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zur Berwertung übergab mit dem Bemerfen, er fonne damit machen, was er molle. Es handelt sich um solche von höherem Wert."

( Die Nazis appellieren schreiend an die Regierung, ob das zur Debatte gehöre und mas die Regierung zu folchen Eideshelfern fage. Zu den Sozialdemokraten schreien sie hinüber: Was habt Ihr denn von Barmat, Sflaret und den Juden bekommen? Andauernder Lärm.)

Nach dem Zeugnis des Geh. Kommerzientats Auft und des Syn­difus des Bayerischen   Industriellenverbandes Dr. Suhlo hat die Großindustrie Gelder gespendet( Nazirufe: Schluß! Schluß!). meil die Nationalsozialisten die einzigen Leute feien und Hiller bet einzige Mann sei, um die Arbeiter aus den Klauen des Marrismus zu reiten.

In dem Augenblic, in dem die Nationalsozialisten nicht mehr diese Aufgabe erfüllen, werden sie zum alten Eisen von der Grozindustrie geworfen werden. Wenn Sie wirklich eine Arbeiterpartei wären, dann hätten Sie es nicht an dem primitivsten Gefühl der Solidarität gegenüber der gesamten Arbeiterschaft fehlen lassen.

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Am 1. Mai 1923 haben Nafionalsozialisten zusammen mit auderen Verbänden Waffen aus den Reichswehrfasernen geholt, im die Münchener   Arbeiter in den Straßen wie tolle hunde usammenzuschießen.( Höri, hört! links. Schluß! Schluß! rechis.) Um 9. november 1923 haben die Nationalsozialisten im Münchener   Rathaus in Ehren ergraute Sozialdemokraten verhaftet, um sie in den Wald zu führen und dort erschießen zu laffen.

( hört, hört! fints.) Straßer hat gestern Abschen gegen Bürgerkrieg und Klassenbeß geäußert. Aber am Anfang der nationalsozialisti schen Bewegung steht die Tat von 1923. Für Ihre politischen tittel in den letzten Monaten ist die Drucksache Nr. 87 ein sprechen­der Beweis, worin gegen 23 Abgeordnete dieser Fraktion in über 100 Strafverfahren wegen Beleidigung und Pressenergehen die Auf hebung der Immunität verlangt wird.( Die durch Dauerkramall der Nazis so start eingeschränkte Redezeit ist abgelaufen!)- Hitler bat in einem Gespräch mit Otto Straßer   einmal gesagt, die deutschen  Arbeiter hätten nur Brot und Spiele im Kopf, fie müßten deshalb durch eine Herrenschicht befferer Rasse rücksichtslos beherrscht

werden.

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Die deutsche Arbeiterschaft ist kein verludertes und verlofterfes Cumpenproletariat wie das der römischen Kaiserzeit. Die deutsche Arbeiterschaft ist wohlorganisiert und diszipliniert, und wir werden feinen Augenblid zögern, das Schwergewicht diefer Organisation, wenn es notwendig ist, gegen den drohenden

deutschen   Faschismus in die Waagidhale zu werfen! ( Stürmischer, langanhaltender Beifall und Händellatschen der Soz. Großer Lärm und andauernde Pfuirufe der Nazis.)

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Abg. Schmidt- Hannover( Dnat.) ruft große Lärmszenen her nor, als er in herausfordernder Weise dem Abg. Dr. Hoegner_uner­hörte Berunglimpfung solch großer Männer wie Hitler   und Helffe­rich norwirft.( Vizepräsident Effer mahnt ihn unter dem Gebrüll der azis zur Mäßigung.) Wegen Beleidigung der Berfassung

erhält er einen Ordnungsruf. Scharf tabelt er Groener, Schleicher|( Lärm und Widerspruch rechts.) Sie, Herr von Oldenburg  , haben und Treviranus.

