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Die Wahl des Reichstagspräsidiums.

Widerlicher Radau der Partei des ersten Vizepräsidenten.

Präsidenten das Reden außerordentlich erschweren, folgende An-| mirklich vergessen, Widerspruch zu erheben. Das Haus, [ prache: einschließlich der Nazis und ihrer Antipoden, folgt also ein. mütig dem Vorschlage des marristischen" Präsidenten, der auch die schlimmsten Schreier durch seine Sachlichkeit entwaffnet. Nach der Kampfwahl der erste offene Erfolg Löbes, den selbst die jungen Leute des Hitler- Heerbanns nicht zu leugnen wagen.

Zur zweiten Sigung des neuen Reichstags waren die Hafen freuzler in 3ivil erschienen, was den Kommunisten Anlaß zu höh­rischen Zurufen gab. Inbekümmert darum eröffnete Alters­Erlauben Sie troß der Gegensäge, die eben hervorgetreten sind, präsident Herold am Mittwoch nachmittag 3 Uhr die Sigung, daß ich zunächst denjenigen herzlich danfe, die mir ihre Stimme ge­erteilte einige Urlaube, machte von einigen Entschuldigungen Mit- geben haben. Sodann aber danke ich dem verehrten Herrn Alters teilung und verlas die Vorschrift der Geschäftsordnung über die präsidenten( lebhafter Beifall des größten Teiles des Hauses), der Wahl des Präsidenten und seiner Stellvertreter. trotz seines hohen Lebensalters die Mühemaltung dieses Amtes auf sich genommen hat. Wir wünschen unserem Herrn Alterspräsidenten Herold, der eine 41jährige parlamentarische Tätigkeit hinter sich hat, noch viele Jahre gleicher Rüstigkeit.( Beifall.) Auch diejenigen, die einen anderen Leiter der Verhandlungen vorgezogen hätten, wissen, welch schweres Amt mir übertragen ist.( Gelächter äußerst rechts und ständiges Papageiengeschrei: 36 000 Marf!)

Abg. Dittmann( Soz.): Die sozialdemokratische Fraktion schlägt den bisherigen Reichstagspräsidenten, den Abg. Paul Löbe  , zur Wahl als Präsidenten vor.( Lebhafter Beifall der Sozialdemokraten und im Zentrum.)

Abg. Rippel( Chr.- S03.) gibt eine Erklärung ab, daß seine Fraktion mit einem großen Teil des Reichstags der Auffassung sei, daß das Wahlergebnis eine Machtverschiebung nach rechts bedeute und diese Tatsache im Kurs und in der Zusammensetzung der Reichs­regierung beachtet werden müsse. Dann fährt er fort: Wir sind aber der Meinung( Aha!-Rufe rechts), daß die Zusammensetzung des Präsidiums gemäß den§§ 8 und 9 der Geschäftsordnung vor­zunehmen ist.

Wir bedauern, daß die durch vielfältige Uebung vorgeschriebene Zusammenfehung des Präsidiums zu einer Parteifrage ge­Stempelt wird.

( Beifall in der Mitte, Lärm rechts.) Unsere rein sachliche Stellung gebietet uns, dem Wortlaut der Geschäftsordnung Rechnung zu tragen; wenn auch Unterschiede der Weltanschauung und der poli­tischen Ueberzeugung bestehen, so folgen wir doch dem Gebot der Gerechtigkeit und Billigkeit.  ( Beifall in der Mitte und links.)

Abg. Dr. Dauch( D. Bp.) schlägt den Abg. Dr. Scholz zum Präsidenten vor.

Abg. Torgler( Komm.): Bei diesem Wettrenen um den Präsi dentenposten handelt es sich darum, wer der geeignetste ist, in diesem Young- Reichstag die arbeiterfeindlichen Geseze durchzupeitschen. Wir als die einzige antitapitalistische Partei( höhnisches Gelächter der Nationalsozialisten) schließen feine Koalition, weder mit den Bürger lichen, noch mit den Sozialdemokraten, sondern schlagen für alle Posten unseren Genossen Piec vor.( Händeklatschen der Kommu­nisten. Heiterkeit der übrigen.) Für die Nationalsozialisten ist es überaus bezeichnend, daß sie nach all ihrer Wahldemagogie gestern in der Besprechung der Fraktionsführer durch Frid und Stöhr er Ilärt haben, felbstverständlich diese Geschäftsordnung mit all ihren Strangulierungsbestimmungen zu respektieren.( Hört, hört! links.) Und nun wählen diese Nationalsozialisten auch noch den Vertreter der schwerkapitalistischen Interessen, Dr. Scholz, zum Bräsidenten!

