Morgenausgabe
Nr. 477
A 240
47.Jahrgang
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Sonnabend
11. Oftober 1930.
Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Df.
Die etni palttge Nonpareillezetle 80 Pfennig. Reflame eile 5.- Reichs mart. Kleine Anzeigen das ettge Drudte Wort 25 Pfennig( zuläffig zwei fettgedruckte Borte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erfte Wort 15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imhaupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.
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Acht Prozent Lohnabbau!
Spruch des Sonderschlichters im Metallfonflift.- Sonntag Funktionärfonferenz.
In später Abendstunde verkündete gestern der Sonderschlichter Dr. Völkers den mit Spannung er warteten Schiedsspruch im Metallkonflikt. Im wesentlichen besagt der Spruch:
Die bisherigen Tarifmindestlöhne der über 18 Jahre alten Metallarbeiter werden mit Wirkung
ab 3. November
um 8 Prozent gefürzt,
willens des Unternehmertums. Hinter diesem brutalen Machimillen sind alle Maßnahmen zurückgetreten, die wirklich und im Ernste zu einer Milderung der Krife hätten beitragen tönnen: Arbeitsbeschaffung, Preissenkung. Sie sind bewußt zurückgestellt worden, weil zunächst und zuförderst das Unter
| rung haben die Arbeiter vom 6. Oktober ab bereits 1 Prozent| schaftlicher Einsicht, sie ist ein Ausfluß des brutalen Machtihres Lohnes eingebüßt. Macht zusammen 9 Prozent. Acht Prozent Lohnabzug! Ein erheblicher Teil der Berliner Metallarbeiter leistet Kurzarbeit. Er arbeitet nur vier Tage in der Woche und verdient nur vier Tage. Von dem kümmerlichen Lohn, der ihm verbleibt, nehmen die Unternehmer einen Zehnten- angeblich zur Rettung der Wirtschaft, in Wahrheit zur Stärkung ihrer Macht und ihres Reichtums!
Konferenz der Metallfunktionäre
der VBMI. Betriebe Sonntag, den 12. Oktober, vormittags 10 Uhr, im Saalbau Friedrichshain Tagesordnung:
Dieser Schiedsspruch ist ein Signal. Was in Berlin die Tarifmindestlöhne der Jugendlichen und der begann, soll mit Hilfe der von der Reichsregierung instruArbeiterinnen um 6 Prozent. Die Akkordgrundierten Schlichter im ganzen Reiche fortgesetzt werden. Im lagen sollen im gleichen Ausmaße gesenkt werden. nordwestlichen Industriegebiet besteht der gleiche Konflikt wie Das neue Lohnabkommen mit den reduzierten Tarif in Berlin . Dort wird am Ende des Monats die Entscheidung Der Schiedsspruch des Sonderschlichters. löhnen soll bis zu der Lohnwoche gelten, in die der fallen. Die Berliner Entscheidung wird den Willen des 30. Juni 1931 fällt. Die Erklärungsfrist wurde auf Unternehmertums zum Angriff gegen die Arbeiterlöhne überSonnabend, den 18. Oktober mittags 12 Uhr fest: all stärken. Eine gewaltige Verschärfung der Klas= gescht. fengegenfäße, schwere unmittelbare Klassenfämpfe stehen bevor.
Die Begründung.
Der Berliner Schiedsspruch entspricht dem Programm Gestern nachmittag um 5 Uhr wurden die Ver- der Regierung Brüning, insbesondere jenen Anhandlungen zur Schlichtung im Lohnkonflikt in der Ber- fichten, die der Reichsarbettsminister Stegerwald verliner Metallindustrie wieder aufgenommen. Der Son treten hat. Der Reichsarbeitsminister Stegerwald hat vollderschlichter hatte während der fünfeinhalbstündigen Verständig vor den Anschauungen des Unternehmertums tapi handlungen fast nie die Beisitzer beider Parteien zu- tuliert. Die Behauptung, daß nur durch Lohnabbau die Arsammen, sondern verhandelte zumeist abwechselnd mit den beitslosigkeit befämpft werden könne, entspricht nicht wirt Arbeitnehmer und Arbeitgeberbeisigern.