Abg. Graf zu Reventlow( Natioz.) behauptet, daß die Sozial­demokratie der Friedensgesellschaft recht nahe stehe und ihre Politik durch das Zeugnis Dr. Kurt Hillers gekennzeichnet merde, der im Brozeß Friedensgesellschaft gegen Rote Fabne beeibet hat, Regie­rungsgelder aus Frankreich  , Polen   und der Tschechosloppatei seien einer Abteilung der Friedensgesellschaft zur Förderung der Kriegs­fchuldlüge zugefloffen. Er beschimpft den Abg. Dr. Spegner und wird dafür zur Ordnung gerufen. Die Revisionsforderung ber Sozialdemokraten ist nicht ernst zu nehmen; menn fie gegen den Young- Plan auftreten, würden noch ganz andere Dinge non Franf reich an den Tag gebracht werden.( Leidenschaftlicher Brotest der S03 Auf die Frage des Bizepräsidenten, ob er ein Mitglied des Hauses mit seinen Andeutungen meine, antwortet Reventlom, das Stürmische Schluß­tönne er im Augenblick nicht fontrollieren. rufe lints.

im Krieg gedrückt. Abg. Peters[ S03.]: Sie Feigling. Sie haben sich

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Ordnungsruf, ebenso für den Redner, der es im ganzen auf drei Ordnungsrufe bringt.) Schließlich versöhnt Reventlow die Linte, die er durch seine dunklen Andeutungen sehr gereizt hatte, als er die jüdischen Feiertage mit dem Goldabfluß aus Deutschland   in Zusammenhang bringt.

Abg. Frau Reese( Komm.) hält unter vollkommen überflüssigem Stimmaufwand eine Droh- und Racherede gegen Kapitalismus  , Sozial- und gemeinem Faschismus, gegen Geppertshaftsbonzen usw. Sie bringt einen Mißtrauensantrag gegen den Reichsarbeitsminister ein und verliest unter großer Heiterkeit der Linken aus dem Böl­fischen Beobachter" das Beileidstelegramm der NSDAP  . an die englische   Young- Regierung zum Luftschiffunglüc.

Abg. Dr. Brauns( 3.) meist die Angriffe Reventlows auf die Kirche zurück und spricht gegen die Anträge auf Nichtverbindlichkeits­erklärung des Berliner   Schiedsspruchs, weil diese Anträge die volle Unabhängigkeit der Schlichtungsinstanzen bedrohten. Dadurch würde den Vorwürfen der Feinde des Schlichtungswesens Recht gegeben. Auch der Arbeitsminister muß als oberster Schlichter vollkommen un­abhängig bleiben. Damit waren bisher auch die Sozialdemokraten einverstanden, und das liegt auch im Interesse der Arbeiterschaft. ( Abg. Aufhäuser( Soz.): Die Regierung übernimmt doch die Berant­wortung für die Preisentwicklung!) Stellen Sie doch einen Miß trauensvotum gegen den Arbeitsminister, aber Sie können nicht in seine Amtsführung eingreifen. Abg. Stubbendorf( Dnat.) spricht über die Notlage der Land­wirtschaft.

Der Januschauer ist wieder da.

Abg. v. Oldenburg  ( Dnat.) dantt Schiele und Brüning für die Ansätze zur Linderung der Agrarnot. Diese Versuche bleiben aber wirkungslos, solange die preußische Regierung politisch im Gegenja Bertrauen der oftpreußischen Landwirtschaft, weil durch fie alle Hilfs zur Reichsregierung steht. Die Preußenregierung befizt nicht das Bertrauen der ostpreußischen Landwirtschaft, weil durch sie alle Hilfs maßnahmen politisiert werden. Der Redner beklagt dann den Leip ziger Reichswehrprozeß vom Standpunkt des nationalen Wehr­willens" und bedauert, daß er nicht mehr so ehrliche Gegner wie den alten Bebel habe.( Hört, hört! fints. Beifallsgebrüll der Natio­nalsozialisten. Sugen berg gratuliert dem Redner. - Die Nazi rufen: Deutschland   erwache!", die Kommunisten: ,, Hitler   verrecke!" -Ordnungsrufe des Präsidenten.)

Der Metallarbeiterstreif.

Abg. Brandes( Goz.):

Nach den Berechnungen des Konjunkturforschungsinstituts be frägt ber Rauftraftausfall mindestens eine Milliarde. Dazu tommt noch die Lohnfürzung durch Kurzarbeit. Jede meitere Schmähung ber Maffenfauftraft verstärkt nur die Krise, um fo mehr, als die längst mögliche und notwendige

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Preisfenfung noch nicht zu bemerten

ist. Dennoch will das deutsche Unternehmerhum und gewisse Be härbenstellen bas einzige Mittel zur Besserung der Wirtschaftslage erblicken. Die Berschlechterung der Arbeitslojenversicherung foll nur diesen Lohnbrud begünstigen. Sie verlangen amerikanische Arbeits leistungen von den Ärbeitern, wollen aber nichts von amerikanischen  Unternehmerleistungen missen. Der Redner meist auf die Lohn erhöhung in den Berliner   Ford- Betrieben hin, deren Löhne abnedies schon fast doppelt so hoch mie die durchschnittlichen Metallarbeiter. löhne find.

