Poltkischr RrbrrNchl.Berlin, 25. April.DaS preußische Abgeordnetenhaus nahm am Sonn-abend in erster und zweiter Berathung die Gesetzentwürfebetr. Aushebung der im GeltungsbereichedeS Rheinischen Rechts bestehenden Vor»schristen über die Ankündigung von Ge«Heimmitteln, betr. Abänderung des Gesetzesüber die Psandleihan st alten zu Kassel,Fulda und Hanau und betr. Abänderungder Gesetze über die Landes-Kreditk assezu Kassel an. Hierauf wurden Rechnungssachen undPetitionen erledigt. Eine große Anzahl Petitionen vonEisenbahnbeamten mußte von der Tagesordnung abgesetztwerden, da der Berichterstatter Abg. v. D a l l w i tz esvorgezogen hatte, durch Abwesenheit zu glänzen. An denersten drei Tagen der nächsten Woche findet keine Sitzungstatt, damit die Kommissionen Zeit zur Erledigung ihrerArbeiten haben. Am Donnerstag steht die Berathung überden Gesetzentwurf, betr. Erhöhung deS Grundkapitals derentral-Genossenschaftskasse und kleineren Vorlagen aus deragesordnung.—Der Irrwahn von der Arbeiterfrenndlichkeit derbürgerliche« Parteien soll den Arbeitern nun gründlichausgetrieben werden. Wir hoffen, daß der neueste Antragder beiden konservativen Parteien im Reichstage keinenanderen Erfolg haben wird.Die Abgeordneten v. Manteuffel und v. Kardorff habenim Reichstage einen Antrag eingebracht, den Bmidesrathzu ersuchen, die von ihm am 4. Biärz erlassenen B e-Stimmungen über den Betrieb von Bäckereienund Konditoreien nicht in Wirksamkeittreten zu lassen.—Einen Unternehmerverband gegen die Maifeiersuchen verschiedene Zeitungen zusammenzuhetzen, die imKampfe gegen die Arbeiterinteressen und für Volksunter-drückung seit langer Zeit sich bewährt haben. Am eifrigstengebehrden sich da die.Neuesten Nachrichten*, die mit der„Post* sich in die zweifelhafte Ehre thcilen, die Orakel-spräche König Stnmm'S dem Philistervolk schmackhaft zumachen. Nach einem herzinnigen Lob auf die BerlinerMaschinenfabrikanten, die, der Anregung des Herrn Kühne-mann folgend, sich zur Ablehnung der Maifeier verschworenhaben, schreibt das genannte Blatt:.Was den Arbeitgebern jetzt die stärkste Kraft des Wider-standes verleihen würde. eine allgemeine Organi-fation über das ganze Reich, ist leider bisher noch nichtzu erreichen gewesen, obschon bei Gelegenheit des Berliner Bier-krieges die Nothwendigkeit derselben anerkannt wurde. Möchtendie Gefahren, die jetzt der Industrie von der sozialdemokratischenUeberhebung erneut drohen, den Anstoß zu einer Verwirklichungdieses Gedankens geben. Es müssen unter allen Umständenmaterielle Opfer gebracht werden, wenn die Sozialdemokratie derIndustrie nicht über den Kopf wachsen soll, da der Staat seiner-seits sich leider immer noch nicht dazu aufraffen kann, ihr durchAusnahmegesetze»ine Zwangsjacke anzulegen."Die schätzbaren Stumm-Trompeter scheinen wieder ganzvergessen zu haben, daß dem Staat schon einmal, als inDeutschland noch nach Bismarck's Pfeife getanzt wurde, derVersuch mit der Zwangsjacke mißlungen ist. Aber daslernt nichts oder will nichts lernen, und wir haben jakeinen Anlaß, uns mit der Belehrung besonders abzu-mühen.