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Nr. 465 47. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Neuer Kreuzungsbahnhof entsteht

Zu den vielen Verbesse rungen, die der Berliner   Ver­kehr durch die Elektrifizie­rung der Stadt- und Ringbahn erfahren hat, gehört auch die Verlegung des Bahnhofs Eberstraße. Dieser etwas ab­seits von großen Verkehrs­megen liegende Bahnhof wird damit eine wichtige Funktion bekommen. Er wird zum Umsteigebahnhof zwischen

Wannseebahn   und Ringbahn. Bisher war nur die Umsteige­Ringbahnhof möglichkeit

Schöneberg  , Wannseebahnhof Großgörschenstraße vorhan­den. Ringbahn und Wannsee­ bahn   kreuzen sich bei der Unterführung Tempelhofer Straße Sachsendamm, der michtigen Verbindungsstraße

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Schöneberg- Tempelhof, die eine immer größere Verkehrs­frequenz aufreist. Hier wird der neue Bahnhof   Eberstraße als Kreuzungsbahnhof ge­baut. Zu gleicher Zeit wird

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die sehr schmale, völlig unzureichende Unterführung um etra das Dreifache auf die Straßenbreite des Sachsen­dammes perbreitert. Einige Gleisüberführungen, die ohne Stützen die Straßen überbrücken, sind schon fertig. Der übrige Bau, der unter Aufrechterhalten des gesamten Verkehrs fertiggestellt wird, bietet ein interessantes Bild. Unsere Zeichnung zeigt einen Blick von der

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Rhonger.

Torgauer Straße und läßt etwas von dem Umfang der noch zu bewältigenden Arbeit ahnen. In drei Etagen übereinander regster Verkehr: Straßenbahn, Wannsee­ bahn  , Ringbahn und Güterverkehr. Betonmischmaschinen, Krane, Haufen von Baumaterialien, Gleisanlagen von Loren, ein Bild rastloser Arbeit. Der ganze Bau ist auf 5 Millionen Mark veranschlagt.

Der Sprung in den Tod.

Wieder ein Selbstmord vom Flugzeug aus.

Hannover  , 3. Oktober.

Nach der Landung des Flugzeuges der Strede Hamburg­Hannover auf dem Flughafen Hannover berichtete dort der Flug­gast Rädle, daß gegen 12.10 Uhr ein zweiter Fluggaft Kippler, in offenbar felbftmörderischer Absicht aus dem Flugzeug ge­Sprungen sei. Sie hätten nebeneinander gefeffen und Rädle habe intereffiert aus dem Fenster die Landschaft betrachtet, bis er einen fcharfen Luftzug verspürt habe. In diesem Augenblid habe er ge­fehen, wie fich Kippler hinaus stürzte, ohne daß er ihn daran hindern fonnte. Die Kriminalpolizei ist mit der Untersuchung des Borfalls beschäftigt.

Die Leiche wird in der Gegend von Neudorf südlich Har­ burg   gesucht.

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Nach 12 Uhr mittags landete das Junters Flugzeug F 13 der Deuschen Lufthansa auf dem Flugplatz Hannover  , und der Führer sowie ein Passagier, namens Rädle aus Flensburg  , berichteten in großer Erregung, daß unterwegs ein Passagier, ein

Walter A. Persich

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Vielleichs

morgen..

Unberecht. Nachdruck verboten. Gustav Riepenhauer Berlag A.-G., Bertriebsabt.

Mich wundert, daß sich Leute in Ihren Verhältnissen Kinder zulegen, Herr Werla." Herr Werla, sagte sie. Das follte bestimmt eine Auszeichnung sein. Es ist doch wirt lich sehr einfach, teine zu bekommen.." lächelte sie un­

bestimmt.

,, Was soll man dagegen tun..." meinte er verlegen, ,, wir sind nun vier Jahre verheiratet. Ein Kind ist nicht zu viel. Wir wollten es haben."

Sie wollten es? Nun, Geschmacksache! Ich habe ein Sie wollten es? Nun, Geschmacksache! Ich habe ein­mal eine Operation durchmachen müssen, seitdem bin ich ge­fichert. Zuweilen fällt das angenehm auf, nicht wahr?"

