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BERLIN  Mittwoch 15. Oftober

1930

Der Abend

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Nr. 484

B 242

47. Jahrgang

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Braun gegen die Demagogen

Uniformverbot bleibt- Der Landtag wird nicht aufgelöst!

3m Preußischen Landtag   begann heute vormittag furz nach 11 Uhr die große politische Aussprache mit der gemeinsamen Beratung der Auflösungsanträge der kommuniffen und der Wirtschaftspartei. Gleichzeitig mit diesen Anträgen werden mil­beraten die kommunistischen   Anträge auf Aufhebung der Not­verordnungen des Reichspräsidenten   und auf Einstellung der Young- Jahlungen. Außerdem liegt ein demokratischer Antrag wegen der nationalsozialistischen Aus­fchreitungen in Berlin   vor.

Ministerpräsident Otto Braun  

tritt an das Rednerpult und wird mit stürmischen Zurufen der Kommunisten ,, Nieder mit der Braun- Regierung" empfangen. Er führt aus:

Ehe die einzelnen Fraktionen ihre Anträge begründen, will ich nom Standpuntt der Staatsregierung aus dazu Stellung nehmen. Ein Antrag der Nationalsozialisten verlangt die Aufhebung des Uniformverbotes für ihre Sturmtrupps( 3uruf rechts: Wird auch die höchste Zeit!). Die Staatsregierung ist entgegengesetzter Meinung. Die Aufhebung des nationalsozialistischen Uniformverbotes tommt fo lange nicht in Frage, als die Gründe dafür noch weiter fortbestehen. ( Bustimmung links und in der Mitte, große Unruhe rechts.) Die Gründe für das Berbot liegen in dem unerträglichen Terror, den die Nationalsozialisten gegen Andersdenkende aus­üben. Deshalb besteht für den Augenblick erst recht kein Grund, es aufzuheben.( Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Staatsregierung hat auch feine Ursache, das Berbot für Beamte, der Kommunistischen und Nationalsozialistischen   Partei anzugehören, aufzuheben.( Große lärmende Kundgebungen rechts und der Kommunisten.) Dieses Berbot ist erlassen, nachdem jeststand, daß sowohl die Nationalsozialisten als auch die Kommunisten den gewaltsamen Umsturz anstreben.( Buruf bei den Nationalsozialisten: Das ist das Gegenteil von der Wahrheit! Zuruf bei den Kommu nisten: Wir bestreiten es ja gar nicht!) Dann tann ich mir den Kommunisten gegenüber jede Begründung für das Vorgehen der Staatsregierung ersparen.( Großer Lärm bei den Kommunisten. Abg. Kaspar( Rom  .) wird zweimal zur Ordnung gerujen.) Dagegen bestreiten die Nationalsozialisten, daß sie den gewaltsamen Umsturz des Staates herbeiführen wollen. Nach der Zeugen aussage Hitlers   in Leipzig   fann es fast so scheinen, als wäre die Nationalsozialistische. Partei nur eine Gruppe von Un schuldslämmern, die auf rein legalem Wege dahinzöge. ( Zuruf bei den Nationalsozialisten: Hitler   hat seine Aussage be­schmoren!) Diese endliche Aussage steht auf derfelben Stufe mie das Ehrenwort, das Hitler 1923 in München   gab, feine Putsche zu machen und das den Hitler- Putsch nicht verhinderte.( 3ustimmung bei den Regierungsparteien. Großer Lärm rechts. Minutenlange Unterbrechungen durch zurufe von rechts.) Wir stützen uns hier aber nicht auf Aussagen, sondern ich begnüge mich damit, Ihnen Ihre eigenen Anweisungen an die Funktionäre porzulesen, wie sie in den sogenannten Führerbriefen niedergelegt find. Da heißt es zum Beispiel:

,, Alles, was der bestehenden Ordnung der Dinge schädlich ist, findet unsere Unterstützung. Alles, was geeignet ist, diesen jetzigen Staat zu erhalten, lehnen wir ab. Mit einem Wort: wir treiben katastrophenpolitit, weil nur die katastrophe den jehigen Staat beseitigen fann!"

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( Stürmisches Hört, hört! bei den Regierungsparteien, Lärm rechts.) In einem anderen Führerbrief heißt es: Wir müssen den jezigen Staat befämpfen, ruinieren, zersetzen, vernichten!"( 3uruf rechts: Sind das Beweise?) Und nun verlangen die National­sozialisten von demselben Staat, den sie auf diese Weise gewaltsam stürzen wollen, daß er Mitglieder der staatsstürzlerischen Parteien in feine Dienste nimmt. Ein Staat, der so handeln wollte, würde sich selbst aufgeben. Art. 130 der Reichsverfassung gibt den Beamten politische Meinungsfreiheit und nach Art. 118 ist jeder Staatsbürger vor dem Gesez gleich. Den Staatsbürgern sind aber Grenzen ge­zogen durch die allgemeinen Gesetze und das preußische Disziplinar gesetz bedroht den Beamten mit Strafe, der sich des Bertrauens unwürdig erweist, das sein Amt erfordert. Ein Beamter, der einer Partei angehört, die den Staat vernichten will, hat fein Recht, meiterhin Beamter zu sein.( Stürmische Zustimmung bei den Regierungsparteien. Rufe: Wie war es beim Munitions arbeiterstreit!). Ich glaube nicht, daß bei diesem Streit Beamte mitgewirkt haben. Es wäre ihnen unter dem alten System auch außerordentlich schlecht bekommen.