—Offizierliches über das Duell. Nunmehr hat sichauch das„M ilitär-Wochenblatt" über das Duellausgesprochen, und wie das von diesem Organ desOffizierthums nicht anders zu erwarten ist, wird daS Duellfür unentbehrlich erklärt zur Bewahrung der offizierlichenEhre und Eigenschaften. Das Blatt formulirt seine Ansichtin den Worten:„Das Duell ist jetzt eins der Erziehungsmittel fürdaS deutsche Ofsizierkorps, um in ihm den Grundsatzlebendig zu erhalten, daß die Ehre höher als das Leben steht.Mögen die anderen Heere thun, was sie für richtig halten. Dasdeutsche Offizierkorps erfreut sich eines guten Rufes im In-und Auslande und hat diesen Ruf im Kriege und im Friedenbewährt. Wir find gewohnt, bewährte Methodenfestzuhalten und sie nicht wohlgemeinten, aber falschenTheorien zu opfern."DaS ist klar und unzweideutig! Man wird dasans daS„Militär- Wochenblatt" schwörende deutscheOffizierkorps oder seine Wortführer fortan nach dieserrückständigen Anschauung zu beurtheilen wiffen, nach einerrückständigen Anschauung, an der ungefähr in dernämlichen Weise festgehalten wird, wo der Pascha-Ringam Bosporus stets an seinen„bewährten Methoden" fest-hält.— Einen schwächlicheren Eindruck macht es nebendieser starrköpfigen Erklärung, wenn das Blattdann noch die Bibel zu Hilfe nimmt, um das Duell zu ver-theidigen. Ebenso naiv wie feierlich theilt die militärischeAutorität mit:„Nirgend? in der Bibel steht ein Verbotdes Zweikampfes, es wird nur indirekt auS derselbengefolgert.Wir können diese überraschende offizierliche Entdeckungdurch einige gleichwerthige ergänzen. Es steht auchnirgends in der Bibel, daß man eine Dynamitpatronenicht in den Feuerungsraum einer Dampfmaschine schieben,oder einen Nachtwächter beim Gewitter nicht an einen Blitz-ableiter binden darf. Trotzdem möchten wir jetzt zu diesenbeiden Manipulationen nicht rathen. Sintemalen das Duellein gesellschaftliches Fäulnißprodukt aus der VerfallszeitdeS Ritterthums etwa im 14. oder 15. Jahrhundert ist,konnte es wirklich noch nicht in der Bibel berücksichtigtwerden. Mit diefem Hinweis wollen wir für uns aberkeineswegs die Autorität der Bibel anerkennen. Wir würdendas Duell für Blödsinn erklären, auch wenn die sämmt-lichen Erzväter auf krumme Säbel oder Wurfspieße„los-gegangen" wären.—Frankreich. Die Schwere der allgemeinen politischenKrisis bringt es mit sich, daß auch die Ministerkrisis nichtrasch verläuft. Und da die Ministerkrisis ja nur einSymptom der Gesammtkrise ist und durch diese bestimmtwird, wollen wir uns gar nicht mit Vermuthungen überdas nächste Ministerium ergehen. Ob wir ein sogenanntesKonzentrations-Ministerium bekommen, d. h. ein Ministerium,das die bürgerlichen Parteien mit Ausschluß der Radikalenund Sozialisten umfaßt,— oder ob der sozialistisch an-gehauchte Streber Goblet, oder der ebenfalls röthlichschillernde Schauredner Briffon, oder, da Brisson alsKammerpräsident schwer zu entbehren, sein nüchterner Ge-sinnungskamcrad Sarrien dem nächsten Ministerium den Namengeben wird, das ist sehr gleichgiltig. Die Dinge sind imFluß und die Massen kommen in Bewegung in Paris.Nachdem am Donnerstag der Pariser Gemeinderath undder Generalrath des Seine- Departements(in dem Parisliegt) Beschlüsse zu gunsten der Revision und gegen denSenat gefaßt hatten, fand gestern in Paris eine imposanteVolkskundgebung statt. Man telegraphirt darüber:Paris. 