Zur Begründung des Schiedsspruchses führte der Sonderschlichter Dr. Völkers finngemäß etwa folgendes aus:
Die Schlichtungskammer ist davon überzeugt, daß ein Lohnabbau zur Senkung der Gestehungskosten der Wirtschaft unbedingt erforderlich ist. Sie ist ferner der Auffassung, daß durch einen Lohnab. bau der Arbeitslosigkeit gesteuert werden kann. Die Schlichtungskammer halte es für sozial politisch richtiger, die Löhne, die in Zeiten guter Konjunktur festgesetzt worden sind, zu senken, als sie zu hal ten und dadurch die Arbeitslosigkeit weiter zu steigern. Den Anträgen der Unternehmer, die Löhne um 15 Proz. abzubauen, konnte nicht entsprochen werden.
In der Frage der Arbeitszeitverkürzung konnte die Schlichtungskammer, so führte der Sonder. schlichter Dr. Völkers aus, teine Entscheidung treffen, da die Arbeitszeit in dem noch geltenden Manteltarifvertrag geregelt ist und ein Eingriff in einen noch bestehenden Tarifvertrag gesehlich unzulässig sei.
Hinsichtlich der Wiedereinreihung von Arbeitslosen in den Produktionsprozeß auf dem Wege der Arbeitszeitverkürzung empfahl der Sonderschlichter den Parteien, in direkte Verhandlungen zu treten. Im gleichen Atemzuge empfahl er jedoch den Parteien, bei etwa notwendig werdenden Arbeiterent. lassungen Verhandlungen aufzunehmen zur Streckung der Arbeit. Eine Begründung für diese widersprechende Empfehlung gab der Sonderschlichter nicht.
Mit diesem Schiedsspruch beschäftigt sich am Sonntag, vormittag um 10 Uhr, im Saalbau Friedrichshain eine Konferenz der Gewerkschaftsfunttio. näre aus den Betrieben des Verbandes Berliner Metallindustrieller.
Ein Signal.
Gegen Diftatur und Faschismus Für Demokratie und Arbeiterrecht
demonstriert die Berliner Sozialdemokratie am Sonntag, dem 12. Oftober 1930, nachmittags 2 Uhr, im Luftgarten. Ansprache: Reichstagspräsident Genosse Baul Löbe
Treffpunkte:
1. Kreis Mitte. Artonaplag 12.30 Uhr.
2. Kreis Tiergarten und 7. Kreis Charlottenburg . Kleiner Tiergarten 13 Uhr.
3. Kreis Wedding . Brunnenplay 12.15 Uhr. 4. Kreis Prenzlauer Berg . Danziger Straße 64( Bezirksamt)
13.15 Uhr.
5. Kreis Friedrichshain . Rüstriner Blag 13 Uhr. 6. Kreis Kreuzberg . Fontanepromenade 13 Uhr. 8. Kreis Spandau . Abfahrt nach Lehrter Bahnhof : Abteilung Staaten 12:23 Uhr Bahnhof Staaten; Abteilungen Altstadt, Neustadt und Wilhelmstadt 12.33 Uhr Bahnhof Spandau - West; Abteilung Siemensstadt 12.42 Uhr Bahnhof Fürstenbrunn. Aufstellung des Zuges am Wilhelmufer( westliche Seite des Lehrter Bahnhofs). Abmarsch 13 Uhr durch Wilhelmufer, Invalidenstraße, hier Anschluß an 2. Kreis.
9. Kreis, 10., 11. und 12. Kreis Wilmersdorf , Zehlen dorf, Schöneberg und Steglik. Hausvogteiplay 13.30 Uhr. 13. Kreis Tempelhof . Antreten 12 Uhr Ulsteinhaus . Marsch durch Berliner Straße bis 11.- Bahnhof Tempelhof . Fahrt bis U- Bahnhof Französische Straße. Antreten Gendarmenmarkt. Marsch durch Französische, Werderstraße, An der Stechbahn, Schloßfreiheit, Luftgarten.
14. Kreis Neukölln. Reuterplay 12% Uhr
Bart 13.30 Uhr.
