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Rr. 485 47. Jahrgang.

2. Beilage des Vorwärts

Kartellwucher und fein Ende.

Flaschensyndikat treibt Käufer ins Ausland und erzeugt Arbeitslosigkeit.

Uns ist ein Fall bekannt geworden, der in klassischer Weise zeigt, wie die Kartellmacht mißbraucht, mitten in der Krise das Breisniveau erhöht und zum Nutzen des Auslandes in Deutschland neue Arbeitslosigkeit erzeugt wird. Der Fall ist so drastisch, daß jeine entwidlungsmäßige Darstellung das beste Bild von den Schäden dieser Art von Kartellpolitik geben dürfte.

Dor

Bor wenigen Monaten wurde ein Flaschensyndikat ge­gründet, und in der ganzen Presse tonnte man Darstellungen über die Macht des Syndikats und die Verteilung der Quoten lesen. Ein Großverbraucher von Flaschen hatte der Gründung des Kartells, also vor wenigen Monaten, bei einer später dem Syndikat angehörenden Firma große Flaschen­lieferungen zu einem festgelegten Preise abgeschlagen. 3 wischen Abschluß und Fakturierung erfolgte die Gründung des Kartells. Die Rechnungen lauteten aber nicht mehr auf den fest gelegten Preis, sondern waren in einem Falle um genau 40 und im anderen Falle um ziemlich genau 50 Proz. höher.

Die Kartellgründung hatte also mitten in der schwersten Wirtschaftskrise zu einer vierzig- bzw. fünfzigprozentigen Preis­erhöhung geführt, obwohl die Preise der Rohmaterialien nicht unerheblich gefunken waren.

Es gibt feinen anderen Grund für dieses Vorgehen als den offenbaren Mißbrauch der durch den Zusammenschluß der Fabriken

verstärkten Lieferanten- und Kartellmacht.

Die Sache hat aber noch eine Kehrseite. Der Groß­verbraucher hat einen großen Teil seiner Bestellungen nicht ab genommen und hat sich zum Kauf der Flaschen nach Polen gewandt. Dieselben Flaschen, die das deutsche Kartell im Preise

von 19 auf 26,50 2., also um 40 Proz., heraufgesetzt hatte, wurden einschließlich Fracht und Zoll von Polen für 16,75 m. angeboten, und die Flaschen, deren Preis vom Kartell von 15,75 auf 23,25 M. also um 50 Proz., erhöht worden war, wurden einschließlich Fracht und Zoll für 10,60 m. angeboten. Die polnischen Angebotspreise lagen also noch ganz erheblich unter den Fabrikpreisen vor der Kartellgründung.

In der Eingabe, die der genannte Verbraucher an den Reichswirtschaftsrat gerichtet hat, heißt es zum Schluß: Ich wäre also durch das Syndikat gezwungen, meinen Bedarf in Flaschen, der außerordentlich groß ist, nicht mehr in Deutschland zu decken, sondern im Ausland, was unbedingt wiederum zur Benachteiligung der deutschen Arbeiterschaft führt; wiederum treibt mich der Preiswucher des Syndikats zu einem Verhalten, welches der deutschen Volkswirtschaft ungünstig ist."

Wenn die von dem Verbraucher aufgestellten Behauptungen richtig sind, so liegt hier ein fartellpolitischer Standal allererster Ordnung vor. Es ist von den Regierungs­

stellen zu verlangen, daß den Dingen sofort nachgegangen und von den gesetzlichen und verordnungsmäßigen Befugnissen der Re­gierung Gebrauch gemacht wird. Der Fall selbst beleuchtet in tlassischer Weise den Geist, der die deutschen Unter­nehmer beherrscht, wenn sie Kartellpolitik machen. Das ganze Gerede von dem volkswirtschaftlichen Nutzen der Kartelle sind Weisheiten, die nachher erfunden werden, um Angriffe gegen die Politik der Kartelle abzuwehren. Die Kartelle sind und bleiben eine Gefahr für die Volkswirtschaft. Die Schaffung eines Kartellamtes, die Einführung einer volkswirksamen Kartellkontrolle ist dringender als je. Das beweist auch dieser Fall.

Endlich Kohlenpreissenfung?

Der Reichsregierung wird vor ihrer einseitigen Lohnabbaupolitik bange.

