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Nr. 475 47. Jahrgang

3. Beilage des Vorwärts

Menschen hinter Gittern.

Segensreiche Arbeit der Berliner   Gefangenenfürsorge.

dem

Die Berliner   Gefangenenfürforge, seit 1. Januar 1925 in Täfigkeit, scheint, wie aus ihrem letzten Jahres­bericht zu ersehen ist, gewiffermaßen an einem, Wendepunkt zu stehen. Aehnlich dem Strafvollzug hat sie sich nun endgültig zu der Ueberzeugung durchgerungen, daß an Stelle der Massenabfertigung die individuelle Behandlung der Strafentlaffenen zu treten hat. Und ähnlich dem Strafvollzug hat auch sie erkannt, daß die Feststellung der Ursache der Straffälligkeit und die Erforschung der Persönlichkeit des Strafentlassenen notwendige Voraus­fehungen einer wirkungsvollen Hilfeleistung sind. Aus dieser Er­fenntnis heraus hat wohl die Berliner   Gefangenenfürsorge Im letzten Jahre die Hilfe eines Nervenarztes in Anspruch ge­nommen und aus dem gleichen Grunde fordert der Jahresbericht psychologische Vorkenntnisse bei den Fürsorgern, individualpsycho­logische Behandlung bei bestimmten Fällen, Weiterentwicklung der fozialen Gerichtshilfe fowie weitgehende Berücksichtigung des über den Strafentlaffenen im Laufe der Jahre an verschiedenen Stellen zufammengetragenen Materials.

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Die Berliner   Gefangenenfürsorge, die während der fünf Jahre hervorragendes geleistet hat der Magistrat Berlin   hat hier außerordentlich viel soziales Verständnis gezeigt, ist somit allmählich zu der Ueberzeugung gelangt, daß eine noch weitere Bertiefung der Gefangenenfürsorgearbeit unbedingt erforderlich ist. Ihrer Verwirklichung steht aber der Umstand entgegen, daß seit 1928 feine neuen Einstellungen beruflicher Kräfte erfolgt ist, während sich die Zahl der Beratungen seitdem um 25 Pro3. vermehrt hat. Die freien Helfer, denen es im Laufe von 14 Jahren des Bestehens der Berliner   Gefangenenfürsorge 130 gab, sind natürlich nicht imstande, berufliche Fürsorger zu ersetzen. Man wird dem Bericht in seiner nüchternen Ralfulation recht geben: ein Fürsorger mit staatlicher Anerkennung fostet 3600 bis 4000 m. im Jahr; die Strafvollzugskosten für einen Gefangenen betragen in Preußen jährlich 1200 m. Bewahrt also ein Fürsorger im Laufe des Jahres drei seiner Schühlinge vor dem Rückfall, so hat er sein Gehalt bereits

erarbeitet,

Welche Bedeutung die Berliner   Gefangenenfürsorge mit ihren 22 240 Beratungen im Jahre für die Berliner   Bevölkerung ge­

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wonnen hat von der Tätigkeit der immer noch im weiteren Ausbau begriffenen Gefangenenfürsorge der Bezirksämter ganz abgesehen, zeigt schon allein der Umstand, daß 62 Proz. der Hilfesuchenden Strafen nur bis zu drei Monaten hatten, daß 49 Proz. sämtlicher Hilfesuchenden unter 30 Jahre zählten.

Die Arbeitsbeschaffungsfrage steht im Mittelpunkt des Gefangenenfürsorgeproblems. Erfreulicherweise machen die städtischen Betriebe allmählich weniger Schwierigkeiten bei der Anstellung von Vorbestraften. Auch die Arbeitgeber haben gelegentlich einer Besprechung die Zusicherung gegeben, ihren Ein­fluß im Interesse der Vorbestraften einzusetzen. Der Jahresbericht unterstreicht die Bedeutung der proletarischen Helfer für die Aufklärungsarbeit in proletarischen Kreisen selbst. Nur so konnte sich die Einstellung zum Strafentlassenen ändern.

Dem Leben wiedergewonnen.

