Der Abend
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Nr. 448
B 223
47. Jahrgang
66 Anzeigenpreis: Die einfpaltige Nonpareillegeile
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Emigrantenschicksal in den Hochalpen
Auf der Flucht vor der Faschistenmiliz gefaßt
Baris, 24. September. ( Eigenbericht.)
Die raditale ,, Republique" berichtet von einem neuen italienischschweizerischen Grenzzwischenfall. Eine Karamane von 20 Jtalienern hatte am Breithornjoch in der Nähe von Zermatt bereits die Grenze überschriften, als fie von einer italienischen Militärpatrouille entdeckt wurde. Trok lebhafter Proteste zweier franzöfifcher Bergsteiger und zweier Schweizer Bergführer aus Zermatt machten sich die italieniichen Soldaten zur Verfolgung auf und erreichten die Flüchtigen cach nach langer Jagd. Nach einigen Schrechschüssen wurden bie Emigranten zum Stehen gebracht und nach mühsamem, ffundenlangem Marsch wieder auf italienisches Gebiet zurüdgeschleppt. Obwohl die Unglücklichen, unter denen sich drei Frauen und ein halbwüchiger Knabe befanden, äußerst erschöpft waren, mußten sie mit Seilen gefesselt den Rückmarsch nach der nächsten Polizeiwache antreten.
Weber 100 Fischerboote vermißt
Zur Sturmfatastrophe an der bretonischen Küste. Die Sturmtatastrophe, die die brefonische Küste in den letzten Tagen heimsuchte, hat weit mehr Menschenleben gefordert, als bisher angenommen wurde. Ueber 100 fleine Fischer. boote werden noch vermißt. Die Satastrophe hat am Dienstag bereits den Generaltat des Departements Finistere beschäftigt, der den betroffenen Familien als erste und dringende Nothilfe einen Kredit von 25 000 Franken bewilligte. Das Marineminifterium hat vier Torpedoboote und zwei Kanonenboote in die Gegend von Concarneau entsandt.
Immer wieder treffen französische Fischdampfer ein, von denen ein oder zwei Mann fehlen, die während des Sturmes über Bord geschwemmt wurden. In allen größeren und fleineren Ortschaften der Küste warten Frauen und Mütter auf die Rückkehr ihrer Angehörigen. Der Materialschaden, der durch die Zerstörung der Boote und der Strandanlagen entstanden ist, wird auf über 16 Millionen Mart geschäht. Für viele der heimgekehrten Fischerboote war es die lezte Ausfahrt, da die Beschädigungen zum Teil so schwerer Natur sind, daß eine Ausbefferung die Untoften nicht lohnen würde. Die Thunfischer von Concarneau , von denen eine große Flotille bei Einsetzen des Sturmes auf dem offenen Meer fischte, hat insgesamt 18 Todes= opfer zu beklagen. Aus der Umgebung von Lorient werden 80 Matrosen und Fischer vermißt. Sie dürften alle ums Leben gekommen sein.
Gegen Fricks Koalitionsverbot. Austritt der thüringischen Polizeibeamten aus dem ADB.
München, 24. September. In der Schlußfihung der Driften Bundestagung des Allgemeinen Deutschen Beamtenbundes am Dienstag wurde mitgeteilt, daß wegen des Berbots des thüringischen Polizeibeamtenverbandes Berhandlungen mit dem thüringischen Minifterium geführt worden find. Die Verhandlungen find jedoch ergebnislos verlaufen, so daß das Verbot bestehen bleibt. Der Polizeibeamtenverband hat daraufhin seinen Austritt aus dem Allgemeinen Deutschen Beamtenbund erklärt.
Die Bundestagung legte in einer einstimmig angenommenen Entschließung gegen das Berbot des thüringischen Minifteriums Verwahrung ein, unter Hinweis auf die entsprechenden Bestimmungen der Reichsverfassung. Sofern bis 1. Oftober feine Erflärung aus Weimar vorliegt, will der Bundesvorstand auf dem Rechtsweg die Aufhebung der Berbotsverfügung er
wirken.
Börse beruhigt sich weiter.
Die Banfenerklärungen in New York haben gewirkt. Die in New Yort von deutschen Banken über die politische Lage abgegebenen beruhigenden Erklärungen haben die Verkäufe des Auslandes abgebremst. Jedenfalls maren auf der heutigen Börse die Berkäufe sehr zurückgegangen und es machten sich sogar bei kleinen Raufaufträgen gewisse Kursbesserungen geltend.
Auch auf dem Geldmarkt hat sich die Anspannung etwas verringert. Die Banken haben für das Monatsende unter dem Eindruck der Aufregungen der vorigen Woche fo start vorgesorgt, daß jezt wieder reichlich Geld bis zum Ersten frei ist. Der Zinssag für tägliches Geld ging infolgedessen zurück. Nach Frankreich dürften aber noch Kreditrückzahlungen erfolgen. Es werden immer noch Dollars verlangt, die zur Rückzahlung französischer Kredite in Franten umgetauscht werden.
6½ Prozent!
Alarmierende Gerüchte über die Arbeitslofen- Beiträge.
Die Mitglieder des bisherigen Reichsfabinetts tagen. Sie sind am Dienstag zusammengetreten, um, wie es heißt, ihre finanziellen Sanierungspläne zu beraten. Diese Verhandlungen sind aber sogar in dem kleinen Gremium so schwierig, daß sie zunächst auf heute nachmittag verschoben wurden, zweifellos aber noch mehrere Tage andauern werden, bis die Pläne soweit abgerundet sind, um dem neuen Reichstag als Unterlage für fachliche Entscheidungen vorgelegt zu werden.
