Hassan beginnt feine Laufbahn
,, Hassan, du ißt auf meine Kosten täglich vier große Schüffeln Bohnen. Nun hast du dein sechstes Jahr erreicht. Es ist hoch an der Zeit, daß du dir selber dein Leben verdienst. Da hast du eine Bürste und eine Schachtel Schuhwichse. Damit mußt du den Farenghis die Schuhe puzen. Geh, Hassan!"
Im Mter von sechs Jahren entdeckte Hassan seine Berufung.| zückter Bürste auf sie stürzen war eines. Er begann sie schüchtern Eein Bater Abbas ,,, Boab"( Hausmeister) eines großen Wohnhauses zu bürsten, denn er glaubte schon einen Stockhieb über den Kopf in Musty, dem arabischen Viertel Kairos, hielt ihm eines Morgens sausen zu fühlen. Aber nein! Es waren geradezu ideale Füße. eine furze, aber bedeutsame Rede: Es waren die Schuhe seines Traumes: staubige, geduldige Schuhe, die sich von Hassan puzen ließen, damit er nicht Hungers stürbe! Die Bewegungen der Bürste wurden allmählich schneller, überzeugter, begeisterter. Schon begannen die Schuhe trotz des Dunkels zu glänzen. Doch Hassan bürstete weiter, mit geradezu lyrischem Eifer. Er glaubte schon das Klingen der Münze zu hören, die der gute Herr ihm auf die Erde werfen würde. Ein Piaster? Zwei Piaster? Wer weiß? Er roch schon den Duft der rauchenden Bohnen. Eine Schüssel? 3wei Schüsseln? Kaum hatte er seine Arbeit beendet, begann er die Kiefer in Bewegung zu setzen, um den Genuß des Abendessens vorzuverlegen. Dann richtete er sich auf, um dem Herrn ins Gesicht zu sehen. Zur Säule erstarrt stand Hassan da: der Herr hatte kein Gesicht, er hatte nicht einmal einen Kopf. Hätte er einen gehabt, wäre er aus Holz gewesen! Aber er brauchte teinen Kopf, denn er war eine Puppe, die neben dem Eingang eines arabischen Schneiderladens stand!
Und der Boab 2bbas, ein heiliger Mann, der einen grünen Turban trug, zum Zeichen, daß er nach Metta gepilgert war, reichte feinem Sohne Bürste und Schachtel. Als Zugabe versetzte er ihm, da der kleine Hassan noch immer vor ihm stand, einen Fußtritt. Hassan flog in die Mitte des schmalen Gäßchens und blieb vor einem gerade des Weges kommenden grauen Ejel liegen. Der Efel blieb stehen, und der Eseltreiber nugte die günstige Gelegenheit aus, um bei einem Straßenhändler ein Glas Sirup zu kaufen. Ein hinter ihm tommendes Handwägelchen mußte ebenfalls halten, und der Araber, der es vor sich herschob, benügte die Verkehrsstockung, um ein Kaffeeehaus zu treten und eine Schale Kaffeee zu trinken.
Da tam ein Mann hinzu, offenbar ein Geschäftsmann, da er ein Bündel Papiere unterm Arm trug. Als er nicht weiter fonnte, trat er in den Laden eines Fesbüglers, übergab ihm seine Kopfbedeckung, streďte sich auf einem Diwan aus und zündete sich eine Zigarette an. Der Esel und das Wägelchen zwangen alle hinzu tommenden, stehenzubleiben. Aber niemand regte sich auf, denn alle mußten, daß auch diese Verkehrsstockung, wie jede irdische Begebenheit, im großen Buch des Schicksals vorgezeichnet war. Und Und der Verkehr im schmalen Gäßchen blieb so lange unterbunden, bis es dem kleinen Hassan gefiel aufzustehen. Da jeßte der graue Esel feinen Weg fort; und hinter ihm der Eseltreiber, der Araber mit dem Wägelchen, der Geschäftsmann und die übrigen... Die warme Märzluft verleitete geradezu zur Trägheit.
