Rr. 447 47. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Enquete widerlegt Schnapsbarone
Reform des Branntweinmonopols- Konsequenzen für die Finanzpolitik.
Mittwoch, 24. Geptember 1930
schaftlichen Brennrechts um über 40 Proz., wie sie nunmehr als zweifellos möglich gelten muß, eine Senkung des Branntweinübernahmepreises auf den Preis, der für die wirklich brennereibedürftigen Güter ausreichend ist und nicht mehr einen Sondernutzen auch für die Betriebe in sich schließt, die auch ohne Brennerei bei guter Bewirtschaftung ein gutes Auskommen finden können, die volle Ausnutzung der vorhandenen billigen Spirituserzeugungs
Die Berichte des 3 meiten Unterausschusses der großen| Struktur der deutschen Branntweinwirtschaft besteht, wird danach möglichkeiten in der Industrie fönnen insgesamt zu einer Jahres. Wirtschaftsenquete bemühen sich in der Regel, Rechtfertigungen nicht mehr bestritten werden können. unserer amtlichen Agrarpolitik zu liefern oder eine weitere Aus= dehnung des deutschen Agrar protettionismus zu fordern. Oft genug sind sie mit mangelnder Sorgfalt gearbeitet. Für zah!- reiche, mit großer Sicherheit gefällte Urteile bleiben sie den Beweis schuldig, und die Belegung des Berichtsinhalts durch Sachver ständigenaussagen ist beinahe immer mehr als dürftig.
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Aus dem Rahmen dieser Arbeitsmethoden des agrarischen Aus. schusses fällt ein Bericht heraus, der joeben veröffentlich: worden ist und in dem als zweiter Teil eines Gesamtberichts über die Verwertung der deutschen Kartoffelernte die Kartoffelfärkeindustrie und die Kartoffelbrennerei behandelt werden. Sowohl bei der Stärkeindustrie wie bei der Brennerei wurden umfangreiche Enqueten veranstaltet. Besonderes Intereffe verdient die Brennereierhebung. Mit dieser Erhebung wurde auf Veranlassung des Genossen Dr. Baade, der sich seit langem erfolgreich um die Aufdeckung des
Mißbrauchs des staatlichen Branntweinmonopols durch die großagrarischen Intereffenten
bemüht, festzustellen versucht, ob die alte Behauptung der Ruznießer der gegenwärtigen deutschen Branntweinwirtschaft zutrifft, daß ihre Subventionierung aus betriebswirtschaftlichen Grüns den ein dringendes Erfordernis der Landeskultur im allgemeinen, der Kartoffelwirtschaft insbesondere sei. Im wesentlichen besagt diese Behauptung in ihrem ersten allgemeinen Teil, Daß auf den leichten Böden des deutschen Ostens erst die Brennerei den Kartoffelbau ermögliche, da die Kartoffeln anders nicht vermertet werden könnten. Ferner wird behauptet, daß das Abfallprodukt der Brennerei, die Schlempe, als Futtermittel allein auf diesen Böden die Aufrechterhaltung eines ausreichenden Biehstandes und damit eine ausreichende Düngung des Bodens ermögliche, die ihrerseits wieder Voraussetzung für den landwirtschaftlichen Betrieb überhaupt sei. Ohne die Kartoffelbrennerei sei auf diesen Böden überhaupt feine landwirtschaftliche Nutzung möglich.
Diese Behauptungen find eine Legende.