25. April. Die Sozialisten halten auf gestern Abendeine große Versammlung nach dem Tivolisaale einberufen, zuwelcher etwa 15 000 Personen erschienen waren. Kaum dieHälfte konnte in den Saal gelangen und manifestirte dort inerregtester Weise gegen den Senat. Dreimal mußte die Polizeimit blanker Waffe einschreiten, um die Ordnung aufrecht zu er-halten. Es sprachen die Abgeordnelen Pelletan, Jaurös, Vaillant,Rouanet, Gerault-Richard und Fournier, die sämmtlich fürSlraßendemonstrationen eintraten. Schließlich wurde eineResolution angenommen, welche die Haltung des Senats brand-markt. Nach Beendigung der Versammlung zogen etwa 3000 Per-sonen manisestirend durch die Slraben. Auf dem BoulevardMontmartre trat die Polizei so energisch auf, daß sich die Mengezerstreute.Heber die Versammlung erfahren wir noch, daß Goblet,der Schlaumeier, durch Abwesenheit glänzte und daß dieStimmung eine sehr erregte war. Jaures forderte inflammender Rede zum Schwur auf die sozialeRepublik auf und in stürmischer Begeisterung ward derSchwur geleistet.Auf der Straße soll eS zu heftigen Zusammenstößengekommen sein— jedoch ohne daß Polizei und Militär dieWaffe gebrauchte. Mehreren Abgeordneten, die mit derSchärpe vor der Menge her marschirten, wurden die Röckezerrissen. Wenn reaktionäre Blätter sich lustig machen, daß„das Volk" keine Barrikaden gebaut hat, so ist das rechtalbern. Die Revolutionen in Frankreich fingen stets mitharmlos scheinenden Kundgebungen an— und giebt esnicht auch Revolutionen ohne Barrikaden?Heute Nachmittag wird telegraphirt:Die sozialistischen und die äußersten radikalen Blätter führenheute eine überaus heftige Sprache. Der„Rappel" schreibt, dasSignal fei gegeben, wenn die Reaktionären Trotz bieten sollten,so würde der Fnnke, der gestern Abend aus dem Pariser Straßen-pflaster aufsprühte, bald zum Brande werden. Von mehrerenSeiten wird berichtet, daß Mölme selbst dem Präsidenten Faurevorgeschlagen habe, zunächst noch«inen Versuch mit einemradikalen Kabinet zu machen, da die Radikalen behaupten, in derDeputirtenkammer die Mehrheit zu besitzen.—In Belgien haben— wie den Lesern bekannt— dieBürgerlich-Radikalen mit den Sozialisten ein Wahl-b ü n d n i ß für die bevorstehenden Kammerwahlen ge-schlössen. Jetzt hat man sich nun über das gemeinsameWahlprogramm geeinigt. Es enthält außer den allgemeinendemokratischen Forderungen(allgemeines gleiches direktesStimmrecht vom 22. Jahre an und Wahlgeheimniß, Ab-schaffung des stehenden Heeres:c.): die Verstaatlichungder Bergwerke, Eisenbahnen, Fabrikanlagen und Land-wirthschaft, die Speisung und Kleidung aller unbemitteltenSchulkinder. Ferner Bekämpfung jeglicher Kolonialpolitik.Die Bürgerlich-Radikalen haben sich durch Annahme diesesProgramms thatsächlich auf den Boden des Sozialismusgestellt, obgleich das Wort nicht ausgesprochen ist. DieseLinksschwenkung des ehrlich- demokratischen Bürgerthumsliegt in der Natur der Verhältnisse. Ter Sozialismus ist nurdie letzte Konsequenz der Demokratie— oder vielleicht richtiger:er ist konsequente Demokratie, und jeder konsequente Demokratmuß folgerichtig zum Sozialismus gelangen. Zu dieserKonsequenz gehört aber die Loslösung von den Anschauungenund Interessen der bürgerlichen Gesellschaft, die mit derEntwicklung des Kapitalismus mehr und mehr inGegensatz zu den demokratischen Prinzipien tritt.Freilich unter den Wortführern des Bürgerthums wirddie Zahl derer, denen die Konsequenz mehr giltals das Interesse, weit überwogen von der Zahl derer, diedas Interesse über die Konsequenz setzen. Und hat auchder Führer der belgischen Radikalen, Rechtsanwalt Janson,für seine Person die Konsequenz gehabt, formell sich zumSozialismus zu bekennen, so dürfte die Zahl derer, diemit ihm gehen, eine ziemlich geringe sein.