Das Lohnabbauftreben der Unternehmer hof der Sonderschlichter für die Berliner   Metallindustrie unterstüht; in feinem Schieds fpruch fieht die gauze deutsche Sozialreaktion den Anfang zum allgemeinen Lohnabbau

Geschieht das, dann sinft die Gesamtlohnfumme mm Millionen, dem entsprechend sinkt der Absatz der Massengüter, ihre Erzeugung wird eingeschränkt, die Arbeitslosigkeit steigt aufs neue und die schwersten sozialen und politischen Erschütterungen müssen die Folge sein. Darum fann dieser Schiedsspruch nicht für verbindlich erklärt werden. ( Sehr wahr! links.) Herr Brauns führt die Unabhängigkeit des Schlichtungswesens ins Feld. Aber hat denn nicht das Regierungs­programm den Schlichtern die Parole gegeben, die Löhne zu redu zieren? Nicht wir haben also die Selbständigkeit der Schlichter an­gegriffen, sondern die Regierung hat das getan. Mit Ausnahme des großen Kampfes in der Nordwestgruppe haben die Gewerkschaften den Reichstag nicht in Anspruch genommen, sie führen ihre Stämpfe felbft, aber

bei der ungeheuten Bedeutung des vorliegenden Falles nehmen wir ausnahmsweise den Reichstag   in Anspruch. ( Sehr wahr! links.) Man darf nicht verkennen, daß der Streit der 130 000 Berliner   Metallarbeiter nicht, wie die Bergwertszeitung" als Unternehmerorgan behauptet, die Regierung unter Drud jezen soll, sondern ein Warnungssignal für die ungeheure Erbitterung dieser höchst qualifizierten Arbeiter ist, die sich gezwungen sehen, gegen die Bedrohung ihres Lebensstandes zum schärfsten Kampf­mittel, dem Streit, zu greifen. Wir haben alle Möglichkeiten zur Bermeidung des Rampfes erschöpft. Aber

die Arbeiterschaft fann nicht zulaffen, daß man sie in dieser Arisenzeit und bei der großen Belastung der Gewerkschaften für widerstandsunfähig hält und ihr derartige Jumufungen macht. ( Lebhafte Zustimmung links.) zu der starten Berschlechterung der jozialen Lage der Arbeiter in der legten Zeit sind noch die Bersuche mit den raffiniertesten Mitteln gekommen, die Arbeitsleistung auf das höchste zu steigern. Gerade in den Ländern, gegen deren In dustrie die unfrige den heftigsten Konkurrenzfampf zu führen hat, find die Löhne bedeutend höher als bei uns; in Schweden   und Däne mart 1,84 bis 2,20, in England 2,50 bis 3 Mart die Stunde, die in Amerita noch erheblich höher, dagegen ist der Tariflohn der Ber liner Metallarbeiter 1,12 Mart. Und da mill man noch abbauen! Bei den Berhandlungen im Juli d. 3. hat der Syndifus des BBMI. ausdrücklió erflärt, daß man gar nicht daran dente, die ungünstige Wirtschaftslage zur Lohnherabjegung auszunuzen. Erst nach der Reichstagswahl und nach der Zariffündigung wurde der 15prozentige Lohnabbau gefordert und sogar noch als cester Schrift bezeichnet.

Doch war man noch bereit, die ganze Sache bis ins nächste Jahr zu vertagen. Ganz plöglich und überraschend fam der Umschwung. Die Unternehmer haben in den Berhandlungen behauptet, die Ren tabilität ihrer Betriebe tönne nur durch Lohnabbau hergestellt werden. Das aber findet in den Tatsachen teine Stühe. Die Maschinenbau  - und Elektroindustrie hat troß der Krise ihren Erport| aufrechterhalten fönnen, was den Hauptkonkurrenzländern England und Amerika   nicht gelungen ist. Die Berliner   Maschinenbauindustrie hat in den letzten beiden Jahren eine Erportfteigerung um faft 40

Brozent aufzumeijen, die auch im laufenden Jahr oufrechterhalten blieb. Ebenso die Berliner   Elektroindustrie, die zu den rentabelsten deutschen   Industriezweigen gehört. Hier sind etwa zwei Drittel der Berliner   Metallarbeiter beschäftigt.

