Heinrich
erich: Kinder in der Müllgrube Die erste Eisenbahn
Der große Platz zwischen den roten Sandmauern, einer ausgebeuteten Riesgrube war mit dem Abfall der Stadt bedeckt. Müllwagen und Karren entluden hier ihren Inhalt; jedesmal, wenn der Fuhrmann den Gaul mit Peitschenschwingen und Jöhgeschrei vorantrieb und den aufgefippten, schwankenden Karren über die Hügel schleifen ließ, rannte eine Schar Kinder zu dem Müllhausen, den er hinterließ, wie zu einem Wunderberg.
Aus vollem Lauf auf die Knie hinstürzend, griffen fie mit beiden Händen in den Müll, rissen Papierfeßen, Stroh, Heu und Holzwolle hinter sich und hieben mit fleinen, dreizinkigen Hacken in das Gemisch von Kartoffelschalen, Gemüseabfällen, Schlacke und Asche. Auf dem Rücken hing ihnen ein Beutel, der in Schulzeiten als Büchertasche diente. Wenn die scharrende Hand ein Stück unverbrannten Kofs oder frischer Kohle ergriff, tastete sie an den Schlitz des Sades und ließ den Fund hineinfallen. Die Augen aber starrten in die gegrabene Höhlung, in die restlos der Dreizink fuhr, immer auf der Suche nach Drahtresten, Holzstücken, Knochen, Lumpen.
Manchmal tastete die schmutzige Kinderhand wie eine fleine Sperberklaue voreilig greifend in einen weichen Klumpen, Refte aus der Speiseschüssel, stinkenden Kartoffeln, gärendem Gemüſe. Ohne Abscheu oder Verlegenheit wischten sie die Finger am Hosenbein ab, faft mechanisch, ohne, das die Linke aufhört zu fragen, ohne, daß die Augen sich wegwendeten. Hinter den eifrig Scharrenden standen kleinere Kinder, die sich nach den Gegenständen bückten, welche die Großen nach furzer Brüfung als werflos hinter sich warfen: zerdrückte Blechspielzeuge, Pappschachteln, Kalender, Reste von Büchern, manchmal hallten Ausrufe des Erstaunens, des Finder glücks über den Play.
dir bloß wieder in deinen Sad stecken!" Aber der Große stieß ihn fort, schlug mit der linken Fauft auf den Rücken, solange er ihn erreichen konnte. Dann machte er mit dem Arm eine drohende Geste und schrie:„ Dumme Balgen, erst stehlen, dann greinen, macht doch, daß ihr fortkommt." Die Kinder blieben stehen. Er holte mit dem Hackenstiel aus, traf den Arm eines Kleinen, der stolpernd da von rannte. Der Große hatte wieder etwas Wertvolles entdeckt, er bückte fich, da hörte er den Kleinen sagen:„ Ich wollt es ihm bloß wiedergeben, ich wollt es nicht stehlen, ich suche gar keine Kohlen, die hat meine Mama genug, ich suche bloß Knochen, die kann man verlaufen."
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Der Große schämte sich seines Jähzorns, er trug seinen Sad an die Seite und fragte von neuem an einem anderen Haufen. Trotz dem er nichts fand, stocherte er eifrig meiter. Die Kleinen waren alle zusammen in eine große Kuhle gekrochen und redeten miteinander: Ich gehe meine Tante holen, die haut den fiesen Bengel!" Ein anderer höhnte:„ Ob der Doll meint, sein Vater hätte die Dreckstarren für ihn gemietet!" Ein größerer Junge stieg auf den Berg und schrie zu dem großen Jungen herüber: Du Geck, die Dredstaar geht dich allein gar nichts an, die hört uns allen zufammen!"
Es waren nun an ein Dutzend Kinder zusammengekommen fie folgten einem anderen Halbwüchsigen, der einen Stein in der Faust hielt und auf den Großen zuging: Riet ens, Bitter, ich hab ein Stück Gold gefunden, hört dat auch dein?" Der Große drehte sich um und lachte überlegen: Ich habe den ganzen Sack voll Gold, hier, ihr könnt so viel haben, wie ihr wollt, aber geschenkt und nicht gestohlen!" Der Große marf ein Brikettstück unter die Kinder. Er traf damit eins der Mädchen: Auweih, ich hol jetzt mein Tant, die haut dich!" heulte es auf und lief weinend davon.