Daß diese Argumentation nicht 100prozentig zutreffen kann, ist seit langem bekannt und unbestritten. Denn es steht fest, daß erstens in Ostdeutschland im allgemeinen der Großbetrieb nicht die schlechtesten Böden bewirtschaftet, sondern im allge meinen die Bauern auf sie abgedrängt hat. Dies war zum Beispiel ausgesprochen die Tendenz der Bauernbefreiung des 19. Jahrhunderts. Brattisch tommt zweitens das Recht, Branntwein herzustellen, faft ausschließlich Großbetrieben zugute. Die Mehrzahl der landwirtschaftlichen Betriebe auf schlechtem Boden besteht also Her Linie dem Großbetrieb zugeohne Brennerei. Daß sie in erster Linie dem teilt ist, erweist der Enqueteausschuß mit größter Deutlichkeit. Durch seine Erhebung wurden in Ost- und Mitteldeutschland 1641 landwirtschaftliche Großbetriebe erfaßt, die 81 Proz. des gesamten land. wirtschaftlichen Brenntechts dieser Bezirke besitzen. Nach Größenflaffen geordnet verteilen fie fich folgendermaßen:
Landwirtschaftliche
Mutfläche
unter 100 ha
•
•
100
200 ha
200
300 ha
300
400 ha
400
500 ha
500-600 ha
600-700 ha
700-800 ha
800-900 ha
900-1000 ha
1000-2000 ha
über 2000 ha
Zahl der Brenneret- Betriebe
2 277
143
243
323
230
201 147
96
78
140 11
Der Ausschuß gliedert in seinem Bericht die Brennereibetriebe in 8 große Klassen, je nach der Dringlichkeit, mit der ihre Wirtschaft des Brennereibetriebes bedarf. Die Gruppen A und B umfassen Zuckerrübenwirtschaften, die über guten Boden und reich liche wirtschaftseigene Futtermittel in den Rübenblättern und Rüben. schnigeln verfügen. Die Gruppe C umfaßt Güter mit gutem Wiesenverhältnis und verhältnismäßig umfangreichem Heejähigen Boden, die ebenfalls eine ausreichende Futterbasis aufweisen. Gruppe H umfaßt Güter mit geringem Boden und schlechtem Wiesenverhältnis. Die Gruppen D- G umfassen Betriebe, die nach Bodenqualität und Wiesenverhältnis zwischen C und H stehen.
Die
mehreinnahme für das Reich von 100 Mill. Mart führen, ohne daß eine weitere Belastung des märe. Außerdem Trinkbranntweins notwendig würden aber die Hemmungen für eine erhöhte Besteuerung des Schnapses fortfallen, die bewirkt haben, daß in Deutschland der Trinkbranntwein mit einem Bruchteil der englischen Belastung bes steuert wird. Eine Finanzreform, die an dieser großen Einnahmemöglichkeit vorbeigeht, wäre Stümperwert. Sie würde dem Eigenlob widersprechen, das sich seit etwa 9 Monaten die bürgerlichert Reichsfinanzminister in so reichem Maße spenden.
Träfe die übliche Theorie zu, daß die Brennerei auf den schlechten Luther fährt nach New York . liches Erfordernis sei, so müßte das Schwergewicht der Brennerei in Beruhigung auf den Börsen fortgesetzt.- Kurs der Youngden Betrieben der Gruppe H der schlechten Böden liegen. Tatsächlich entfallen auf fie
dagegen
"
Grenzmart
"
Schlesien
Mitteldeutschland
"
Brennrecht ber erfaßten Betriebe
2,4 Proz 32,2
6,8
16
5,6 4,1
Anleihe besser.
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Der Reichsbanfpräsident Dr. Luther mill, wie gemeldet wird, innerhalb der nächsten acht Tage eine andere Meldung spricht von der zweiten Oktoberhälfte eine Reise nach New York antreten. Als Grund für die Reise wird ein noch ausstehender Antrittsbesuch bei der Bundesreservebank in New York angegeben; die New- Yorker Bundesreservebant sei die letzte der großen Notenbanken, die der Reichsbantpräsident seit seinem Dienstantritt noch nicht besucht habe. Die Vermutung liegt nahe, daß es sich nicht nur um einen
auf die zweifellos nicht brennereibedürftigen Gruppen A- D 5öflichkeitsaft handelt, sondern auch um die Wahrnehmung ( beffere Böden mit reichlich Futtermitteln)
Brennrecht der erfaßten Betriebe
48,4 Proz.
"
Grenzmart
11,8
"
42,5
"
Brandenburg
23,6
"
46,4
"
70,0
Im Freistaat Sachsen und in Süddeutschland liegen die betriebs. wirtschaftlichen Voraussetzungen in den Brennereibetrieben noch trasser als selbst in Mitteldeutschland .
und Förderung der Kapital- und Kreditinteressen des Reiches in bestimmter Richtung. Im gegenwärtigen Augenblid fönnte ein solcher Besuch nüßlich sein. Es ist zu hoffen, daß Dr. Luther bei dieser Gelegenheit auch die Kapitalbeschaffung besonders für öffentliche Betriebe fördert, die eine der wichtigsten Voraussetzungen zur leichteren Ueberwindung der deut schen Wirtschaftskrise ift..