Der Amtliche Preußische Pressedienst teilt folgendes mit:

In der Presse ist hinsichtlich der Preissenkungsaktion von einem Schritt der preußischen Regierung gegenüber der Reichsregierung Mitteilung gemacht worden. Wie der Amt­liche Preußische Pressedienst hierzu von zuständiger Seite erfährt, verhält es sich tatsächlich so, daß der mit der Leitung des Reichs= wirtschaftsministeriums betraute Staatssekretär Tren delenburg am Montag den preußischen Handelsminister Dr. Schreiber aufgesucht hat, um die preußische Unterstügung bei der Senkung der Produftionstoften, insbesondere bei der Breissenkung der Kohle, zu erreichen. lleber das gesamte Borgehen wurde in der Besprechung volles Einverständnis erzielt. Aus dieser Mitteilung ergibt sich, daß endlich auch von amt­lichen Stellen Schritte unternommen werden, um eine Sertung der Kohlenpreise, die von uns fast täglich gefordert worden ist, herbeizuführen. Es ergibt sich ferner, daß diese Schritte nicht von der preußischen Regierung ausgegangen sind, sondern von Staatssekretär Trendelenburg, also von der Reichsregie­rung. Wir haben Grund zu der Annahme, daß dieser Schritt der Reichsregierung kein zufälliger ist und mit der Zuspitzung der Ber­hältnisse im Berliner Metallarbeiterstreit in Zusammen hang steht. Im Reichskabinett hat man offenbar einzusehen be gonnen, daß es mit der bisher vertretenen Politit, Sohnsenkungen vorzunehmen und die Unternehmer erst dann zu Breissenfungen einzuladen, ebensowenig geht wie mit der beim Leynhausener Schiedsspruch verfolgten Taftit, Lohnfenfungen und Preissenkungen zugleich zu dekretieren. Man scheint zu der Er­fenntnis getommen zu sein diese Auffassung wird auch rom ,, Berliner Tageblatt" vertreten, daß es nicht gerechtfertigt ist, in jenem Falle von der Arbeiterschaft Voraus eistungen auf einen Preisabbau durch vorherige Lohnsenfung zu verlangen. Die Auffassung scheint sich durchzusetzen, daß mine destens bei den fartellierten Industrien eine Vorausleistung bei den Unternehmern durch Preissenkung zu erfolgen habe. Obwohl wir auf dem Standpunkt stehen, daß nur die Sentung der allgemeinen Lebenshaltungskosten- und das auch nur in so schweren Krisen zeiten wie jetzt Lohnveränderungen diskutierbar machen, stellen wir fest, daß die Reichsregierung ihre bisherige unhalt= bare Auffassung zu revidieren geneigt zu sein scheint. Das ist zu begrüßen.

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Der vom Staatssekretär Trendelenburg beim preußischen Handelsminister unternommene Schritt soll dahin abzielen, von Preußen die Unterstützung einer Reichsaktion zur Senkung der Kohlenpreise zu erlangen. Merkwürdig scheint der Hinweis, daß diese Unterstützung durch eine preissenkende Politik der preußischen Forstverwaltung erfolgen soll, denn einmal sind die Holz­preise schon nicht unerheblich zurückgegangen, zum anderen wird für die Zechen vielfach ausländisches Grubenholz bezogen. Endlich ist der Holzanteil an den Kosten des Bergbaus relativ gering. Preußen hat, wenn die privaten Zechenunternehmer sich einer Kohlenpreissenfung verjagen, in seinen eigenen Bechen eine sehr viel schärfere Waffe, um eine Kohlenpreisfenfung im urbestrittenen Ge­biet, auf die es zunächst aus allgemeinen Kulturgründen ankommen würde, zu erzwingen. Auch im bestrittenen Gebiet könnten durch billigere Angebote, der die privaten Bechen folgen müßten, Export vorteile für die deutsche Kohle erlangt, und damit die Voraussetzungen

geschaffen werden, den deutschen Kohlenabjah überhaupt zu er= weitern. Selbstverständlich würde es dabei zunächst ohne Erlös­verluste nicht abgehen die 7 Millionen Tonnen Haldenkohlen brächten fleinere Berluste aber in der Lage wie der heutigen bleibt kein anderer Weg.

J

Selbstmordpolitik der Zechenherren.

Die Umlage wieder erhöht.

Wie das Rheinisch Westfälische Kohlensynditat mitteilt, wird die Kohlenumlage je Tonne, mit der der Konkurrenz fampf im bestrittenen Gebiet, d. h. außerhalb des unbestrittenen 2,63 mart je Tonne festgesetzt gegen nur 2,39 im Au­Monopolgebietes in Deutschland geführt wird, im September auf im bestrittenen Absatzgebiet, die sich aus Preisunterbietungen der guft. Die Herauffeßung ist die Folge der verschlechterten Erlöse ausländischen Kohlenindustrie ergeben.

