Zellenbildung vorgenommen werden sollte. Ihm war selbstverständ lich dieser Begriff geläufig durch die Kommunistenprozesse, die inzwischen bereits stattgefunden hatten...
Vers: Herr Reichsanwalt, Ihre Worte stellen bereits ein Plädoyer dar. Ich muß Sie bitten, nur Fragen an den Beugen zu richten.
Landgerichtsdirektor Braune: Nach meiner festen Erinnerung habe ich bei allen Vernehmungen nur danach gefragt, ob die Zeugen Verbindung mit den Nationalsozialisten aufgenommen haben oder nicht.
wenn er
Es hat sich hier auch ein Zeuge beschwert, daß er bei seiner Aussage wie ein Verbrecher behandelt worden sei. Leutnant Bergmann, der davon sprach, daß er sich wie ein Verbrecher behandelt gefühlt habe, ist während der Voruntersuchung zu mir ins Hotel an meinen Tisch gekommen und hat sich mit mir über Berschiedenes unterhalten. Das tut man nicht, wenn man sich von einem anderen Menschen tödlich beleidigt fühlt. Vors: Herr Leutnant Bergmann, ist das richtig? Sind Sie im Hotel an den Tisch des Untersuchungsrichters gekommen? 3euge: Jawohl. Borf.: Wie kommt es dann, daß Sie sich mit dem Untersuchungsrichter an einen Tisch seßen und unterhalten, Sie angeblich wie einen Verbrecher behandelt hat? 3euge: Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Jedenfalls möchte ich nochmals feststellen, daß, als ich zur ersten Vernehmung ins Zimmer des Untersuchungsrichters kam und ich mich vorstellte, er die Vorstellung nicht erwidert hat. Bors.: Herr Zeuge, ein Untersuchungsrichter fann nicht alle Personen, die er zu vernehmen hat, mit Glacéhandschuhen anfassen. Nach dem Gesetz ist der Untersuchungsrichter nicht verpflichtet, sich einer amtlich geladenen Person vorzustellen. Er hat lediglich das Recht, festzustellen, wer der Vorgeladene iſt. Wenn Sie sich durch die Behandlung des Herrn Untersuchungsrichters damals be= schwert fühlten, so hätten Sie ja den Beschwerdeweg gehen können. 3euge: Wenn jemand meine Vorstellung nicht erwidert, so ist das Geschmads- und Erziehungsfache, deswegen beschwere ich mich nicht bei einer Amtsstelle. Rechtsanwalt Dr. Sack: Ich habe bisher meinem Mandanten geraten, nicht über Dinge der Voruntersuchung auszusagen. Jezt muß ich aber doch den Angeklagten Scheringer ersuchen, sich über seine Erfahrungen selbst zu äußern, da seine Mitteilungen durch meinen Mund vielleicht etwas zu objektiv gefärbt würden.
Scheringer: Ich hatte nicht das Gefühl, daß der Herr Untersuchungsrichter mich als einen Verbrecher behandelt, im Gegenteil, Herr Direktor Braune war stark beeindruckt, daß er uns' Offiziere in dieses Verfahren überhaupt hineinziehen mußte. Aber ich habe den Eindruck gewonnen, daß er stark voreingenommen war gegen die Nationalsozialistische Partei. Es jah immer so aus, als bedauere er uns als arme Opfer von Leuten, gegen die man eigentlich vorgehen müßte. Ich bitte doch, daß Herr Braune hierzu vernommen wird.
Reichsanwalt( erregt aufspringend): Jetzt bitte ich aber um einen Gerichtsbeschluß. Die Dinge haben sich in diesem Saal wohl ganz und gar verschoben.
Hier haben sich die Angeklagten zu verantworten, aber nicht der Untersuchungsrichter. Wer ist denn hier eigentlich der Angeflagte?
Rechtsanwalt Dr. Frant: In der Deffentlichkeit hat es so den Anschein, als ob der Herr
Unterfuchungsrichter der Angeklagte in diesem Verfahren ist und ich muß auch sagen, es liegt schon etwas Wahrheit in dem alten Sprichwort: Wer sich verteidigt, flagt sich an."
"
Scheringer: Nach dem Einwand des Herrn Reichsanwalts verzichte ich auf Beantwortung meiner Frage durch den Untersuchungsrichter. Ich möchte aber bitten, Herrn Braune zu fragen, ob folgendes wahr ist: Gelegentlich einer Bernehmung jagte mir der Untersuchungsrichter:„ Aber lieber Scheringer, Sie brauchen sich
doch nicht
jetzt vor die Nationalsozialisten zu stellen und sie zu decken."
