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Der Kampf um Briand .

Zusammenstoß mit Zardien im Kabinett.

Paris , 3. Ottober.( Eigenbericht.)

Ueber den Berlauf des am Freitag im Elysée abgehaltenen großen Ministerrats, dem ersten, nach den Reichstags­mahlen, der Völkerbundstagung und dem Frühstüc in Bar- le- Duc , ift, mie immer in derart wichtigen Fällen, nur ein tnappes recht nichtssagendes Rommuniqué ausgegeben worden. Es heißt darin lediglich, daß Briand und Handelsminister Flandin über die Genfer Tagung Bericht erstattet haben, und daß ihnen für die glückliche Art, wie sie die französische These verteidigt haben, der Ministerrat gedankt hat"

Diese trockene Formel läßt permuten, daß der Dant nicht gerade heiß gewesen ist. Sie läßt außerdem die sonst übliche Betonung der Einstimmigkeit der Dantesbezeugung vermissen und aus gut unterrichteten Kreisen erfährt man, daß es tatsächlich

zu recht heftigen Zusammenstößen zwischen Briand und Tardieu gekommen sei. Briand habe sich aufs entschiedenste dagegen verwahrt, daß das nationalistische Reifeltreiben gegen seine Boli­tik durch das Verschwörerfrühstücd von Bar- Le- Duc begünstigt und ermutigt worden sei. Auch soll Briand feinen Zweifel darüber ge lassen haben, daß er entschlossen sei, sich vor dem Parlament und dem Lande bis aufs äußerste zur Behr zu setzen, falls man ihn wirklich zum Kampf zwingen sollte. Die große Frage ist nur, ob Briand noch die Möglichkeit erhalten wird, an das Parlament zu appellieren. Gerade um ihr auszuweichen haben die Verschwörer von Bar- le- Duc den Plan geschmiedet, Tardieu noch vor dem Bieber zusammentritt des Parlamentes freiwillig demissio nieren zu lassen. So will man verhindern, daß Briand sich abermals ein Vertrauensvotum des Parlaments verschafft, wie es ihm in all den Jahren seit dem Abschluß des Locarno - Vertrages trotz aller Quertreibereien immer wieder gelungen ist.

Die Entwicklung, die die französische Politik in den nächsten Wochen nehmen wird, verdient die stärkste Aufmert­samkeit des deutschen Bolkes.

Auflösungs An

Dreimal deutschnational

Deutsche Volkspartei

Auflösung

des

Landtages Provinzial­Landtages Kreises

,, Um Himmels willen, der Wirtschaftsparteiler will jeht auch noch den Landtag auflösen!"

Aha, der Volksparteiler ift dagegen!"

Nun aber nig wie dafür!"

Vor dem Sonderschlichter.

Der Kampf im Reichsarbeitsministerium.

Die

Im Reichsarbeitsministerium herrschte gestern Hochspannung.| Geld vom Auslande zu bekommen, werden Bilanzen aufgestellt, Briand fämpft um seine Stellung und um feine Politik. Bur Entscheidung stand der Lohntonflitt in der Berliner Metall- in denen von der Not der Metallindustriellen nichts mehr zu er­Der Ausgang der deutschen Wahlen hat beides auf das industrie, dessen Beilegung der Reichsarbeitsminister nicht den amt- tennen ist. stärkste erschüttert. Für die französischen Nationalisten ist es lichen Berliner Schlichtungsstellen überlassen, sondern durch die Die Leiftungssteigerung der Arbeiterschaft berechtige die Ge ein naheliegendes, bequemes und nicht leicht widerlegbares Einsetzung des Sonderschlichters Dr. Wölfers an sich gezogen hat. wertschaften zu der Forderung, auch den Arbeitern endlich den An­Argument, daß in der deuthen Bevölkerung die Befür Sowohl die Auswahl der Unterhändler auf der Unterteil zu gewähren, der ihnen an der Rationalisierung zusteht. warter des Revanchekrieges erst dann einen mächtigen Aufnehmerseite als auch der Beríauf der Borverhandlungen Lohntürzung um 15 Broz. würde für einen nicht geringen Teil der schmung erhalten haben, als die französischen Truppen aus zeigte, daß sich die Tarifparteien darüber flar waren, Berliner Metallarbeiter, die schon seit langer 3eit ver= dem Rheinland zurückgezogen wurden. türzt arbeiten, bedeuten, daß sie hart an die Grenze des Eristenzminimums gedrängt werden. Auf die Metallindustriellen, die eine feste Marshroute hatten, machten jedoch diese un­widerleglichen Ausführungen offenbar feinen Einbrud. Sie ließen die Beredsamteit ihres Synditus spielen und sahen nur das eine Biel vor Augen: Herunter mit den Löhnen um 15 Broz.!