Sie nehmen fein Blatt vor den Mund, Fräulein Reimers! Sonst sind Bürodamen allgemein sehr zimperlich. Wenn man da einmal ein derbes Wort fallen läßt, wird gleich be­leidigt getan.

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,, Ach die sagte sie nur, womit sie offen ließ, in welcher Art und wieweit ihre Ablehnung gehe. Ihr Betragen wirkte völlig rätselhaft, sie ließ die Spize ihrer rosigen Zunge um die Zähne spielen, lächelte und sagte nichts, machte dabei aber ein Geficht. als hätten sie sich eben über Gott   weiß was geeinigt. Zwei Leute stiegen ein, man mußte nun über meniger persönliche Dinge reden, dennoch blieb in allem das Verwirrende ihres Spiels. Das war feineswegs unanges nehm, nur fürchtete Berla, zuviel zu sagen und redete des­halb überhaupt nicht.

Selbst, als sie sich in der Kälte gegenüberstanden, war er sich nicht schlüssig geworden. Refigniert reichte er ihr die Hand.

Sie hielt ihn eine Weile fest: ,, Sind Sie jetzt ganz allein in der Wohnung?"

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Ja verdammt langweilig, tann ich Ihnen sagen, und ungemütlich.

Kaufmann Rippler aus hamburg   sich aus dem Flugzeug ge: stürzt habe. Der Flugplagleiter verständigte sofort die Kriminal polizei, da in der Maschine lediglich zwei Personen gewesen waren und da zunächst nicht einmal festgestellt werden fonnte, ob waren und da zunächst nicht einmal festgestellt werden konnte, ob hier ein Unglücksfall oder etwa ein Verbrechen vorlag. Der Kaufmann Rädle wurde von Kriminalbeamten vorläufig in Haft genommen und eingehend befragt. Rädle gab an, daß er mit dem Raufmann Rippler zusammen auf einem der breiten Size der Maschine gesessen habe. Rädle selbst habe bei dem schönen Wetter ständig aus dem Fenster gesehen und sich um seinen Mit­reisenden nicht befümmert. Es war ihm deshalb auch nicht auf gefallen, daß Rippler etwa um 11.10 Uhr aufgestanden sei.

Er sei erst aufmerksam geworden, als er plötzlich einen scharfen Luftzug verspürte. In der Annahme, daß der zweite Reisende ein Fenster geöffnet habe, drehte sich Rädle nach seiner Angabe um und bemerkte entsetzt, daß die Tür des Flugzeuges offen­stand und der zweite Passagier fehlte.

,, Seit drei Wochen?" ,, Sogar etwas länger."

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Schrecklich! Dann wird es Zeit, daß sich eine Frau um Sie fümmert. Wissen Sie was?", fügte fie scheinbar nach denklich hinzu, als sei ihr diese Idee eben gekommen ,,, ich habe gerade heute nichts vor. Lassen Sie mich Ordnung schaffen. Sie sollen sehen, wie gemütlich es wird ich bin auch allein, da ist es bei mir zu Hause ebenso öde. Einver­standen?"

Absurdes hätte Werla für möglich gehalten, vielleicht, daß ihm diese Reimers doppelten Lohn ausgezahlt hätte, daß er eine Riesenerbschaft machte, nur nicht ein so dreiftes An­erbieten. Da stand sie vor ihm, ein prachtvolles Weib, hübsch und lustig. Eine von denen, die von adretten Bürojungen sicher alles haben konnte und mit ihm, dem Arbeiter Berla, ohne Kragen, alltäglich gekleidet und ein armer Schlucker, mit ihm wollte sie in die Wohnung gehen. Oder dachte sie sich nichts dabei?

und wunderte sich, daß sie, ihren Arm unter seinen geschoben, ,, Sie sind sehr nett", sagte er in seiner langsamen Art vorwärtssteuerte. Haben Sie auch daran gedacht, was die Leute sagen werden, wenn Sie so mit einem verheirateten Mann gehen?"