Die produffion iff von 1925 bis 1929 non 2,4 auf 3,44 Mil­liarden Mart gestiegen, die Urbeiterzahl aber durchaus gleich geblieben, und in den Großbetrieben jogar herabgefekt worden. Im Maschinenbau   ist die Produktion um 50 Broz gestiegen, die Arbeiterzahl um 30 Prog. zurüdgegangen. Dabei sind die Robstaji pretje start vermindert worden. Es wäre also eine Preisjentung ohne Lohnfentung durchaus möglich, über ihre Rotmenbigteit ist ja gar nicht mehr zu sprechen. Die Eisenpreisfenfung ist allerdings noch viel zu niedrig. Nicht kurzfichtiger Lohnabbau ist der Weg zur Befferung, fondern ernste Maßnahmen, die man freilich nicht bloß anfündigt, sondern durchführt, um ber meiterverarbeitenden Industrie mefentliche Erleichterung zu schaffen.

Die Herablegung des Ruhrfohlenpreises peranlaßt mich, den Reichsarbeitsminister zu fragen, ob etma der Berliner   Schiedsspruch das Vorspiel zu einer Herabfejzung der Bergarbeiterlöhne sein soll. ( hört! Hört! fints.)

Nicht eine Wiedereinschaltung Arbeitsloser in den Produktions­prozeß. sondern das Gegenfeil muß infolge cines Cohnabbaus eintreten.

Die Arbeiterschaft hat sich bereit erklärt, zur Senfung der Arbeits­zeit Opfer zu bringen.( Widerspruch der Romm.) Dadurch allein fann die Arbeitslofigteit verringert werden. Berhindern Sie, daß das Gegenteil geschicht, daß durch Lohnabbau die Arbeitslosigkeit noch vergrößert wird und stimmen Sie unserem Antrag zu( Leb. hafer Beifall links.)

Abg. Florin( Komm.): Es fennzeichnet die Nationalsozialisten, daß fie der Rede des vielfachen Millionärs von Oldenburg   Beifall geflatscht haben, der hier bedauerte, daß wir feinen Kaiser und König mehr haben. Gegen den internationalen tapitalistischen Tributvertrag des Young- Plans fann mir die kommunistische Inter­nationale den Befreiungskampf führen.( Händellatschen der Komm.) Reichskanzler Brüning  :

Die Regierung hat nicht die Absicht, noch einmal in die De Reden, sondern nur auf Taten ankommt. Ich gehe daher nur batte einzugreifen, weil es in der jetzigen Situation nicht auf auf die Ausführung des verehrten Abg. non Oldenburg  ein, weil er den Namen und die Autorität des Herrn Reichs präsidenten in die Debatte gezogen hat, was für die Praxis dieses Hauses ein ungewöhnlicher Borgang ist. Herr von

Oldenburg   hat versucht, eine Differenzierung zwischen der Hal­fung des Reichspräsidenten   und des von ihm ernannten Reichs­wehrminifters zu fonffruieren.

Der Reichswehrminister ist leider infolge dienstlicher Verpflichtungen nicht in der Lage, selbst die Antwort auf Herrn von Oldenburgs Ausführungen zu geben. Er wird das aber so bad mie möglich nachholen. Ich habe von Herrn von Didenburg etwas ganz anderes erwartet, nämlich, daß er die Morte feines Graffionsfreundes Schmidt Hannover auf das entschiedenste zurüdmeiſen mürde. Sie sind nicht der einzige, Herr von Oldenburg  , der unter dem Kommando des Reichspräsidenten gestanden hat.

Ich fann mich aber nicht entfinnen, jemals von einem sozial­demokratischen Abgeordneten eine solche dirette Berhöhnung des Fahneneides gehört zu haben, wie von dem Abg. Schmidt. ( Großer eBifall links und in der Mitte. Gebrüll der Nazis, der Deutschnationalen   und der Kommunisten.) Ich hätte mich gefreut, wenn Sie die wahren Traditonen des alten Preußenheeres ver teidigt hätten, wie Sie selbst sagten, Disziplin und Gehorsam. Die Reichsregierung hat auf das nachdrücklichste erklärt, daß fie alles tun wird, um die Behrfähigkeit des deutschen   Boltes zu stärfen. ( Brüllendes Gelächter der Nazis.) Und wenn irgend jemand etwas für die Stärkung der Wehrfähigkeit getan hat, jo ift es nach Herrn von Seedt der Reichswehrminiffer Groener gemejen.

mit ihren Ausführungen, wie ich annehme, mider Ihren Willen, den mahren Traditionen des Preußenheres den allerſtärksten Ab bruch getan.( Langanhaltender Beifall links und in der Mitte. Bfuigebrüll der Nazis. Zuruf des Abg. Torgler( Komm.): Kein Mort über den Metallarheiterstreif.)