Untersuchungsrichter Braune: Das halte ich nicht für möglich. Ich habe den Angeklagten sicherlich nur ermahnt, die Wahrheit zu sagen. Vors.: Das scheint mir aber doch etwas anderes zu sein, wie diese Behauptung des Angeklagten hier.
Der Angeklagte Scheringer behauptet weiter, der Untersuchungsrichter habe ihm auf seinen Antrag, die vier Münchener Nationalsozialisten als Zeugen zu laden, lächelnd gesagt:„ Aber dabei kommt doch nichts heraus, wa was die Herren sagen werden, das weiß ich jetzt schon." jest jahon." Der Nazi- Pfeffer springt darauf von der Zeugenbank auf, gestikuliert lebhaft und ruft: Das ist ja unerhört, ein unglaubliches Benehmen."
Schließlich erklärt der Vorsitzende: Ich glaube, wir kommen ganz von unserem Thema a b. Für die Verhandlung find ja alle diese Dinge nicht erheblich.
Das gibt wieder dem Rechtsanwalt Dr. Sad Veranlassung zu der Erklärung, nach seiner Meinung seien diese Dinge für das Schicksal des Angeklagten Scheringer sehr erheblich. Denn der Untersuchungsrichter habe vom ersten Tage an erklärt, daß er dem Angeklagten Ludien mehr glaube, während er der Ueberzeugung sei, Scheringer
suche sich auf Kosten feines Kameraden herauszureden. Dann wurde Leutnant Löhr über die Reise des Leutnants Ludien von Ulm nach Berlin vernommen, wo Ludien sich zuerst mit Löhr und später mit Leutnant Fürsen verabredet hatte. Leutnant ziemlich aufgeregt und mit einem ungeheuren Fanatismus und hohem Schwung seine Ziele vorgetragen habe. Ludien habe dabei absolut überzeugend, aber auch so erregt gewirkt, daß der Zeuge
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3talienische Sozialisten klagen den Verräter der Demokratie an
Brüffel, 26. September.( Eigenbericht.)
Der zweite Verhandlungstag im Prozeß de Rosa gestaltet fich noch dramatischer als der erste. Der Zulauf war noch stärker. Man hatte das Gefühl, daß nicht de Rosa auf der Anklagebant saß, sondern Mussolini , der König und der Kronprinz von Italien . Es war ein schlimmer Tag für das faschistische Regime. Die lange Reihe von Zeugen hinterließ den Eindruck eines tiefunglücklichen Volkes, das seiner Freiheiten völlig beraubt ist und dessen Ehre und Würde von einer Bande bewaffneter Abenteurer mit Füßen getreten wird, so daß einem freiheitliebenden Menschen nichts anderes übrig bleibt als die Flucht und die Verschwörung.
Der erste Zeuge war
Nitti,
zweimal Ministerpräsident von Italien , als dieses Land noch frei war. Er fannte de Rosa, der auf ihn den denkbar besten Eindruck machte, ebenso wie auf alle, die ihn kannten. Nitti ist der Ansicht, daß de Rosa überhaupt nicht die Absicht gehabt hat, den Kron prinzen zu töten, obschon er selbst das Gegenteil behaupte. Er glaubt, de Rosa wünschte verurteilt zu werden in der Ueberzeugung, daß das der Freiheit seines Landes nüßlich sein werde. Nitti beschreibt dann die furchtbare Unterdrückung, unter der das italienische Bolt leidet. Diese Unterdrückung habe auch die denkbar schlimmste Wir fung auf die wirtschaftliche Lage des Landes. In Italien sei die Zahl der Bankrotte dreimal so hoch als in England und Frankreich zusammen. Diese Tatsachen erklärten, daß die jungen Leute in diesem Lande in einem Zustand ständiger Aufregung leben und daß sie diese Aufregung auch ins Ausland tragen. Der zweite Zeuge ist
Frau Carlo Roffelli,
die Frau eines italienischen Professors, der gegenwärtig in Baris lebt. Sie ist Engländerin von Geburt. Ihre Aussage macht einen sehr tiefen Eindruck. Sie beschreibt die Schrecken des Blutbades von Florenz im Oktober 1925, dessen Augenzeugin fie mar. Sie erzählt dann, wie ihr Mann verhaftet und nach Lipari verschickt wurde. Damals folgte sie ihrem Mann dorthin und sah dort die Leiden, die die unglücklichen Deportierten zu er= tragen hatten. Als es ihrem Mann gelang, quszubrechen, wurde sie verhaftet und mehrere Wochen in Einzelhaft gehalten. wurde nur deshalb wieder freigelassen, weil verschiedene englische 3eitungen sich ihres Falles annahmen.