—Präsident Krüger geht nicht nach England. SirH. Robinson, der Gouverneur des Kaplandes, hat die Ant-wort des Präsidenten Krüger auf die Einladung Chamber-lain's, nach England zu kommen, erhalten und nach Englandgekabelt. Krüger sagt in seiner Antwort, er könne jetztnicht nach England reisen, weil der Volksraad seine An-Wesenheit im Lande verlange. Das war zu erwarten. Tieewigen Hetzen der englischen Jingo- Presse und die Takt-losigkciten des Herrn Chamberlain werden das ihrige dazubeigetragen haben, um die Reise zu hintertreiben.—Deutsches Reich.— Die vierten Bataillone. Der„Köln. Ztg."zufolge find die Vorarbeiten wegen Vervollständigung der viertenBataillone im Kriegsministeriuni soweit gediehen, daß der Gesetz-entwurf schon in Kürze, voraussichtlich noch vor Pfingsten demReichstage zugehl. Die Mehrkosten sollen angeblich keinennennenswerthen Uinfang annehmen, sodaß auf eine glatte Er-ledigung der Vorlage gerechnet werden dürste.— Abwarten!—— Fällt der Hänge-Peters, soll der Kolonial-K a y s e r mitsallen, scheint der Silber-Arendt zu denken und des-halb zieht er von neuem gegen den Direktor im Kolonialainr los.Er berichtet, Herr Dr. Kayser habe ihn, den AbgeordnelenArendt, als Mittelsperson benutzt, um mit Dr. Peters über dessenweitere Verwendung im Kolonialdienst zu unterhandeln. Daß derChef der Kolonialablheilung sich für Herrn Peters in eifrigsterWeise bemüht hat, wird ihm allerdings schwerlich zum Gutenausschlagen.—— Erweiterung der EtaatZdiener-Eigen-s ch a f t im Königreich Sachsen. Mit dem 1. Januar 1696 habensämmtliche Mitglieder der Unter st ützungskasse derkönigl. sächsischen Staats- Eisenbahnen dieStaatsdiener-Ei genschaft erhalten. Von einschneidenderBedeutung ist hierbei ein von diesen B e a m t e n der Staats-Eisenbahnen längst sehnlichst erwarteter Beschluß des königl.Finanzministeriums: daß die Staats-Eisenbahn-Beamten bei ihrerPensionirung diejenige Zeit. während der sie als ver-pflichtete ständige Arbeiter(Expeditions-Hilssarbeiter,Hilssweichensteller, Hilssfeuerleute, Bremser je.) bei der Staats-eisenbahn-Verwalinng beschäftigt gewesen sind, im Sinne der Bc-ftimmung§ 44 Abs. I des Gesetzes vom 3. Juni 1876 mit derMaßgabe in Anrechnung gebracht werden kann, daß die pensions-fähige Dienstzeit des belreffenden Beamten nicht vor das vollendete25. Lebensjahr zurückgehen darf.—— Zum ambulantenGerichtsstand derPresse.Die in der Nr. 96 d. Bl. gebrachte Notiz betreffs der in Magde-bürg erhobenen Anklage gegen den in Berlin wohnhaften Revak-teur der„Neuen Welt" gewinnt noch ein besonderes Interessedadurch, daß der Redakteur Kokosky seit längerer Zeit erkranktist und im hiesigen städtischen Krankenhaus Friednchsbaiu sicheiner Operation unterziehen mußte. Auf dorthin von Magde-bürg gerichtele Requisition antwortete der Direktor der Anstalt,Geh. Rath Professor Dr. Hahn, daß noch nicht abzusehen sei,wann Kokosky einen Termin werde wahrnehmen können.—— Betreffs deS Achtuhr- Ladenschlussesschreibt der„Krenz-Ztg." ein Kolonialwaarenhändler:Die zum Schutz- der Angestellten in Ladengeschäften seitensder Koiiimission für Arbeiterstatistik gemachten Vorschläge habenin der Presse mehrfachen, indeß wenig begründetenWiderspruch gefunden. Gerade die Forderung des Achluhr-Ladenschlusses ist die berechligste. Sollen denn allein die Geschäfts-Inhaber und Aiigestelllen keinen Feierabend, nicht die nöthigeNachtruhe haben? Viele Geschäftsleute sind heute von frühmorgens bis in die Nacht hinein zur Bedienung deS Publikumsthätig. Mancher Ladenbesitzer