Die Erhöhung der Kohlenumlage ist ein neuer Beweis für die Selbstmordpolitik, die die Zechenherren an der Ruhr, um hohe Listenpreise für bessere Konjunkturzeiten aufrecht­zuerhalten, ohne ejgliche Rücksichinahme auf die deutschen Verbraucher und die deutsche Gesamtwirtschaft zu treiben für richtig halten. Eine bessere Ausnüzung der Zechen, eine erhebliche Kostensenkung wäre bei den heutigen Verhältnissen nur durch billigere Belieferung des Inlandes möglich, die zugleich eine Verbrauchssteigerung durch Auffüllung der Läger und auch eine Erweiterung des unbeftrittenen Gebietes zur Folge hätte. Durch zu hohe Preise bleibt der Inlands= absatz gedrosselt, man senkt die Inlandsbruttoerlöse inolgedeffen, die Ronkurrenzfähigkeit im Ausland wird erschwert, weil die Kosten nicht im gleichen Ausmaß zurückgehen, dann erhöht man wieder die Umlage und macht die Voraussetzungen noch schlechter, unter denen fich eine Preissenfung im Inland bezahlt machen würde.

In diesem ruinösen 3irtel bewegt sich die Ruhr. fohlenindustrie nun schon seit vielen Monaten. Die Berschlechterung ihrer Lage ist einzig allein die Folge dieser Selbstmordpolitik der Unternehmer, die dann in hellem Chor die Welt mit dem Rufe er­füllt, daß die hohen Löhne sie ruinieren!

Wieder Gold nach Frankreich . Kapitalflucht von der Reichsbant als Ursache bezeichnet. Gefahr neuer Diskonterhöhungen.

Wie gemeldet wird, hat die Reichsbant gestern noch einmal Gold nach Frankreich versenden müssen. Aus dem Kölner Depot wurden neue 35 Millionen Gold nach Paris gesandt. Die Reichsbank hat zu diesen Goldversendungen eine wichtige Erklärung abgegeben. Tatsache sei, daß die Entwicklung der Kapital­flucht die Reichsbank zu erheblichen Goldabgaben genötigt habe und weiter nötigen wird. Es sei auch mit größier Wahrscheinlichkeit an­zunehmen, daß die Reichsbank in kurzer Zeit neue Diskonterhöhun­gen vornehmen muß, um der Kapitalflucht entgegenzuwirken, wenn fie auch in furzer Zeit noch nicht zu Kreditrestriktionen schreiten werde. Kreditrestriktionen sei das letzte Mittel, seien die Ultima ratio. Die Reichsbank halte die Zeit noch nicht für gekommen, zu folchen letzten Maßnahmen zu schreiten.

Donnerstag, 16. Oftober 1930

1 Milliarde Ausfuhrüberschuß.

Deutschlands Außenhandel Januar/ September 1930.

Die Aktivität des deutschen Außenhandels ist nach dem jetzt vorliegenden Bericht im September weiter gestiegen. Der Ausfuhrüberschuß hat sich gegenüber dem August von 175 auf 264,6 Mill. Mark erhöht. Dieses Anwachsen des Ausfuhrüber­schusses beruht zum Teil auf einem Ansteigen der Ausfuhr selbst, die um 30,3 mill. auf 1001,1 Mill. Marf gewachsen ist, zum anderen aber auch an einer Senkung der Einfuhr, die im Berichts, monat von 795,5 auf 736,5 mill. Mark fiel.

Warengruppen

1. Lebende Tiere 2. Lebensmittel und Ge tränke. 3. Rohstoffe und halb­fertige Waren

4. Fertige Waren

Reiner Warenverkehr davon Reparations­Sachlieferungen

Einfuhr 1930 Ausfuhr 1930 September Jan.- Sept. September Jan.- Sept. in 1000 M. 87724

11 644 196 041 396 154 132 702

2321 193

7.987 35 322

4 336 758

1 398 462

736 541

8 144 137

424894

5. Gold und Silber 10573 Zusammen: 747114 8 569 131

43551 376 976

195 354 1896 182 762 888 6811741 1001 051 9 128 450

61800

541 367

107 850 130 498 1108 901 9 258 948

An der Zunahme der Ausfuhr im September find hauptsächlich die Fertig waren beteiligt, deren Auslandsabjazz gegenüber dem August um 22,3 Mill. angewachsen ist. Der Hauptanteil ent­fällt hiervon auf Tertilmaren mit einer Exportsteigerung von 10,3 Mill. Mart, während elettrotechnische Erzeugnisse eine Mehrausfuhr von 5,4 Mill. Mart, Wasserfahrzeuge von 5,6 und Pelzwaren von 3,8 Mill. Mark aufweisen. Dagegen ist der Export des allgemeinen Maschinenbaues um 7,7 Mill. Mark gesunken und um annähernd den gleichen Be­trag auch die Ausfuhr der chemischen Industrie. Neben der Fertigwarenausfuhr haben auch die Exporte von Rohstoffen und Halbfabrikaten sich um rund 10 Mill. Mark erhöht, woran Steinkohle mit 5,1 Mill. Mehrausfuhr und Ammonia f mit 3,5 Mill. Mark beteiligt sind.