Bor zwei Jahren schien Poincaré bereit, wenn auch innerlich widerstrebend, fich auf den Boden der Politik von Locarno zu stellen. Die Entwicklung der letzten Monate hat ihm den gemünschten Vorwand geliefert, um einen Frontwechsel vorzunehmen. Immer deutlicher tommt der Poincaré des Ruhrkampfes wieder zum Vorschein. Briand , für den die deutschen Wahlen ein besonders schwerer Schlag gewesen sind, versucht nun, feine erschütterte Stellung zu behaupten. Schon in früheren Jahren hat er burchbliden laffen, daß er auch anders fann. Seine legte Genfer Rede ist in Deutschland viel zu menig beachtet worden. In Ermiderung auf Dr. Curtius, der sein Bedauern darüber aussprach, daß die Refolution der Ahrüstungskommission den Zusammentritt der Abrüstungskonferenz im Jahre 1931 nicht ausdrücklich festlege, erklärte er:

fann doch nicht vergessen, daß, während aus meinem Munde Borte der Bersöhnung und der Zusammenarbeit fielen, als Unimort darauf ein Schrei des Haffes und des Todes aus den Wahlurnen emporgestiegen ist."

Das bedeutet, daß zunächst auf dem Gebiete der Ab­rüstung Franfreich jedes Entgegenkommen ablehnen wird. Mit dieser Rede hat Briand seine Stellung zunächst wieder befestigt. Es ist zu befürchten, daß er sich auf die Dauer nur durch andere, ähnliche Konzeffionen an die Nationalisten Frankreichs wird halten tönnen menn überhaupt. Poincaré hat jedenfalls zur Zeit alle Trümpfe in seinem Spiel, um den Außenminister der Versöhnungspolitik zu stürzen.

Der 14. September 1930 hat uns außenpolitisch um mindestens sechs Jahre zurüdgemorfen, Deutschland und die Finanzhilfe im Kriegsfalle. Genf , 3. Oktober. ( Eigenbericht.)

In zmeitägiger Aussprache hat die Vollversammlung des Bölfer bundes den Bericht und die Entschließung der Wirtschafts. fommission angenommen. Die Entschließung bezieht sich in den Hauptpunkten auf die Aufnahme der Untersuchung der schmebenden Bräferenzfrage an die Wirtschaftskommission Europas , die Behandlung der meist begünstigungstlauset durch die tommende Regierungstonferenz und die Einleitung eines gemein­famen Borgehens gegen jede Art von Dumping. Die in den Kom missionsdebatten laut gemordenen entgegengesezten Aeußerungen wurden nochmals ausdrücklich als Vorbehalte formuliert. Die feierliche Baraphierung des

Konventionsentwurfs über Finanzhilfe im& riegsfalle nder bei Striegsgejahr brachte sofort die Unterschriften non 28 Staaten. Deutland hat nicht unterzeignet, angeblich, weil der Außen­minister erst dem Kabinett berichten müsse und weil die ge forderte Garantie pon 8 Millionen Goldfranten angesichts der Finanzjahwierigkeiten des Reichs abgelehnt werden müsse. Nach einer so attiven Mitarbeit und angesichts der Unabhängigkeit Der Konvention von einer vorherigen brüstung ist diese Haftung, die nur erneut ein Mißtrauen gegen das heutige Deutsch land unterstüt, nicht zu verstehen.

