frist eine Regierung bilden, die zur Sicherung des inneren und äußeren Friedens durch rücksichtslosen Einjazz aller Machtmittel dem Staatswillen Geltung verschafft, eine Regierung, die entschlossen ist, gegen Aufrührer und Aufwiegler auch die Hilfe und Unterstügung staatswilliger Bürger aufzubieten. Bir mollen Deutschland nicht zum Experimentierfeld für Staatsstreichlüſterne und Bürgerkriegsgarden werden lassen. Auf Die Untlagebant als Staatsverbrecher gehören Abgeordnete von Reichs und Bänderparlamenten, gehören die Beamten, bie fich vom

Montag die Rede eines Goebbels zwei Spalten des Daily Telegraph " und dies in einer Aufmachung, daß auch der letzte Leser erkennen muß, wie wichtig diese politische Bewegung in den amtlichen Kreisen Englands genommen wird,

wie wenig Autorität die gegenwärtige deutsche Regierung im

Ausland besitzt,

und wie schwach der Glaube an sie geworden ist. Gerade die wich tigste englische Zeitung, die ,, Times", hat sich bisher am wenigsten­aufgeregt gezeigt. Am heutigen Montag veröffentlicht sie aber einen aufgeregt gezeigt. Am heutigen Montag veröffentlicht sie aber einen spaltenlangen Bericht über Deutschland , der in Berlin zu denken Anlaß geben sollte. Immer noch nicht, heißt es in diesem Artikel, Anlaß geben sollte. Immer noch nicht, heißt es in diesem Artikel, habe sich das über Deutschland lagernde Dunkel gelichtet, und mit den negativen Versicherungen der deutschen Regierung und ihrer Minister sei nichts getan und nichts anzufangen. Eine arbeits. fähige Regierungsmehrheit sei nötig, aber die Mittel parteien hätten bis jetzt die Lehre des Wahlresultats nicht begriffen. Was bedeutet das zufriedene Lächeln des Reichs fanzlers, fragt der Artikel, und was verbirgt er in seinem Rod armel. Wird sich Hitler zufrieden geben, wenn seine Ansprüche auf einen Ministerfit fehlschlagen? Den beruhigenden Erklärungen stünden andere Beobachtungen entgegen, die auf die Butsabsichten der Bölkischen schließen lassen und im zu sammenhang damit verweist die ,, Times" auf die nationalsozialistische Bellenbildung innerhalb der Reichswehr .

Bei dieser Gelegenheit muß auch einmal die, deutsche, Regierung an den in Deutschland herrschenden Antisemitismus er innert werden. Das christliche England verabscheut diese Juden­hehe nicht weniger, als es die angelsächsischen Juden tun. Täglich berichten und entsetzen sich die englischen Zeitungen, aller Parteien über diese Kulturschande, die dem Namen und den Interessen Deutschlands in diesen Wochen außerordentlich Abbruch getan hat. Ein Blatt, wie der Daily Herald", das Organ der Arbeiterpartei, sagt darüber in einem Leitartikel: In Deutschland ist wieder eine vergangene 3eit lebendig geworden, die zu den verächtlichsten Zeiten der Weltgeschichte gehört. Wie groß auch die zivilisatorischen Fähigkeiten der Deutschen sind, ein Teil ihrer Nation ist noch tief im Barbarismus ver­ftridt". Was das Ausland bei allen diesen deutschen Buständen am meisten beängstigt, ist nicht Deutschland allein, die große Be fürchtung ist, daß

in Zentraleuropa ein neuer Brandherd im Entstehen begriffen ist, der ganz Europa in Flammen sezen tann. Die englischen Bolitiker sehen die Rüdwirkungen der deutschen innerpolitischen Ber­hältnisse auf Frankreich . Der Sturz Briands und die Rückkehr Poincarés merden hier in sehr ernst zu nehmenden Kreisen bereits als Möglichkeiten bewertet, mit denen zu rechnen sei. England, das nur den einen Wunsch hat: Frieden, sieht den Frieden bedroht und sieht sich dadurch wieder in die europäischen Händel gezogen, von denen es nichts mehr wissen will.