Präsident Löbe unterbricht die Sigung auf 5 Minuten, damit das sehr erregte und bemegte Plenum fich soweit beruhige, daß die Berhandlung fortgesetzt werden fann.

Abg. Baufd)( Chr.- Soz.) spricht für Sozialpolitik und Ron­feffionsfrieden.

Abg. Drewitz( Wp.) nerliest eine Erflärung, daß die Wirtschafts­partei trotz aller Bedenten usm. Die Mißtrauensanträge ablehne, ehne damit der Regierung ein Vertrauenspotum zu erteilen. Damit schließt die Beratung. Es folgen

Persönliche Bemerkungen.

Abg. Graf Reventlom( Rat. Goz.) bestreitet gegenüber Dr. Brauns, die katholische Kirche   angegriffen zu haben; geschädigt habe sie der Bischof von Mainz   durch seine Maßnahmen gegen die Nazis. Unter stürmischer Heiterfeit erklärt er zum Schluß, er habe diese persönliche Bemerkung schriftlich niedergelegt im Gedenten des heiligen Ambrofius, der das Wort gesprochen hat: ,, Serr, be­wahre uns vor den Dialektikern.

Abg. v. Oldenburg  ( Dnat.): Ich stelle fest, daß die Rede des Herrn Reichskanzlers Beifall gefunden hat bei den bewährten Hütern der deutschen   Tradition, Kommunisten und Sozialdemokraten.( 2är­mender Beifall rechts.)

Präsident Cöbe stellt fest, daß diese Bemerkung nicht persönlich mar, und daß übrigens auch kein Kommunist dem Reichskanzler applaudiert hat.

Abg. Schmidt- Hannover( Dnat.) behauptet, der Reichsfanzler habe ihn beleidigt und zu unrecht beschuldigt und verlangt auf Grund des Stenogramms, daß der Reichskanzler seine Worte zu­rünehme. Er ergeht sich dann in weiteren verfassungs- und repu­bliffeindlichen Aeußerungen, die der Präsident als nicht mehr per­sönlich untersagt.

Der Präsident erflärt weiter auch, er werde sich die persönlichen Bemerkungen Schmidt- Hannovers in Zukunft schriftlich vorlegen lassen, zumal dieser nicht zum erstenmal gewählte Abgeordnete genau wisse, was persönlich sei und was nicht.( Lebhafter Beifall links und in der Mitte.)

Reichsfanzler Dr. Brüning:

Nach der Feststellung des Herrn Präsidenten habe ich es nicht für noch zu antworten.( Sehr gut in der Mitte und links.) Abg. Schmidt notwendig, auf die persönliche Bemerkung des Abg. von Oldenburg  hat den Fahneneid in ideelle Berbindung mit einem brüchigen und durchlöcherten Instrument, wie er die Berfassung nannte, gebracht. Ich habe meinen Ausführungen nach dieser Richtung hin bewußt nichts hinzuzufügen.( Lebh. Beifall der Mitte und links, lächter rechts.)

Darauf beginnen

die Abstimmungen.

Ge=

Abg. Torgler( Komm.) verlangt Aussehung der Abstimmungen bis zum Eintreffen der verhafteten Frau Abg. Mildenberg, deren Freilassung der Reichstag   vor 5 Stunden gefordert hat. Die Zeit bis dahin fönne ja der Reichskanzler ausfüllen, indem er end­lich über den Metallarbeiterstreif rede.

Präsident Löbe:

Wir haben sofort den Reichstagsbeschluß der Reichs- und der preu­Bischen Regierung zur Kenntnis gebracht. Inzwischen aber ist Frau Mildenberg in Untersuchungshaft gebracht worden, und der Richter, der ihre Freilassung anzuordnen hat, war bisher nicht zu erreichen. ( Großer Bärm der Komm.) Sie fönnen doch nicht bestreiten, daß Das Reichstagspräsidium alles getan hot, mas in feiner Macht liegt. 300 Der Antrag Zorgler mirb gegen die Kommunisten, Nazis und Deutfchnationalen abgelehnt. Abgelehnt mird auch das Berlangen ber Rommunisten, über ihren zum finnischen Handelsvertrag ge­stellten Mißtrauensantrag gegen Minister Schiele bei diesem Gegen ftand abzustimmen; die Mehrheit entscheidet, daß dieser Mißtrauens­antrag zusammen mit den übrigen erledigt wird.

