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BERLIN  Mittwoch 22. Oftober

1930

Der Abend

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B247 47. Jahrgang

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Severing wieder Innenminister

Minister Waentig zurückgetreten/ Severing   zum Nachfolger ernannt

ein Irrtum. Richtig ist jedoch, daß Genosse 3örgiebel für ein anderes westliches Regierungspräsidium in Aussicht genommen ist. Als sein Nachfolger als Berliner   Polizeipräsident dürfte der frühere preußische Staatsminister, Genosse Albert Grzesinsti in Frage

Der Amtliche Preußische Pressedienst meldet:| im Landtag persönlich begründen hörte, fonnte ein anschauliches| Regierungspräsident für Wiesbaden   auserschen sei. Das war Der preußische Minister des Innern Professor Dr. Bild von den tiefgründigen Kenntnissen Baentigs auf dem Gebiete des Verwaltungsrechts gewinnen. Wacntig hat dem preußischen Ministerpräsidenten sein Rücktrittsgesuch überreicht. Minister­präsident Dr. Braun hat dieses Rücktrittsgesuch an genommen und Staatsminister Dr. Waentig mit dem Ausdruck des Dankes für die dem preußischen Staat geleisteteten wertvollen Dienste von seinen Amts. pflichten entbunden.

Zum Nachfolger des scheidenden Innen ministers hat der preußische Ministerpräsident ge­mäߧ 45 der Preußischen Verfassung den Reichs- und Staatsminister a. D. Severing ernannt.

Die Ernennung Karl Severings zum preußischen Innen­minister wird in allen Kreisen als Antwort auf die nationalfozia­

Wenn Genosse Wäntig gleichwohl heute einem anderen seinen Bosten einräumt, so geschieht dies nicht, weil auch nur der leiseste Vorwurf gegen seine Amtsführung zu erheben wäre. Aber die Situation erfordert, um es einmal grobschlächtig auszusprechen, heute mehr den Polizeiminister als den Ver­waftungsminister an der Spize des preußischen Innenministeriums. Rechts- und Linksradikale wetteifern in Angriffen auf den Staat und auf die öffentliche Sicherheit  , im Klirren der Fensterscheiben und im Krachen der Revolverschüsse merden gleichermaßen wirtschaftliche Existenzen wie die Gesin. Es ist nicht nungsfreiheit der Gesamtheit bedroht.

die Situation, in der sich das Berwaltungstalent ruhig entfalten fann, es ist die Situation entschlossener Abwehr gewalt. ftätiger Bestrebungen.

Für diesen Zwed eignet sich aber faum ein zweiter wie Karl Severing  , der im eigentlichen Sinne des Wortes als Schöpfer einer republifanifchen Polizeigewalt und eines zuverlässigen Ber­maltungsapparates, furzum, als der Schöpfer des republitani fchen Preußens bezeichnet werden darf.

Wechsel im Berliner   Polizeipräsidium.

Wie mir hören, steht auch ein Wechsel im Berliner   Polizei­präsidium unmittelbar bevor. Es war schon vor längerer Zeit in der Breffe davon die Rede, daß Polizeipräsident 3örgiebel als

fommen.