Staat bezahlen laffen, um die Staatsgemalt zu unterhöhlen und zum Zusammenbruch zu bringen. Ein Staatsverbrecher, der die Staatsgewalt den Staatsfeinden in die Hände spielt!

Gegen die Staatsverächter und Staatsverderber fegen wir unferen unbeugsamen Willen zum Staat von Weimar . Die in Magdeburg versammelten Bundes und Gauführer des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold rufen allen Kameraden, allen Republikanern zu: Baßt fanatischen Staatswillen aufflammen in allen Gauen Deutschlands . Hinweg mit allem, was vor und wäh­rend des Wahlkampfes die Republikaner getrennt hat. Hinweg mit den Fahnen des Aufruhrs und des Bürgerkrieges aus den Städten und den Dörfern. Noch einmal gilt es Tritt gefaßt und Bahn frei für die Fahne schwarzrotgold, die Flagge der Republif, die Fahne der Freiheit und des Friedens.

Magdeburg , den 21. September.

Bundesrat und Bundesleitung des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold". J. A.: Otto Hörsing .

Kursstürze in New York .

Wieder ein schwarzer Tag/ 1 Milliarde Dollar Kursverlufte

An der New Yorker Effektenbörse gingen am Montag über eine Milliarde Dollar durch wilde Berkäufe verloren. Die Kurse brachen in jeder Branche vollständig zusammen und Tausende von

Affien wurden als völlig wertlos abgestoßen.

Reichstagspräfident Cöbe in Berlin . Heute früh trifft Reichs­tagspräsident Genoffe Löbe, der in Bad Mergentheim zur Kur weilte, in Berlin ein, um notwendige Borarbeiten für die tommende Reichstagsfeffion einzuleiten. Er wird am Mittwoch zur weiteren Durchführung seiner Rur wieder nach Mergentheim zurüdtehren.

Streit um die Petroleumfelder.

Haifa , im September.( Eigenbericht.)

In der gleichen Zeit, in der Rußland die einer besseren Sache würdigen Anstrengungen macht, um im Mittleren Dften alle Teufel loszulaffen, bleiben auch die Amokläufer auf der englischen Seite der Barrikade nicht müßig Die Kontrolle der Labourregierung legt den englischen Chauvinisten immer­hin eine gewisse Zurückhaltung auf, aber hinter den Kulissen Sturz der Arbeiterherrschaft in Kürze bevorsteht und sie find sie von erstaunlicher Geschäftigkeit. Sie glauben, daß der schnell als möglich zur Ausführung bereit zu haben. wollen für diesen Zeitpunkt gerüstet sein, um ihre Pläne so

Der Ausgangspunkt und das Ziel der augenblicklich im Gange befindlichen Offensive der Kolonialtories ist das Petroleum von Mosul . Die Dellager des Jrat find seit Kriegsende der Gegenstand eines ewigen Gezänts zwischen den Petroleumfürsten der Erde, ohne daß es bisher geglückt ist, den Streit auf einer vernünftigen Grundlage beizulegen. Es ist schwer, sich in diesem Labyrinth persönlicher Rivali­täten zurechtzufinden, in die sich noch ein gut Teil als wirt­schaftliche Notwendigkeiten etikettierte Spekulation hinein­mischt. Daher wechselt in diesen Auseinandersetzungen die Front der Freunde und der Gegner unaufhörlich, denn in der Petrolumpolitik gilt nur das Gesetz des größten Augena blidsporteils, das das von Treu und Glauben ganz ausschaltet. Daher wird es verständlich, wenn in der Mosful­frage der Begriff der nationalen Belange feine Rolle spielt. hier stehen sich als erbitterte Rivalen nämlich zwei englische Konzerne gegenüber: die Royal Dutch u. Shell und die British Oil Development Company. In der Politik der beiden Gesellschaften spiegeln sich die Kräfte wider, die augenblidlich in der englischen Wirtschaft um die Macht ringen. Hierbei repräsentiert die Royal Dutch den alten Typus englischer Geschäftsmethoden, die zwar einen Einfluß auf die Politit gelegentlich nicht verschmäht, deren Prinzipien in der Hauptsache aber durch kaufmännische Gesichtspunkte bestimmt werden.