Es war ein vernichtender Anblick für Hassan. Er ließ sich zu Boden sinken und brach in Weinen aus. Er weinte funstgerecht: es waren Schreie, Seufzer, Schluchzer. In den Ausdruck seines Leides legte er die ganze alte Krankheit der ägyptischen Seele, die ewige Enttäuschung eines Voltes, das wie ein König träumt und mie ein Bettler lebt. Der Schmerzensausbruch Haffans war so geräuschvoll, daß er anfangs gar nicht hörte, wie zwei stehen. gebliebene Farenghis das Wort an ihn richteten. Sie befragten ihn auf Englisch . Endlich antwortete Hassan, dabei noch lauter schreiend und sich mit den Fäusten auf den Magen Klopfend. Da fiel eine Münze auf das Pflaster neben ihm, lieblich neben seinem linten Ohr Ningend. Plaudernd entfernten sich die beiden Farenghis. Mit einer Hand verdeckte Hassan die Münze. Augenblidelang gefiel es ihm, seiner Phantasie freien Lauf zu lassen. Wieviel Piafter? Wer weiß! Einer? 3mei? Drei? Er hob die Hand. Es war eine Silbermünze: fünf Biaster! Er schnellte empor. Sich in die Brust werfend, schritt er ernst und stolz einher. Die Tatsache, daß er ein reicher Mann war, verpflichtete ihn, ein feierliches Gehaben zur Schau zu tragen.
Die Bürste in der Rechten, die Schachtel Schuhwichse in der Linken, machte Hassan sich auf den Weg. Langsam, einen Schritt hinter den anderen segend und sich glückselig in den Hüften wiegend, durchschlenderte er erst das Viertel der Goldschmiede, das vom Klopfen der kleinen Hämmer ertönte, dann die Suts der Parfümeure, die von einem belebenden Amber-, Rosen- und Jasminhauch durchflutet waren, und schließlich die Hauptstraße des Musty, in der sich inmitten des ohrenbetäubenden Geschreis der Wasser, Zuder und Manzulhändler die Araber und Neger stauten. Der fleine Haffan war so glücklich, daß er weder mit dem weisesten Scheit noch mit dem reichsten Pascha getauscht hätte. Die Luft liebtofte feinen unter der blauen Baumwollgallabya beinahe nadten Kurt Rudolf Neubert: Körper. Seine bloßen Füße genoffen bei jedem Schritt die Wärme der Erde. Ein heftiger Gewürzduft drang ihm angenehm in die Nase. Nur eines fehlte, um seine Glückseligkeit zu vervollkommnen: ein Stüd Zuderrohr zum Kauen. Da Hassan feinen halben Piaster besaß, um es sich taufen zu können, täuschte er sich zum Ersatz den Geschmad recht lebhaft vor. Und um die Illusion zu erhöhen, setzte er die Kiefer in Raubewegung.
Bange spazierte er längs der Säulengänge von Erbekie, die ausgeftellten Herrlichkeiten betrachtend. Bohnen in Essig, Fleischschnitten mit Knoblauch, märchenhafte Honigkuchen. Trotz des quälenden Hungers zauderte er. Mit Recht war er anspruchsvoll
Unbewußt schritt er weiter, um in Ruhe das imaginare 3uder rohr zu genießen, das ihm fast noch füßer als ein echtes, greifbares schien, da es nichts toftete.
Erst als er den lärmenden, schmutzigen Musty hinter sich gelaffen hatte, erinnerte sich Hassan an die Worte seines Baters. Das Herz trampfte sich ihm zusammen. Das unentgeltliche Zuckerrohr schwand unter seinen Zähnen.
Es ist hoch an der Zeit, daß du dir selber dein Leben verdienst. Du mußt den Farenghis die Schuhe puzen. Geh, Hassan!"