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Berla? Gut, lassen wir's. Nehmen wir auf Ihre Moral ,, Ach so Sie sind ein Angsthase und Duckmäuser, Herr Rücksicht langweilen wir uns an verschiedenen Enden der Stadi! Wir können uns dabei ausreichend über den ver­pfuschten Abend ärgern. Ich wollte Ihnen einen Gefallen tun und mir die Grillen vertreiben."

Schnell wehrte er ab: So meine ich das nicht, Fräulein Reimers. Ich dachte nur 3hretwegen..."

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,, Unnötig. Moral ist unmodern. Wir sind erwachsene Menschen und können frei handeln. Außerdem: wer fennt mich schon? Um meinen Ruf machen Sie sich keine Sorge. Ich verlache alles Gerede.

Ihre Schritte flappten durch den Torweg, stiegen die Holztreppe hinauf, der Schlüffel flapperte, ein Rud- schnell hinein. Die Lampe   stand bereit, im aufflammenden Schein eines Streichholzes wartete das Kontorfräulein auf dem Flur. Das Lampenglas flirrte unsicher.

Die Reimers warf ihren Mantel achtlos über die Näh­maschine, er trug die Lampe in die Küche, und nun inspizierte sie mit schnellen Blicken, lächelte wieder und suchte Geschirr zufammen,

Sonnabend, 4. Oftober 1930

Darauf lief Rädle zu der Wand, die den Führersiz von der Kabine trennt, öffnete das fleine Fenster und suchte dem Piloten verständlich zu machen, daß der zweite Reisende in die Tiefe ge­stürzt sei. Bei dem Dröhnen der Motoren konnten sich Führer und Fluggast nur durch Zeichen verständigen, und so dauerte es längere Zeit, bis der Pilot begriff, daß hier ein Unfall vorlag. Er wandte sofort die Maschine und suchte längere Zeit, in 700 Meter Höhe freisend, den Erdboden ab, fonnte jedoch nichts finden. Die Kriminalpolizei in Hannover   stand den Angaben Rädles anfangs etwas steptisch gegenüber. Man griff deshalb zu einem Experi­ment, um festzustellen, ob die Bekundungen des Flensburger   Kauf­manns stimmten. Das Flugzeug mußte noch einmal aufsteigen, und man stellte nun fest, daß bei dem Donnern der Motoren ein Flug­gast, der aus dem Fenster sieht, in der Tat kaum bemerken könne, daß ein Mensch neben ihm aufsteht, zumal die Maschine leichten Schwankungen und ständigen Vibrationen aus= gesezt ist. Dagegen wurde festgestellt, daß es während der Fahrt bei laufendem Motor nur einem sehr träftigen Mann möglich ist, die Tür des Flugzeuges, an der ein sehr starker Luftstrom vorbei­geht, zu öffnen. Da nach diesen Proben tein weiterer Berdacht gegen Rädle mehr bestand, wurde er von der Polizei in Hannover   wieder auf freien Fuß gesetzt.

Ein Unfall scheint jedoch ausgeschloffen zu sein, da die Tür des Flugzeuges, wenn etwa ein Fluggast beim Schwanken der Maschine dagegenfallen sollte, dem Anprall des Körpers im all­gemeinen nicht nachgibt..

Die Gendarmerie, die von Hannover   aus benachrichtigt wurde, suchte die Unfallstelle ab und fand in der Nähe von Sottorf die völlig zerschmetterte Leiche Kipplers, die vorläufig bis zur endgültigen Klärung beschlagnahmt worden ist.

Zug rast in Menschenmenge.

Gechs Reisende getötet.- Auf offener Strecke ausgestiegen. Paris  , 3. Oktober.

Am Bahnhof St. Lazare   ereignete sich heute nach­mittag ein schweres Eisenbahnunglüd. Die Reisenden eines Vorortzuges, der aus noch nicht ge­tlärter Ursache hundert Meter vor der Einfahrt zum Bahnhof anhalten mußte, stiegen auf offener Strecke aus. In diesem Augenblick fuhr ein Schnellzug in die Menge. Sechs Personen wurden getötet, zahlreiche schwer verletzt.

Neuer Flugzeugzusammenstoß.

Paris  , 3. Oktober.