,, Du kannst meinetwegen auch der Ohm holen und dein Mutter und Batter, auch der Pastor, wenn du willst, ich bin nicht bang dafür!" Der Große steht hochaufgerichtet auf dem Müllhausen : Kommt mir noch einmal auf meinen Goldenberg, dann sollt ihr sehen, was es gibt!"
Weil ihm niemand antwortete, ging er gleichgültig an einen anderen Haufen und fragte weiter.
Die Kinder waren in die Grube gegangen. Der Große fah sich um, sah sich ganz allein. Da hob er die Hacke in die Luft und schrie: Da soll mir noch einer kommen, die tausend Goldenberge gehören all mein, mein und ganz allein!"
Mit wütender Arbeitslust fegte die Kraze in den Müll und scharrte und schrappte. Er legte alles, was er sand, auf einen Haufen neben seinen vollen Sack und fragte sich wütend in den vollen Haufen hinein.
Ein großer Junge hob unruhig und ungeduldig den Kopf: Er starrte nach dem großen Fahrweg. Auf diesem kamen die schweren Bastautos, die den Müll aus den Geschäftsvierteln brachten. Diese legten Karren waren nichts wert. Mißmutig griff er von neuem mit beiden Händen in das sperrige Gewölle, schmiß nach rechts und links den Abfall hinter sich, daß die Jungens, die neben ihm faßen, zornig und meinerlich aufschrien. Gie pußten fich mit den Handgelenken die Asche aus den Augen und verkrochen sich zur Seite. Der große Junge hatte Glück: es stürzten ihm faustdicke Kohlenstücke enigegen, faum angebrannte, gute, dice, fette Kohle. Immerzu schwang die Hand an den Schlitz , immerzu rollten neue Kohlen hervor, jetzt in solcher Menge, daß er seinen Sack vom Rücken nach vorne zerrte und mit beiden Händen einfüllen konnte. Mit Staunen und Verwundern starrte er in den Fund. Er begriff es nicht, wie die Leute solchen Reichtum wegwerfen konnten. Wie reich mögen die Leute wohl sein! Die But packte ihn, er hieb wie sinnlos auf die nun geleerte Höhle. Schlacken flogen, noch einmal tastete die Hand und fand ein Stück Kohle, so groß, wie ein fleines Bügeleisen und stopfte es in den vollen Sack hinein. Dann starrte er suchend rundum über den Platz und schlug mit hocherhobenem Arm die Hacke auf die Decke der Höhle, bis sie zusammenbrach. Das bügeleisengroße Stück Kohle entfiel ihm im Aufstehen. Er merfte es nicht. Inzwischen waren fleinere Jungens mit ihren Säckchen vorübergegangen; da bückte sich einer und hob das bügeleisengroße Stück auf. Im Hintasten hatte er den Sack des Großen berührt; ein neidischer Kamerad schrie: Der hat dir ein Stück Stofs geflaut!" Wie ein Blitz fuhr der Große herum und jdynappte die feine Kinderhand, riß den Brocken an sich und schric: Sunnien, Armen, Ellenbogen und Händen drüdten ihn tiefer in den Stehlen jeid ihr gekommen, fleje Blagen! Hier, dat is mein Berg mert, da hab ich ganz allein gegraben, sonst ist nirgendwo was zu finden, dat is mein schönstes Stück Koble!" Er packte den Jungen an der Schulter, schüttelte ihn, bis der Kleine schrie:„ Ich wollt et
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Hans Adalbert ron Mallzahn:
Die kleinen Kinder, zwanzig und mehr, schlichen sich von Hügel zu Hügel, auf Händen und Füßen, machten sich Beichen, sprangen schrittweise meiter, duckten sich, wenn sie die schwingende Hacke des Großen jaben. Der Anführer wandte sich um, hob die Hände und tat einen Schrei. Da sprangen alle Kinder auf und warfen sich. auf den Großen, der wälzte sich im Dreck, wollte die Hacke an seiner Brust verbergen, vier, fünf Hände rissen an seinem Arm, zwei, drei pacten die Zähne der Harke und riffen sie ihm aus der Hand. Ganz bedeckt von den Leibern der Kleinen wühlte er im Müll, wo nur ein Bein, ein Stück Schulter, ein Fuß zu sehen war, missen sich die noch Stehenden darauf, ein Wirbelsturm von Müll. Mandymal befam er den Kopf frei, aber dann stieß ein Knie ihn wieder hinunter. Ein größerer jdywang nun die eroberte Hacke und stellte sich vor den Kinderhausen: Ich will ihn etwas fragen!" ( Schluß folgt.)