Heimfrieger Frid wird frech.

Abg. Frid( Natfoz.), mit fangandauernden feindlichen Zurufen der Kommunisten begrüßt, führt aus, der Wahlausfall befunde den Volkswillen zur Bildung einer antimarristischen Front, das Bolt habe besonders der SPD  . eine vernichtende Absage erteilt, es

wäre eine Verfälschung des Boltswillens und würde vom deutschen  Bolt nicht verstanden werden, wenn der Reichstag troßdem wieder cinen Margiften zu feinem ersten Bräsidenten wählen mürbe.

Wir erheben Einspruch gegen die Wahl eines Marristen wegen feiner volts, und staatsfeindlichen Einstellung. Der Kriegs. dienstverweigerer Lobe...

( Händetlatschen der Nationalsozialisten, die sozialdemokratischen Ab­geordneten springen empört auf, die weiteren Ausführungen des während des Krieges als unabtönndidh" enthobenen Redners gehen in den stürmischen Empörungsrufen der Linken, die das Heimtrieger­tum Frids gebührend unterstreichen, vollständig unter.)

Runmehr beginnt die Stimmenabgabe auf Namensaufruf. Jedes aufgerufene Mitglied begibt sich an den Tisch des Hauses und wirst dort den verdedten Stimmzettel in die Urne. Dieser zweite Namens­aufruf im neuen Reichstag beginnt mit dem Buchstaben B, der Sozialdemokrat Dr. Baade wird als erster aufgerufen. Das Er gebnis ist:

Abgegebene Stimmen.

davon für Löbe

Scholz. Pied

Gräf- Thüringen

leer

556

266

179

68

41

2

Somit haben die Deutschnationalen für den bisherigen Bize­präsidenten Gräf   gestimmt. Da die beiden leeren Bettel ungültig find, beträgt die Mehrheit, nämlich die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen plus eins 278. Reiner der Kandidaten hat die Mehrheit erreicht, es wird darum zwischen den beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen, Löbe   und Scholz, die engere Wahl vor­genommen. Diese Bertündung des Alterspräsidenten   wird von den Hakenkreuzlern aus nicht erfeninbaren Gründen mit Beifall auf­genommen; vielleicht freuen sie sich darüber, daß Scholz nicht schon im ersten Wahlgang durchgefallen ist!

Auch der zweite Wahlgang wird mit verdeckten Stimmzetteln auf Namensaufruf durchgeführt. Stimmzettel für andere als die beiden genannten Kandidaten sind jetzt ungültig. Das Ergebnis ist:

Löbe Scholz

ungültig

269

209 77

Alterspräfident Herold:

Gomit ift Herr Abg. Löbe zum Präsidenten des Reichstags gewählt.( Stöhr, Straßer und andere Hatenkreuzler schreien etwas von Minderheit, Kriegsdienstverweigerung usw. Die Sozialdemo fraten erheben fich und begrüßen das Wahlergebnis mit lang­andauerndem Händeklatschen und Bravo- Rufen, so daß man das Ges schimpfe und die Pfui- Rufe der Hafenkreuzler erst wieder vernimmt, als die begeisterte Rundgebung vorüber ist.

Auf die Frage des Alterspräsidenten  , ob er die Wahl annehme, antwortet Löbe   Jawohl".

Das bubische Gebrüll der Hakenkreuzburschen, das, die Zusage ibrer Vertreter im Aeltestenrat, die Geschäftsordnung innezuhalten, so trefflich illustriert, geht in einer neuen Beifallsfundgebung der Sozialdemokraten unter. Man hört nur, während Präsident Cōbe auf die Aufforderung des Alterspräsidenten   sich auf den Präsidenten­plak begibt, daß die Hakenkreuzler andauernd 36 000 Mark" schreien. Präsident Löbe  

übernimmt unter einem Händebrud vom Alterspräsidenten   Herold den Vorsitz und hält unter dem Geschrei der Hafentreugler, die dem

Diefer Reichstag steht vor Problemen, die die schwersten Ent­scheidungen der Nachkriegszeit erfordern. Um sie zu lösen, wird es die erfie Aufgabe sein, unbedingt die Arbeitsfähigkeit des Reichstags zu sichern.

( Neues Geschrei der Hitlerianer, besonders des Goebbels.) Serr Abg. Goebbels, ich werde jetzt sehr wenige Reden halten, aber sehr viele Reden von Ihnen anhören müssen, also hören Sie jetzt mich an! Ich wollte nämlich gerade einen Appell an Sie( nach rechts) richten, nämlich die Arbeitsfähigkeit des Reichstages nicht zu ver­eiteln. Dazu bedarf es der Mithilfe aller Gruppen des Hauses, und ich glaube, daß wir damit die Erwartungen der Wähler am ehesten erfüllen.( Ein Nazi schreit: 30 Mandate habt ihr verloren!) Das Bolt erwartet von uns ernste Arbeit. Ich bin überzeugt, daß solche Arbeit herbeizuführen auch im Interesse Ihrer Wähler liegt, daß dazu aber auch eine unparteiische Leitung der Geschäfte erforderlich ist,

wie ich sie stets geführt habe und auch weiter üben werde. Ich bitte Sie, die unvermeidlichen Gegensätze in Formen auszutragen, die die Arbeitsfähigkeit des Hauses nicht bedrohen.( Geschrei rechts. Stöhr ruft: Die Lyrik verfängt nicht bei uns!)

-

Nach dieser Ansprache des Präsidenten, die unausgesetzt von den Hakenkreuzlern durch Gebrüll unterbrochen und gestört, von der Linten und der Mitte mit lebhaftem Beifall aufgenommen wurde,

beginnt die

Wahl des ersten Bizepräsidenten.

Der Nazi als Bize.

Das Ergebnis der Wahl des ersten Bizepräsidenten ist folgendes: Gewählt ist Abg. Stöhr( atfo3.) mit 288 Stimmen; Esser er­hält 171, Pieck 67, ungültig find 8. Stöhr nimmt die Wahl an

Als driften Vizepräsidenten schlägt Abg. Dr. Hergt( Dnat.) feinen Parteigenossen Gräf- Thüringen vor, Abg. Ditimann( Soz.) dagegen den Abg. Dr. Pfleger( Bayer. Bp.).. Abgegeben werden für Gräf 227, Dr. Pfleger 176, Pieck 66, von Kardorff( D. Bp.) 26 zersplittert 2. In der engeren Wahl wird

Gräf   mit 231 Stimmen gewählt. Pfleger erhält 200, 67 Stimmen sind ungültig. Gräf   nimmt die Wahl an.

Die Auszählung der nunmehr abgegebenen Stimmzettel für die 12 Schriftführer erfolgt auf Vorschlag des Präsidenten. nach Schluß der Sitzung; das Ergebnis wird heute bekanntgegeben

werden.

Der sozialdemokratische Antrag auf Herabsehung der Abgeord­netendiäten, des Reichspräsidentengehalts und der Ministergehälter wird auf Antrag des Abg. Effer( 3.) zusammen mit anderen ähn­lichen Anträgen einem Ausschuß überwiesen.

Schluß 19% Uhr. Heute 15 Uhr: Regierung s4 erflärung.

Kabinett Brüning von innen.

Landvolk für Mißtrauensvotum.

Die Fraktion Deutsches Landvolk erklärt, daß sie einem Mißtrauensantrag gegen die Regierung Brüning zustimmen werde. Sie fündigt eigene Mißtrauens­anträge gegen einzelne Kabinettsmitglieder an, vor allem gegen Außenminister Curtius.

Auf der Liste Deutsches Landvolk hat Reichsminister Schiele kandidiert. Er war der Führer dieser Partei im Wahlkampf. Wohl hat er sein Reichstagsmandat nieder­Abg. Dr. Frid( Natsoz.) schlägt für diese Stelle seinen Bartei gelegt- aber daß er politisch der Exponent dieser Partei ist, läßt sich nicht bestreiten. genossen Stöhr vor.