Das einzige, was aus dem Dunkel der Kabinettssigung an die Deffentlichkeit dringt, ist das alarmierende Gerücht, es sei beab
Aus dem Inhalt:
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Wessels Freundin sagt aus Naziführer als Hochverratszeugen Sozialdemokraten und Kommunisten in den Wahlkreisen Mord bei Walzermusik Dreisprachiges Land Selbstgebaute Faltboote
Edelpenner am Kurfürstendamm
C
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Wiens Kampf gegen die Jugendselbstmorde Seite 8
sichtigt, die Beiträge für die Arbeitslosenversiche rung auf 6% Proz. des Lohnes zu erhöhen. Das wäre ein so ungeheurer Sprung, daß man wirklich noch an der Richtigkeit dieses Gerüchtes zweifeln möchte. Indessen ist noch allem Vorangegangesich in Erinnerung zu rufen, was war und was iſt. nen nichts mehr unmöglich. Deshalb ist es zweckmäßig, noch einmal
Die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslcsenversicherung war zunächst mit einem Beitrag von 3 Proz. des Lohnes ausgestattet. Man rechnete damit, daß dieser Beitrag ge nügen würde, um 725 000 Arbeitslose dauernd zu unterstützen. Aber schon im Jahre 1928, dem zweiten des Bestehens der Arbeitslosenversicherung, mußten im Monatsdurchschnitt 866 000 arbeitslose Versicherte unterstützt werden, so daß die Ausgaben die Einnahmen bereits erheblich überstiegen. Die im Gesetz vorgesehenen Darlehen
des Reichs im Notfalle brauchten 1928 aber nicht in Anspruch ge
nommen werden, da aus dem ersten Jahre der Versicherungstätig
feit ein Notstock von 150 Millionen Mark angesammelt war.
Anders wurde es jedoch im Jahre 1929. Die steigende Wirtfdjaftsfrise warf immer neue Scharen in die Erwerbslcsigkeit. Im Menatsdurchschnitt mußten bereits 1,274 Millionen Versicherte unterstützt werden. Die Folge war, daß das Jahr 1929 mit einer Unterbilanz von 318,8 Millionen abschloß. Um diese Summe zu decken, mußte der vorgesehene Reichskredit in Anspruch ge
nommen werden. Schon im Laufe des Jahres war die Notwendig. keit, die Reichsanstalt sicher zu finanzieren, immer flarer geworden. Die bürgerlichen Parteien des Reichstags unter Führung der scharfmacherischen Volkspartei drängten, unterstützt von einem inspirierten Pressesturm, auf radikalen Abbau der Leistungen, während die Sozialdemokratie sich bemühte, durch befristete Erhöhung des Beitrags rechtzeitig die Einnahmen zu steigern. Die Bolkspartei steramte sich gegen je de Beitragserhöhung über 3 Proz. hinaus. Schließlich fcnnte eine von der damaligen Regierund Müller- Wissell vorgeschlagene Teillösung, die eine Beitragserhöhung auf 3½ Proz. vorfah, nur bei Stimmenthaltung der Volkspartei angenommen werden. Diese Erhöhung trat am 1. Januar 1930 in Kraft. Aber bald zeigte sich, daß sie nicht genügen würde, besonders da sie viel zu spät erfolgte, um dem Ansturm der Wirtschaftskrise standhalten zu können. Ueber dem Kampf um die Sanierung der Arbeitslosenversicherung ist schließlich die Regierung der Großen Koalition gesprengt worden. Die industriellen Scharfmacher, die die Volkspartei dirigieren, hatten ihren Triumph.
Jedoch schon bald nach Antritt der Bürgerblock regierung mußten die Beiträge aufs neue erhöht werden. Jetzt stimmte auch die Deutsche Volkspartei einer herauffegung auf 4 Proz zu. Wäre dieser Beitragssag ein Jahr früher angenommen wor den, jo hätte das Defizit der Reichsanstalt nicht einen so tataftrophalen Umfang annehmen können. Aber jetzt sorge die ungeheure 3iffer der erwerbslosen Versicherten dafür, daß der am 1. August 1930 in Kraft gesetzte Beitrag nicht ausreichte.
Die ,, Sanitätsräte", die im Borjahre je de befristete Beitragserhöhung ablehnten, sind, wenn die neuesten Gerüchte zutreffen, also bereit, die Beitragserhöhung gar auf 6% Pro3. zu er höhen, ihn also gegenüber dem Vorjahre mehr als zu ver doppeln. Die vollkommene Niederlage der Volkspartei bei den letzten Wahlen war eine Antwort auf ihr scharfmacherisches Treiben gegen die Arbeitslosen. Jetzt wird man die wirkliche Vorlage der Regierung Brüning- Stegerwald abwarten müssen, um die Folgen der Scharfmacherpolitik der Industriellenpartei voll würdigen zu können.
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Die Kabinettsfizung wird heute abend um 8 Uhr fortgesetzt. Wie von zuständiger Stelle mitgeteilt wird, ist das Kabinett in seiner gestrigen Beratung übereingekommen, daß an der Notverordnung nichts geändert wird.
10 Proz. des Gehaltes für Erwerbslose. Beschluß des Hamburger Genats.
Hamburg , 24. September( Eigenbericht). Die Mitglieder des Hamburger Senats, dem der Sozialdemofrat Roz als präsidierender Bürgermeister vorsteht, sind übereingekommen, bis auf weiteres 10 proz. ihres Gehalts der Wohlfahrtsbehörde zu Zwecken der Erwerbslosenspeisung zu überweisen.