Kein Auswärtiger Ausschuß. Gcheidemann lehnt die deutschnationale Forderung ab. Der deutschnationale Reichstagsabgeordnete von Freytagh Boringhoven hatte den Abgeordneten heidemann um die Einberufung des Auswärtigen Ausschusses er fucht. Scheidemann hat es abgelehnt, diesem Ersuchen zu ent­sprechen, weil für den Fall der Einberufung mit dem Protest aller übrigen bisher im Ausmärtigen Ausschuß vertreten gemefenen Bar teien gerechnet werden muß, außerdem auch der neue Reichstag Einspruch erheben würde, wenn unmittelbar vor seinem Zusammen tritt noch eine Ronmmiffion der bisherigen Barlamentarier aftin

merben wollte".

daß von dem Ausgang dieser Berhandlungen nicht nur die zufünftige Enflohnung der 150 000 Berliner Metallarbeiter abhängt,

sondern damit zugleich die von Hunderttausenden Metall- und anderen Arbeitern in ganz Deutschland . Neben den ständigen Unterhändlern der Unternehmer waren auch der Vorsitzende des Berbandes Berliner Metallindustrieller, Herr Borfig, erschienen, zugleich Vorsitzender des Gesamtverbandes Deutscher Metalle industrieller und der Bereinigung deutscher Arbeitgeberperbände; Generalbirettor Dr. Röttgen vom Siemens- Konzern und ber als Scharfmacher bekannte Synditus des Gesamtverbandes Deutscher Metallindustrieller, Dr. Bug

Die Borverhandlungen wurden durch den Synditus des 23MBI. ,, Rechtsanwalt Oppenheimer, eröffnet, dem als Bort­führer der Metallindustriellen auftrat. Oppenheimer wiederholte im allgemeinen noch einmal das, was er in den dreimaligen direkten Berhandlungen bereits vorgetragen hat. Seine Hauptargumente maren wieder die gegenüber der Provinz viel zu hohen" Berliner Metallerheiterlöhne und die angebliche Konkurrenzunfähigkeit der Berliner Metallindustrie mit dem Ausland. Er stellte vor allem die Uebereinstimmung der Berliner Metallindustriellen mit dem Wirtschaftsprogramm der Reichsregierung in den Vordergrund, das fidh auch für eine allgemeine Lohnjentung zum Wohle des Ganzen" ausspreche.

Die Berkürzung der Arbeitszeit im Interesse der Behebung der Arbeitslosigkeit und damit auch im Interesse der Wiederbelebung der Wirtschaft murde natürlich als fein geeignetes Mittel der Konjunkturbelebung abgelehnt. Auf die Gegenforderungen der Gemertschaften nach Lohnerhöhung einzugehen, lehnten die Metall industriellen überhaupt ab.

Von den Vertretern der Gewerkschaften wurde den Unter­nehmern an stichhaltigem Material, das zum größten Teil aus dem Unternehmerlager stammie, nachgewiesen, welches Doppelspiel fie der Oeffentlichkeit gegenüber freiben. Auf der einen Seite schildern sie die Lage ihrer Betriebe grau in grau, menn es sich aber, wie in dem bekannten Falle Siemens, darum handelt,

Chintschuf ernannt.

Als Botschafter der UGGR. in Berlin .

Mostau, 3. Oftober.

Das Präsidium des Zentralegetutivtomitees der USSR . hat nac Erteilung der Agrements durch die Reichsregierung Leo Chin tiut zum Botschafter der Sowjetunion in Berlin ernannt. Der Beschluß wurde heute veröffentlicht.

Chintschul war ursprünglich Mitglied der menschemisti en Bartei. Nach der Oktoberrepolution war er in wirtschaftlichen Organisationen tätig und trat zu den Kommunisten über. Er mar Borsigender des Zentrofojus( der zentralen Bereinigung der Kon umgenossenschaften). Politisch ist Chintschut nicht hervorgetreten, er mar in der letzten Zeit mit Handelsmissionen betraut.

Stresemanns Todestag.

Ein Telegramm Brionds.