Streifparole wird befolgt!

In allen Metallbetrieben ruht die Arbeit

Wie uns vom Deutschen   Metallarbeiterverband mitgeteilt wird, ist die Streifparole des Berliner   Metallfartells durchweg befolgt worden. In allen Betrieben des Verbandes Berliner   Metall­industriellen ruht die Arbeit. Insgesamt befinden sich 126 000 Ar­

Aus dem Inhalt:

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Banditenüberfall in Kaulsdorf  . Ein neues Justizdrama. Kein Haftbefehl gegen dic Fensterhelden!.

Dammbruch einer Seele. Museum in der Fabrikhalle

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lauf, der durch die Schlichtungsgeseze gegeben ist, abzuwarten und die Erklärungen beider Parteien zur festgesetzten Frist entgegen­zunehmen.

Angestellte Berlins  !

Kollegen der Berliner   Metallindustrie!

Die freigemertschaftlichen Angestelltenorganisationen Berlins  veröffentlichen folgenden Aufruf zu dem Metallarbeiterkampf in Berlin  :

Brutaler Machtwille und falte Profitgier haben die Berliner  Metallindustriellen, diesen scharfmacherischen Bortrupp des deutschen  Unternehmerfums, dazu getrieben, Lohnabbau zu fordern und damif den offenen Kampf zu provozieren. Dieser Kampf ist nicht allein entscheidend für die Arbeiterschaft der Berliner   Metallindustrie Seite 8 hat in feinen Endergebnissen Bedeutung für die Arbeitnehmerschaft ganz Deutschlands  .

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In dieser Erkenntnis gilt es insbesondere für die An­beiter und Arbeiterinnen im Streit. In den meisten Betrieben haben gestellten der Berliner   Metallindustrie, aber auch daraufhin die Fabrikleitungen die Tore schließen lassen. für alle Berliner   Angestellfen, vor allem, soweit fie freigewerkschaftlich organisiert sind, durch einwandfrei tameradschaftliches Ber­halten den erwarteten günstigen Kampfausgang mit vorzubereiten, eingedenk der vorbildlichen Haltung der Arbeiter beim großen An­gestelltenstreit im Frühjahr 1919.

Der große Abwehrtamps in der Berliner   Metallindustrie hat begonnen. In mustergültiger Disziplin und Solidarität haben die Arbeiter und Arbeiterinnen im Laufe der ersten Vormittagsstunden die Betriebe verlassen. Heute früh gingen die Belegschaften zur ge­wöhnten Stunde noch einmal an die Arbeitsplätze, um in den einzelnen Werken selbst die letzten organisatorischen Borbereitungen für den Kampf zu treffen. So zeigten noch in der achten und neunten Morgenstunde die Fabrikbezirke Groß- Berlins äußerlich das übliche Bild der Arbeit, was Uneingeweihten mitunter Ver­anlaffung gab, von einer Nichtbesolgung der Streifparole zu reden. Nach der Frühstücspause um 9 Uhr änderte sich jedoch das Bild gründlich.

In langen Kolonnen verließen in allen 276 Betrieben des Ber­bandes Berliner   Metallindustriellen die Arbeitsstätten. Besonders die Siemensstadt   sah wie ausgestorben aus. Große Seiterfeit bei den abziehenden Arbeitern löften die anfahrenden Bäderjungen aus, die Backwaren für die Werkskantinen liefern wollten. Ebenso wie in Siemensstadt   sind die Moabiter  Straßen zwischen Osram  , der AEG. Turbinenfabrik  und Ludwig- 20eme Gesfürel leer, die Gegend zwischen den AEG.- Fabriken in der Brunnen- und Ackerstraße und dem Wert von Schwarztopff am Humboldthain zeigt ein sonntäg­liches Bild.

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Angesichts diefes einmütigen und geschlossenen Einsetzens des Abwehrstreits haben unter anderem die AEG.- Fabriken furzerhand die Werktore geschlossen und abgesperrt. Trotzdem stehen überall Streitposten, um den Kampf der Berliner   Metall­abeiter vor einer wohl nicht zu erwartenden, aber unter Umständen doch im Bereich der Möglichkeit liegenden Ueberraschung durch ge­wiffe, den scharfmachenden Industriellen nahestehende Kreise zu sichern. Höchst überflüssigerweise stehen vor vereinzelten Betrieben neben den Streifposten der freigewerkschaftlichen Streifleitungen noch besondere Posten der sogenannten RGD.".