Franzöfifche Reise- und Memoirenbücher
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Vision der Folgen, die aus den„ Segnungen" einer Technit um jeden Preis entstehen müssen. Grandios sind die Schilderungen der Kinoverdummung in den Städten, des Maschinenwahns, der Schlachtanstalten zu Chikago und der Weltstadtbilder, entscheidend ist die Gegenüberstellung des vornehmsten europäischen Kulturrechts auf 3solierung und des Zivilisationsbegriffs amerikanischer Streber, der im Klubbetrieb seinen banalen Niederschlag findet. Von ungeheurer Eindringlichkeit sind die Parallelen, die Duhamel zwischen der Entwicklung zu ziehen weiß, durch die das heutige Rußland, dem er vor. drei Jahren das schwächere Buch„ Voyage en Russie" gewidmet hat, und das heutige Amerika die Menschheit bedrohen.
Wer den heutigen französischen Ministerpräsidenten als„ Lite raten" besucht, hat Anwartschaft auf eine Lugusausgabe seines Amerifabuches, das- vor einigen Jahren erschienen dem Schriftstellerruf dieses geschickten Politfers sehr nüzlich gewesen ist. Tardieu sagt dem ehemaligen Bundesgenossen in seinem Schlußfapitel recht herbe Worte und meiß genau, daß er ihnen in weiten Kreisen des eigenen Landes Sympathien verdankt. Die ständig wachsende Invasion durch Emissäre des Dollarlandes, die unter anderem in ber Umgebung von Paris ein europäisches Hollywood zu errichten bemüht sind und sich auch sonst vor Attentaten auf das Geistesleben Europas nicht scheuen, hat es inzwischen zur Mode werden lassen, daß bekannte Franzosen ihrerseits Amerika bereisen und ihre Ein- Eigenartig fann einen die Geiftesverwandtschaft berühren, die, drücke publizieren. Dem feinsinnigen Wissenschaftler André Sieg- bei aller abgrundtiefen Gesinnungsverschiedenheit, zwischen einem fried sind auf diesem Gebiete zwei Schriftsteller europäischen Rufes Duhamel und einem Léon Daudet feststellbar ist, wenn man dessen Morand und Duhamel in furzen Abständen gefolgt. Morand im Berlage Gallimard unlängst erschienene zwei Erinnerungsbände hat sich nicht nehmen lassen, gleich zwei Bände amerikanischer Er- an Paris , Paris vécu", unvoreingenommen auf sich wirken läßt. -lebnisse mit dem ihm eigenen Tamtam zu lancieren:" New York ", Dieser sonderbare Heilige, dessen Schmachartikel gegen Deutschland eine Sammlung von Eindrucksessays im Berlage Flammarion, und ebenso sinnlos erscheinen mögen wie seine Begeisterung für die „ Champions du Monde", einen Roman - das wesentlich beffere Bourbonenherrschaft, schreibt in seinem Pariser Buch, daß er nur er mir Buch im Verlage Grasset. Es ist kein Wunder, daß ein Werk wie cine fulinarische" Verständigung zwischen Frankreich und Deutsch New Yort" taum in Frankreich geschweige denn in Deutsch - land für möglich hielte, um kurz darauf in einem bemerkenswerten land dankbare Leser findet, denn was es bietet, übertrifft an Aufsatz ein Bekenntnis zu Goethe abzulegen, das Romain Rollands sachlichem Wert faum das Baedeker- Niveau.