Ein neuer schwerer Unglücksfall ereignete sich heute mittag in der Nähe des Flugplatzes von Le Bourget, wo zwei Jagd­flieger Uebungsflüge ausführten und in beträchtlicher Höhe mitein­ander zusammen stießen. Sie stürzten ab. Der Pilot des einen Flugzeuges fonnte im Fallschirm abfpringen und unbeschädigt landen, dagegen wurde der andere Pilot unter den Trümmern- jeines Apparates begraben und verbrannte. Angesichts der immer häufiger werdenden Flugzeugtatastrophen in der französischen   Luft­armee hat der linksunabhängige Abgeordnete Renaitour eine Interpellation in der Kammer sofort nach wiederzufammenfritt des Parlaments angekündigt.

Zwei Frauen überfahren.

Straße in Tempelhof   stieß gestern abend ein Privatauto An der Kreuzung der Manteuffel- und Kaiser Wilhelm­mit einem Lieferauto zusammen. Zwei Frauen, die in diesem Augenblick die Unfallstelle passierten, wurden von dem einen Auto erfaßt und schwer verlegt. Die Verunglückten, Frau Ilse Pohlen aus der Derfflingerstraße 4 und die 67jährige Frau Helene Schnit aus der Friedrich Wilhelm­Straße fanden im Tempelhofer   St.- Joseph- Krankenhaus Auf­nahme.

,, Hören Sie, Herr Werla, es ist noch Zeit. Ich mache Feuer und setze die, Kartoffeln an, Sie holen Fleisch, eine Dose Erbsen, einen Liter Milch, und wenn Sie wieder­fommen, ist der Tisch schnell gedeckt."

Gehorsam nahm er seine Müze. Daß er daran auch nicht gedacht hatte! Die Sache war doch auf dem Wege be­schloffen worden, und überall hatten die Geschäfte Licht ge­habt. Geld wollte er aus der Lade nehmen? Gar nicht daran zu denken wenn er Fräulein Reimers nicht den Appetit verderben wolle, dann laffe er sie für ihr Teil be­zahlen, und damit basta. Am Mittagstisch tofte es auch, da schmecke der Kram aber nicht!

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wieder in der Küche. Die Kartoffeln tochten, durch die Stube Was sollte er tun? Bald stand er beladen mit Baketen dehnte sich das Licht der Hängelampe. Feuer fnisterte schon recht wärmend, über den Tisch breitete sich eine Decke und darauf standen vier Teller mit Bestecken. Sogar die Zeitung lag bereit. Diese seine Wohnung, zwei Zimmer, Küche, Flur perwandelte sich, und er stand daneben und mußte nicht, und Klosett in einem alten Hinterhaus der Stadt Berlin  , wiesp. Man fonnte also auch in der Stube eſſen, ein Tisch­tuch war da und es fehlte nur die Musik und der Kellner, dann war es wie im Restaurant vorhin. Musik? Er drehte wo? Marschlied aus der Haller- Revue von Walter Kollo  die Kurbel am Apparat, suchte die letzte Platte- Wann und Kollo­tara, tara, tamtara- tara. Fräulein Reimers Geficht glühte, fleine Locken ringelten sich aus der seitlich gescheitelten Bubi­frisur, rotgold, bis auf ihre starten Augenbrauen. Brall und weiß tamen die Arme aus der Bluse hervor. So trug sie auf und sang mit: ,, Wann und wo kann ich dich wieder­fehen..." und sie lachte dabei eigentümlich, sie setzten sich, und das Effen schmedte wundervoll. Ihre Eltern wohnten in Hamburg  , erfuhr Werla. Hamburg   sei eine zu langweilige Stadt. Nichts tönne man da erleben. Auf die Frage, welche Erlebnisse sie denn so wertvoll dünften, gab sie beluftigt keine Immer wieder erschienen ihre festen Zähne- Antwort der Anblid zwang ihn, an seine Liebschaft im Kriege, eine kleine Flamin zu denken, die zugleich stöhnte und biß.

Beim Abräumen befahl Fräulein Reimers: Sie lesen jegt in Ruhe Ihre Zeitung nein, nein, Sie haben in der Küche nichts zu suchen. Ich bringe nachher den Kaffee und dann können wir es uns gemütlich machen. Legen Sie inzwischen Briketts nach."

( Fortsegung folgt.)