Ein gewisser Widerwille gegen das neue Schicksal ließ Hassan feine Schritte verlangsamen, bis ihn die Erinnerung an den väter lichen Fußtritt vorwärtstrieb. Lustlos schritt er weiter, ins Europäerviertel, wo die weißen Ungläubigen zu finden waren, die Farenghis, die gewohnt waren, Schuhe zu tragen. Als er vor einem großen Hotel unweit des Gartens der Oper stehenblieb, begriff er sofort, mit welch furchtbaren Schwierigkeiten er in seiner ihm vom Vater aufgezwungenen neuen Laufbahn würde zu fämpfen haben. Im Berhältnis zu den verfügbaren Füßen gab es viel zu viele Schuhputzer: Wenn drei oder vier Farenghis aus dem Hotel traten, stürzten 50 mit Bürfte und Schuhwichse bewaffnete Knaben auf ihre Füße. Mutig beteiligte Hassan sich an jedem derartigen Sturm. Aber das einzige, was er davontrug, was eine Menge Bürstenhiebe auf den Kopf, die er von seinen größeren Kollegen aus Ronkurrenzneid abbekam. Auch die Art und Weise, wie sich die Farenghis bewegten mit festen, raschen Schritten, als ob sie immer von jemand verfolgt würden machte es zu einer schwierigen Aufgabe, ihre Beine zum Stillstehen zu zwingen.
Den ganzen Tag hindurch irrte der arme Haffan hungrig und mutlos im Europäerviertel umher, zwischen den Hotels von Sharia und den Billen von Ghezireh. Lange hielt er bei den Straßenpielt er bei freuzungen, wo das tolle Borübersausen der Autos ihn von dem Ap der uneinnehmbaren Füße ablenkte. Zur Zeit der Dämmerung hielt er sich eine Weile auf der belebten Brücke von Kafr- el- Nil auf. Im Musty war der Sonnenuntergang für alle das Zeichen der Arbitseinstellung: Da verwandelte sich jede Gaffe in einen fried lichen Hof, wo Männer, Frauen, Esel und Ziegen in dem alle verbrüdernden, feligmachenden Nichtstun verweilten. Die Stille der Nacht wurde nur hie und da von den Schreien der vom Haschisch berauschten gestört.
Hier schien es hingegen, als ob am Abend das Leben sich
|
geworden. Welchem Lebensmittelhändler würde er die Ehre gewähren, ihn, den kleinen Hassan zu bedienen, der es verstand, mit seinem Weinen einen Schilling zu verdienen? Die Nachtluft mar mild und weich. Auf den Terrassen und Balkonen der Freudenhäuser sangen die Frauen eintönige arabische Lieder. Hassan kaufte eine Bigarette und spazierte weiter, den Rauch schluckend. Dann verwahrte er die halbe Zigarette und erstand eine Tasse Busa bei einem Straßenhändler. Dann aß er einen Honigkuchen, einen Teller Bohnen und noch eine Schüssel Bohnen. Zum Schluß haute er die aufbewahrte halbe Zigarette. Auf der Erde jizend, den Rücken an eine Säule gelehnt, genoß er eine Weile den Anblick der bunten Menge, die aus den verrufenen Gäßchen des Fischplatzes kommend, in die Erbefie mündete. Und er träumte, daß er Hausmeister geworden war, wie sein Vater, doch in einem ungeheuer großen, herrlichen Gebäude, so groß wie die Moschee der Zitadelle und von Silbermünzen blinkend...
So entdeckte Hassan seine wahre Berufung und so wählte er feine Laufbahn. Wozu sich mit dem Schuhpuzen abplagen, wo es doch genügte, am Abend, wenn die Farenghis aus dem Theater famen, sich auf die Erde zu werfen und fünf Minuten lang inmitten des Gehsteiges zu weinen und zu schreien, um sich feinen Lebensunterhalt zu verdienen? Es fand sich immer ein barmherziger Fremder, der dem unglücklichen kleinen raber einige Piaster schenkte. Die Münze auffangend, sprang Hassan hoch und lachte dem dummen Europäer ins Gesicht. Und die Arbeit war erledigt! Der Tagesverdienst war eingebracht!
Neben allen anderen Vorteilen dieses Berufes war der Umstand nicht zu verachten, daß die Bürste und die Schuhwichsdose immer in gutem Zustand, immer neu blieben. Was würde Hassan schließlich damit beginnen? Er dachte daran, daß er eines Tages, erwachsen und verheiratet, Bater werden würde. Nun, er würde seinen Sohn Abbas nennen. Und sobald der Kleine das Alter von sechs Jahren erreicht hätte, würde er ihn zu sich rufen und ihm eine bedeutsame Rede halten:
,, Abbas, du ißt auf meine Rosten täglich vier große Schüffeln Bohnen. Num hast du dein sechstes Jahr erreicht. Es ist hoch an der Zeit, daß du dir selber dein Leben verdienst. Da hast du eine Bürste und eine Schachtel Schuhwichse. Damit mußt du den Farenghis die Schuhe puzen. Geh, Abbas!"