( Es gibt auch in jüngst veröffentlichte Goethe Studien ihm zu literarischer Ehrenpflicht Deutschland Leute, die etwa ihre Pariser„ Baedeker" unter dem gemacht haben. Essen, Trinken und Lieben vereinigt sich bei Daudet Gesichtspunkt dessen, was nicht im Baedeker stehe", zusammenschrei in naivster Selbstverständlichkeit mit Royalismus und Katholizismus, ben, und vielfach über Dinge urteilen, die sich ihrer Kenntnis und auf jeter Seite seines Buches wird man zum Widerspruch heraus damit ihrer Zuständigkeit völlig entziehen.) Das Buch Morands ist gefordert, und dennoch ergreift er durch seine Begeisterung für jedenfalls für solche Leser von Interesse, die entweder nichts von Frankreich und Paris und fesselt durch den Mut und die Unverblümtder transatlantischen Millionenstadt ahnen wie viele Franzosen- heit seiner Urteile. Seine Rantüne gegen den Trockenfurz" Boinoder die jede Aeußerung dieses begabten doch allzu mondänen Reiseautors aus Snobismus nachtauen müssen. Wesentliches wird in " New York " durch Herrn Morand in feinem Sinne gejagt.
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Wesentliches und Entscheidendes sagt demgegenüber Georges Duhamel in feinem amerifanischen Reisebuch, das im Berlage des Mercure des France " erschienen ist und binnen kürzester Zeit seine 110. Auflage erlebt hat. ,, Scènes de la Vie future" ist der Titel dieses padenden Wertes, das demnächst auch in deutscher Sprache erscheinen wird. Man kann sich das Entsegen der unentwegten Propagandisten franto- amerikanischer Verbrüderung in Franteich, mie etwa Gabriel Hanotaur', eines fenilen Akademikers und Erdiplo maten, vorstellen, als dieser Warnungsruf aus berufenstem Munde in ihr Ohr drang! Man fann verstehen, daß diese restlos pernichtende Kritit des Amerifanismus allerlei rationalistische Einwände her porgerufen und vielfach eine äußerst ablehnende Preffe gefunden hat, und freut sich um so mehr über die Urteilsfähigkeit des fran zösischen Lesers, der sich in diesem Falle durch die Kritif nicht hat beirren lassen. Allen Gegnern zum Trog bleibt das Buch Duhamels das Dokument einer an die Apokalypse und Dante gemahnenden
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caré und gegen den stinkenden" Dramatiker Lavedan sind ebenso ursprünglich und aufrichtig wie seine Begeisterung für die gleichen Werke seines Vaters, Clémenceaus und Marcel Prousts. Bei allen Einwänden gegen die politischen Auswirkungen gegen Bei allen Einwänden gegen die politischen Auswirkungen gegen Léon Daudets und der Seinen läßt sich nicht leugnen, daß seine Bariser Erinnerungen auf dem gleichen Boden bewundern smerter französischer Geistestultur gewachsen sind wie die Werke seines großen Zeitgenossen Duhamel.
Wenn Edouard Herriot nach Griechenland fährt, mie er es im Borjahre getan hat, so ist die Herausgabe eines Reisetagebuchs davon eine faft unerläßliche Folge. Sous l'Olivier"( Unter dem Delbaum) heißt der entsprechende im Hause Hachette verlegte Band, der der Oeffentlichkeit als eine Art nachträglichen Beweises für die humanistische Bildung des langjährigen französischen Unterrichts ministers erscheinen tönnte. Es ist fast überwältigend, was Herriot alles weiß und gelesen hat, es ist jedoch nicht immer leicht, seinen Darlegungen mit jener Spannung zu folgen, die Duhamel und Daudet bei ihren Besern hervorzuzaubern und bis zur letzten Zeile ihrer hier erwähnten Bücher zu erhalten wiffen.