Der Rückgang der Einfuhr geht vor allem zu Lasten der Rohstoffe und Halbfabrikate, die eine Mindereinfuhr von 41,1 Mill. aufweisen. Da die Rohstoffeinfuhr ein wichtiger Maß­stab für den Beschäftigungsgrad der Industrie in Deutschland ist, muß dieser weitere Rückgang der Rohstoffimporte fonjunttur= politisch ungünstig gewertet werden.

Für die ersten neuen Monate dieses Jahres ergibt sich im reinen Warenverkehr bei einer Gesamteinfuhr von 8,1 und einer Ausfuhr von 9,1 milliarden Marf ein Ausfuhrüberschuß von rund 1 milliarde Mart. Gegenüber der gleichen Zeit des vorhergehenden Jahres, wo die Handelsbilanz mit einem Ein­fuhrüberschuß von 140 mill. Mart abschloß, ist der Wert der Einfuhr um 2 milliarden und der Wert der Ausfuhr um 890 Mill. Mark gesunken.

Der Wertrückgang bei der Einfuhr wie auch bei der Ausfuhr beruht jedoch nur zum geringeren Teil auf ein Zusammenschrumpfen des deutschen Außenhandels in diesem Krisenjahr. Bielmehr ist bei der Einfuhr der Wertrüdgang zu 57 Pro3. und bei der Ausfuhr sogar zu 62 Proz. durch den Abbau der Preise bedingt. Wenn also der Einfuhrwert von Januar bis

infolge der Preissenfung doch nur um 9 Pro3. geringer gc­September 1930 gegenüber der entsprechenden Zeit des Vorjahres um 20 Proz. gesunken ist, so ist der Umfang der Einfuhr worden. Der Wert der deutschen Ausfuhr hat sich in der gleichen Zeit absolut um 9 Proz. gesenkt, jedoch bleibt der Umfang der deutschen Warenausfuhr gegenüber dem Vorjahr nur um Wirtschaftskrise für die Exportfähigkeit Deutschlands 3,4 Pro 3. zurück, was bei dem internationalen Charakter der außerordentlich viel besagen will.

Angst vor Kontrolle.

Die Reifentonzerne verdoppeln ihre Preissenfung.

rund

Der Beschluß des Gummireifen- Kartells, die Preise für Ber fonenwagenreifen ab 1. Oktober nur um 5 Proz. herabzusetzen, war. in der Deffentlichkeit auf schärfste Kritik gestoßen. Hatten doch die Reifenfabrikanten von dem Preissturz auf den Rohstoffmärften pro­fitiert, wie faum eine zweite Verarbeitungsindustrie in Deutschland . Allein im laufenden Jahr sind die Rohgummipreise um 53 Proz. und die Preise für Baumwolle, einen gleichfalls wichtigen Rohstoff, um 40 Proz. gesunken. Seit 1925 hat das Reifenkartell die Preise künstlich hochgehalten, obwohl die Rohgummipreise in den letzten Jahren auf weniger als ein Sechstel gesunken sind und Baumwolle sich um mehr als die Hälfte verbilligt hat.

Auch das Reichswirtschaftsministerium hat sich der Tatsache nicht verschließen fönnen, daß bei dieser Entwicklung der fünfprozentige Preisabbau für Personnenwagenreifen gänzlich ungenügend sei und hat eine Untersuchung über die Be­rechtigung der hohen Reifenpreise angekündigt. Die Angst vor der kontrolle hat das Reifenfartell jetzt veranlaßt, mit Wirkung vom 1. Oftober die Preise für Personenwagen nochmals um 5 Proz. herabzusehen, so daß die Preissenkung jetzt, wie bei den Reifen für Laftwagen, 10 Proz. beträgt.

Es geht also, wenn der notwendige Druck hinter die Kara telle gesetzt wird. Wir erwarten allerdings, daß das Reichswirt­fchaftsministerium die angekündigte Untersuchung der Reifenpreise jeẞt mit möglichster Beschleunigung durchführt, denn bei dem eingetretenen Preissturz auf den Rohstoffmärkten darf mit einer zehnprozentigen Preissenfung für Gummireifen das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.

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