Dann würde er seinem Sohne die Bürfte, die Schuhwichsdofe und als Zugabe einen Fußtritt geben.
( Autorisierte Uebersehung von Carl Georg Asperger.
Herr Generaldirektor denkt sozial
Es war nicht zu ändern: der Generaldirektor mußte morgen früh zehn Uhr höchstpersönlich vor Gericht erscheinen. Er mußte eine Aussage beeiden. Die ganze Geschichte mit dieser Aussage fam daher, daß er den unseligen Einfall gehabt hatte, den Chauffeur mit dem Wagen vorauszuschicken und ein Stückchen Weges zu Fuß zurückzulegen. Unterwegs war es geschehen. Unter einer Laterne wurde er Zeuge der Tat: ein Mann wurde im Verlauf eines Wortwechsels halbtot geschlagen. Der Generaldirektor beging die zehnmal verwünschte Unvorsichtigkeit, sich unter die aus den umliegenden Häusern herbeiströmenden Leute zu mischen und einem auftauchenden Schupo impulsiv seine höchstpersönliche generaldirektorliche Zeugenschaft notieren zu lassen. Er glaubte der Gerechtigkeit dienen zu müssen. Das blutbesudelte Gesicht des Niedergeschlagenen blieb auch noch den folgenden Tag in seinem Gedächtnis, dann entschwand es in der von schwerem Zigarrenrauch erfüllten Luft der Konferenzzimmer. Schließlich fam die Vorladung. Und in dieser Zeit brachte es eine alte, verhärmte Frau aus dem Volke fertig, an drei finsteren Bor tiers, vier Privatsekretärinnen und anderen Hindernissen vorüber bis in das Zimmer des Generaldirektors zu dringen. Die alte Frau mar die Mutter des Angeklagten.
Bielleicht lag es daran, daß es schon zwei Tage hintereinander regnete oder nur daran, daß der Magen des Generaldirektors seit einiger Zeit nicht ganz in Ordnung mar, oder es fonnte auf ganz andere Umstände zurückzuführen sein, jedenfalls dachte der Generalandere Umstände zurückzuführen sein, jedenfalls dachte der General direktor einen Abend vor der Verhandlung darüber nach, wie man dem Arbeitslosen Buchard das war der Angeklagte helfen fönnte. Als der Sekretär eilig mit der Unterschriftenmappe ins 3immer trat, schien es, als wollte der hohe Chef nicht gestört sein, aber die Poft mußte ja raus. Darum blieb der Sekretär leise hüftelnd neben dem Sessel des Generaldirektors stehen, die Mappe wie ein Gebetbuch unter dem Arm.
-
Der Sekretär wurde unruhig.
"
-
Was haben Sie denn, Nemiz?" fuhr der Generaldirektor auf, der die Anmandlung seines Angestellten bemerkt hatte, geben Sie die Bost schon her!"
Er richtete sich im Sessel auf, wie ein verwundeter Despot, der mit der Faust auf den Tisch schlagen möchte, aber ein fremdes Messer fit ihm in der Brust, und er greift ächzend danach.
Ich," der Generaldirektor, dachte er ,,, ich size hier und mache mir unnötigerweise Gedanken über einen Menschen, der mich nichts angeht. Der sein Schicksal verdient. Ich verderbe mir den Appetit, tann nachts nicht schlafen, weil ich den Gedanken nicht los werde, ich bezahle, dem der Arbeiter Burchard eigentlich näher stehen müßte als mir, dieser Mann hier wird ungeduldig, weil die Poft fünf Minuten später herauskommen tönnte." Er nahm verärgert die
steigere: an den Straßentreuzungen gab es einen geradezu schwindel.ich müßte jemand retten. Und dieser Mann hier, dieser Remiz, den erregenden Wirrwarr von vorüberfausenden Autos, die mit ihren Scheinwerfern weit vor sich her die Straße in grelles Licht tauchten. Hassans Verwirrung steigerte sich allmählich zu einem fühlbaren Schmerz, der schließlich eins wurde mit dem ihm im Magen Berauschten gestört.
