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Fast ein Vierteljahrhundert

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Das neue Museum wird eröffnet

Nebukadnezars Palast.

Nach zweiundzwanzigjähriger Bauzeit ist das Museumsgebäude| Bautrümmern und Gipsergänzungen aufgeführt sind, für wessen am Kupfergraben fertig geworden. Nicht vollständig: es fehlen die Geist diese Kolossalsäle mit den Resten einer späten Kultur angefüllt Zugangsteile, also die Spreebrüde, die abschließende Säulenhalle, wurden. Denn das darf nicht streng genug hervorgehoben werden: der Portalvorbau man muß, um überhaupt hineinzugelangen, wenn die Antike uns noch etwas bedeutet, so kann das nur die das Kaiser- Friedrich- Museum oder das Neue Museum durchschreiten griechische sein aus der klassischen Zeit des 6. und 5. Jahrhunderts und die Ueberbrückungen in einem der Flügelbauten benutzen.( Athen  , Bäsſtum, Sizilien). Späthellenische und römische Architektur Außerdem ist im Innern das Vorderasiatische Museum aus der Kaiserzeit, wie sie hier aufgerichtet ist, hat heute nur noch nur zu einem kleinen Teil fertig geworden. Kein ganz wür­Wert für Archäologen. diger Zustand also; er gibt ein deutliches Bild der deutschen  Situation: ein in der Kaiserzeit über Gebühr imposant aufge= 30genes Unternehmen hat die Republik   als Erbe übernehmen und mit ihren beschränkten Mitteln zu Ende führen müssen. Die Boll­endung des Fehlenden bleibt den nächsten zwei Jahren überlassen; die staatlichen Aufwendungen müssen eben verteilt werden. Es wäre aber nicht zweckmäßig gewesen, die Welt noch länger auf die Eröffnung dieser Sammlungen warten zu lassen. Die Hundert­jahrfeier der Berliner   Museen gab den richtigen Zeitpunkt an, und die halb provisorische Eröffnungsfeier am 1. und 2. Oktober ent­spricht sehr gut der Aufrichtigkeit, mit der das arm gewordene Deutschland   seine Leistungsgrenzen und seine großen kulturellen Verpflichtungen in einem Atem bekennt. Die Heimat und das Ausland, die in gleicher Spanmung diesen Augenblick erwartet haben, werden die glückliche Ausgleichung widerstrebender Kräfte zu schätzen wissen.

Uebergewaltige Dimensionen. Messel   ist über seinen Plänen hinweggestorben, ohne auch nur die Fundamentierung seines Museums erlebt zu haben. Lud­ wig Hoffmann   übernahm die Durchführung dieses Werkes. Im ganzen fann man Foffmann die notwendige Pietät gegen den

größeren Freund zubilligen; das Museum macht in seinem Aeußern ganz jenen Eindruck vornehmer Klassizität, die Messels beste Werke auszeichnet. Fügen wir hinzu, daß diese Art gebildeter Architektur in ihrer akademischen Kühle uns heute nicht mehr zeitgemäß er­scheint, daß das großartige Pathos ihrer Riesenfassaden uns allzu sehr an den verschollenen Imperialismus erinnert und eher Aus­druck einer übermenschlichen Distanzierung scheint, als Hülle für die edelsten Güter einer Kontinente und Jahrtausende umspan­nenden Menschheit so ist das doch nur entsagend vor der voll­endeten Tatsache dieses schönen Baues gemeint, den eine uns schon fernliegende Gesinnung allzu gewaltig begann.

Alle Einwände gegen Einzelheiten des Aeußern wie Innern verblassen in dieser Resignation: das Erstaunen vor den über­gewaltigen Dimensionen der Antiken- und Ba bylonfäle, die selbst amerikanische Verhältnisse übertrumpfen, das Befremden gegenüber dem Unterfangen, ganze Gebäude

aus dem Bereich antifer Mittelmeerkultur unter Glasdecken in nordischen Innenräumen aufzu stellen; die Empfindlichkeit gegenüber der Nüchternheit, mit der im Innern ein unsichtbarer Sparfommissar gewirtschaftet und alle Möglichkeiten wärmerer Stimmung vereitelt hat. Man erinnert sich der Kosten, die allein die Fundamentierung des ungeheuren Steinbaues über dem berüchtigten ,, Kolt" verschlungen hat. Diesem gefräßigen Ungeheuer sind die Summen geopfert worden, mit denen man den liebenswürdigen Geist der Messelschen Raumgestaltung hätte materialisieren können.

Haus ohne Namen?

Wie soll man den Messelbau in Zukunft nennen? Deut sches Museum" bezeichnet mur das eine Drittel, den linken Flügel an der Stadtbahn; die drei Säle mit hellenistisch- römischer Architektur, deren Hauptstück in der Mitte der Perga­monaltar bildet, werden zwar die stärkste Anziehung auf Deutsche   und Amerikaner ausüben, können aber dem Ganzen auch nicht ihren Stempel aufdrücken. Am wenigsten aber wird die Vorderasiatische Abteilung im rechten Flügel namen­bestimmende Kraft entfalten. Die Weisen und die Laien stehen ratlos vor der Namensfrage, die sich weder an den Erbauer Messel  noch an den geistigen Urheber Wilhelm Bode   wenden kann. Ueber die Unmöglichkeit der Aufstellung spätantiker Bau­fragmente in 20 Meter hohen Museumssälen ist schon genug ge­äußert worden. Es muß sich jeder Besucher unbefangen mit dieser Frage auseinandersetzen; vom 3. Oktober 12 Uhr an find die neuen Sammlungen für die Allgemeinheit geöffnet. Im Mittelsaal sind die Ueberreste des großen Altars aufgebaut, den Eumenes II. um 170 v. Chr. auf der Burg zu Pergamon   weihte, um dem entscheidenden Sieg über die Gallierstämme ein Monument zu er­richten. Der wichtichste Teil dieses Werks ist der gewaltige Relief­streifen, der sich um den ganzen Unterbau zieht; feine machtvolle und hinreißende Darstellung des mythischen Kampfes zwischen den Griechengöttern und den Giganten, die den Himmel stürmen wollen, ist als Symbol für den Sieg über die barbarischen Galater zu deuten. Heute empfinden wir den geistigen Gehalt dieser stürmischen Szenen wohl anders, und selbst die Künstler haben ihre Partei­nahme für die Besiegten nicht ganz, wenn auch wohl unbewußt, verbergen können. Das großartige Pathos dieses antiken Barock hat in den uns erhaltenen Teilen den Ausdruck des Leidens bei den Unterlegenen bisweilen erschütternd hervorgehoben.

So gleichgültig uns die klassischen Namen der Götter und Giganten sind, so schmerzlich empfinden wir die Tatsache, daß die der Reliefs und ihr Bau auseinandergerissen wurden. Die Reliefs find nämlich an die Wände des Saales versetzt worden, weil sie dort besseres Licht erhalten. Von dem Altarbau selber ist nur das vordere Drittel mit der mächtigen Frei treppe wieder aufgebaut. Es wäre wohl das Richtigste gewesen, überhaupt mur die allein wichtigen Reliefs zu zeigen, den Altar aber in einem genügend großen Modell. Die wilhelminische Epoche hat den Gedanken einer naturgroßen Rekonstruktion in einem Museumssaal aufgenommen; dann aber bekam man Angst und hat nur ein Drittel aufgebaut. Damit ist nun eigentlich niemand gedient. Der ganze Fragenkompler rührt an alle Tiefen unferer geistigen Existenz und ist so einfach nicht zu erledigen. Es fommt letzten Endes darauf, an, ob man Kunst als eine Angelegen­heit der Bildung, der Repräsentation, des sogen. Brestiges ansieht, oder aber sie der echten Empfindung und dem Herzensbedürfnis des einzelnen überlassen will.