möchte feinet- und des Personalswegen früher schließen, aber als einzelner Geschäftsmann kanner dies der Konlurrenz wegen nicht. DaS gehl nur durchsGesetz....Die geringe Zahl der Käufer, welche bisher ihr«Einkäufe nicht vor 8 Uhr abends besorgten,würde sich schon bald daran gewöhnen.Es ist behauptet worden, der Achtuhr-Ladenschluß eigne sichwohl für größere Geschäfte, nicht aber für kleine, und sei be-sonders auf dem Lande unausführbar. Das ist eine irrigeAnsicht. Schreiber dieses steht seit über 20 Jahren mitten imGeschäftSlebe», kennt kleine und große Läden in Stadl und Land,hat mit verschiedenen Geschäftsleuten, auch mit solchen, die ohnePersonal nur mit eigenen Familienangehörigen arbeilen, dieSache besprochen und bestätigt gefunden, daßder Feierabend für alle Geschäfte begehre nZ-werth und durchführbar ist. doch muß dasGesetz den Ladenschluß gebieten. Ein Bedürsniß,nach 8 Uhr abends aus dem Kolonialwaaren- oder Metzger-laden noch Lebensmittel zu holen, ist thatsächlichnicht vorhanden, da man anderen TageS schon frühzeitigwieder einkaufen kann. Wer Zigarren oder sonstige Dinge kaufenwill, wird sich darauf einrichten, die« vor Ladenschluß zu thun.Bei der Post bekommt man auch nach 3 Uhr keine Freimarken.Es wäre für unser ganzes Volksleben ein wirthschafrlicher Vor-lheil, wenn das Sprichwort„Morgenstunde hat Gold im Munde"wieder mehr Beachtung fände.Erforderlich ist es, Punkt 4 der KommisstonSvorschläge, daßein erweiterter Verkauf bis 10 Uhr abends vor Feiertagen, abernur an höchstens 16 Tagen im Jahre stattfinden dürfe, dahin ab»zuändern, daß dies an jedem Vorabend eines Sonn- oder Feier-tages gestattet wird.Breslau, 25. April.(Privatdepesche deS„Vorwärts".)Die Stadtverordneten beschlossen in ihrer geheimen Sitzung100 000 M. für Ausschmückung der Straßen anläßlich einesbevorstehenden Kaiserbesuches zu bewilligen. Ueber die Frage.wer das Frühstück, das dem Kaiser geboten werden soll, servirt,herrscht ein heiterer Weltstreit. Städtische Behörden und Land-stände lümpfen um diesen Vorzug.Stettin. Hier fand am 22. April im Börsensaale eineP r o t e st v e r s a m in l u n g gegen den von der Reichskoniniissionfür Arbeiterstatistil gefaßten Beschluß über den A ch l u h r-Schluß der Ladengeschäfte statt. Die Verhandlungen.die wir dem„Volksboien" entnehmen, lieferten ein wahrhaftklassisches Bild von der überaus beschränkten Intelligenz derLadeninteressenten. Wes Geistes Kinder die Versammelten waren,geht schon daraus hervor, daß der Vorsitzende, Kaufniann Zimincr-mann erklärte, er werde Freund« des Achtuhr-Schlusses nicht zu Worte kommen lassen. Weiter fandder Herr in dem Zwang, um 8 Uhr zu schließen, einen Eingriffin die persönliche Freiheit und ein- Beschränluna imErwerbe. Es entspreche nicht dem Humanitätsprinzip, daß hierSonntags während der Geschüstszeit die Thür«» geschloffen seinmüssen.(!) Die Angestellten, die jetzt nach Geschästsschluß zurRuhe gingen, würden in der ihnen nach dem Beschluß zu-fallenden freien Zeit in die Restaurants gehen. Aehnlichsprach sich Herr Kaufmann Paul Krause aus; er meinre,der frühere Geschästsschluß berge für die jungen Mädchenmoralische Gefahren. Auch gegen die Borschläg«, denjungen Mädchen im Geschäft Sitzgelegenheit zu ver-schaffen, wandte sich Redner; wer das Stehen nichtvertragen könne, solle nicht in ein Detailgeschäft gehen.Kaufmann Kreckow meinte, nach Einführung der kürzeren Arbeits-zeit würden viele junge Leute