Da begann der Entschluß, um jeden Preis ein Paar Schuhe zu puzen, sein Gehirn zu beherrschen. Längs der Gehſteige von Kajr- el- Nil einherschlendernd, blickte er weder auf die Gesichter, noch auf die Kleider der Leute, denen er begegnete, sondern nur auf ihre Füße.
Gab es denn nicht auch zwei Füße für ihn, für seinen Hunger? Blitzschnell stürzte er auf die Leute zu, die er am Rand des Beh steiges auf einen Wagen oder auf die Straßenbahn warten sah, doch wurde er immer mit Fußtritten oder Stockschlägen abgewiesen. Die Kühle der Nacht erhöhte seinen Appetit. Die Finger seiner Rechten hielten frampfhaft die Bürste wie den Griff eines Meffers. Die im ftrahlenden Licht der Schaufenster glänzenden Schuhe perlegten und fesselten zugleich seine Blide. Hier und dort, nah und fern, rechts und links gab es Füße, Füße und wieder Füße, doch alle eilten vorbei, unerreichbar für ihn. Müde, verwirrt, wankend schritt Hassan in einer Hölle böjer Füße meiter, in der der Begriff des paradiesischen Glüdes sich mit dem Bilde zweier barmherziger, gemährender, unbeweglicher Schuhe deckte.
Endlich fand er sie in einem dunklen Gäßchen zwischen dem Ezbetie und Sharia Kamel, wo er fie am wenigsten suchte.
Die Füße auf dem Gebsteig an der Mauer fehen und mit ge
Mappe.
,, Wo ist der Brief an die Drag?" fragte der Generaldirektor nach der legten Unterschrift verwundert und sah den Sekretär an. „ Der war bereits in der ersten Post, Herr Generaldirektor!" lächelte verbindlich der Untergebene. Als er dann das Zimmer verlassen mollte, glaubte er noch an die morgige Verhandlung erinnern zu müssen. ,, Ich dachte daran!" sagte der Generaldirektor, eben dachte ich daran. Meine Aussage wird den Mann ins Gefängnis bringen,
Nemiz."
Der Sefretär machte eine bedauernde Bewegung.
Der Generaldirektor erhob sich jetzt und ging im Zimmer auf und ab. Der Sefretär sah ihn erstaunt an.
Der Sekretär sah ihn immer erstaunter an. Stellen Sie sich vor, Remiz!" setzte der Generaldirektor seine Gedankengänge fort, ein halbes Jahr Gefängnis. Denken Sie, Sie müßten auf ein halbes Jahr ins Gefängnis, weil Sie aus irgendeinem Grunde tätlich gegen mich geworden sind. Mit diesem Messer hier scharfes, blizendes Papiermesser vom Schreibtisch auf und weil ich Sie entlassen habe."
-
,, Herr Generaldirektor!" jagte der Angestellte erblassend. Beruhigen Sie sich. Aber Sie müssen wissen, der Fall liegt doch anders, als ich erst annahm. Ich war empört über die Roheit der Tat und meldete mich damals ganz impulfio als 3euge. In
zwischen aber habe ich erfahren, daß der niedergeschlagene Rönneberg in der ganzen Gegend nur ,, der Halsabschneider" genannt wird, daß er den Buchard, der schon lange arbeitslos ist und mit seiner Mutter und einem viertel Dugend Geschwister bei Rönneberg eine elende Bude bewohnt, bis aufs Blut gepeinigt hat."
Der Generaldirektor hielt in seiner Erzählung inne. Bin ich da?" dachte er.
Und der Sekretär sah ihn an, als wollte er sagen:„ Berzeihung, aber ich kann das alles unmöglich begreifen.
,, Bielleicht kann man irgend etwas für die Burchards tun," meinte er mechanisch. Es wäre beffer, ich hätte nichts gesehen, dann wäre seine Darstellung von Notwehr vielleicht glaubhafter gewesen." Der fleine, graue Büromensch wurde eifrig. ,, Es war doch schon dunkel und niemand im Augenblick der Tat anwesend als Sie..."