Einstimmig angenommen wird der Borschlag des Ael­testenrates, vorläufig ab 1. November die Diäten um 20 Prozent und die Tagegelber für Ausschußsigungen außerhalb der Tagung um 50 Prozent herabzusetzen. Die definitive Regelung mird ein Unterausschuß treffen.( Rufe der Komm.: Heraus mit den po­fitischen Gefangenen!)

Die Aenderung des Handelsvertrages mit Finnland   wird gegen die Sozialdemokraten und Kommunisten verabschiedet.

Das Schuldentilgungsgesetz für den Ueberbrüdungstrebit mird in namentlicher Abstimmung mit 325 Stimmen der Regierungs­parteien und der Sozialdemokratie gegen 237 Stimmen der Kom­munisten und der Rechten verabschiedet.

Es folgt die Abstimmung über die zahlreichen Anträge, die mit der Regierungserflärung verbunden worden sind.

Abg. Dr. Goffheiner( Dnat.) fucht die vom Abg. Effer( 3.) be= antragte Ueberweisung der Notverordnungen vom Juli an den Steuerausschuß als unzulässig zu erweisen, die Präsidenten 25 be und Esser ftellen unter Bezugnahme auf die Pragis des Hauses das Gegenteil feft.

Sprech: und Singchöre.

Es wird namentlich abgestimmt. Da die Sozialdemokraten weiße Ja- Karten abgeben, ruft ein Nazi- Sprechchor: Wer hat uns verraten, die Sozialdemokraten." Die Sozialdemokraten rufen dar auf den Kommunisten zu: Die nehmen euch eure schönsten Parolen meg." Darauf ein fommunistischer Sprechhor:" Nieder mit den Sozialfaschisten, nieder! nieder! nieber!" Lachend ruft ein Sozial­demokrat: Jetzt sind die rechts an der Reihe!" Die Nazis laffen sich das nicht zweimal sagen und fordern Deutschland   dreimal auf, zu erwachen. Das animiert die Kommunisten, die erste Strophe der Internationale zu fingen und nachher den faschistischen Strolchen ein dreifaches träftiges Nieder!" darzubringen.

"

Unterdessen sind die Stimmzettel eingesammelt worden. Präsident Lobe teilt mit, daß er einen der Teilnehmer an der legten Störung auf drei Tage ausgeschlossen hat; er merde gegen weitere Störungen ebenso vorgehen. Darauf stellen die Sprech- und Gesangschöre ihre Tätigkeit ein, Streitbrecher sind nicht

zu perzeichnen.

Die leberweisung der Notverordnungen an den Steuerays­schuß wird mit 339 gegen 220 Stimmen beschlossen, und zwar mit ungefähr derselben Parteienverteilung mie beim Schuldentilgungs­gefe.

Die Anträge auf Aufhebung oder Revision des Young­Blanes und auf Einstellung der Zahlungen, sowie die übrigen außenpolitischen Anträge werden gegen Nationalsozialisten und Kommunisten, die fofortige Entscheidung mollen, dem Auswärtigen Ausschuß überwiesen, und zwar mit 323 gegen 236 Stimmen.( Bjui­Rufe der Kommunisten.) Anträge gegen Steuerhinterziehungen gehen an den Steuerausschuß. Die Ausschuß- lleberweisung der Sentrum und Bayerische Volkspartei   abgelehnt, der deutschnationale Amnestie anträge mirb gegen Sozialdemokraten, Staatspartei, Amnestieantrag wird gegen Deutschnationale, Nazis und Kommu nisten abgelehnt. Angenommen wird, aber erst in zweiter Befung, gegen Sozialdemokraten und Kommunisten ein chriftlich­fozialer Ammefticantrag für solche politische Straftaten, die nicht gegen Regierungsmitglieder gerichtet waren.

Die Kommunisten verlangen sofortige Erledigung ihres Antrages auf eine Winterbeihilfe für Ermerbslose und Sozialrentner, denn es könne der Winter vorbei sein, bevor der Reichstag   sich wieder ver