Abg. Diffmann( Soz.) erklärt, die fozialdemokratische Frattion werde nicht für Stöhr, sondern für Esser( 3.) stimmen, da die Nationalsozialisten das Recht der stärksten Partei mißachtet hätten.

Abg. Rippel( Chr.- Soz.): Gemäß unserer vorhin abgegebenen Erklärung werden wir bei dieser Wahl für den Kandidaten der

zweitstärksten Fraktion, Herrn Stöhr, stimmen..

Abg. Torgler( Komm.): Wir stimmen für Bied. Aber noch ein Wort, meine Herren Nationalsozialisten. Ihr Kandidat Scholz

Die Fraktion des Herrn Curtius ist nur durch die Drohung des Gesamtrücktritts des Kabinetts von einem Frattionsvotum gegen Curtius abgehalten worden.

Die Fraktion des Herrn Bredt hat sich von der Regie­rung losgefagt und behält sich freie hand vor. Die Fraktion des Herrn Schiele endlich wird gegen die Regierung stimmen. Das ist der innere Zustand des Kabinetts Brüning.

mar eine einzige Günde mider das Hafentrouse( Heiterkeit links Der Vorsitz in den Reichstagsausschüffe

und in der Mitte.). Die Hafenkreuzler jegen mit einem Dauer­gebrüll ein, das Torglers weitere Worte verschließt.

Löbe als Erzieher.

Mitten in den tobenden Lärm zeigt der neugewählte Präsident feine ruhigen und sicheren Dispofitionen. Mit vollendeter Liebens­würdigkeit wandte er sich an das Haus mit folgendem Vorschlag:

Ich habe Ihnen einen Borschlag zu machen, um die Wahl zu vereinfachen. Dieser Borschlag fann nur dann angenommen werden, wenn feiner von Ihnen widerspricht. Ich schlage Ihnen vor: alle Abgeordneten sollen den Saal verlassen und am Eingang den Schriftführern ihren Stimm­zettel abgeben. Da nun die Schriftführer zu sehr überlastet find, schlage ich weiter vor, daß vier weitere Schrift führer ernannt werden. Dieser Borschlag fann aber nur angenommen werden, wenn feiner aus dem Hause widerspricht." Die eben noch lärmenden Radikalinskis find durch diese ruhige Art der Geschäftsbehandlung so verlegen geworden, daß sie

Vorschläge des Meltestenrats.

Der Weltestenrat des Reichstages trat nach der Plenarsizung unter dem Vorsiz des Präsidenten Löbe   nochmals zu einer Sizung zusammen, in der über die Bestellung der Borfizenden für die einzelnen Ausschüsse verhandelt wurde. Die Parteien haben geschäftsordnungsmäßig je nach ihrer Stärke das Recht, den Vorsiz in den Ausschüssen nach deren Wichtigkeit zu be= anspruchen. Die Sozialdemokraten haben für sich den Haushaltsausschuß, den Handelspolitischen Ausschuß und den Volks­wirtschaftlichen Ausschuß in Anspruch genommen. Die National fozialisten den Auswärtigen Ausschuß und den Rechtsausschuß, die Kommunist en den Geschäftsordnungsausschuß und den Beamtenausschuß, in dem sie schon im vorigen Reichstag   den Borsiz hatten, das Zentrum den Sozialpolitischen   Ausschuß und den Ausschuß für Verkehrsfragen; endlich die Deutschnationalen den Steuerausschuß, den sie schon bisher durch den Abg. Oberfohren geleitet haben. Der Weltestenrat mird in diesem Sinne dem Plenum Borschläge machen. Die endgültige Entscheidung darüber steht dem Plenum zu.

Der Nazi- Abgeordnetenausweis.

Fab karte

für das Mitglied

des Preußischen Landtags Jimiz Lofts

Eigenhändige Unterschrift

Der bei den Nazitumulten verhaftete Landwirt Guth war im Besitz der Freifahrkarte des Abg. Lohse und gab sich als dieser aus.

BOBAL

Merkwürdig, das Lichtbild sitzt so lose!"