Wie fegensreich sich die Tätigkeit der Gefangenenfürsorge unter Umständen in einzelnen Fällen auswirken fann und wie wichtig das Entgegenkommen der Behörden ist, beweisen die im Anhang angeführten fünf Lebensschicksale Strafentlassener. So murde nur durch das Eingreifen der Gefangenenfürsorge einem Strafentlassenen die Reststrafe von drei Jahren erspart; in zwei anderen Fällen gelang es allein der Fürsprache der Gefangenen­fürsorge einen Führerschein für den Entlassenen zu erlangen; und in einem dritten Falle beim zuständigen Polizeiamt die Erlaubnis durchzudrücken, einen Obststand aufzuschlagen.

Vielleicht bringt der nächste Jahresbericht neben neuen Beweisen der Bertiefung der Gefangenenfürsorge in der Richtung individueller Behandlung der Entlassenen auch einige Fälle, aus denen ersichtlich wird, welche Hindernisse sie zu überwinden hat und wie hier trotz eifrigsten Bemühens Fehlschläge nicht erspart bleiben. Solche Mißerfolge sind für die breite Deffentlichkeit oft noch lehrreicher als die Schilderung von Erfolgen. Man hätte auch gern einmal den wundesten Punkt der Gefangenenfürsorge, die Schußauf sicht in aller Deffentlichkeit behandelt gesehen. Denn hierin muß Wandel geschaffen werden!

L..R

Freitag, 10. Oftober 1930

Allgemeine Wetterlage.

9.0kt. 1930, abds.

760

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450

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Ofes 755

Owolkenlos, heiter. halb bedeckt wolkig, bedeckt Regen, Graupeln Schnee, Nebel, GewitterWindstille

Die Sturmdepreffion, deren Kern am Mittwochabend über dem Stageraf lag, hat sich bis zum füdlichen Bottnischen Meerbusen ver­lagert. Unter ihrem Einfluß war das Wetter am Donnerstag im größten Teile Deutschlands   sehr unbeständig. Vielfach tamen fühl. Allein in Schlesien   und in Süddeutschland   wurden 15 Grad Schauer vor, und bei lebhaften westlichen Winden blieb es überall überschritten, sonst blieben die Temperaturen meist darunter. Im Alpenvorland   stellten sich gegen Abend verbreitete Landregen ein. Da sich das Lief jezt nur langsam weiter oftwärts bewegt, dürfte auf seiner Westseite die Zufuhr fühler Luft nach Deutschland  , wenn auch nicht so start wie bisher, erhalten bleiben.

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Wetter für Berlin  : Bei abflauenden westlichen bis nordwestlichen

Wie lange noch dieser Terror? mit genügend Beamten befeßt, daß sie woht imftande fein müßten, Winden Fühl und noch etwas unbeſtändig mit vereinzelten Schauern.

Unerhörte Zustände auf der U- Bahn.

und Fall der Bahnhof Wittenbergplatz find die Attentäter bis zum Eintreffen der rasch herbeigeholten Polizei­straßenposten oder des Ueberfallkommandos festzuhalten. Die Betriebsleitung der U- Bahn wird hoffentlich nicht die Auffärung unterlassen, warum und durch wessen Schuld und vielleicht auch mithilfe die Strolche entlommen fonnten!

Ein Borwärts"-Lefer schreibt: Mittwoch nachts gegen 41 Uhr. Auf dem U- Bahnhof Wittenbergplah fährt der 3ug nach Breitenbachplatz ein. Ehe er noch hält, springt aus dem ersten Wagen ein hochgewachsener junger Mensch. vorzeitig heraus, fällt aber zu feinem Glüd nicht hin, was man im ersten Augenblick für sicher gehalten hätte. Der Zug hält. Lärmend. steigen etwa eineinhalb Dugend ähnlicher Burschen aus, mit Mützen und Jaden, Kniehosen, zusammengehörig. Sie rufen fortwährend Hepy! Hepy!" und beginnen sofort das einsteigende Publikum zu mustern, wobei fie laut und höhnisch fragen: Sieht hier einer jüdisch aus?" Dann pfeifen sie durcheinander ein Marschlied und bleiben auf dem Bahnsteig beisammen, wohl um nach Charlottenburg   weiterzufahren.

Blinde demonstrieren.

Es fehlt an Arbeit!