,, Und?" ,, Und
-
Herr Generaldirektor, wenn Sie wirklich wollten Als hätte der Generaldirektor schon ähnliche Gedanken gehabt, meinte er: ,, Ich brauchte zum Beispiel nur zu sagen: der Mann in dunklen Anzug statt der Mann im hellen Anzug habe die Hand erhoben.
Der Sekretär triumphierte: ,, Jawohl! Sofort würde sich die Verteidigung dieses Widerspruchs in ihrer Aussage bemächtigen, ihn aufblasen wie einen Luftballon. Ich sehe Burchard schon frei, Herr Generaldirektor."
Frei? Was? Ganz frei?"
Der Generaldirettor blieb wie erstarrt stehen. Frei?" wieder holte er langsam, als würde er aus einer Lethargie erwachen. ,, Was sagen Sie, Nemig? Frei? Jemand schlägt einen Menschen halbtot und soll seiner gerechten Strafe entzogen werden? Frei?"
,, Herr Generaldirettor!" stammelte der Sefretär vermirrt ,,, ich habe... boch... gleich... Ich dachte... Sie wollten doch... Sie sagten doch vorhin Ich begriff auch gar nicht..
"
Frei, Nemig? Wo haben Sie ihren Berstand?" Der General direktor war erregt. Stellen Sie sich vor: Frei! Denken Sie mal diesen Gedanken zu Ende, Sie Hanswurst. Denken Sie weiter: wir müssen demnächst wieder fünfzig Arbeiter entlassen. Fünfzig neue Arbeitslose, die wie Burchard jemand halbtot schlagen und die frei gesprochen werden wollen. Nemiz! Wahnsinn! Wahnsinn!"
Der Sekretär war vernichtet auf einen Stuhl gefunten. ,, Ich dachte es mir doch gleich..." entschuldigte er sich. Er sah aus, wie von den fünfzig neuen Arbeitslosen zu Tode gehetzt, auf seiner niedrigen Stirn standen Schweißtropfen, seine Augen jahen angſtvoll neuen Ausbrüchen des Generaldirektors entgegen. Aber der war jetzt sehr ruhig. Gehen Sie endlich mit der Post, Nemiz!" jagte er etwas heiser, sonst müffen Sie wirklich noch Ueberstunden
machen."
Der Stierkampf im Lichte der Statistit. Das amtliche statistische Büro in Spanien beschäftigt sich in seinen Jahresuntersuchungen auch mit dem Stierkampf als einen besonderen Wirtschaftszweig. Für 1929 weist die Statistit 228 Züchter von Kampfftieren nach und etwa 10 000 Stiertämpfer und ihre Gehilfen. 8000 Stiere wurden in der Arena getötet, 368 Stiertämpfer verwundet und 8 getötet. Dabei sind die Unfälle bei den improvisierten Dorf- Stierfämpfen nicht mitgezählt. Behördlich zugelassen find insgesamt 514 Stiertampfarenen. Seit Einführung der auf Veranlassung der Tierschutzvereinigungen geforderten Polsterungen an den Pferden, hat sich die Zahl der getöteten Pferde von 5000 auf 3000 vermindert. Die Schuhmaßnahmen für die Tiere follen indeffen wieder eingeschränkt werden, nachdem man einen Rückgang des Besuches mit den eingeführten Polsterungen in Zusammenhang gebracht hat.
Schwedische Streichholzindustrie. Die von der„ Svenska Tändftids 2.-G." beherrschten Streichholzfabriken ftellen jährlich 10 Milliarden Schachteln her, die im Durchschnitt 60 Stüd pro Schachtel enthalten. Die Fabriken stellen täglich so viel Zündhölzer her, daß auf jeden Bewohner der Welt ein bis drei Zündhölzer pro Tag entfallen. Stapelt man die in acht Monaten von ben schwedischen Fabriken hergestellten Schachteln mit Zündhölzern aufeinander, so erhält man eine Säule, die dem Abstande zwischen Erde und Mond entspricht.