Grzesinski

Zörgiebel

Severing

Waentig

listischen Diktatur- und Staatsstreichdrohungen aufgefaßt werden. Mit Severing   tritt der preußische Innenminister wieder ins Amt, der in sechsjähriger Tätigkeit die Schuhpolzei und den Verwal tungsapparat zu zuverlässigen Machtinstrumenten der republifonischen Regierung entwickelt hat, der jenes System Severing  " schuf, gegen das der ganze Zorn der entmachteten preußischen Junter und Re­aftionäre emporgeiferte. Freiwillig, ohne jeden äußeren Anlaß, hat Severing   nach sechsjährigem Wirfen seine Tätigkeit anderen Händen übergeben, um nach zermürbender und aufreibender Gi gantenarbeit feine seelischen und gesundheitlichen Kräfte wieder einsammeln. Jedermann wußte, daß dieser Abgang kein dauernder Verzicht auf politische Wirksamkeit bedeutete, wie das auch der Eintritt Severings in das Kabinett Hermann Müller   als Reichs­innenminister gezeigt hat. Nachdem aber diese Tätigkeit durch den Rücktrit des Kabinetts Müller ihr Ende gefunden hatte, wäre es ein wahrhafter Verlust gewesen, hätte man zumal in so ernster Zeit wie der jetzigen eine Kraft wie die Karl Severings dauernd brachliegen lassen. Wenn auch in den Reihen der Sozialdemokratie brachliegen lassen. Wenn auch in den Reihen der Sozialdemokratie gewiß fein Mangel an Persönlichkeiten und Köpfen herrscht, so reich find wir nicht, so reich ist feine Partei, daß sie sich den Lurus ge= statten kann, in ernstester Stunde ihre Besten feiern zu lassen.

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Verhandlung beim Arbeitsminister

Unternehmer und Gewerkschaften zu unverbindlichen Besprechungen geladen

Der Reichsarbeitsminister hat heute morgen den Deutschen  | Streitdauer stürmisch die Auszahlung der versprochenen I Metallarbeiterverband davon verständigt, daß morgen Donnerstag um 11 Uhr vormittags im Reichsarbeitsministerium die ersten Ber­handlungen des Metallarbeiterfonflifts stattfinden. Die Berhand­lungen haben vorerst nur unverbindlichen Charakter. zumal der Reichsarbeitsminister zu dem Antrag des Verbandes Ber­ liner   Metallindustrieller auf Berbindlichkeitserklärung des Schieds­spruchs vom 10. Oftober noch nicht Stellung genommen hat.

Nach nunmehr achttägiger Streifdauer macht sich der Ausstand in der Großmetallindustrie im Wirtschaftslebens Berlins   immer stärker fühlbarer. Bei der Zentralstreifleitung häufen sich die An­träge auf Genehmigung von Notstandsarbeiten, die allerdings nicht direkt von den Metallindbstriellen gestellt werden. Die Unternehmer schiden vielmehr ihre Auftraggeber vor, wie städtische oder gemeinwirtschaftliche Körperschaften, die dringende Arbeiten bei Reichsbahnbauten und dergleichen durchgeführt haben

wollen.

Die Zentralftreifleitung genehmigt nur in wenigen Ausnahme­fällen derartige fällen derartige Anträge. Es liegt in jedem ein­zelnen Fall an den Metallindustriellen, die Forderungen des Metallfartells zu bewilligen, dann steht einer Wiederaufnahme der Arbeit nichts im Wege.

Im übrigen muß betont werden, daß es sich meist nicht im ent­ferntefien um Notstandsarbeiten im üblichen Sinne handelt, sondern lediglich um die Fertigstellung von Aufträgen, bei denen den Unternehmern das Feuer auf den Nägeln brennt.

Gesondert zu merten sind die Machinationen des Lindström= gesellschaften Streitarbeiten verrichten läßt. Die 3entral streitleitung beschloß deshalb in ihrer letzten Sizung, ab heute mittag auch die Firma Frei- Radio in den Streit einzubeziehen. Unterdeffen tobt sich die Wut der RGD.- Leute über ihre völlige Einflußlosigkeit im Streit der BBMI.- Betriebe gegenüber den nicht zusammengeschlossenen Kleinbetrieben aus. Auch heute früh haben Betriebsfremde der Rollfommandos der RGO. in Weißensee und im Südosten der Stadt Weber fälle auf zur Arbeit gehende Kollegen aus den Kleinbetrieben unternommen und Schlägereien provoziert.