Während am gestrigen ersten Jahrestag des Todes Stresemanns ein Grabmal auf dem Luisenstädtischen Friedhof enthüllt wurde, fand in der Genfer Bölferbundspersammlung eine Rundgebung des Gedentens statt. Der Präsident unterbrach die Ber­handlungen, um eine furze Rede zu Ehren des verstorbenen Reichs­außenministers zu halten, die von den Anwesenden stehend angehört wurde. Im Namen der deutschen Abordnung dantte Graf Bernstorff. Unter den zahlreichen Sympathiekundgebungen, die an die Witwe Stresemanns gerichtet wurden, sei neben einem Schreiben Otto Brauns im Namen der preußischen Regierung auch ein be­fonders herzlich gehaltenes Telegramm Briands erwähnt.

Rach zweieinhalbstündigen Borverhandlungen jetzte der Sonder­schlichter eine Rammer ein, die auf der Gewerkschaftsseite aus den Genossen Bredow, Urich und Ortmann bestand und auf der Unternehmerseite aus den Generaldirektoren Dr. Köttgen, Sremmerer und dem Synditus Dr. Lutz besteht.

Die Ausschaltung Wiffells.

Berlegenheitsausreden des Deutschen ".

"

,, Der Deutsche", dem die Ausschaltung des sozialdemokratischen Schlichters Wissel im Konflikt der Berliner Dietallindustrie peinlidy ist, behauptet in seiner Nummer 232 nom 3. Ottober 1930, Wissell. habe die Ausschaltung selb ft herbeigeführt, indem er por her Urlaub genommen habe. Das habe er getan, obwohl er den Konflikt in der Metallindustrie vorausgesehen habe. Diese Be­hauptung ist unrichtig. Wiffell hatte bereits am 12. September einen Urlaub vom 15. September bis 11. Oftober erbeten. Das geschah, weil er sich in der Wahlbewegung ein Leiden zugefügt hatte, das lange ärztliche Behandlung erforderte. Daß bei dem Urlaubsgesuch von Wissell der Gedanken an eine etwaige Schlichter­tätigkeit im Konflikt der Berliner Metallindustrie feine Rolle spielen fannte, geht am besten aus der Tatsache hervor, daß zu der da maligen Zeit niemand voraussehen konnte, daß eine Anrufung der Schlichtungsinstanzen überhaupt notwendig sei. Die Verhandlungen zwischen den Parteien sind erst am 30. September gescheitert. Erst an diesem Tage mar es also deutlich geworden, daß die Schlichtungs­instanzen in Funktion treten würden. Es fann also feine Rede davon sein, daß Wissell sich selbst ausgeschaltet hat, es bleibt dabei, daß er ausgeschaltet worden ist.

Starhemberg dementiert sich.

Der mißverstandene" Faschiffenaufruf.

Wien , 3. Ottober.

Die Bundesführung der Heimwehr hat einen auch von dem Innenminister Star hemberg unterschriebenen Auf­ruf erlassen, in dem angekündigt wird, daß die Heimwehr unter dem Ramen eines Heimatblods unabhängig von jeder politischen Partei in allen Bundesländern in den Wahlkampf ziehen werde und fie sich auch durch eine rote Mehrheit" das Steuer des Staates nicht werde entwinden lassen. Am Freitag erklärte Starhemberg nun, daß der Aufruf mißverstanden worden sei. Durch die Gründung des Seimatblods sei in teiner Weise die Tattit für die Wahlen festgelegt und es sei lächerlich und falsch, darin einen Schlag gegen die Christlichsoziale Bartei zu sehen. Ebenso bestreitet er, daß in dem Aufruf Butschabfichten geäußert mürben. Demegegenüber find dent Gristlichsozialen Neuigkeitsweltblatt" Mitteilungen aus Heimwehr­treifen zugegangen, nach denen die Interpretation des Ministers Starhemberg unrichtig ist.

Der Republitanische Schuh bund erläßt einen Auf­ruf, in dem erklärt wird, daß die Arbeiterklasse die Verfassung und die Rechtsordnung verteidigen werde. Sie werde start genug sein um zu verhindern, daß faschistische Narrenstreiche das Bolf in ein neues unermeßliches Unglüd stürzten. Wer es wagt, fo bheißt es zum Schluß des Aufrufs, das österreichische Bolt in seiner demokratischen Selbstbestimmung zu hindern, der wird auf den Widerstand der Schutzbündler stoßen."