Turati,
der italienische Sozialistenführer, schildert, wie der Faschismus alles zerstört, was die organisierte Arbeiterklasse Italiens in Generationen aufgebaut hat, und wie dieser Faschismus Italien in den 3ust and der Barbare i zurückgeworfen hat.
da er dieses vermeiden wollte, verließ er Italien . Ein hervorragender belgischer fatholischer Journalist Passelecq ist der nächste Beuge. Er hat besondere Studien über das faschistische Regime gemacht und ist zu der Ueberzeugung gekommen, daß dieses Regime alle Freiheiten mit Füßen tritt, die dem bel= gischen Volt am teuersten sind. Er müsse ferner den unglückseligen Einfluß beklagen, den die italienischen faschistischen Gewaltmethoden auf die Jugend anderer Länder ausüben. Als letzter Zeuge für die Verteidigung kam der belgische sozialistische Senator de Broudère zu Wort. Er zeigte, wie der italienische Faschismus eine dauernde Gefahr für den Frieden Europas darstelle.
Es folgte die Anklagerede des Staatsanwalts, aus der ist, aus hervorzuheben ist, daß der Staatsanwalt nicht ein einziges Wort zur Verteidigung des faschistischen Regimes fand. Er stellte sich cinfach auf den Standpunkt, daß die Uebel oder die Wohltaten des Faschismus nicht zum Prozeß gehören und daß das Gericht nicht kompetent sei, den Faschismus zu beurteilen. Auf alle Fälle könne burch verbrecherische Methoden ihre politischen Streitigkeiten regeln es nicht geduldet werden, daß Ausländer nach Belgien fommen und wollen. Er schloß mit der Forderung einer strengen Be strafung des Angeklagten.
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de Bod, der die Freisprechung de Rosas verlangte, nicht Es folgte die erste. Berteidigungsrede des Rechtsanwalts nur deshalb, weil er unter einem unwiderstehlichen Zwang gehandelt habe, sondern weil die Umstände der Tat bewiesen, daß er im ent scheidenden Augenblick nicht die Absicht gehabt hat, den Prinzen zu töten, sondern nur die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Leiden seines Landes zu richten. Die Verhandlung wird an Sonnabend fortgesetzt..
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Jugendherbergen und Jugendwandern. Was man am Sonntag in der Reichswerbewoche sehen kann.
Als letzter und bedeutsamster Reichswerbetag des Reichs verbandes für deutsche Jugendherbergen ist der morgige Sonntag ausersehen. Auf die Bedeutung der großzügigen Werbung zur Schaffung von Jugendherbergen haben mir im Laufe der Woche in einem ausführlichen Artikel hingewiesen. Die schlechte Wirtschaftslage von Reich und Ländern, von Provinzen und Kommunen fann trotz bestem Willen nicht in dem notwendigen Ausmaße helfen. Selbsthilfe soll die Mittel schaffen, die im Dienste der gesamten Jugend und zur Hebung der Boltsgesundheit benötigt werden.
In Berlin finden morgen nicht weniger als vier große Veranstaltungen statt. Der Norden trifft sich im Voltspart Rehberge um 15 Uhr, die Sport- und Jugendvereine, der Arbeitersängerbund und das Berliner Tonfünstlerorchester werden mitwirken. Nach Massenchören, Volkstänzen und Sportvorführungen wird ein Fackelzug nach dem Leopoldplay die Kundgebung Sportparts Neukölln ein großes Volkstanzfest, das gleichfalls um 15 Uhr beginnt. Um 17% Uhr schließt sich eine Rundgebung unter dem Motto„, 12 Jahre märkisches Jugendherbergswerk" an. Am Vormittag werden Platzkonzerte in den Bezirken Neukölln und Im Concordia - Palast in der Andreas straße vereinigt sich Sportplatz Friedrichshain werden in reicher Abwechslung sportliche und musikalische Darbietungen und Vollstänze um 14 Uhr vorgeführt. Um 15 Uhr sammeln sich die Karlshorster Turner zu einer Werbeveranstaltung im Seepart. Der Westen wirbt bereits heute abend durch eine große Veranstaltung unter Fackelbeleuchtung auf dem Sportplay Tiergarten. Der Beginn ist auf 18 Uhr festgesetzt. Sonntag um 19% Uhr findet im Freiherr - vom- Stein- Lyzeum in der Weimarischen Straße ein bunter Abend mit Darbietungen aller Art statt.