In dem Pergamonmuseum fommt das persönliche Kunst­empfinden leicht zu kurz. Die beiden Säle rechts und links, in den Ausmaßen nicht viel geringer, enthalten Bruchstücke von Tempeln, Markthallen und dergl. aus Magnesia, Bergamon, Milet  . Sie sind zum größten Teil in Steinguß rekonstruiert, in Lebensgröße, aber nicht als ganze Bau­merte, sondern nur in Einzelteilen, z. B. eine oder ein paar Säulen mit ihrem zugehörigen Gebälk; in dem günstigsten Fall vollständig: in dem des Martttores von Milet   aus dem 2. Jahrhundert m. Chr. Es ist nicht ganz flar, für wen diefe Mischung aus alten

führte

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Der Teil der vorderasiatischen Abteilung, den man schon be fichtigen kann, ist die sogenannte Prozessionsstraße und das ihtar- Tor, die von Koldewey   und der Deutschen Orientgesell schaft im alten Babylon   ausgegraben sind. Sie stammen von dem der Nebukad ungeheuren Palast, den sich Nebuchodonosor II. nezar" der Bibel, der die Juden in die babylonische Gefangenschaft in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. erbaut hat. Aus Hunderttausenden von Bruchstücken sind in dreißigjähriger sammengesetzt worden; die nachweisbaren Zwischenstücke wurden er­Arbeit deutscher Gelehrter die mächtigen Mauerbekleidungen zu­gänzt, damit ein einheitlicher Eindruck entsteht. Hier war die Er­gänzung möglich und sinnvoll, weil es sich nur um die Dekorierung bilder vorhanden, Abmessung und Form der Bauten nachweisbar glatter Wände mit farbig glasierten Ziegeln handelte und die Vor­waren. Man befommt einen starten Eindruck von der ursprünglichen Mächtigteit dieses babyloni­schen Königshaus, obwohl auch hier das Zusammengedrängte gleichartig gebildeten Löwen, Stieren und Fabeltieren in Flach und Fragmentarische sich nicht verleugnet. Gewaltige Friese von relief begleiten die Wände der Prozessionsstraße des Gottes Marduk einer fabelhaften Farbigkeit, die sich in Blau, Gelb, Weiß und Braun mie des äußeren Tores des Ischtar; der wesentliche Eindruck ist der auf ungeheuren Flächen ausbreitet und heute noch fast mit der­selben Leuchtkraft wirkt wie vor 2500 Jahren.

Der vollkommenste Teil.

In dem linken Flügel, mit dem Kaiser- Friedrich- Museum durch Ueberbrückung der Stadtbahn verbunden, find die Schäße deut.

fher and affntebertandifer Runft untergebrody Jeder Besucher des Kaiser- Friedrich- Museums hat die Häufung der Kunstwerke dort bedauert. Jetzt ist dort Raum geschaffen worden; Geheimrat Friedländer   hat bereits die holländischen und flämischen Bilder in den freigewordenen Sälen nach dem Kupfer. graben zu gehängt, und man kann die lockere und geschmackvolle Neuordnung mit dankbarem Aufatmen begrüßen. Noch viel intensiver ist die Raumweite in den neuen Sälen des Messelbaus der deutschen   Kunst zugute ge­

tommen.

In zwei Geschossen sind Gemälde, Stulpturen, Altäre und Kleinkunst deutscher Herkunft von der Völkerwanderung bis zum Ende des 18. Jahrhunderts eingeordnet. Das ( etwas zu hohe) Erdgeschoß ist mit einheitlicher Holzdecke, aber deut­lich betonter Unterteilung der langobardischen. romanischen und gotischen Zeit bis etwa 1430 überlassen. Schon hier findet man vieles Neue und Unbekannte vor allem Architekturteile und ein­

gemauerte Stulpturen und das aus dem Kaiser- Friedrichs Museum Bekannte hat durch weiträumige Aufstellung und Beleuch tung einen ganz neuen und lebendigen Akzent erhalten. Im Ober­geschoß reihen sich Kabinette mit Seitenlicht und Säle mit Oberlicht in drei Reihen aneinander, enthaltend die Kunst der deutschen Blütezeit von 1430 bis zum Rofoto und die altniederländische Malerei( von van End bis zu Breughel  ), die ihr völlig artverwandt mäßig zugute. ist. Die Art der Aufstellung kommt nicht allen Kunstwerken gleich­Cranach, der Niederländer   usw. sind Malerei und Skulptur gemischt, Mit Ausnahme der großen, wie Dürer, Holbein  , und man tam sagen, daß diese, im einzelnen glücklich, ja geistreich der Malerei, und daß das Moment des Abwechslungsreich- Unterhalt­durchgeführte Kombination der Bildhauerei oft besser bekommt als samen wohl das Bestimmende hierbei war. Aber das ist, ange­fichts der Aufgabe der Museen, in erster Reihe dem Volt und nicht den Gelehrten zu dienen, gewinnt hier einen wahrhaft überwältigenden Eindruck von der grundsäglich als der rechte Weg zu bezeichnen. Man Fülle bildender Schöpferkraft im Deutschland   des ausgehenden Mittel­übungen jener Zeit ist wohl faum auf bessere Art wiederzugeben alters, und die Untrennbarkeit und Verflochtenheit aller Kunst­als mit solcher Bermischung. Es kommt hinzu, daß die Qualität der Dinge in diesen Räumen und durch diese Aufstellung durchaus ge­wonnen hat, und daß die Fülle des bedeutenden Neuen in allen Teilen höchlich überrascht und beglückt; so daß wie das Deutsche  Museum als den vollkommensten Teil der neuen Sammlungen bezeichnen können.

Paul F. Schmidt.

Gerdland: Die andere Seite

Die enge Gasse ist des Nachts erfüllt von einer seltsam sablen Dunkelheit, von einer unheimlichen, gespenstischen Stille. Ein Jeder, schmierigen Fenstern mit den knallgelben oder blutroten Vorhängen der zu später Stunde die Gasse entlanggeht, weiß es: hinter diesen wohnt lichtscheues Gesindel, wohnen Lumpen und Verbrecher, ver faufen Dirnen legte Liebeslust. Aus diesen Kellern dringt nur selten ein Laut, und die Stille in der Gasse ist deshalb so be­ängstigend, weil man nur ahnt, nicht meiß Das alles hier wirkt wie ein Tonfilm, vor dem man im Kino sigt, und plöglich versagt der Ton, plötzlich gestikulieren die Darsteller mit offenem Mund, aber man hört nichts. Tatsächlich, auch die Häuser der Gasse wirken wie die Dekoration, wie die Kulisse eines expressionistischen Films, so bizarr stieren die Giebel in den fahlen Nachthimmel, so merkwürdig gelb und hilflos schwelen die funzelnden Basflammen hinter den trüben Glasscheiben der uralten Kandelaber, so wintelig sind die Treppen, so krumm die Tore.

Ja, das ist also die Krämergasse.

Die Herrschaften, die immer und überall auch die, andere Seite" in Augenschein nehmen, die auf ihren Ausflügen um die Erde, in den Metropolen und Hasenstädten die Unterwelt", die Toppfeller, die Chinesenviertel und die Gefängnisse besichtigen, folgen den Spannern, den Schleppern; sie gehen ein paar Schritte, biegen in eine Querstraße ein, und befinden sich in dieser mittelalter­lichen, verrufenen Gasse mit ihrer unheimlichen Stille, mit ihrer sinnebetrübenden Düsternis. Sie alle gehen nur auf der einen Seite der Gasse. Nur hier brennen die Laternen, nur hier gibt es hinter verschlossenen Türen jene Attraktionen, die auf Fremden­verkehr und Nerventigel", auf Sensation" und Rausch, Sünde, Erotik, Nacktheit, Hysterie und Efstase", auf lnflat"," fauftdicke Gemeinheit und was weiß ich zurechtfrisiert sind. Aber die Herr schaften sehen nur nachgemachte Unterweltfönige", nur imitierte Sünde, nur Pseudohochstapler mit ihren Herzallerliebsten. Und die andere Seite sehen sie nicht...

Die andere Seite Nun, wenn die Gasse abgeschminkt, grau, unromantisch, baufällig sich beim unbarmherzigen Tageslicht präsentiert, sieht man den krassen Unterschied. Die andere Seite, die andere Front der Gasse besteht aus großen Häusern; ganz sach­lich, ohne Schnörkel und Stuck, ohne Giebel und Zinnen ragen und wuchten sie empor.

Wenn die Dämmerung über die Hafenstadt sinkt, dann begibt sich in der Krämergasse folgendes: Die Portiers, die Minuten später in tressenübersäter, goldstrozender Uniform die Schaukästen vor die Eingänge der Vergnügungspaläste hängen, die Bardamen, die ihre üppig wogenden Busen auf den Theten deponieren, die Original­american- Barmiger, und die vielen, vielen ,, Girl" titulierten Mäd­chen, deren schöne Beine, deren wippenden, nackten Brüste, deren Lächelmünder und Kizellöckchen als Tanzeinlage zum Dessert ge­reicht werden, alle, die mit einem frampfigen Lachen, mit einer feuchtfröhlichen Heiterkeit Minuten später die kristallene, kalte, funkelnde Bergnügungsmaschinerie ankurbeln werden, gehen dann in die Tore dieser anderen Seite hinein... Diese andere Seite der Gasse besteht nämlich aus den Hinterfronten der Amüsierlokale; hier liegen die Lieferanten- und Bühneneingänge der Lurus­restaurants.

Um diese späte Nachmittagsstunde trotten schon die ersten Liebe­frauen ihren Strich. Jetzt wird nicht nur in die Ballhäuser das Menschenmaterial eingeliefert, jezt rüstet sich auch die andere Seite der Sensationen" für den Zustrom der Schaulustigen, schminkt sich wie eine alte Dirne, auf kindlich naiv oder fündhaft lockend.

das Brüstewippen und Spagatmachen nichts anderes war als die Arbeit etwa in einer Konservenbüchsenfabrit, an der Schreib­maschine oder im Haushalt, sie alle sind plöglich broflos geworden.

So geht im Dämmerschein des Abends der traurige Zug der Mädchen durch die enge Gasse. Matrosen und junge Burschen auf halbem Wege zum Bordell gehen vorbei; Branntweinatem, Blicke und Worte umlauern die Mädchen.

Auf der anderen Seite leuchten schon die Laternen, hinter den knallgelben und blutroten Vorhängen wird schon Betrieb gemacht.

Zuweilen löst sich ein Mädchen aus dem Zug und hängt sich bei einem Matrojen ein. Einige gehen auf die andere Seite und verschwinden in den Kellern; ohne Gruß, scheu und ergeben. Werden sie den vergnügungsfüchtigen Fremden das Dirnendasein nur vorgauteln: auf der anderen Seite!

Bald wird es Nacht sein, dann ist die Gasse erfüllt von einer fahlen Dunkelheit, von einer unheimlichen, gespenstischen Stille.

Beethoven   ist unproletarisch

Das Moskauer   Abendblatt Betschernaja Mostwa", das amtliche Organ des Moskauer Stadtsowjets, brandmarkt in seiner Nummer vom 20. September die unpolitische Aufmachung des musikalischen Teils der Moskauer   Rundfunkprogramme, und zwar mit folgenden Worten:

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Wie gewöhnlich beschwört und beteuert es der Ansager ail­abendlich am Mikrophon, die Musit Beethovens sei dem Prole­tariat durchaus geiftesverwandt"... Und dann ertönt ein Lied, in dessen Wortlaut wir es mit einer ganz klaren Ideologie zu iun haben, die keinesfalls willkürliche und subjektive Deutungen zu­läßt. Hier dürfen wir also erwarten, daß die harmonische Ueber= einstimmung des fast proletarischen" Beethoven   mit dem Pathes des Aufrufes unserer Zentralerefutive garantiert sei! Hören mir die Antwort Funk- Beethovens auf den Aufruf der Zentralexekutive: In dieses Grabes Dunkel laß' entschlummert mich sein!- Beneze weinend meine Asche nicht mit eitlem Schmerz!" In dieses Grabes Dunkel" ist ein herrliches Lied; doch wie richten wir es ein, daß töricht und es uns wirklich stark und genial flingt, nicht aber taktlos? Auf diesen Gedanken find unsere Musikforscher noch nicht verfallen."

Es bleibt zu hoffen, daß nach diesem Berweis des amtlichen Blattes die sowjetisierten Beethoven- Tegte nicht mehr lange auf fich warten lassen werden. Denn was wäre wohl leichter getan, als diesem Liede etwa ein paar Schlagworte aus dem letzten Leit­artikel der Prawda" zugrundezulegen.

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Das Rajierklingenwunder Läßt man eine stumpje Rasiertlinge etwa vier Wochen unbenut, sie wird scharf und fann neuerdings so regeneriert sie sich wieder benutzt werden. Legt man sich eine Mappe von 31 Rafierklingen an, von denen man täglich je eine benutzt und an seine Datumstelle wieder in die Mappe zurücklegt, so fann man die Klingen mehrere Monate lang benutzten, ohne sie neu schleifen zu müssen. Worauf beruht diese Erscheinung?

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Unterm Mikrostop zeigt die Rasiertlinge eine nicht völlig grad­linige Form, auch wenn sie nicht gebraucht ist. Doch sind die Ein­buchtungen klein. Eine gebrauchte Klinge aber zeigt zahlreiche Risse von wechselnder Gestalt. Aus diesen Rissen heraus wächst" der Stahl durch einen Vorgang, den man mit dem Kristallwachstum vergleichen fann der vielleicht auch letzten Endes ein Anwachsen fleiner Eisentristalle vorstellt die hinzuwachsenden sehr dünnen Echichten stellen an sich eine neue Schärfung vor, sie verdünnen zu dem noch den Rand, von dem sie entsprungen sind. Dadurch wird die Klinge neuerdings scharf. Aber diese Schürfe ist stets etwas Teilchen füllen nämlich die durchs erfte Rasieren entstandenen Ein­buchtungen feineswegs ganz aus, so daß die durch Liegen scharf ge= wordene Klinge nicht so gradlinig begrenzt ist wie eine neue. Jimmer hin fann man auf solche Weise die gleiche Klinge mehrmals benutzen und spart daher im Laufe eines Jahres eine beträchtliche Summe

Und dieser Nachmittag ist so wie alle anderen in der Krämer­gasse. Die klein-, ja: spießbürgerlichen Animiermenschen gehen durch die massiven Hintereingänge, und ,, drüben" frisieren sich ab­gebaute Stommis auf ,, Knüpptuchlude". Es ist ein Nachmittag wie alle anderen hier. Vom Hafen her heulen die Schiffssirenen, und vom Hippodrom erklingt eine blecherne Musik... Aber die Girls, diese niedlichen, nüttlichen Mädchen kommen heute nach menigen Minuten schon zurück aus dem Bühneneingang des Music- fragend", weil die Schneide uneben bleibt. Die vorschießenden hall, die Figurantinnen, die als Staffage, nackter als nackt, dazu stehen und auszusehen haben, kommen wieder. Entlassen! Nachts wird eine Lücke in den hastenden Leuchtpropaganden entstehen, denn das Haus ist geschlossen. Bankrott, oder so etwas ähnliches All diefe Mädchen, denen das Rechtes Bein hoch, tintes Bein hog,