Die British Dil Development Company ist ein Produkt der Nachkriegszeit. In ihrer Leitung sizen ehemalige Militärs und Staatsbeamte mit Industriellen und City­bankiers zusammen, deren Stern erst im Kriege aufgegangen ist. Ihr Denten bewegt sich noch völlig in der Ideologie des goldenen Zeitalters der Heereslieferanten und für sie ist eine Wirtschaft nur in Verbindung mit einer Militärverwaltung denkbar. Deshalb bildet die Notwendigkeit der friegerischen Bereitschaft Englands gegen Rußland im Mittleren Osten das ausschlaggebende Moment in den Kalkulationen der British Dil. In ihrem Aufsichtsrat fizen nämlich als Vor­figender Admiral Sir Henry Wemyß, der Vorsitzende des englisch - russischen Petroleum- Schiedsgerichts, Sir John Berry, der frühere Kommandant des zur Annexion der kaukasischen Delfelder nach Baku entsandten britischen Erpeditionsforps neben Finanzleuten, Reedern und Industriellen mit ausge­prägt neo- imperialistischem Einschlag.

Die Politik der Gesellschaft geht dahin, den Einfluß der die Shell vertretenden Irat Petroleum Company zurüdzu drängen. Als Argument für die Notwendigkeit ihrer Eristenz hat sie auf ihr Programm möglichst raschen Beginn der Pro­duktion geschrieben, während die Jrat Betroleum ihre iraki­schen Betriebe einzuschränken sucht. Sie begründet diese Tattit mit der augenblicklichen Ueberfättigung des Welt­marktes, während ein nicht weniger triftiger Grund darin besteht, daß die persischen Borfommen bis zur Beendigung der Verträge möglichst ausgiebig ausgeschlachtet werden sollen.

Als Beweis für ihre Theorie führt die British Oil ins Treffen, daß nichts weniger als die Sicherheit des Empire. von der sofortigen Erschließung Moffuls abhänge, da das Petroleum des Jrat für die Beriorgung der englii.nen Mittel­meerflotte unbedingt erforderlich sei. Im Zusammenhang da­mit mird der Gedanke der Pipeline nach Haifa und der Bahn­linie Haifa - Bassorah propagiert, denn die Bäter dieser Idee spekulieren nicht allein auf das irakische Del sondern auf die in leßter Zeit entdeckten Borkommen an Gold, Blei, Asphalt und Zement.

Neben der Unterstützung der bereits völlig auf die Not­wendigkeit einer friegerischen Auseinandersegung mit Ruß­ land festgelegten Militärs erfreuen sich die Konkurrenten der offiziellen englischen Petroleumgesellschaft der Protektion. König Faisals, dem angeblich nichts mehr am Herzen liegt als die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung seines Reiches. In Wirklichkeit ist Faisal ein würdiger Nachfahr der Diplomatischen Schule Abdul Hamids, in der er auch groß geworden ist. Auch in diesem Falle laviert er geschickt amischen den beiden Antagonisten mit dem wichtigsten Ziel, seine Privatfasse zu füllen und mit dem Abfall an ,, royalties", der Abgaben für die Konzessionserteilung, der Finanzklemme feines Staates abzuhelfen.

In diesem Stellungskampf ist die British Dil auf einen genialen Trid gekommen. Sie hat den Versuch gemacht, eine