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Morgenausgabe

Rr. 463

A 233

47.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner   Bolesblatt

Freitag

3. Oftober 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Baugoins Programm.

Das Entstehen der Heimwehrregierung.

Wien  , 2. Oktober. Bundeskanzler Baugoin sfizzierte in einer Unter redung mit einein Vertreter des, N. W.   Journal" sein Programm dahin, daß er vor allem daran arbeite, alle baterlandsliebenden Kreise im Kampf gegen den Margismus zu sammeln. Während des Wahlkampfes werde die Regierung darauf achten, daß die Ruhe und die Ordnung nirgends gestört und das Vertrauen des Auslandes zu Oesterreich bestärkt werde. Der Bundes­Kanzler heiße jeden in seinem Kampfe willkommen und achte jeden, der in Glaubenstreue und Heimatliebe

ihm zur Seite stehe.

Der Tiroler Landesführer der Heimwehr Dr. Steidle sagt in einem Aufruf, mit dem Eintritt der Heimwehr  in die Regierung habe die Heimwehr zum erstenmal gemäß ihrem Programm einen Teil der Staats­gewalt in ihre Hände gebracht.

Ministerium der Heimwehren.

Wien  , 2. Ottober( Eigenbericht). Benn man die Ernennung des Ministeriums Baugoin und die Aufnahme der zwei Heimwehrführer in das chriftlich­foziale Minderheitsfabinett verstehen will, muß man bis auf den Rücktritt Seipels, zwei Tage nach Ostern 1929, zurüdgehen. Man verstand damals nicht, marum Seipel auf einmal die Flinte ins Korn geworfen haben und von der Politik geflohen sein sollte. In Wirklichkeit war er nur deshalb zurückgetreten, um seine Pläne leichter dann als Bundeskanzler betreiben zu können. Als er von der Mittelmeerreise nach seinem Rücktritt zurückkam, sagte er selbst, er sei weggefahren, um ,, in seiner Abwesenheit sein politisches Konzept durch die Arbeit anderer vollenden zu lassen".

Während die Heimwehrführer den ,, Marsch nach Wien  ", die Eroberung Wiens ,, mit der Waffe in der Faust" an­fündigten, intrigierten Seipels Beauftragte gegen die Lösung der Krise. Es dauerte einen vollen Monat, ehe man einen Bundeskanzler fand und weitere drei

Im April hatte Seipel, um die wiederstrebenden Elemente der Partei zum Gehorsam zurückzuführen, seine Obmannsstelle niedergelegt und war nach Deutschland   abgereist. Sein Rüd­tritt wurde zwar mit seiner geschwächten Gesundheit begründet, aber seine Getreuen verraten, daß auch politische Gründe mit spielten. Einstimmig bittet ihn der Klub, zurückzukehren. Wenige Stunden nach diesem Beschluß hält er in Elberfeld   eine Rede, in der er es als Irrtum erflärt, Demokratie und Republif zu verwechseln oder gar Demokratie mit Barla­mentarismus! Nun überläßt er die Obmannsstelle seinem getreuen Knappen Baugoin, mit dem zusammen er den gemäßigten Flügel feiner Partei immer mehr zurüddrängt, bis er es schließ lich wagen, fann, offen das Bündnis mit der Heim mehr zu verkünden. Aber auch da fucht er sich ein 2libi, und während Baugoin in seinem Auftrag das Messer schärft, um Schober abzuschlachten, unternimmt er eine Vortragsreise nach Norwegen  !

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Ilichen, alle reattionären Kräfte des Bür gertums zusammenfassenden Organisation zu einer Parteigarde der Christlichsozialen gemacht werden soll, nicht nur gegen die Sozialdemokraten, sondern auch gegen die bürgerlichen, nicht minder anti­margistischen, nicht minder antisozialistischen Parteien, die Kraft der Heimwehr und ihrer Verbündeten schwächen wird.

Die Sozialdemokratie aber, die sich start genug fühlte, es mit dem geeinigten Bürgerblock aufzunehmen, geht Teil des Bürgerblocks, der sich überaus durch sein Bündnis um so zuversichtlicher in den Kampf gegen den einen mit den faschistischen Feinden der Demokratie kompro­mittiert hat!

Strafella Generaldirektor der Bundesbahn.

Wien  , 2. Oktober.

Die Ernennung Dr. Strafellas zum General birektor der Bundesbahnen durch deren Prä­denten Dollfus ist heute abend von der Regierung be­am 30. September freigewordenen Direktorenposten. stätigt worden. Zugleich erfolgte die Besetzung der

Konfiszierter Heimwehrplan.

Wien  , 2. Oftober.( Eigenbericht.)

Die Wiener   Allgemeine Zeitung" ist heute fonfisziert worden wegen Wiedergabe eines Berichts der Frankfurter Zeitung  ", wonach im Fall eines fozialdemokratischen Wahlsieges Lande aufgezwungen werden würde. ein Heimwehr birettorium mit Diktaturgewalt dem

Landbund beantragt Mißtrauen.

Aber Baugoin hat in der Abwesenheit des Meisters die Karten zu sehr aufgedeckt, so daß die Koalitions= genossen nicht mehr mitfönnen. Bergeblich sucht Seipel nochmals mit der antimargisiischen Parole die alte Front wieder herzustellen. Da ihm das nicht gelingt, muß er vor­eitig bie Regierung mit der Heimwehr bilden. Immer bat er darauf hingearbeitet und hat planmäßig die Stim. mung im Bürgertum in diesem Sinne beeinflußt. Die antimargiftische. Front aller bürgerlichen Parteien ein schließlich der Heimwehren hat er in seinem letzten Interfammengetreten, um mit der Regierung zusammen den Wahltag zu view auf der Fahrt nach Wien   als sein Ziel hingestellt. Statt desses hat er den Bürgerblock zerschlagen und muß mit den Heimwehrführern allein eine Minderheitsregierung bilden, die es nicht einmal magen tann, vor das Parlament zu treten, weil sie sofort gestürzt würde. Das ist der wahre Grund, warum die Regierung das Parlament auflöst. Nicht aus Stärke, sondern aus Schwäche ist diese antiparlamentarische Geste gemacht worden.

Dabei scheint es, daß die Aufnahme der Heimwehr   in das

mehr in der Heimwehr   selbst der Widerstand dagegen, daß die Heimwehr aus einer überpartei

Wien  , 2. Oftober.( Eigenbericht.) Heute ist der ständige Unterausschuß des Hauptausschusses 311 bestimmen. Die Regierungsparteien beantragten, den 9. November antragte, der Regierung das Mißtrauen auszusprechen, weil sie den als Wahltag zu bestimmen. Der Landbündler 3angl be­Nationalrat aufgelöst hat, ohne ihm Gelegenheit zu geben, über ein Vertrauenspotum abzustimmen; nur mit diesem Borbehalt solle man

den 9. November als Wahltag bestimmen. Da der Präsident diesen Antrag nicht zur Abstimmung bringen will, beantragte Dr. Bauer jetzt, festzustellen, daß das Borgehen der Regierung dem Geiſte der Bundesverfassung widerspreche und den Bundes­ präsidenten   zu ersuchen, die Regierung des Amtes zu ent­heben. Es entspann sich über diese Anträge eine lange Debatte.

Abstimmung bringe. Es wurde dann der Antrag den Termin der Wahlen für den 9. November festzusetzen, angenommen.

Regierung fertig brachte. Der neue Bundeskanzler war der Kabinett ihm nicht einmal deren ganze Kraft zuführt, daß viel Schließlich erklärte der Präsident, daß er beide Anträge nicht zur Großindustrielle Streerumis vom gemäßigten Flügel der Christlich- Sozialen. Die Seipel- Clique zwang ihm aber als Heeresminister Herrn Baugo in auf, den derzeitigen Kanzler, mit dem von der Reichspost", dem christlich- sozialen Zentral­organ, offen ausgesprochenen Argument, daß ,, nur Baugoins Wiederwahl der neuen Regierung das Vertrauen jener Kreise wiedergewinnen fönne, deren Glaube an das Parlament und den Parlamentarismus, ja vielfach selbst an die Demo­tratie erschüttert sei. Hier haben wir also das Pro­gramm Baugoins mit dem der Heimwehr  offen identifiziert:

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Um diese Zeit flagte Seipel in einem Vortrag zu Tübingen  über die llebel der Parteiherrschaft" und darüber, daß die Abgeordneten unter dem Einfluß der hinter ihnen stehenden, Wähler bleiben".

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Es kam dann der Sommer der Heimwehrauf­märsche, wobei sich Seipel immer offener an ihre Seite stellte. Dann kam der Zusammenbruch der Bodenkreditanstalt und dann die Regierung Schober, um die weiteren Zu­fammenbrüche aufzuhalten. Unter dem Eindruck dieses Krachs flaute die Heimwehrbewegung etwas ab. Aber im verflossenen Frühjahr begannen die Aufmärsche wieder und am 18. Mai ließ Steidle, der Heimwehrführer und christlich- soziale Bundesrat, seine Mannen in Rorneuburg das Ge­löbnis auf den Faschismus ablegen. Star hemberg war in Kronenburg   nicht erschienen, aber er beeilte sich zu erklären, daß ihm das Vorgehen Steidles noch zu wenig radikal sei. Unter dem Einfluß Seipels beschließt die christlich- soziale Fraktion am 4. Juni, daß der Korneuburger Eid, den auch christlich soziale Mandatsträger geleistet hatten, mit den Grundfäßen der chriftlich- sozialen Partei vereinbart sei.

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Poincaré   vor den Toren!

Tardieu soll einverstanden sein.

Paris  , 2. Oktober.  ( Eigenbericht.)

Zusammentritt des Parlaments abwarten wird, um zu demiffio. fchon vorher seinen Rüdtritt freiwillig anfündigen werde. Den Anlaß dazu könnte ihm vielleicht die Demission des Luftfahrt­früheren Leistungen nicht verstanden hat, das französische   Flugwesen ministers Laurent Ennac bieten, der es entgegen seinen sogar schon ankündigen zu können, daß Poincaré   eine Regie­wieder zu reorganisieren. Endlich glaubt man in politischen Streifen bilden will, daß er also versuchen werde, jene Nationale Union  " rung der Großen Koalition mit Einschluß der Radikalen wieder herzustellen, wie sie einst vor dem Kongreß von Angers   be­standen hatte.

Bei dem Verschwörer- Frühstück" zwischen Tardieu, manieren, sondern daß er bei irgendeiner erzwungenen Gelegenheit ginot und Poincaré   in Bar- le- Duc   scheint, wie allmählich aus den offiziösen Kreisen durchsichert, der ehemalige Ministerpräsident Arena und in die Regierung endgültig durchgesezt zu haben. Man Poincaré   feinen Wiedereintritt in die politische erinnert sich, daß im Frühjahr dieses Jahres. nach dem Sturz bes furglebigen Linkskabinetts Chautemps, der Präsident der Republik bereits Poincaré   mit der Regierungsbildung beauftragen wollte. Poincaré   hatte das mit Rücksicht auf seine noch nicht vollständige Genesung abgelehnt, hatte jedoch durchblicken lassen, daß er rung zu ergreifen. In allen politischen Kreisen Frankreichs   ist man nur auf seine Gesundung warte, um erneut die Zügel der Regie

der Ansicht, daß

Poincaré fofort nach der Wiedereröffnung des Parlaments feinen Statthalter abzulösen gesonnen fei. Tardieu selbst, der sich nicht mehr allzu start fühlt, dürfte dieser Wunsch Poincarés nicht gerade unangenehm sein. Man behauptet, daß er sich ohne Schwierigkeiten gebeugt habe unter der Bedingung, daß ihm selbst die Leitung des Innenministeriums ver­daß ihm selbst die Leitung des Innenministeriums per bleibe. Man will sogar wissen, daß Tardieu gar nicht mehr den

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Außenpolitischer Frontwechsel?

Paris  , 2. Oktober( Eigenbericht). Die scharfe Tonart, die Briand bei seiner letzten Rede in Genf   gegenüber Deutschland   angeschlagen hat, scheint, wenn man gewiffen Gerüchten in den französischen diplomatischen Kreisen Glauben schenken darf, eine

bedeutungsvolle Schwenkung in der französischen   Außenpolitik vorzubereiten. Frankreich   soll danach nichts Geringeres beab­sichtigen, als den durch den Hitler- Sieg in Deutschland   erschwerten

Reichsbanner marschiert

Sonntagnachmittag 4 Uhr im Lustgarten