aus die Straße gesetzt werden.Noch einige Redner, darunter auch Herr Graßmann, sprachengegen de» frühen Geschäflsschluß. Dafür zu sprechen hatte nurein Herr Woliczek den Mnlh. Derselbe meinte, die beabsichtigteBesairänknug der Geschäftsstunden habe doch wohl eine zu großeAngstmeierei unter den Beiheiliglen hervorgerufen. Wen» derKominissionSbeschluß zum Gesetz erhoben würde, dann würdenalle Kanfleule gleichgestellt sein, also keiner hätte dann etwasvor dem anderen voraus. Die Entrüstung gegen denGesetzvorschlag würde sich legen, ebenso wie es bei derEinführung der Sonnlagsruhe geschehen sei. Durchdas späte Offenhalten des Geschäftes mache man es dem jungenManne unmöglich, für seine Foribildung etivaZ zu thun underziehe dadurch ein ungebildeies Proletariat. Das taufendePublikum, besonders die Hausfrau würde sich scdon darangewöhnen, den Bedarf rechtzeitig zu decken. Der Verkehr werdesich eben anders cntivickeln. die Auszahlung des Arbeiislohneswürde z. B. schon am Freiiag stattfinden müssen. Nachtheilwürde niemand von der Einrichtung haben, jeder würde dasbehalten, was er so lauge gehabt hatte. Schließlich wurde eineResolution angenommen, wonach sich die Versammlunggegen den geplanten frühe» Schluß der Ge«> ch'ä s t e ausspricht.— Die Wettin er reine Slaven. Nach dem Swatsoll der aus dem Wetrinerhause stammende Ferdinand Fürstvon Bulgarien und Herzog von Sachsen-Koburg�Gotba in eineram 11. Februar in Sofia gehaltenen Rede gesagt Häven:„Ich habe mich in meinen Anschauungen niemals geändert.Um diese meine seelische Stimmung zu begreifen, muß man desseneingedenk sein, daß ich väterlicherseils der sächsischen Dynastie derWettiner angehöre, die aus rein slavischer Wurzel eiilsprossen ist.Schon als ich noch Knabe war. sprach mau zu mir:„Du bist einSlave"; dies hat sich in meiner Seele festgesetzt, und stets binich dem Leben der slavischen Welt und allen Peripetien de)Kampfes der Slaven um ihre Befreiung inil der größten Sympathiegefolgt."Was sagt man in Dresden dazu?Leipzig, 23. April.(Der„Zaberner Anzeiger' unddas Daiiioklesscbivert des französischen Preß«g«setz es.) Im Rcichslande gilt bekanntlich noch immer dasfranzösische Preßgesetz, welches im Jahre l852 nach dem Staats-streiche Napoleon's eingeführt wurde. Das organische Dekretüber die Presse bestimmt in den Artikeln 3, 4 und 5, dnß derEigenthümer einer Zeitung, welche politische over volksivirthschaft-liche Gegenstände behandelt eine Kaulion bei der Staalskaffe zu hinter-legen hat, welche sich nach der Große des Verbreitungsbezirks richtet.Herausgeber von Zeitungen, welche eine Kantion nicht hinterlegt,haben und doch derartige Gegenstände behandeln, sollen mit Geld-oder Gefälignißstrafen belegt werden und nach Artikel 5 soll dasBlatt unterdrückl werden(„csssera de paraltre"). Der Herausgeber des„Zaberner Anzeigers"(eines Blattes, welches nochunter drei auoeren Titelköpsen erscheint), der BuchdruckereibesitzerHermann Wiebicke in Zabern wurde nun. wie wir derzeitiiiitgetheilt haben, am 1. Juni v. I. vom dortige» Landgerichtewegen Vergehens gegen jene Bestiinmungeu in achtFällen zu 320 Di. Geldstrafe verurtheilt. von derweiter erhobenen Anklage jedoch freigesprochen. Bemerktwerden mag hier, daß die Kaution, welche Herr Wiebickebinterlegen müble, wenn er politische und volkSwirthschastlicheGegensiände unbehelligl in seinem Blatte behandeln will,24 000 Di. betragen würde. Die Revision des Angeklagten gegen