12.30 Uhr.
17. Kreis Lichtenberg . Holteistraße( vor der Jugendbühne), 18. Kreis Weißensee . Lehderstraße, Ede Berliner Allee
12.30 Uhr.
Der Sonderschlichter im Berliner Metallfonflift hat getan, was er sollte. Er hat die große Lohnabbauoffensive eröffnet. Er hat einen Spruch gefällt, der die Löhne der Berliner Metallarbeiter um 8 Prozent herabsetzt. Die Unternehmerforderung nach 15 Prozent Lohnabbau ist nicht ganz durchgedrungen aber was besagt dies gegenüber der Tatsache, daß der Schlichter sich die Unternehmer: begründung für den Lohnabbau zu eigen gemacht hat, daß er die Lohnsentung sanktioniert, daß er den Berliner Metallarbeitern 8 Prozent ihres bisherigen Lohnes wegnimmt! Durch die Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversiche- pläzen der Partei.
Allee, 12.30 Uhr.
19. Kreis Pankow . Bornholmer Straße, Spize Schönhauser 20. Kreis Reinickendorf. Residenzstraße, Ede Marktstraße in
Die Sozialistische Arbeiterjugend trifft sich an den Gammel
nehmertum die Krise ausnuten will, um die Arbeiterschaft auf die Knie zu zwingen.
Der Sonderschlichter begründet seinen Spruch mit sozialpolitischen Rücksichten. Er wiederholt die Behauptung, daß durch Lohnabbau Arbeit für die Arbeitslojen geschaffen werden könne. Das ist ein Trugschluß, nur dazu bestimmt, nach Möglichkeit zu verhindern, daß die ganze Empörung der Deffentlichkeit sich gegen den brutalen Machtwillen des Unternehmertums wendet! Diese Behauptung kann nicht einmal in der Begründung des Spruches selbst durchgehalte.i werden.
Der Sonderschlichter sieht selbst die Möglichkeit voraus, ! daß die Berliner Metallindustriellen weitere Arbeiterentlaffungen vornehmen werden. Lohnabbau, um Arbeitslose in Arbeit zu bringen, aber verbunden mit der Vorbereitung auf weitere Entlassungen- das enthüllt, daß es sich bei diesem Spruch lediglich um eine Begünstigung der Unternehmeroffensive gegen die Arbeiterschaft handelt.
Weniger Lohn, aber noch mehr Arbeitslose das ist die Perspektive, die dieser Spruch in Wahrheit eröffnet.
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Würde es den Unternehmern gelingen, ihren Machtwillen den Berliner Metallarbeitern und danach der ganzen deutschen Arbeiterschaft aufzuzwingen, wer glaubt dann noch, daß sie dann an Preisfentungen herangehen würden?
Lohnabbau auf der ganzen Linie ist das sicherste Mittel, um das Unternehmertum vor Preissenfungen zu retten und um es davor zu bewahren, daß es seinen Anteil an der Krise auf sich nimmt.
Der Ausgang des Berliner Metallkonflikts wird nicht nur für die Berliner Metallarbeiter, sondern für die gesamte deutsche Arbeiterschaft von der größten Bedeutung sein. Bom Ausgang dieser großen Entscheidung wird es abhängen, ob und auf welchem Wege eine Lösung der Krise möglich sein wird.
Am Sonntag tritt die Konferenz der Gewerkschaftsfunktio näre der Berliner Metallbetriebe zusammen, um ihre Entscheidung über den Schiedsspruch zu fällen. Dann haben die Arbeiter in den Betrieben das Wort!
Finanznot der Gemeinden.
Folgen der Arbeitslosigkeit im industriellen Weften. Bochum , 10. Oftober.( Eigenbericht.) Die Stadt Hamborn erflärt sich außerst and e, im Winter
halbjahr die Mittel für die Wohlfahrtserwerbslosen aufzubringen, deren 3ahl jezt schon auf über 10 000 gestiegen ift. 8000 merden noch in den nächsten Wochen dazukommen. Man erwartet vom Reich und vom Staate die nötige Hilfe.
Auch die Landgreise des Ruhrgebietes weisen durch die Wohlfahrtsausgaben große Fehlbeträge auf. Der Lennep- RuhrKreis verzeichnet einen Fehlbetrag von 1,7 millionen Mart, dessen Tilgung eine Nachbesteuerung von 70 Proz. der Realsteuergrund
beträge nötig machen wird. In Düsseldorf Mettmann müffen 530 000 Mart durch Nachtragsumlage aufgebracht werden, im Kreise Wefel 508 000 Mart.