Die Leitung der RGO." hat es sich übrigens nicht nehmen lassen, die streifenden Siemensarbeiter mit geschmacklofen Trans= parenten zu begrüßen", auf denen es hieß: ,, Nieder mit den Ausbeutern und ihren Lakaien!" Die disziplinierten Siemens­arbeiter zeigten jedoch diesen Albernheiten gegenüber einfach die falte Schufter. Ein Vorstoß der fommunistischen RGD.", bei der Knorrbremse einen milden ,, Kampfausschuß" zu wählen, wurde von den Arbeitern kurzerhand abgelehnt. Bor den Bergmann Werfen in Rosenthal, dem Betrieb von Werner in marienfelde   und vor der Eisengießerei C. Schöning in Reinidendorf fuchten Gruppen von Kommunisten die Fabrifeingänge zu befeßen und die Belegschaften an dem heute früh noch einmal erfolgten Betreten der Werke zu hindern. Den überall patrouillierenden Bolizeistreifen gelang es jedoch, alle Zusammen. stöße im Reim zu ersticken.

Gegenwärtig liegen die weiten Fabrikhöfe der VBMI.- Betriebe verwaist da, die legten Arbeiter haben die Werke verlassen. Der große Metallarbeiterkampf hat begonnen.

Von allen Angestellten der Berliner   Metall. industric muß die Wahrung strengster Solidarität erwartet werden!

Kollegen der Metallindustrie! Zeigt euch der gegenwärtigen ernsten Situation gewachsen! Gebt euren fämpfenden Arbeits­kameraden deutliche Beweise gewerkschaftlicher Treue!

In besonderen Fällen, die eilige Entscheidungen nöfig machen, find sofort die zuständigen Berliner   AfA- Gewerkschaften anzurufen. Allgemeiner freier Angestelltenbund, Ortskartell Berlin  . Petersdorff.

Flatan. Zentralverband der Angeftellfen, Ortsgruppe Groß- Berlin. Gofffurcht. Lange.

Bund der technischen Angestellten und Beamten, Gau Brandenburg.

Günther.

Deutscher   Wertmeisterverband, Bezirk X. Jaeger.

Unter revolutionärer Führung." Kommunistische Quertreiberei.

Die vernichtende Abfuhr, die der RGO. am Dienstagfrüh von der Berliner   Metallarbeiterschaft erteilt wurde, als sie schon gestern den Streit ausrief, um die Maßnahmen des Metallabeiter­verbandes zu stören und sie zu durchkreuzen, hält die Rote Fahne" nicht ab zu renommieren: Bahlreiche Betriebe haben gestern unter Führung der RGD. den Streit begonnen."

Noch jetzt, mitten im Kampfe, versteigt sich das KPD.  ­Blatt zu der Lächerlichkeit: RGO. und selbstgewählte Streif­leitungen als einzige Führer." Man fönnte darüber hinweg­sehen, wenn nicht die Absicht des ganzen Treibens deutlich erkenn­bar wäre, der Organisation der Metallarbeiter in diesem schweren Kampfe in den Rücken zu fallen und die Verheyung der Streifenden untereinander fortzusetzen.

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Benutzt schon die erste Streitversammlung, um den Massen­eintritt der Metallarbeiter in die RGD. durchzuführen." Der Ab­wehrkampf der Berliner   Metallarbeiter soll also nach den Anweisun­gen der APD. von ihrer armseligen und jämmerlichen RGD. mißbraucht werden, um im trüben zu fischen. Die KPD. stellt ihr Agitationsbedürfnis höher als die Ein­mütigkeit und Geschlossenheit der Streifenden.

" Unter revolutionärer Führung zum Siege!" Wer sich einer solchen Führung" unterstellt, der ist von vornherein verloren.

Die Berliner   Metallarbeiterschaft hat gestern schon der fom­munistischen RGO. die Antwort gegeben. Sie wird ihr noch deutlicher zu erkennen geben, daß jetzt nicht die Zeit ist zu Quer­freibereien, zur Schürung der Uneinigkeit und sie wird jeden, auch die Mauthelden der RGQ., beiseite schieben, der sich ihr an die Rodschöße hängen will.

Der Antrag auf Aufhebung der preußischen Durchführungs­bestimmungen zur Notverordnung des Reichspräsidenten   fann gleichfalls nicht angenommen werden. Die Notverordnungen find Reichsgefeß; die preußischen Erlasse dazu find lediglich Die Meldungen in verschiedenen Berliner   Blättern, daß in dem Anweisungen an die Gemeinden, die auf Grund ihrer Selbstver: Berliner   Metallarbeiterstreit der Ministerialrat Memes waltung allein die ihnen in der Notverordming gegebenen neuen Arbeitsministerium mit neuen Verhandlungen eingreifen soll, werden Das Reichs Einnahmequellen ausschöpfen tönnen. Wenn die Kommunisten vom Reichsarbeitsministerium dementiert. meinen, man tönnte diese Quellen vermeiden und die Bohlfahrtsarbeitsministerium beabsichtige vielmehr, den normalen Ber-| sation!

Dom

Die Führung hat die Berliner   Ortsverwaltung des Deutschen Metallarbeiterverbanbes, die gewerkschaftliche Organi