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Der Abend
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B 232 47. Jahrgang
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Dreimal 1% Jahre Festung
Das Urteil im Leipziger Offiziersprozeß Offiziersprozeß- Demonstrationen in und vor dem Gericht
2eipzig, 4. Ottober.
In dem Hochberratsprozeß gegen die Ulmer Reichswehroffiziere verkündete der Vorsitzende des Straffenats, Reichsgerichtsrat Dr. Baumgarten, heute vormittag folgendes Urteil: Die Angeklagten werden wegen gemeinschaftlicher Vorberei tung eines hochverräterischen Unterneh mens nach§ 86 des Strafgesetzbuches je zu einer Festungshaft von 1 Jahr und 6 Monaten kostenpflichtig verurteilt. Auf die erkannten Strafen werden je 6 Monate und 3 Wochen für Untersuchungshaft angerechnet.
Der Angeklagte Scheringer wird von der weiteren Anklage des Vergehens gegen§ 92 des Militärstrafgesetzbuches wegen Beröffentlichung eines Artikels im ,, Völkischen Beobachter" freigesprochen. Gegen die Angeklagten Scheringer und Ludien wird auf dienst= entlassung erkannt..
Nazifundgebung gegen Reichsgericht.
Am heutigen letzten Tage des großen Prozesses gegen die Reichswehroffiziere hatte man in Leipzig besondere Vorsichtsmaßnahmen getroffen, um zu verhindern, daß das Urteil, wie es auch ausfallen mochte, Anlaß zu größeren Demonstrationen geben fonnte. Der große Platz vor dem Reichsgericht, auf dem heute morgen Autos aus allen Teilen des Reiches zu sehen waren, war von der Polizei in unauffälliger Beise a bgeriegelt morden. In den Nebenstraßen und im Reichsgericht standen außer dem mehrere Hundertschaften bereit, um eventuell sofort eingreifen zu tönnen.
Das Reichsgericht selbst hatte einen erhöhten Schuh erhalten und besonders vor dem Eingang zum Saal sowie auf der Treppe, die zum Zuhörerraum führt, waren auffällig viel Beamte postiert, um Kundgebungen zu verhüten. Ueberdies erschien auch diesmal wieder vor Beginn der Verhandlung der diensttuende Oberleutnant der Schutzpolizei im Saal und teilte im Auftrage des Präsidenten mit, daß das Publikum sich während und nach dem Urteil jeder Kundgebungen enthalten solle, da im anderen Folle Ruhejtörer festgenommen werden würden. Die Angeklagten hatten bereits vor 10 Uhr, wie immer unter starter polizeilicher Bewachung, Plaz genommen. Sie machten einen sichtlich nervöjen, aber feines megs niedergeschlagenen Eindruck. Ludien trug sogar eine Blume im Knopfloch.
Nachdem der Vorsitzende das Urteil verkündet hatte, herrschte einige Minuten lautlose Stille. Dann jedoch sprang das Publikum auf und zahlreiche Frauen und Männer verließen laut murrend den Saal. Einige Freunde winkten den Angeklagten zu,
Frauen und Mädchen warfen ihnen Kußhände zu. Die Angeklagten erwiderten durch lebhaftes Winken diese Grüße. Bors.( sehr erregt)): Ich verbitte mir diese Demonstrationen, dieses Zuwinken hier. Es entspricht nicht der Würde des Saales, in dem wir uns befinden, wenn das Bublifum den Angeklagten Kußhände zuwirft. Ich laffe jeden verhaften, der sich hier nicht in einer dem Ort angemessenen Weise benimmt.
Inzwischen war durch die Personen, die den Saal verlassen hatten, den auf dem Platz vor dem Reichsgericht wartenden Angehörigen der NSDAP . Nachricht von der Berurteilung der drei
Offiziere gegeben worden.
Sofort erhab sich draußen ein ungeheurer Tumult. Pfeifen, Rufen und Schreien, sowie die Rufe eines Sprechchors drangen bis in den Saal. Die Schutzpolizei griff sofert ein und räumte abermals den Platz vor dem Reichsgericht, doch sammelten fich die Demonstranten immer wieder. Schließlich mußte eine Ab. teilung berittener Polizei hinzugezogen werden, um die immer größer werdenden Mengen abzudrängen.
Die Urteilsbegründung.
Reichsbanner heraus!
Bis
und trugen dort den Leitern der Nationalsozialistischen Partei ihre Schmierzen vor. Der Zwed ihrer Reise diente einmal dazu, sich zu informieren, zweitens wollte man in Kameradentreifen für die partei werben, mit der man in feste Verbindung zu tommen hoffte. Man erörterte in München sehr eingehend die Frage, in ob die Nationalsozialistische Partei zur Verfügung stehe. Nationalsozialistischen Partei aufzunehmen. Obwohl den AnBeide Angeklagten erklärten fich bereit, Berbindung mit der geklagten in München gejagt wurde, daß eine Bewegung der Partei nicht zu ermarten fei, und obgleich ihnen gesagt murde, daß mit der Reichswehr feine Verbindung bestehe, erklärten sich Scheringer und Ludien doch bereit, in den Kreisen ihrer Kameraden für die Nationalsozialisten zu werben und darüber nach München zu berichten.
Das bedeutet teine feste Bindung, aber doch eine Art Ver ab redung. Nach Ulm zurückgekehrt begannen Scheringer und Ludien ihre Propaganda durchzuführen. Sie hielten mit Offizieren in verschiedenen Garnisonen Besprechungen ab.
Diese Besprechungen fönnen nach Ansicht des Reichsgerichts nicht harmlos gewesen sein, das geht schon aus der Aussage des Oberleutnants Geist hervor, mit dem die Angeklagten ihre Ziele besprachen.
Reichsgerichtsrat Dr. Baumgarten erflärte in der Be gründung des Urteils folgendes:„ Die Angeflagten, Leutnant Ludien und Scheringer, maren unzufrieden mit gewissen Verhält missen in der Reichswehr . Sie glaubten, daß der Kurs im Reichs mehrministerium zu scharf nach links gehe, und daß das Heer zu weich geleitet werde. Anstatt sich auf dem vorgeschriebenen Dienst- Scheringer setzte sich dabei für die Bewegung von untenna ch meg über diese Dinge, die ihrer Ansicht nach einen Schaden be. deuteten, zu beschweren, juhren Scheringer und Zudien nach München
oben ein. Oberleutnant Geist lehnte diese Bestrebungen ab. Es wurde auch besprochen, wie die Reichswehr sich bei einer Attion der
nationalen Parteien verhalten sollte, und daß nicht auf die Rechtsparteien geschossen werden solle. Weiter war das Gespräch wichtig, welches die Angeklagten mit dem Hauptmann a. D. Gilbert hatien. Eie erklärten auch ihm, es müsse dahin kommen, daß die Reichswehr auf Angehörige der Rechtsparteien nicht schieße. Hauptmann a. D. Gilbert warnte die Angeklagten ausdrücklich vor solchen Ansichten und schrieb ihnen sogar, daß der Soldat auf Befehl des Vorgesetzten un= bedingt zu schießen habe. Dem Angeklagten Wolf gegenüber schlugen die Angeklagten vor, als Gegenwirtung gegen die kommunistische Zellenbildung nationalsozialistische Zellen in der Reichs wehr zu bilden. Leutnant Wolf hat die Angeklagten ebenfalls voc solchen Plänen gewarnt. Endlich hot Ludien im Juli 1929 in Grafenwöhr dem Oberst Beck seine Sorgen und Schmerzen mitgeteilt. Der Oberst hat Ludien in gütlicher und väterlicher Weise aufgefordert, ihm zu schreiben. Ludien hat das jedoch nicht getan, offenbar auf Weijung der Nationalsozialistischen Partei.
Ein Zwischenfall.
Bei diesen Worten des Borfizenden gab es einen aufregenden Zwischenfall im Saal. Eine junge Frau, die schon mährend der ganzzen Zeit laut vor sich hingeschluchzt hatte, schrie plötzlich. beide Fäuste gegen das Gericht reckend: 3u welchem Gericht sollen mir Deutsche denn noch Bertrauen haben!" 3 mei Schupo beamte sprangen sofort hinzu und versuchten, die Aufgeregte aus dem Saal zu ziehen. Die völlig efftatische Frau wehrte sich verzweifelt und schrie immer wieder gellend: 3u diesem Gericht haben wir fein Bertrauen mehr, das fage ich