Löhr schilderte, daß Ludien nach Berlin gekommen sei und ihmlischen Universität von Löwen, schildert, wie der Faschismus alle Kreuzberg abgehalten. Bezirk Osten um 11 Uhr. Auf dem
über Ludien, den er bis dahin nur sehr flüchtig fannte, geradezu erichroden gewesen sei. Vors: In der Voruntersuchung haben Sie gesagt, Ludien habe Sie gefragt, ob Sie auf Ihre Jüterboger Kameraden einwirken wollten, daß bei einem etwaigen konflikt die Reichswehr nicht auf nationale Verbände oder auf die Nationalsozialisten schieße. Zeuge: Ludien hat sehr viel erzählt. Ich habe ihm aber balb merten lassen, daß ich für über stürzte Sachen nicht zu haben sei. Ich glaube aber nicht, daß Ludien gerade diese Frage an mich gerichtet hat. Nach meiner Erinnerung fann ich heute nur ſagen, daß Ludien im wesentlichen feststellen wollte, welche national
eingestellten Offiziere auf ihre Kameraden in nationalem Sinne einzumirken bereit seien.
Borf: Was verstehen Sie unter dem Begriff national?
Neues Türfenfabinett. Ismet Pascha hat auf Drängen Kemal Bajchas die Bildung des neuen Kabinetts übernommen. Mit Ausnahme des Wirtschafts-, Arbeits-, Unterrichts- und Justizministeriums wird es sich aus Mitgliedern des alten Kabinetts zu= jammensetzen,
Es folgt die Vernehmung eines hervorragenden konservativen italienischen Journalisten, des früheren Chefredakteurs des „ Corriere della Sera ". Er zeigt die persönliche Verschließen. Der Süden bietet in der großen Kampfbahn des antwortung des Königs von Italien sowie des Kronprinzen injofern, als sie entgegen ihrem Eid auf die Verfassung das faschistische Regime geduldet und ermutigt haben. Ferrari, ein italienischer Rechtsanwalt und gegenwärtig Professor an der fathobürgerlichen Freiheiten des italienischen Volkes eine nach der anderen zerstört hat. Die Pressefreiheit, die Freiheit der Versammlungen und des Wortes, die Freiheit der Lehre sowohl in der Schule als auch in der Universität seien zerstört worden. Auch die Unab hängigkeit der Richter und der Justiz bestehe nicht mehr, denn selbst Richter könnten von der faschistischen Partei abgesetzt werden. Auch das Begnadigungsrecht des Königs jei auf gehoben worden. Hier fragte einer der Verteidiger, was da von der königlichen Autorität noch übrig bleibe? Ferrari antwortete: „ Nichts, der König ist heute einfach der Kanzler des Diktators." Prof. Salvemini, früher Professor der Geschichte an der Univer ſität von Florenz , schildert das furchtbare Blutbad von Turin im Jahre 1922, das einen so tiefen Eindruck auf de Roja gemacht habe, und zwar zu einer Zeit, als er noch fast ein Kind gewesen sei. Salvemini verließ Italien , weil das faschistische Regime es ihm unmöglich machte, die Geschichte unabhängig und seinem Gewissen gemäß zu lehren.
Rosetti, ein früherer Marineoffizier, der sich im Kriege als Kommandant eines U- Bootes besonders ausgezeichnet hat, schildert, wie er dazu gekommen ist, sein Vaterland zu verlassen. Er hatte das Gefühl, daß,
wenn er noch länger dieses schamlose Treiben mit ansehen müßte, er unweigerlich dazu getrieben werde, eine ähnliche Tat zu begehen wie die, für die de Rofa fich heute zu verantworten hat;
Kontore, hinaus in die freie Natur! Das ist der Grundgedanke Jugend, heraus aus der dumpfen Luft der Fabrikhöfe und der Werbewoche, und dieser Grundgedanke ist so schön und verheißungsvoll, daß jeder, der es irgend fann, zum Gelingen der Reichswerbewoche beitragen sollte.
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Feuer in der Schultheißbrauerei. Landsberger Allee brach heute mittag um 1 Uhr ein In der Schultheiß Pazenhofer Brauerei in der Feuer aus. Im Dachgeschoß des Hauses ist die Böttcherei untergebracht, deren Holzbestände aus bisher ungeklärter Ursache in Brand gerieten. Die Feuerwehr griff mit sieben Rohrleitungen an und hatte breits nach einstündiger Arbeit das Feuer bezwungen.
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