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Aus Anlaß der Hundertjahrseier der ersten größeren Eisenbahnstrecke Liverpool - Manchester werden in englischen Blättern vergessene Einzelheiten über den Eindruck veröffentlicht, den dieses neue Beförderungsmittel hervorrief. Mit wie großer Besorgnis man im ersten Jahrzehnt eine Eisenbahnfahrt antrat, läßt sich aus den Ratschlägen erteilen, die 1838 in dem„ Eisenbahnbuch" von Coghlan gegeben wurden. Man wähle seinen Plaz so weit wie möglich von der Maschine entfernt," heißt es da, denn wenn eine Explosion stattfinden sollte, so tann man auf diese Weise mit dem Verlust eines Armes oder Beines davonkommen, während man, wenn man in der Nähe der Lokomotive sitzt, bei einem solchen Unfall in fle: ne Fezen zerrissen" werden wird. Dann sind auch die Erschütterungen um so geringer, je weiter man von der Maschine entfernt ist. Sodann setze' man sich, wenn man einen solchen Platz bekommen hat, stets mit dem Rücken zur Maschine; dadurch wird man den falten Luftzug nicht so stark empfinden, der durch die offenen Wegen streicht, und auch der Gefahr entgehen, durch die Aschestäubchen fast zu erblinden, die von dem Schornstein ausgehen." Andererseits aber erkannten auch schon Menschen mit offenen Augen die ästhetische Schönheit des neuen Verkehrsmittels. So schreibt Allerander Somerville in seiner 1848 veröffentlichten Autobiographie eines Arbeiters" im Rückblick auf die 30er Jahre des voriund sonstwo sah, so schön und großartig fie fein mögen, schrumpfen gen Jahrhunderts: Alle die Sehenswürdigkeiten, die ich in London zu einem Nichts zufammen im Vergleich mit dem Anblick, den ich in Liverpool hatte. Ich wanderte eine Woche durch die Umgegend zwischen Bäumen, Wiesen und Dörfern dahinschießen; er zog und sah den weißen Dampf majestätisch durch die Landschaft Männer und Frauen und waren aller Art und den ganzen Zug, der unter dem Dampf rollte. Ich habe nichts seitdem gesehen, das dieses Schauspiel übertraf. An Schönheit und Größe hat die Welt nicht seinesgleichen."
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Schwärzung von Schmetterlingen
Daß in Gegenden mit vielen Fabriffchornsteinen, in Großstädten und ihrer Umgebung, die Luft stark durch Kohlenstaub verschlechtert ist, ist ja bekannt und somit wäre es nicht verwunderlich, wenn man auch bei den leicht beschwingten Schmetterlingen in solchen Gegenden Ablagerungen von Kohlenstaub auf den Flügeln und dadurch eine Schwärzung der zarten Farben bemerkte. Aber darum handelt es sich nicht, sondern um die Tatsache, daß schon die eben aus der Puppe friechenden Tiere eine weit dunklere Färbung als die normale aufweisen. Bereits in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde dies z. B. bei dem hellgrauen Birkenspanner und anderen Faltern in Mittel- England bemerkt, und diese Schwärzung mit dem gelehrten Namen Melanismus bezeichnet- verbreitete. Dieselbe Erscheinung hat man auch in dem westdeutschen dehnte sich weiter aus, je weiter die Industrie sich in Mittel- England Judustriegebiet beobachtet und zwar entsprechend später, wie sich hier ja die Industrie auch später entwickelt hat. Daher vermutete fächlichem Zusammenhang mit der industriellen Entwicklung steht. man schon lange, daß dieser Melanismus der Schmetterlinge in ur
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Diese Anschauung hat, wie die Frankfurter Wochenschrift ,, Die Umschau" nach einer eingehenden in der Zeitschrift für Abstam mung und Vererbungslehre" veröffentlichten Arbeit des Herrn Spasebroet mitteilt, ihre volle Bestätigung gefunden. H. setzte die Puppen verschiedener Falter der Einwirkung verschiedener durch industrielle Internehmungen entwickelter Dämpfe aus, so dem Methan, Ammoniat, Pyridin, Chan, Leuchtgas, Schwefelwasserstoff, bie er bald allein bald in verschiedenen Zusammenstellungen airf die Puppen einwirken ließ. Der Erfolg war der erwartete, die Falter wiesen in einem sehr hohen Prozentsatz den Melanismus ( Schwärzung der Flügel) auf. Auch Fäulnisgase, welche zum Teil die obengenannten Stoffe enthielten, zeigten sich in derselben Weise wirffam.