Die Lage auf der Berliner Börse ist gestern im weiteren Die in den ersten Berlauf noch freundlicher geworden. Stunden verzeichneten Kursabschläge verwandelten sich fast auf der ganzen Linie in Kursgewinne, die freilich in engen Grenzen blieben. Es sah so aus, als ob die ausländischen Berkaufsanträge Im übrigen ergab die Enquete hinsichtlich der angeblichen wirtmit einer Beruhigung der Deffentlichkeit in den wichtigsten interschaftlichen Vorzüge der Brennereibetriebe mit größter Schlüssigkeit nachgelassen haben. Die Besserung der Lage hängt wahrscheinlich nur, daß in ihnen der Kartoffelanbau größer ist als in vergleich nationalen Börsenplätzen zusammen. So sollen insbesondere die baren landwirtschaftlichen Betrieben, die nicht mit einer Brennerei New- Yorker Banken von ihren europäischen Vertretern und von ausgestattet sind. Was die Kartoffelverwertung betrifft, stellt sich deutschen Bankhäusern beruhigendste Versiche. heraus, daß die Brennerei zur Verwertung der Kartoffelernte wesent- rungen" erhalten haben. In London ist der Kurs der Young. lich überhaupt nur in den Ueberschußprovinzen Grenzmar, Anleihe wieder um 1% auf 78% Broz. gestiegen, nachdem Bommern, Brandenburg und Schlesien beiträgt man fann die vorgestern der Tiefpunkt von 77 gegenüber 83% Broz. bald nach Entlastung des Kartoffelmarkts durch sie auf rund 600 000 Tonnen den Wahlen erreicht worden war. Auch die Kurse der Dawes jährlich schätzen, daß aber die Brennerei als Berwertungsfaktor Anleihe und der 6prozentigen Berliner Anleihe haben sich geder Kartoffelernten in den letzten 50 Jahren immer werfloser wurde, bessert. Aus New York wird gemeldet, daß trotz der schwachen da ihr die Anpassungsfähigkeit an den Ausfall der Kartoffelernten Haltung der deutschen Anleihekurse eine dreimonatliche Schahnoten. geraubt und das Entstehen von Brennereien in den brennereianleihe des Freistaates Bremen im Betrage pon einer Million Dollar überzeichnet worden ist. Die Jahresverzinsung von bedürftigen Betrieben verhindert worden ist. 9 Proz.(!) dürfte hier allerdings der Hauptreiz gewesen sein.
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Wer erwartete, daß der Enqueteausschuß aus seinen Fest stellingen, die ein vernichtendes Urteil über die deutsche Branntweinwirtschaft in sich schließen, die Konsequenz zöge, ihre Reform zu fordern, würde aber irren. Dieser Ausschuß, der sich sonst an mangelhaft begründeten agrarpolitischen Forderungen nicht genug tun tann, verzichtet auf jede Auswertung der Ergebnisse seiner Brennereienquete. Er hat damit wenigstens erreicht, daß fie bisher in der Deffentlichkeit bei weitem nicht die Aufmerksamkeit gefunden hat, die sie verdient, wird aber auf die Dauer nicht verhindern können, daß die Reformbedürftigkeit des Branntweinmonopols, anerkannt und durch seine Feststellung als bewiesen gelten wird.
100 Millionen mehr fürs Reich.
Die Konsequenz für die deutsche FinanzDaß ein spezifisch großagrarisches Interesse an der gegenwärtigen politit liegt auf der Hand. Eine Berringerung des landwirt.
Interessant ist die Frage, auf Grund weicher Infor. mationen die deutschen Banken in New York ,, beruhigendste Es ist denkbar, daß den Erklärungen" haben abgeben können. Banten vom Reichskanzler Erklärungen über die von der Reichs regierung beabsichtigten Politik gegeben wurden, die der Beffent lichkeit vorenthalten werden.
Bemerkenswert ist eine neuerliche Verschärfung der Lage auf dem deutschen Geldmartt. Der Privatdiskontfatz ist gestern wieder um auf 3% Proz. erhöht worden, was in wenigen Tagen eine Erhöhung um ein halbes Prozent bedeutet. Der Reichsbankausweis vom 22. September, der wohl morgen veröffentlicht wird, und noch mehr der von Ende September, der über die Ultimospannung des Geldmarktes Zeugnis ablegt, wird. auch für die mögliche Distonterhöhung die Dinge flarer erscheinen lassen.
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