In den Nachmittagsstunden des gestrigen Donnerstag bewegte sich durch die Straßen des inneren Südosten ein erschütternder Demonstrationszug. Ungefähr vierhundert Menschen zogen zu dreien und vieren untergefaßt durch die Straßen. In tiefstem Da ich zu den ständigen U- Bahnfahrern gehöre, ist mir nicht Schweigen vorbei an den erstaunt und voller Ergriffenheit stehen­mur bekannt, daß die U- Bahnbeamten Bahn polizeidharatter bleibenden Passanten, denn es waren blinde Männer und blinde haben, sondern ich habe oft genug beobachtet, daß sie ihr Bahn- Frauen, die aus der Blindenanstalt in der Oranienstraße famen. polizeiamt auch ausüben, um Leute festzuhalten, die irgendwas Die Demonstration bewegte sich bis zum Rathaus, wo eine angestellt haben. In den beiden Fällen feiger Ueber Delegation den Bürgermeister zu sprechen wünschte. Herr Scholtz fälle mehrerer auf einzelne und schländlichster Mißhandlung der ließ sich jedoch nicht sprechen, weil er angeblich während der Stadt­Opfer, über die Sie im Abend" berichteten, da soll die Festhaltung verordnetenfizung unabkömmlich war. Die Blinden trugen dann der Täter den U- Bahnbeamten unmöglich gewesen sein? Die be sozialdemokratischen und kommunistischen Stadtverordneten sowie der teiligten Bahnhöfe Bülow straße und Hallesches Tor sozialdemokratischen Stadträtin Weyl ihre Klagen und Wünsche vor.

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Für Deutschland  : Ueberall fühl und unbeständig, im Osten zahl reiche, im Westen vereinzelte Schauer, im Alpenland trübe und regnerisch.

Borträge, Vereine und Versammlungen.

W

Reichsbanner Schwarz- Rot- Gold".

"

Gefchäftsstelle: Berlin  . S. 14. Sebaftianfte 37-38, Sof 2. Tr. Freitag, 10. Oktober. Treptow  , Tambourtorps: 19% Uhr Versamm Tung im Kühlen Grund". Lichtenberg  , Rameradschaft Rummels burg: 20 Uhr Bersammlung bei Brunn, Türrschmidtstr. 40. Wichtige Tages ordnung. Erscheinen Pflicht. Sonnabend, 11, Oftober. Mitte, 6. Kamerad schaft: 18% Uhr Saalschuß im ehemaligen Herrenhaus, Leipziger Str. 4 Wedding: 20 Uhr gemütliches Beisammensein zum Empfang der Halberstädter Waffersportler im Total Hoppe, Secstr. 1. Wassersportabteilung, Rug Tegel: 16 Uhr Abpaddeln Bootshaus Tegel  , anschließend gemütliches Beisammensein im Bootshaus. 8ahlreiches Erscheinen wird erwartet. Sonntag, 12. Ditober straße 12, zum Schuß des SPD.  - Umzuges. Reinickendorf  ( Ortsverein): Ane Webbing( Ortsverein): Alle attiven Kameraden um 12 Uhr bei Corgag, Ufer­treten 12 Uhr in Reinickendorf  - Ost, Refidenzstraße, am Schäferfee. Beteili gung aller Kameraden ist Pflicht. Neukölln- Briz  : Pflichtantreten in Bundess Kleidung ohne Fahnen 12% Uhr Reuterplaz.

Freitag 20 Uhr im Ideal- Rafino, Neukölln, Weichselstr. 8. Bläser und Typographisches Drchester. Dirigent Erich Gutzeit. Uebungsstunden jeden Streicher willkommen. Achtung für Mitglieder! Am Sonntag, 12. Oktober, 10 Uhr, findet unsere diesjährige Generalversammlung statt. Vollzähliges und pünktliches Erscheinen ist Pflicht.

Deutscher   Arbeiter- Abstinenten- Bund, Bezirksgruppe Norden. Wir eröffnen am Freitag, 10. Ottober, in der Gaststätte Pantstr. 12 eine Auskunftsstelle für Altoholgefährdete, die unentgeltlich Rat erteilt. Sprechstunde jeden Diens tag und Freitag von 18-20 Uhr.

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