Man muß die Erscheinung wohl als eine Krankheit ansprechen und den Schluß ziehen, daß alle hygienischen Maßnahmen, die den Fabriken zur Unschädlichmachung ihrer Abgase auferlegt worden find, nicht ausreichen, sie wirklich unwirksam zu machen, wenn man aus dieser bei Schmetterlingen beobachteten Einwirkung auch nicht voreilige Schlüsse auf Schädigungen bei anderen Organismen und vor allem beim Menschen ziehen darf.
Bt.
Neues vom Bacchus- Kult
Der antife Weingott Bacchus oder Dionysos zählt heute nicht mehr so viel feurige Anhänger wie im Altertum, denn in unseren Tagen haben die schlechten Berhältnisse und die Propaganda gegen den Alkohol auch den Genuß eines edlen Tropfens eingeschränkt. Aber der Gott des Weines, der in schöneren Zeiten ein ganzes Volk beherrschte, genießt doch auch noch unsere Sympathie, und mir horchen auf, wenn wir etwas Neues von ihm erfahren. Einen michligen Beitrag zur Kenntnis dieses Kultes liefern die Funde, die jetzt bei den neuen Ausgrabungen in Der„ Billa der Dionnfischen wysterien" zu Pompeji gemacht worden find. Dieser Bau, der schon früher durch seinen reichen Freskenschmuck Aufsehen erregte, ist jetzt völlig freigelegt und der Deffentfich feit zugänglich gemacht. Die Villa muß ursprünglich im ersten vorchriftlichen Jahrhundert eine Stätte der Dionysos - Verehrung gewesen sein und wurde dann von dem Freigelassenen Lucius 30fimus erworben, der sie in ein Landhaus umwandeln wollte, als die Katastrophe über Pompeji hereinbrach und auch die Villa unter der Lava des Vesuv begrub. Aus dem Umstand, daß man eine sehr schöne Statue der Gattin des Augustus Livia hier fand, hat men geschlossen, daß das Haus früher einmal der kaiserlichen Familie gehörte. Neben diesem prachtvollen Kunstwerk bilden den größten Wert die zahlreichen Fresken, die alle die Bräuche und Zeremonien des Bacchus- Kultes darstellen, der hier einmal ausgeübt wurde. Ueber die Beziehungen dieser Mysterien zur Lehre des Christentums ist unendlich viel geschrieben worden. Daß eine gewisse Aehnlichetit bestand, zeigen schon die Namen der liturgischen Feiern bei dem Kult, unter denen es eine Berkündigung", ein Abendmahl", eine Passion" und eine Auferstehung" gab. Die Neulinge wurden in die Mysterien eingeführt und mußten das Schicksal des Gottes selbst durchleben, um schließlich nach Leiden und Qualen zu höchster Seligkeit emporzusteigen. Diese Mystik, die den Wein zum Symbol nahm und ja auch noch in so manchen christlichen Bräuchen nachIlingt, mind mun burdy die neuausgeteckten Darstellungen in manchen bekannten Einzelheiten erläutert, aber außer dieser religionsgeschichtlichen Bedeutung haben die Fresken auch einen großen Kunstwert. und niemand, der Bilder wie„ Silen sagt die Zukunft voraus" und die Bacchus- Priesterin auf der Auferstehung" gesehen hat, wird die wundervolle Komposition den Reichtum des Ausdrucks und die 3artheit der Linien vergessen. fönnen.
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Fremdenverkehr. Berlin wird alljährlich von rund 3 Millionen Fremden besucht, München von etwa 300 000, Wien von etwa
900 000.