An Köpfen fehlt es nicht: Ebenso unbeschwert, ebenso unge­zwungen, wie Severing feinerzeit ging, verläßt heute Professor Waentig seinen Platz als preußischer Innenminister, den er nur furze Zeit, aber zur vollen Zufriedenheit der republikanischen Bar- Konzerns, der feeine dem BBMJ. nicht angeschlossene Tochter teien, verwaltet hat. Ihm den Dank der Parteigenossen auszusprechen, ist uns in diesem Augenblid mneres Bedürfnis. Als Oberpräsident von Sachsen   ist es ihm seinerzeit nicht leicht ge­fallen, diesen Posten an der Spize seiner Heimatprovinz gegen das umfämpfte Amt des preußischen Innenministers zu vertauschen. Er hat es auf Bitten der Parteigenossen getan, denen er in der damaligen Situation Severing fam als Reichsinnenminister für Preußen nicht in Frage als der Würdigste erschien, die Nach folgerschaft des Genossen Grzesinski   in Preußen anzutreten. Ge­nosse Waentig hat dieses Vertrauen nicht enttäuscht. Namentlich auf dem Gebiet der Verwaltungsarbeit hat er wichtiges geleistet Dieses Vorgehen der RGD. ist in gewisser Beziehung ein Ab= und die gesetzgeberische Reformarbeit ein gutes Stüd nonan- Ienfungsmanöver der fommunistischen ,, Kampfleitung" gegen gebracht. Wer ihn noch unlängst den Gesetzentwurf Groß- Berlin über ihren rebellierenden Mitläufern, die heute nach einer Woche

drei Mart Unterstügung verlangt haben. Fierzu find natürlich die revolutionären" Strategen nicht in der Lage; zum Erjah hat man deshalb auch schon versucht, von der JAH. Küchen aufzustellen und die berühmten Suppen zu verteilen. Diese Suppen wurden jedoch unter anderem ausgerechnet in der Kösliner Straße, der kommunistischen   Hochburg, von den genasführten RGD.- Anhängern zurüd gewiesen, und es wurde verlangt, daß man endlich die versrpochenen drei Mark Unterstützung aus­zahlen soll.

Schlechte Geschäfte der KPD  .

Bei einem Kampfe, wie er der Berliner   Metallarbeiterschaft aufgezwungen wurde, sind alle Kräfte auf den Erfolg dieses Kampfes zu fonzentrieren. Ein selbstverständlicher gewerkschaftlicher Grundsay. Die KPD. versucht jedoch auch in diesem Kampfe ,, die Rampffront zu verbreitern", das Gegenteil dessen zu tun, was dem Streik der Metallarbeiter förderlich ist. Dazu setzt sie ihre RGO.

ein, die sich aus ausgeschlossenen Gewerkschaftsmit. gliedern zusammensetzt, KPD.- Leuten, die auf Anweisung ihrer Partei den Ausschuß aus ihrer Gewerkschaft provozieren mußten. Die fanatisde gewerkschaftsfeindliche Tendennz der KPD.   richtet sich gegen den Erfolg des Metallarbeiterstreifs.

Die Gegenaktion setzte bei den jugendlichen Arbeitern der Firma Bolle ein, die in einen wilden Streif gehegt wurden. Die Rote Fahne  " muß heute berichten, daß diese unverantwortliche Streifmache am Montag abgebrochen wurde. Wie viele der Bollejungen" dabei ihre Arbeit verloren haben, ver­rät das Blatt nicht, das intereffiert die KPD. auch nicht. Die An­furbelung eines Streits in den städtischen Werken wurde mit einer derart plumpen Lüge über das Kraftwert Klingenberg verfucht, daß sie im Reime erstiden mußte. Für einen allgemeinen Berkehrsstreif find die Aussichten der KPD. wenig günstig, weshalb sie es mit einer Aktion der Kraftdroschtenführer versuchte. Auch damit hatte sie fein Glüd. Immerhin fann sie den zweifel­haften Erfolg verzeichnen, 150 Mann aus der Arbeit gebracht zu haben, wofür sie den ,, Reformisten  " die Schuld zuschiebt.

Mit diesen Teilerfolgen bei Bolle und der ,, Kraftag" nicht zu­frieden, sucht die KPD  . jetzt Kleinbetriebe mit Arbeite­rinnen aus, um die Kampffront zu verbreitern".: